Seminar zur Rechtstheorie: Grund- und Menschenrechte in Zeiten von Klimawandel, Digitalisierung und Rationierung Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik, Leipzig/Berlin & Universität Erfurt, Staatswissenschaftliche Fakultät & Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Juristischer Bereich & Universität Rostock, Juristische/ Interdisziplinäre Fakultät/ Wissenschaftscampus Phosphorforschung Rostock felix.ekardt@uni-rostock.de; mail@sustainability-justice-climate.eu www.nachhaltigkeit-gerechtigkeit-klima.de
Seminar-/ Referatsthemen Universalistische Menschenrechtsbegründung und ihre Kritik Ethische versus rechtliche Menschenrechtsperspektiven (Michael Schwabe; Lit: Sustainability, Ch. 1.6, 1.7) Klassisches und neues Freiheitsverständnis (Priscilla Pirschle; Antonia Bau; Margarethe Hoberg; Lit.: Sustainability, Ch. 3.2, 3.3, 3.4) Menschenrechte und Demokratie (Linus Müller; Jakob Zenge; Johanna Schulz; Lit.: Sustainability, Ch. 3.5) Menschenrechte und Abwägungsregeln (Julia Schülke; Lisa Müller; Lit.: Sustainability, Ch. 3.6., 3.7) Menschenrechte und Kosten-Nutzen-Analyse (Marcel Colditz; Minh Dang; Lit.: Sustainability, Ch. 3.9) Menschenrechte und Klimawandel (Darya Staravoitava; Torben Nübel; Lit.: Sustainability, Ch. 3.9) Menschenrechte und Biodiversitätsverlust (Pia Börstler; Lilly Jacobs; Lit.: folgt) Menschenrechte und Rationierung (Gina Butros; Robert Christ; Lit.: Aufsatz folgt) Menschenrechte und Chancengleichheit (Tanja Vöhler; Josephine Beier; Antonia Berger; Lit.: TdN, § 4 F. III.) Menschenrechte und Digitalisierung (Nadja Bloch; Leon Otteni; Lit.: Aufsatz folgt) Menschenrechte und Künstliche Intelligenz (Claudia Meier; Davide Ferrando; Lit.: Aufsatz folgt)
Beispielsfall zu den Grundrechten Fall: “Klimaklage vor dem BVerfG” Haben Bürger einen Anspruch auf die verfassungsgerichtliche Feststellung, dass die bisherige deutsche Klimapolitik und die deutsche Rolle in der EU unzureichend sind und innerhalb einer vom BVerfG zu setzenden Frist nachgebessert werden müssen? Staats- und EU-Ziele: Inhalt? Einklagbarkeit? Rolle der Umweltrechtsprinzipien Eingriff in den Schutzbereich von Grundrechten welche Grundrechte sind beeinträchtigt? nationale/ EU-/ völkerrechtliche Ebene gibt es eine Vorsorgedimension? (Ebenen von Vorsorge) gibt es einen multipolaren Grundrechtsschutz? (grammatische, systematische und teleologische Argumente) sind Abwehr und Schutz überhaupt scheidbar? (handlungstheoretische Basis, mittelbarer Grundrechtseingriff versus Schutzkonstellation) intertemporale und globale Dimension? andere Grundrechte mit in der Waagschale? 3
Beispielsfall zu den Grundrechten Fall: “Klimaklage vor dem BVerfG” Rechtfertigungsebene vorab: Prüfungsfolge? vorab: völkerrechtsfreundliche Auslegung? (Bezug zu Art. 2 Abs. 1 PA) formell-verfassungsrechtliche Fragen (Kompetenz, Bestimmtheit, Gesetzesvorbehalt u.a.) legitimer Zweck: Grundrechte von Unternehmen und Konsumenten; multipolare Konfliktlage; Vermeidbarkeit oder Unvermeidbarkeit von Abwägungen; neminem laedere weitere Abwägungsregeln, insbesondere: Abwehr per se vor Schutz? (objektive Wertordnung, Gewaltenteilung, genaues Anspruchsziel, Klageflut, konstitutionelle Tradition) Tatsachenerhebungsregeln Verbot der physischen Eliminierung der Abwägungsgrundlagen 4
Grundansätze der Rechtsphilosophie Rationalismus/ Philosophie der liberalen Demokratie/ “Aufklärungsphilosophie” Kontextualismus metaphysische Ansätze Skeptizismus Nihilismus Postmodernismus Positivismus (z.B. als Utilitarismus oder Hobbesianismus)
Immanuel Kant Freiheit & gewaltenteilige Demokratie („Republik) Summe der Aufklärung und der frühneuzeitlichen Philosophie strenge Sein-Sollen-Scheidung deontologische Freiheit ohne Abwägungen unklares Verhältnis zur Demokratie Programm letztlich nicht zu Ende geführt Freiheit & gewaltenteilige Demokratie („Republik) Menschenwürde & kategorischer Imperativ (normative praktische) Vernunft 6
Grundlagen der Kosten-Nutzen-Analyse Klima-Beispiel – normativer Ausgangspunkt: Art. 2 Abs. 1 PA = für 1,5 Grad max. zwei Dekaden bis zu Nullemissionen in allen Sektoren weltweit Intention der KNA: normativer Empirismus – „nonkognitivistischer Kognitivismus“ ohne Abwägungs-Beliebigkeit >>> Schein-Rationalität? ökonomische Bewertung, KNA, ökonomische Ethik, umweltökonomische Gesamtrechnung, Kosteneffizienz, ökologischer Fußabdruck u.a.m. Erkenntnistheorie und Methodik: Sein vs. Sollen, Genesis vs. Geltung, objektiv vs. subjektiv
