Fotografie als Medium der Kritik Regina Schwarzkopf & Barbara Kolocek
Notwendigkeit von Kritik Ursprung der kritischen Theorie • Anlehnung an sozialpolitische Konzepte
Zygmunt Baumann *19. November 1925 in Posen, Polen Polnisch- britischer- jüdischer Soziologe und Philosoph Lebt immer noch in Leeds, England Bis zum 2.Weltkrieg lebte er in Posen. Danach siedelte er in die Sowjetunion über Nach dem 2. Weltkrieg promovierte er an der Universität Warschau, dort lehrte er ab 1954 Soziologie 1971 erhielt Bauman einen Lehrstuhl für Soziologie an der Universität von Leeds, den er bis 1990 besetzte Während den 90´er legte er zahlreiche Arbeiten zum Diskurs der Postmoderne nieder
Kritik Die Welt ist vielsichtig, pluralistisch und offen, daher sind allgemein gültige Moralmaßstäbe nicht mehr gültig. Kritik als Modus einer Weltdeutung, die Überliefertes stets neu in Frage stellt Altbekanntes im verändertem Licht zeigt Verweis auf Kontingenz der Faktizitäten Kritiker als Interpret kommentiert die Texte kritisch, ohne Legitimität für sich zu erheben
Ambivalente Position des Kritikers Kritiker: Eingebettet im Kontext, die er kritisch zu beschreiben versucht Exilant: Externer Beobachter, der sich mit seiner kritischen Haltung distanziert, ohne das ihm das gelingen kann. Neue Form des kritischen Engagement Durch das Wechselseitige sich Aufeinanderbeziehen, der internen, wie der externen Perspektive ist weder eine distanzierte verharrte Beobachterrolle, noch eine situative Empathie möglich.
Kritische Theorie Gesellschaftliche “Wirklichkeit“ aus der Sichtweise eines Möglichen Andersseins zu kritisieren Kritik in dieser Sicht ist eine Widerspruchsdiagnose - Das vermeintlich Gegebene als kontingent zu begreifen und damit andere Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens für möglich zu halten -Infragestellung der eigenen und der wahrgenommenen Sichtweisen -“blinder Fleck“ in der eigenen reflexiven Analyse muss ebenfalls wahrgenommen werden
Entstehung einer kritischen Analyse stets neue Deutungen, die wiederum umgedeutet werden diese Deutungen bleiben offen keine exakten Aussagen Offenlegung der Perspektivität
Ziele Provokativen Bedeutungsüberschuss zu produzieren Regt zum Denken an Vermeintliche Gewissheiten werden erschüttert Ermöglichung neuer Erkenntnisse
Fazit Kritisches Denken ist kontrapunktistisches und antithetisches Denken Baut ein Spannungsfeld von Zweideutigkeit auf Verweist auf das einseitige Denken der dominanten Sichtweisen
Problem des Dokumentarischen Ursprung der Dokumentarfotografie In den 1920er Jahren in Amerika geprägt Kennzeichnung einer künstlerischen Bewegung in den spezifischen sozialen und kulturellen Verhältnissen der 30er Jahre. Aufgabe bestand darin ein Gemeinschaftsbewusstsein herzustellen - Die wohlhabenden Städter wurden mit der Armut der Landbevölkerung konfrontiert
Was bedeutet Dokumentarfotografie? “So ziemlich alles“ und “ so ziemlich nichts“ Dokument von “ Etwas“, was sich vor der Kamera befindet Kamera erzeugt ikonische Zeichen und bildliche Repräsentationen, indem sie Wirkliches in Bildliches überträgt Fotografie ist ein Medium der Sichtbarmachung
Soziale Praktiken mit der Dokumentarfotografie Nutzung der Fotografie als investigatorisches Medium (wissenschaftliche Fotografie) Nutzung der Fotografie als aufklärerisches Medium (sozialdokumentarischen Fotografie) Basiert auf spezifische Haltungen und Überzeugungen, die bestimmte Diskurse stabilisiert.
Glaubenssystem des Realismus Fotografische Objekte sind ein spezifisches Abbild zum Realen
Realitätseffekt Wird durch die fotografische Perspektive verhärtet Monukulare, statisch und seitlich begrenzte und auf einem Fluchtpunkt hin laufende Bildorganisation -Unterstützt den dominanten Blick des Betrachters(Fotograf, sowohl der spätere Betrachter) Verstärkt durch eine Einschränkung des offenen Horizonts, die Fokussierung des Blicks und eine Begrenzung der Unbestimmtheit
Folge Die Fotografie bekommt eine dominante Haltung, was zu einer spezifischen, fotografischen Konstruierung des Objektes führt. Betrachter nimmt den Ort des Fotografen ein, erweckt den Anschein einer Gegenwart Trotz der Einsicht in die konstruktiven Momente des fotografischen Aktes, wird die Fotografie als eine objektive Abbildung der Realität wahrgenommen, die den Diskurs des Dokumentarischen immer noch von der Zuschreibung der Neutralität, der Objektivität und der Wahrheit beherrscht.
