Der fiebernde Patient- bakterielle und mykotische Infektionen Heinz Burgmann Innere Medizin I Klinische Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin
FRAGEN Welche Keime? Wann beginne ich zu therapieren? Welche Untersuchungen? Welche Substanzen verwende ich für die empirische Therapie? Wann und welche Antimykotika? Prophylaxe?
FEBRILE NEUTROPENIE 60 50 Infektionen gesamt schwere Infektionen 40 Infektionen/100 Tage 80 40 Bakteriämien Prozent 60 30 20 40 10 20 29 69 71 31 0 - 99 100 - 499 500 - 999 > 1000 1973 1993 Granulozytenzahl
Warum ändert sich das Keimspektrum?
Vormarsch der Gram-positiven! Mukositis Katheter Chinolonprophylaxe
ESBL „Extended Spectrum ß-Laktamase“ „Extrem Schwierig ßerechenbare-Lebewesen“ „Extrem Schwer ßehandelbare-Lebewesen“
ESBL – Definition Gruppe plasmid-kodierter ß-Laktamasen Gemeinsamkeit: unterschiedlicher genetischer Hintergrund (TEM, SHV, CTX-M) unterschiedliches Substratspektrum Gemeinsamkeit: Inaktivierung von ß-Laktamantibiotika Ausnahme: Carbapeneme (Imipenem, Meropenem, Ertapenem)
Wenn ESBL identifiziert wird gilt Keim als resistent gegen alle Cephalosporine, Penicilline und Aztreonam
Quinolone, Aminoglykoside und Trimethoprim-Sulfmethoxazol sollen nicht für die initiale Therapie einer schweren Infektion mit ESBL verwendet werden
ESBL Therapie Carbapeneme Ertapenem: MdW. Da kein Druck auf Pseudomonas Meropenem/Imipenem: hoch wirksam Ramphal-R, CID 2006:S164
Weitere Therapieoptionen bei ESBL… Piperacillin/Tazobactam Tigecyclin Fosfomycin Pivmecillinam Nitrofurantoin
Pseudomonas aeruginosa bei der Neutropenie
P. aeruginosa Schlagwörter Häufiger Gram-negativer Erreger nosokomialer Infektion (28.7% der nosokomialen Infektionen) Dritter hinter E. coli und Klebsiella Case-Fatality Rate > 20% Rasche Progression der Erkrankung Wenige wirksame Substanzen Resistenzentwicklung unter der Therapie El Amari, CID 2001
Antipseudomonas Antibiotika Antipseudomonas-Penicilline Piperacillin Pipi/Taz Cephalosporine: Ceftazidim Cefepime Cefpirom Carbapeneme Aztreonam Aminoglykoside (Chinolone)
Outcome and early prognostic indicators in patients with a hematological malignancy admitted to the intensive care unit for a life-threatening complication. Benoit-D Crit Care Med 2003
Infection Control and Hospital Epidemiology 2003
Bakteriämie ist mit besseren Outcome assoziiert Outcome and early prognostic indicators in patients with a hematological malignancy admitted to the intensive care unit for a life-threatening complication. Benoit-D Crit Care Med 2003 Bakteriämie ist mit besseren Outcome assoziiert In Widerspruch zu früheren Publikationen, aber Oftmals fehlt Definition der Pneumonie bzw. aller Infiltrate werden als Pneumonie eingestuft Oftmals nicht zwischen bakterieller Infektion und invasiver pulmonaler Aspergillose bzw. CMV unterschieden Oftmals schwierig zwischen infektiös und nicht-infektiös zu unterscheiden Auch bei einigen nicht-immunsupprimierten Patienten auf der ICU war Prognose bei Infektionsnachweis pulmonaler Infiltrate besser Honar Cherif et al. Support Care Cancer 2007
Wann beginne ich mit einer antimikrobiellen Therapie?
FEBRILE NEUTROPENIE Beginn der empirischen Therapie Orale Temperatur einmalig > 38.2°C oder innerhalb 1 Std. mind. zweimal > 38.0°C Granulozytenzahl < 500/µL oder <1000/µl mit erwartetem Abfall auf < 500/µL Kein Hinweis auf nicht-infektiöses Fieber Malignom, B-Symptomatik Transfusion von Blutprodukten Arzneimittelreaktionen (Drugfever)
…..muss ich nicht noch diagnostische Untersuchungen machen?