Historie und Standardeinwände Historie: Nominalismus und Empirismus (nicht einfach „Neoklassik“ oder auch „Utilitarismus“) Homo oeconomicus Normativität der KNA (“effizient”, “optimal”) Abwägungsfokus der KNA (und Verhältnis zum Universalismus; Deontologie vs. Konsequentialismus) Quantifizierungsfokus der KNA Nutzenbegriff und Verteilungsfragen Individualismus KNA vs. ökonomischen Instrumente Kapitalismuskritik
Friktionen der Anwendungsebene unlösbare Anwendungsprobleme, sobald Zahlungsbereitschaft für nicht monetär vorliegende Kosten und Nutzen ermittelt werden soll (auch Beobachtung scheitert; Vielgestaltigkeit zusätzlich erschwerend) unlösbare Probleme beim Rechnen unter Unsicherheit zweifelhafte Diskontierung (u.a. zu Lasten künftiger Generationen) Friktionen bei den empirischen Grundlagen (und klandestiner Charakter vieler Berechnungen)
KNA und liberal-demokratische Rechtsprinzipien Vieldeutigkeit des Verhältnisses Ökonomik/ Recht Unvereinbarkeiten der KNA mit den Grundprinzipien liberal-demokratischer Rechtsordnungen plebiszitärer Charakter der KNA unterlaufenes Gewaltmonopol des Rechts Abwägungsgewicht der Grundrechtsgarantien hängt nicht an Zahlungsfähigkeit keine bloß subjektive Faktenermittlung Präferenzen künftiger Menschen Alternative: freiheitsrechtsbasiertes Abwägen in liberal-demokratischen Verfassungen
Theoretische Basis der KNA empiristische Normativität scheitert naturalistischer Fehlschluss oder dogmatische Setzung unklare Art der Präferenzverrechnung intertemporale Problemlagen verdrehtes Kaldor-Hicks-Kriterium scheiternde Anwendung auf sich selbst performativer Widerspruch (vice versa: elenktische Basis für Vernunft, Menschenwürde, freiheitlich-gewaltenteilige Demokratie) Parallelen zur ökonomischen Ethik (und zum Utilitarismus) ähnliche Probleme bei nicht-ökonomischen Ansätzen
Neuere Diskursethik Freiheit & gewaltenteilige Demokratie Begründungs- statt Sprachorientierung; keine Konsensorientierung; keine Diskurspflicht; klare Freiheits- und Abwägungstheorie; Nachhaltigkeit Durchführung des transzendentalen Programms von Kant klare Verbreiterung bezogen auf Handeln und potenzielle Gesprächspartner Kulturimperialismus? Vernunftdiktatur? macht vernunft unglücklich? kontextvergessen? zu fundamentalistisch? Freiheit & gewaltenteilige Demokratie Autonomie & Unparteilichkeit (normative praktische) Diskurs-Vernunft 12
Bleibende Relevanz der KNA Wissenssoziologie: Apprallen der Kritik (parsonsianisches Wissenschaftsverständnis etc.) bleibende Relevanz Nutzung als reiner (beschränkter) Faktenlieferant für gesetzgeberische und administrative Entscheidungen – allerdings beschränkt auf reale, monetär vorliegende Fakten >>> umweltökonomische Gesamtrechnung freiwillige Nutzung zu Transparenzzwecken durch den Gesetzgeber Kosteneffizienz Anwendungen im privaten Sektor
Veranstaltungen Vortrags- und Diskussionsveranstaltung (Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Prof. Dr. Reimund Schmidt-De Caluwe, Dr. Jessica Stubenrauch) am 26.11.2019 an der Universität Halle, 16:00h s.t. bis 18:00h, Melanchthonianum Hörsaal XX, zu „Klima, soziale Gerechtigkeit und Grenzen des Wachstums“: hier Tagung zu den sozialen Folgefragen einer klimaschutzinduzierten Postwachstumsgesellschaft am 19.06.2020 in Berlin-Mitte: bitte Ankündigungen auf www.felix-ekardt.eu verfolgen 14
Eigene Texte Sechsmal jährlich Infos über den Newsletter unter www.felix-ekardt.eu und konstant auch über Twitter und Facebook Radiointerview zu Fridays for Future im WDR, März 2019 Diverse ZEIT-Artikel zu aktuellen Nachhaltigkeitsthemen Verfassungsbeschwerde zur deutschen (und europäischen) Klimapolitik Wir können uns ändern: Gesellschaftlicher Wandel jenseits von Kapitalismuskritik und Revolution, Taschenbuch, Oekom 2017 Kurzschluss: Wie einfache Wahrheiten die Demokratie untergraben, Taschenbuch, Ch. Links Verlag 2017 Sustainability: Transformation, Governance, Ethics, Law, Springer 2019 (auch hier) Theorie der Nachhaltigkeit: Ethische, rechtliche, politische und transformative Zugänge – am Beispiel von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Welthandel, 3. Aufl., Nomos 2016 Paris Agreement, Precautionary Principle and Human Rights: Zero Emissions in Two Decades?, SUSTAINABILITY 2018, 2812 (mit Wieding/ Zorn) Agriculture-related climate policies – law and governance issues on European and global level, CCLR 2018, Issue 4 (mit Wieding/ Garske/ Stubenrauch)