Reinhard Matz Reinhard Matz *2.Januar 1952 und aufgewachsen in Bremen 1970 Abitur und Übersiedlung nach Berlin 1971-1973 Fotografenlehre in Berlin 1973-80 Studium der Philosophie, Germanistik und Medienwissenschaft an der Universität Berlin und Köln 1976-84 Studium künstlerische Fotografie an der FH Köln Seit 1972 freie Fotoarbeiten und fotografische Auftragsarbeit 1979 Erste Einzelausstellung Ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift European Photography, Göttingen Seit 1993 Lehrbeauftragter im Fachbereich Gestaltung, Universität Wuppertal Seit 2004 vertreten bei LUMAS Internet- und Editionsgalerie Lebt seit 1975 in Köln und Berlin
Fotografie als Konstruktion Fotografien nehmen selektive Zersplitterung der Realität vor (Selektionseffekt) Jede Fotografie beinhaltet konventionelle, perspektivische Blickwinkel, soziale, kulturelle und zeitliche Einbindung Ästhetisch überformte Wirklichkeitskonstruktion Dadurch erhalten Fotografien spezifische Bedeutung
Potential der Fotografie Liegt gerade in der Selektionsfunktion Herausheben eines bestimmten Aspekts oder eines Details Liefert Betrachtungsweisen der Wirklichkeit und nicht diese selbst - Deshalb kann nie von “wahr“ oder “ falsch“ die Rede sein Fotografie ist ein Medium, welches zwischen Sichtbarkeit und Sichtbarmachung steht Paradox Intention der Fotografie die Wirklichkeit darzustellen, jedoch arbeitet diese mit gewählten Blickwinkeln.
Fotografie als Methode Fotografie trifft auf ein vages Vorwissen des Betrachters Betrachter hat somit eine gebildete Erwartungshaltung Im Vorausschau der Erwartungshaltung wurde das spezielle bildnerische Mittel eingesetzt Dieses kulturelle Zusammenspiel macht aus der Fotografie zu einem Dokument
Die Festschreibung und Fixierung hierarchischer Strukturen In der sozialdokumentarischen Fotografie sind gesellschaftliche Strukturen zu erkennen Subjekt- Objekt- Hierarchie: Passives Objekt: Fotografierte ist der arme und sozial schwache Aktives –Subjekt: Fotograf ist der Deuter und Interpret Fotografen präsentieren leidende Personen, in einem Opfer- und Objektstatus, als Repräsentanten/ Prototypen für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Folge Durch diese Stereotypisierung können bestimmte soziale Gegebenheiten verhärtet werden, anstatt diese zu bekämpfen.
Was kann die Fotografie als Medium der Kritik leisten? Kritik- Modus “Kritik erweist sich als ein Denkmodus, der versucht, die Vielfältigkeit und Vielsichtigkeit des scheinbar Gegebenen zu explodieren, indem das interpretativ zu explodierende Phänomen unter stets neuen Bezügen, Gesichtspunkten und Perspektiven beleuchtet und reflektiert wird.“ Die Fotografie kann als Medium der Kritik folgendes leisten: Mit dem reflexiven Charakter, kann die Fotografie, vermeintliche Faktizitäten als gesellschaftliche Konstruktion entlarven und die in ihr herrschende kulturelle, politische und sprachliche Eingebundenheit freilegen und deren Bedeutung innerhalb der Repräsentationssysteme, kritisch zu beleuchten.
Lewis Hine geboren am 26. September 1874 in Oshkosh, Wiskonsin Nach Schulende als Arbeiter in verschiedenen Bereichen tätig Zeit der Arbeitslosigkeit Blick für soziale Themen 29 Jahre, Fotografielehre Dokumentationen von Kinderarbeit Ziel: Appell an Gesetzgeber gegen Kinderarbeit 1930: Auftrag, Dokumentation des Empire State Buildings
Ziele Dokumentation von sozialen Misständen ↓ Lebenslage der Opfer • „Wirklichkeit unverfälscht ablichten.“ • Der Mensch als Thema der Fotografie • Bild vermitteln, das abweicht von regierungstreuen und konventionellen Sichtweisen • Dokumentarfotografie Aufklärungsfunktion!!!
Jakob August Riis Geboren am 3. Mai 1849, Dänemark 1870: Auswanderung USA 1873: Journalist „South Brooklyn New“ 1877: Polizeireporter „New York Tribune“ 1888: „New Yorker Evening Sun“ Dokumentationen von Armut & Obdachlosigkeit in New Yok
Fotografie als Bemächtigungsstatus Instrument der Inbesitznahme ↓ „Bilder schießen“ , „Schapp-Schuss“ • Kontrolle und Unsterblichkeit • Fotografische Akt Machtausübungsakt!! Vivian Sobchak: „Mumifizierung der Gegenwart“ Illusion der absoluten Kontrolle
Deutungen Solomon-Godeau & Baumann: Personen als „bildiches Spektakel“ Schockierende Fotografien zum Zwecke der Hilfeleistungen und Spenden Ambivalenz → Instrumentalisierung der Opfer ↓ Hilfe
Problematik Fotografie: nur ein raumzeitlicher Ausschnitt keine Berücksichtigung der komplexen Kontexte! keine Geschichte! Wirkliche Darstellung: - Genialität - Kunstfertigkeit - Mut der Fotografen