Klinische Untersuchung Haut-und Schleimhäute Eintrittsstellen zentraler oder peripherer Venenzugänge, Punktionsstellen Obere- und untere Atemwege Urogenitalsystem Abdomen und Perianalregion Messung von RR, Puls und Atemfrequenz Orientierende neurologische Untersuchung PEG 2004
Diagnostik bei Fieber und Neutropenie Bildgebende Untersuchungen Lungenröntgen Abdomensonographie CT-Thorax, Abdomen MRI
Pneumonie und Neutropenie Nur 30% der neutropenischen Patienten mit Infiltrat reagieren auf eine Standard- antimikrobielle Therapie Pneumonie ist die ungünstigste Infektion des neutropenischen Patienten Tritt bei etwa 20% der neutropenischen Patienten auf C/P nicht sehr hilfreich Neuburger S et al. Ann Hematol 2006; 85: 345
Pneumonie und Neutropenie Pathophysiologie Defekte der Chemotaxis und Phagozytose Zerstörung der Haut- und Schleimhaut Einige Chemotherapeutika (Bleomycin, Busulfan, Cyclophosphamid, MTX, Taxene) sind pulmonal toxisch – interstitielle Pneumonitis
Die Erreger der Pneumonie Rolston K. Curr Opin Oncology 2001;13:218
Spezifische Diagnose bei der neutropenischen Pneumonie: Pitfalls Verminderter inflammatorischer Response Klinische und radiologische Zeichen zu Beginn oft minimal Geringe Sputumproduktion BAL oft nicht diagnostisch Nachgewiesene Erreger: Kolonisation? Invasive Eingriffe limitiert (Thrombopenie)
C/P und Immunsuppression Niedrige Sensitivität in der Frühphase 20% von PJP bei AIDS werden nicht erfasst 90% der IPA sind röntgennegativ 60% neutropenischer Patienten haben trotz neg. C/P Infiltrate im CT – Zeitgewinn von 4 Tagen!!!
Problem: Radiologie The House of God If the radiology resident and the BMS both see a lesion on the chest X-ray there can be no lesion there. Samuel Shem
Das Röntgen CT Logan PM. Chest 1995; 108:1283
Mikrobiologische Diagnostik Obligat: Blutkulturen Bei Indikation: Dysurie: Urikult Diarrhoe: darmpathog. Keime, Clostr. diff. Haut/SH: Abstriche, Biopsie Neurologie: Liquorzytologie- und kultur
Ursachen eines anhaltenden Status febrilis trotz Antibiotikatherapie Nichtbakterielle Infektionen Bakterien sind resistent Auftreten einer sekundären Infektion Drug fever Katheterinfektion, Abszeß Abfiebern kann bei ß-Lactamantibiotika erst nach 4-5 Tagen eintreten
Kriterien für Niedrigrisikopatienten Neutropeniedauer (< 500/µl) von max. 5 Tagen zu erwarten Kein Hinweis auf ZNS-Infektion, schwere Pneumonie oder Venenkatheterinfektion Keine Zeichen von Sepsis oder Schock Keine ausgeprägten abdominellen Beschwerden Keine intravenöse Supportivtherapie erforderlich, keine Dehydratation Keine Notwendigkeit der ständigen oder engmaschigen Überwachung Orale Antibiotika möglich Keine Chinolonprophylaxe/therapie (innerhalb 7 d) Patient bewußtseinsklar
Risikoeinteilung und Therapieoptionen bei Patienten mit febriler Neutropenie Risikogruppe Patientencharakter Behandlungsoption Niederes Risiko Kurze Neutropenie (< 7d) Solider Tu mit konventioneller Chemotherapie Keine Komorbidität Klinisch stabil bei Fieberbeginn Ambulante parenteral oder enterale antibiotische Therapie
