LAND.HAUS.GESPRÄCH. Genug für alle?

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 Präsentation transkript:

LAND.HAUS.GESPRÄCH. Genug für alle? Finanzierung der sozialen Sicherheit bei steigender Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt Vorbemerkung: Der Titel der heutigen Tagung: Genug für alle? Welche Bilder, Lebenslagen etc. sind hier angesprochen? Ein gutes Leben für alle? Ein gutes Leben hat zumindest drei Voraussetzungen: (1) körperliche/geistige Gesundheit, (2) soziale Gesundheit (zwischenmenschliche Beziehungen) und (3) ökonomische Gesundheit. Für mich als Ökonomin ist die ökonomische Gesundheit die Grundlage für die anderen beiden Bereiche. Die ökonomische Gesundheit bezieht sich auf eine angemessene Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen: Die Angemessenheit spricht die individuelle Position gegenüber dem allgemeinen Status quo der Allgemeinheit an. Und Angemessenheit ist ein normativer Begriff. Damit befinde ich mich mit der Fragestellung „Genug für alle?“ in der normativen Ökonomie, es geht um Fragen welche Maßnahmen gewünschte Ziele – (das heutige Thema: Genug für alle) erreicht werden kann. Bevor ich mich der Frage zuwende ob und vor allem wie ein genug für alle erreicht werden kann (Teil 2) möchte ich im Teil 1 ein paar Tatbestände zum Status quo einige empirische Befunde (hier bin ich in der positiven Ökonomik) erläutern. Wahl der Methode und des Maßstabes zur Beurteilung enthält Werturteile z.B. die Pareto-Effzient oder das Kaldor-Hicks-Kriterium, Kenneth Arrow und Amartya Sen wurden 1972 und 1998 für ihre Ansätze mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. LAND.HAUS.GESPRÄCH. Genug für alle? Christine Mayrhuber Graz am 3. November 2016

Überblick Genug für alle? Sozialstaatsfinanzierung bei steigenden Unsicherheiten auf den Arbeitsmärkten Schlussfolgerungen

Genug für alle (1): Bruttomarkteinkommen 2015 Österreich ist eines der reichsten Länder dieser Welt. ArbeitnehmerInnen-entgelte Selbsständigen-einkommen Vermögens-einkommen (imp. Mieten) Insgesamt Mrd. € 155,7 18,2 21,2 195,1 In % von Insgesamt 79,8 9,3 10,8 100,0 Die Bruttoeinkommen der Haushalte, Basis EU-SILC-Daten der Einkommen (Verwaltungsdaten) und der HFCS-Daten (Houshold- Finance and Consumtion Survey) ans Vermögensdaten der Österr. Nationalbank) Betragen insgesamt 195 Mrd. Euro, die sich zusammensetzen aus 157 Mrd. oder 80% ArbeitehmerInnenentgelte 18 Mrd. oder 9% aus Selbständigeneinkommen 21 Mrd. oder 11% Vermögenseinkommen (incl. Imputierte Mieten) Q: WIFO-Berechnungen

Genug für alle (1): Verteilung der Einkommenskomponenten Umverteilungstudie: Einteilung nach dem Bruttoeinkommen aller Haushalte 2010, äquivalisierte Werte. Werte hier: USB 115 Mrd. Euro SE 17 Mrd. Euro Vermietung und Verpachtung 3 Mrd. Euro Zinsen Dividenden 10 Mrd. Euro (nettoimputierte Mieten hier nicht enthalten: 6,6 Mrd. Euro.) Q: WIFO Umverteilungsstudie, 2016.

Genug für alle (1): Primäreinkommen 2010 Q: WIFO Umverteilungsstudie, 2016.

Genug für alle (1): Monetäre und reale Transfers 2010 Q: WIFO Umverteilungsstudie, 2016.

Genug für alle (1): Sekundärverteilung 2010 Q: WIFO Umverteilungsstudie, 2016.