Risikoeinteilung und Therapieoptionen bei Patienten mit febriler Neutropenie Risikogruppe Patientencharakter Behandlungsoption Moderates Risiko Moderate Dauer der Neutropenie (7-14d) Solider Tu Klinisch stabil mit geringer Comorbidität Frühes Ansprechen auf initiale Therapie Initial parenteral, stationär, Gefolgt von frühzeitiger Entlassung und ambulanter, parenteraler oder oraler Weiterführung der Therapie
Risikoeinteilung und Therapieoptionen bei Patienten mit febriler Neutropenie Risikogruppe Patientencharakter Behandlungsoption High risk Lange Neutropenie(>14d) Maligne hämatologische Grunderkrankung oder allogene KMT Substantielle Comorbidität Klinisch instabil Stationäre, parenterale empirische Therapie
Vorschlag für Stufentherapie
Peneme Gruppe 1: Gruppe 2 Gruppe 3 Ertapenem Imipenem Meropenem Doripenem Gruppe 3 CS-023 wie Gruppe 2 + MRSA
Doripenem (Doribax®)
Glykopeptide Tagesdosis Vancomycin 3 – 6 g Teicoplanin 0.8 – 1.2 g Dalbavancin Oritavancin Ramoplanin
Linezolid Erstes Oxazolidinon, interferiert mit dem 70 S Initiierungskomplex Wirksam gegen S.aureus (inkl. MRSA) S.epidermidis (inkl. MRSE) S.faecalis E.faecium Streptokokken 2 x 600 mg IV=PO Dosissteigerung ? Cave: Thrombozytopenie, Neuropathie Serotonin Syndrom
Tigecyclin Glycylyclin, Derivat von Minocyclin Aktiv gg. Gram-positive inkl. MRSA, VRSA, VRE, PRSP + Gram-neg. Erreger Ausscheidung über Harn und Faeces HWZ 8 Stunden Dosis 50 – 100 mg ? UAW: Übelkeit, Erbrechen, Schwindel
Daptomycin Streptomyces roseosporus 1980 - Lilly Zyklisches Lipopeptid mit Aktivität gegen Gram-positive Kokken (VRE) Wirkmechanismus: Insertion und Depolarisation der Bakterien membran, daher keine Kreuzresistenzen zu erwarten Lange HWZ: 8 Stunden, renale Ausscheidung, hohe Eiweißbindung Cave: Myolyse
Antimikrobielle Therapie Tazonam 3-4 x 4.5g Cefrom/Maxipime 3 x 1-2 g Zienam 3 x 1g Optinem Aminoglykoside Genta: 3-5 mg/kg/KG Biklin: 15 mg/kg/KG Glykopeptide Nur bei ausgeprägter Mukositis (WHO 3,4) Zyvoxid 2 x 600 mg
Initialtherapie bei Niedrigrisikopatienten Ciprofloxacin 3 x 500mg bzw. Levofloxacin 1 x 500 mg + Amoxicillin 3 x 1 g (od. Clindamycin 3 x 600mg) Nach 3-5 Tagen Reevaluation – bei ausbleibenden Therapieerfolg weitere Diagnostik + i.v. Therapie.
Patient wird unter antibakterieller Therapie nicht besser……….
Welches Antimykotikum?
Systemische Mykosen 2008 Caspofungin Micafungin Anidulafungin Amphotericin B Fluconazol Vorikonazol Posakonazol 5-Flucytosin
Aspergillus Antigen Test (Galactomannan) Sehr sensitiv (1 ng/ml) Blut, BAL, Liquor etc. Positiv bereits in frühen Stadien Ev. vor den ersten klinischen Symptomen positiv 2 konsekutive Seren positiv: Sens+Spez > 90 Besonders sinnvoll auf Hämatologie Achtung bei vorhandenen Ak!
Aspergillus Antigen Test (Galactomannan) Falsch positive Ergebnisse Piperacillin/Tazo Falsch negative Befunde Antimykotika rasche Ausscheidung
Amphotericin B- kontinuierlich bis 2 mg/kg in 500 ml Glukose über 24h Weniger Nebenwirkungen Signifikant reduzierte Nierentoxizität Gleiche, wenn nicht bessere Wirksamkeit Eriksson U, BMJ 2001
LIPOSOMALES AMPHOTERICIN B Indikation Dosierung AmB 1.0 – 1.2 Ambisome 1.0 – 3.0 – 5.0 Amphocil 3.0 – 4.0 Abelcet 5.0 Tagesdosis in mg/kg akute Niereninsuffizienz Kreatininanstieg 3.0 mg/dL unter AmB Comedikation mit nephro-toxischen Medikamenten Therapieversagen von AmB bei system. Pilzinfektionen adaptiert n. Graninger, Update in Therapeutic Hypothermia 1999
CASPOFUNGIN - Cancidas® Echinocandin Wirkmechanismus: Hemmung der Glukansynthese Spektrum: Aspergillus spp., Candida spp., Amphotericin B-, Fluconazol- und Flucytosin-res. Candida spp. H. capsulatum, P. carinii Resistenz: Cryptococcus neoformans Nebenwirkungen: Thrombozytopenie, Durchfall, Hypertonie, Kopfschmerzen Indikation: Fluconazol- od. AmB-resistente Pilzinfektionen Empirische Therapie der febrilen Neutropenie Dosierung: 1 x 70 mg i.v. Loadingdose, 1 x 50 mg tgl. i.v. ab Tg2 keine Dosisanpassung bei Niereninsuff
Anidulafungin (Ecalta®) Parenteral, 99% Eiweissbindung T1/2: 25h Verteilungsvolumen: 25-30l Lineare Pharmakokinetik Keine hepatische Metabolisierung Geringe bis keine Interaktion Plasmatischer Abbau, Exkretion über Feces Dosis: 200mg/100 mg
Azole Hemmung der Ergosterolsynthese der Pilze 1944 Benzimidazol 1960s: Imidazole, topisch (Clotrimazol) 1980s: Triazole: Fluconazol und Itrakonazol 1990s/2000: Voriconazol Posaconazol Revuconazol
VORICONAZOL Triazol Wirkmechanismus: Indikation: Spektrum: Dosierung: Hemmung der Sterolsynthese Spektrum: C. albicans (Flu-res.), Candida spp., Cryptococcus neoformans, Pseudoallescheria boydii, Blastomyces dermatidis, Aspergillus Resistenz: Fusarium spp., Mucor Nebenwirkungen: Hepatische Cholestatse, Sehstörungen, Exanthem (selten) Indikation: Infektionen mit Fluconazol-resistenten Candida, Aspergillus Dosierung: 2 x 6mg/kg mg i.v. Loading Dose 2 x 3 mg/kg i.v. weiter hohe Bioverfügbarkeit starke hepatale Metabolisierung Liquorgängigkeit 50%
Voriconazol Gesicherte od. wahrscheinliche Aspergillose: Tag 1: 2x6mg/kg KG Tag 2-8: 2x3mg/kg KG ab Tag 9: 2x200 mg Empirischer Einsatz: Tag 2-3: 2x3mg/kg KG ab tag 4: 2x200 mg
Noxafil ® (Posaconazol) Indikation: invasive Aspergillose Fusariose Chromoblastomykose, Myzetom Kokzidiomykose Dosierung: 2 x 400 mg/d mit Mahlzeit (Saft) 4 x 200 mg/d nüchtern Keine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz Cave: Medikamenteninteraktion
Anidula-, Caspofungin: Sprosspilze (Blutkultur) Nicht-neutropenisch Keine Azol-Prophylaxe Fluconazol: C.parapsilosis Anidula-, Caspofungin: C. glabrata Anidulafungin, Caspofungin Polyene Neutropenisch Anidulafungin, Caspofungin Polyene Schwere Sepsis – Sept. Schock Anidulafungin, Caspofungin ECIL, 2007; ICAAC 2007 (IDSA Guidelines for 2008) 62
Ist Prophylaxe sinnvoll?
Antibakterielle Prophylaxe Multimorbidität Alter > 65a Ablative Therapie mit zu erwartender Persistenz (> 1 Woche) schwerer Neutropenie (Granulos: < 500/µl)
Antifungale Prophylaxe Ablative Therapien mit zu erwartender Persistenz schwerer Neutropenien (Granulo < 500/µl) Hochdosierte langdauernde Behandlung mit Cortison (> 25mg Aprednisolon)
Pneumocystis Prophylaxe Hochdosierte, langdauernde Behandlung mit Cortison (> 25mg Aprednisolon) Therapie mit Mab Campath Therapie mit Temodal
Zusammenfassung Neutropenie führt zu erhöhter Infektanfälligkeit Frühzeitige empirische antimikrobielle Therapie Vermehrt Gram-positive Bakterien Mikrobielle Diagnostik!! Antimykotische Diagnostik schwierig – Candida, Aspergillus Neue antifungale Therapien (Caspofungin, Micofungin,Voriconazol, Posaconazol) Prophylaxe: Routine nein- in ausgewählten Indikationen ja.