Gesamteffekt der monetären Umverteilung nach Terzilen 2015 Haushalte im unteren Einkommensdrittel erhalten 8% der Markteinkommen, 30% der monetären Transfers, leisten 6% der Steuern und Abgaben. Nach dem Umverteilungsprozesse Halten sie 18% am verfügbaren Einkommen. Q: WIFO-Berechnungen

Entwicklung der Verteilung vor und nach staatlicher Umverteilung Definition Gini je näher bei 1 desto konzentrierter die Einkommen. Q: Statistik Austria, EU-SILC 2011 (Verwaltungsdatensatz), Konsumerhebung 2009/10; OeNB, HFCS 2010; WIFO-Berechnungen.

1. Zwischenfazit: Genug für alle? Erwerbseinkommen bilden die ökonomische/soziale Grundlage für die Mehrheit der Bevölkerung, Erwerbseinkommen auf Haushaltsebene sind ungleicher geworden. Markteinkommen werden durch monetäre und reale Transfers wie durch das Abgabensystem verändert => Monetäre Transfers und Sachleistungen gewinnen an Bedeutung Für alle ist ihr Erwerbseinkommen nicht genug, hier greift die Sozial- und Steuerpolitik.

Überblick Genug für alle? Sozialstaatsfinanzierung bei steigenden Unsicherheiten auf den Arbeitsmärkten Schlussfolgerungen

Beschäftigungsentwicklung 1976 -2015 USB +900.000 in fast 4 Jahrzehnten seit 1976!! Ihr Anteil am Volkseinkommen entwickelte sich aber in eine andere Richtung: Quelle: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen, 1) Lohnquote bereinigt um die Verschiebungen des Anteils der unselbständig Beschäftigten an den Erwerbstätigen gegenüber dem Basisjahr 2010.

Lohnquote und Beschäftigungsentwicklung seit 1976 Das Volkseinkommen von 233,3 Mrd. Euro (2015) setzt sich zusammen aus 163,4 Mrd. Arbeitnehmerentgelte (70%) und 69,9 Mrd. Nicht-Lohn-Einkommen (30%). Hypothetisch stand 2015 jedem Einwohner und jeder Einwohnerin in Österreich ein Volkseinkommen (brutto) im Ausmaß von rund 28.000 Euro zur Verfügung, zusammengesetzt aus 20.200 Euro Lohneinkommen und 8.100 aus Nicht-Lohn-Einkommen. Die Nettolohneinkommen je Aktivbeschäftigten beträgt 26.727 Euro Die Nicht-Lohn-Einkommen 20.268 Je Aktivbeschäftigten sind das 45.000 Euro => netto wohlgemerkt Quelle: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen, 1) Lohnquote bereinigt um die Verschiebungen des Anteils der unselbständig Beschäftigten an den Erwerbstätigen gegenüber dem Basisjahr 2010.

Entwicklung Lohn- und Nicht-Lohn-Einkommen 1990-2015 Das Volkseinkommen von 233,3 Mrd. Euro (2015) setzt sich zusammen aus 163,4 Mrd. Arbeitnehmerentgelte (70%) und 69,9 Mrd. Nicht-Lohn-Einkommen (30%). Hypothetisch stand 2015 jedem Einwohner und jeder Einwohnerin in Österreich ein Volkseinkommen (brutto) im Ausmaß von rund 28.000 Euro zur Verfügung, zusammengesetzt aus 20.200 Euro Lohneinkommen und 8.100 aus Nicht-Lohn-Einkommen. Q: Statitik Austria, WIFO-Berechnungen

Dimensionen der De-Standardisierung am Arbeitsmarkt Erwerbsform Zunehmende „Atypisierung“ der Beschäftigung Zuwachs an Teilzeitstellen bei Reduktion der Vollzeitstellen Deutliche Zunahme von geringfügiger Beschäftigung und Neuen Selbstständigen Arbeitszeit Polarisierung in Vollzeitarbeit, Teilzeitarbeit und Arbeitslosigkeit Große Heterogenität auch innerhalb der Teilzeit Beschäftigungsstabilität Segmentierung in stabile und instabile Beschäftigung Zunehmendes Überangebot an geringqualifizierten Arbeitskräften Entlohnung Sinkende Lohnquote hohe Arbeitslosigkeit

Unselbständige Erwerbstätige nach Beschäftigungsform (nach LFK), 2014 NAV: unbefristete Anstellung auf Vollzeitbasis; keine Leiharbeit, kein freier Dienstvertrag 2014 USB insgesamt: 3,566.300 Normalarbeitsverhältnis: 2,386.100 Ausschließlich Teilzeit (ab 12 h/Woche, Selbstzuordnung): 722.500 Geringfügige Beschäftigung (<12 Wochenstunden): 184.400 Befristung: 206.800 Leiharbeit: 78.700 Freier Dienstvertrag: 37.400 Q.: Statistik Austria, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung.

Entwicklung des Bruttojahreseinkommens Unselbständig beschäftigte Personen Index 2000 = 100 Es handelt sich hierbei um Bruttojahreseinkommmen MEDIANEINKOMMEN von unselelbstängig Beschäftigten Personen Quelle: INDI-DV; WIFO Berechnungen.

Arbeitsmarktintegration als Vorbedingung für soziale Sicherheit In einer 10-Jahresbetrachtung 2000-2010 zeigt sich bei den unselbständig Beschäftigten: 1/3 hat stabile Beschäftigungs- und Einkommensverhältnisse ¼ stabile Beschäftigungs- aber instabile Einkommensverhältnisse 1/3 ist dauerhaft instabil, pendelt zwischen Arbeitslosigkeit, Niedriglohn, atypische Beschäftigungsform etc. Soziale Sicherungssysteme bismarckscher Prägung sind dem Arbeitsmarkt nachgelagerte Systeme, Arbeitsmarkt ist den Sozialsystemen vorgelagert. Einkommens- und Beschäftigungsstabilität ist Grundlage für die individuelle Absicherung wie auch für die Finanzierung insgesamt.  Zwei gegenteilige Entwicklungen: Zunehmende De-Standardisierungstendenzen am Arbeitsmarkt  zunehmende Kritik an der Höhe/Struktur der Sozialausgaben => klassischer Zielkonflikt der nicht als ein solcher angesprochen wird.

Schlussfolgerungen Mittelfristige Wirtschaftsprognosen gehen von gedämpften Wachstum, stagnierenden Arbeits- und Nachfragemärkten, stagnierendem Arbeitsvolumen aus. Segmentierungstendenzen zeigen sich gegenwärtig und werden – ohne Gegensteuerung – weiter zunehmen. De-Standardisierte Arbeitsmärkte brauchen ein mehr an sozialen Ausgleichs- und Sicherungsmechanismen. . Eine SOZIAL-Versicherung braucht eine breite Finanzierungsbasis die nicht nur auf Arbeitseinkommen beruhen kann. Gesunkener Lohnanteil am Volkseinkommen und Bedeutungsgewinn der Nicht-Lohn-Einkommen (Vermögenseinkommen etc.) braucht seine Entsprechung in der Finanzierung der sozialen Sicherheit. Wir leben in einer Vermögensökonomie: Wie können die Vermögen und Vermögenserträge zur Finanzierung der Alterssicherung – jenseits individualisierter Privatvorsorge – herangezogen werden?

Aufkommensstruktur im internationalen Vergleich, 2014

Danke für die Aufmerksamkeit!

Abgabenbelastung der aller Haushalte, 2010 Bruttoäquivalenzgesamteinkommen

Umverteilung durch den Staat, 2010 Q: EU-SILC 2011 (Befragungsdatensatz), Konsumerhebung 2009/10, WIFO-Berechnungen.

Produktive Kreisläufe Quelle: M. Dauderstädt, Soziales Wachstum gegen die Schuldenkrise, FES 2010