RA Hon.-Prof. Dr. Irene Welser

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
RA Hon.-Prof. Dr. Irene Welser Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati
Advertisements

Haftung im Abgaberecht
Kapitalmarktinformationshaftung
Gliederungsübersicht
Was versteht man unter Haftung? (1)
Vertriebsrecht (Fortsetzung)
Präsentation von Verena Freund und Helene Heinz
Referent: Prof. Dr. Martin Häublein Universität Innsbruck
Haftungstatbestände für Geschäftsführer
Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
KG & Stille Gesellschaft
Sebastian Koch BCA Kompetenzcenter – VSH / D&O.
Haftung der Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder
Rechts- und Haftungsfragen des GmbH-Geschäftsführers Dr Alexandra Knell Mag Christoph Brogyányi
Financial Expert und Corporate Governance
§ 7 Satzungsänderung (einschließlich Kapitalmaßnahmen)
§ 10 Konzernrecht der GmbH und der Personengesellschaften
Arbeitnehmermitbestimmung in der Europäischen Aktiengesellschaft
„Rechtsprobleme eines Unternehmens“.
Die Einzelunternehmung
Niederrheinischer Pflegekongress 25./
Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät
Aktuelle Bilanzierungs- und Prüfungsfragen aus der Facharbeit des IDW
(Grundkapital in Aktien zerlegt)
Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten Parkring 2, 1010 Wien Tel Fax
Hon.-Prof. Dr. Irene Welser 1 Haftung von Leitungs- und Kontrollorganen 4. Einheit WS 2015/16 Hon.-Prof. Dr. Irene Welser Partner CHSH.
Hon.-Prof. Dr. Irene Welser 1 Haftung von Leitungs- und Kontrollorganen 3. Einheit WS 2015/16 Hon.-Prof. Dr. Irene Welser Partner CHSH.
I. Personengesellschaften
Verjährung: §§ 1451 ff ABGB Verjährung = Rechtsverlust durch Nichtausübung eines Rechts während bestimmter Zeit Verjährung beginnt mit Entstehung des Rechts:
KIT – Universität des Landes Baden-Württemberg und nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft INSTITUT FÜR INFORMATIONS- UND WIRTSCHAFTSRECHT.
1 Lerneinheit 7 – Überblick B.Auftrag, Geschäftsbesorgungsvertrag und Geschäftsführung ohne Auftrag.
Krankenstand – aber richtig! Arbeitsrechtliche Fragen Ass.-Prof. Dr. Andreas Mair.
  Hart am Wind – als Geschäftsführer und Gesellschafter sicher sein   Update zu Haftungsrisiken für Gesellschafter und Geschäftsführer   Mittwoch, 12.
Bilanzanalyse AK Wien Maga Eva Schiessl
Überblick über das österreichische Erbrecht
Die Stellung der Vertreter und der Vertreterversammlung in der Genossenschaft Prof. Dr. Jürgen Keßler, Berlin /Bochum Web:
Methodenlehre der Rechtswissenschaft
Ass.-Prof. Dr. Gerhard Saria
Modul 7.3. Aufsichtspflicht
für gemeinnützige Vereine
Vereinsvorstand § 26 BGB Edgar Oberländer – Mitglied im Landesausschuss Recht, Steuern und Versicherung Stand: Mai 2013.
Corporate Governance Dr. Thomas Ruhm.
Haftung von Leitungs- und Kontrollorganen
Corporate Governance Dr. Thomas Ruhm.
Haftung von Leitungs- und Kontrollorganen
Haftung von Leitungs- und Kontrollorganen
STRUKTUR UND BESTANDTEILE DES NEUEN REVISIONSBERICHTS
Berichtigung von Erklärungen vs.
Einheit 10: Der allgemeine Aufopferungsanspruch
Nebengebiete HandelsR 2. Woche.
"Die kommunale GmbH " 31. Januar 2012 Jörg-Dieter Battke
Einheit 11: Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch
“Aktuelles zur Aufsichtsratshaftung”
Einheit 2: Amtshaftungsanspruch Teil 1
Haftung von Leitungs- und Kontrollorganen
Corporate Governance Dr. Thomas Ruhm.
Corporate Governance Dr. Thomas Ruhm.
Corporate Governance Dr. Thomas Ruhm.
Corporate Governance Dr. Thomas Ruhm.
Vertragsschluss mit AGB
Kartellschadenersatz vor ordentlichen Gerichten und Schiedsgerichten
I. Personengesellschaften
für gemeinnützige Vereine
Portal öffentliche Kontrolle in Österreich
KROLL Juristisches Repetitorium für Fachhochschulstudenten
Vereinsvorstand § 26 BGB Edgar Oberländer – Mitglied im Landesausschuss Recht, Steuern und Versicherung Stand: November 2018.
Leitungs- und Kontrollorganen
Haftung von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern aus gesellschafts- und unternehmensrechtlicher Sicht Einführungsmodul RA Hon.-Prof. Dr. Irene Welser.
Grundlagenwissen für Aufsichtsräte Fortbildungsangebote des vdw Sachsen Dozententeam: Rechtsanwalt Jörg-Dieter Battke Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht.
“Fortsetzung Aktuelles zur Business Judgement Rule”
 Präsentation transkript:

RA Hon.-Prof. Dr. Irene Welser Haftung von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern aus gesellschafts- und unternehmensrechtlicher Sicht Einführungsmodul RA Hon.-Prof. Dr. Irene Welser Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwälte GmbH Parkring 2, 1010 Wien Tel. 0043 1 514 35 121 Fax 0043 1 514 35 37 irene.welser@chsh.com

Zentrale Normen § 25 GmbHG: „(1) Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. § 84 AktG: „(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. […] Konkretisierung dieser Pflichten? § 25 Abs 1a GmbHG und § 84 Abs 1a AktG: Business Judgment Rule

„10 Gebote Lutters“ (GmbH) 1. Gebot: Einhaltung der Gesetze. 2. Gebot: Einhaltung der Satzung / des Gesellschaftsvertrags und der Geschäftsordnung. 3. Gebot: Einhaltung der Regeln des Anstellungsvertrages. 4. Gebot: Einhaltung von Gesellschafterweisungen. 5. Gebot: Ordnungsgemäße Organisation der Gesellschaft. 6. Gebot: Kontrolle der Organisation der Gesellschaft. 7. Gebot: Kontrolle der Liquidität und der Finanzlage der Gesellschaft. 8. Gebot: Vermeidung unangemessener Risken. 9. Gebot: Vermeidung, mindestens aber Offenlegung aller Interessenskonflikte zwischen Gesellschaft und Geschäftsführern / Vorstand. 10. Gebot: Sorgfältige Vorbereitung geschäftlicher und unternehmerischer Entscheidungen. (Marcus Lutter, 10 Gebote an den Geschäftsführer, GmbH-Rundschau 2000, 301)

Corporate Governance Kodex (AG) „soft law“ Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung österreichischer börsenotierter Aktiengesellschaften. „international übliche Standards für gute Unternehmensführung“. Geltung durch freiwillige Selbstverpflichtung (öffentliche Erklärung). L-, C- und R-Regelungen (Legal Requirements, Comply or Explain, Recommendation).

„Unternehmerisches Risiko?“ § 25 GmbHG begründet keine Erfolgshaftung – unternehmerisches Risiko trägt die Gesellschaft; ebenso § 84 AktG. Selbst gewagte Geschäfte können dem Vorstand dann nicht vorgeworfen werden, wenn bei Geschäftsabschluss, ungeachtet des Risikos, begründeterweise ein Geschäftserfolg erwartet werden konnte; Ein riskantes Geschäft ist nicht verboten, solange es die Gesellschaft „aushält“ und solange das Risiko in einem vernünftigen Verhältnis zum erwarteten Gewinn steht! Maßstab „Business Judgment Rule“ § 25 Abs 1a GmbHG und § 84 Abs 1a AktG

Unterschiede Haftung Vorstand - Geschäftsführer weisungsfrei Keine Haftungsfreistellung durch Aufsichtsratsgenehmigung Entlastung idR kein Verzicht auf Schadenersatzansprüche weisungsgebunden Weisungen der Gesellschafter bewirken idR Haftungsfreistellung Entlastung idR Verzicht auf Schadenersatzansprüche

Verjährung § 25 Abs 6 GmbHG: „Die Ersatzansprüche verjähren in fünf Jahren.“ § 84 Abs 6 AktG: „Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren.“ „Mangels Aussage des GmbHG über den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist des § 25 Abs 6 GmbH ist auf die grundsätzliche Verjährungsregel des § 1489 ABGB zurückzugreifen. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt daher erst mit Kenntnis von Schaden und Schädiger.“ (OGH 27.9.2006, 9 Ob A 148/05p) – neuerdings Gleichbehandlung von GmbH und AG.

Haftung grundsätzlich nur im Innenverhältnis, d. h Haftung grundsätzlich nur im Innenverhältnis, d.h. der Gesellschaft gegenüber! Ausnahmen?

Außenhaftung Haftung Dritten gegenüber, insbes. bei schuldhafter Schutzgesetzverletzung. Wichtige Bestimmung: § 69 IO! Vgl. auch § 69 Abs 5 IO: Fälligkeit von Schadenersatzforderungen, die sich aus Quotenverschlechterung infolge Insolvenzverschleppung ergeben, ist auf Zeit nach Rechtskraft der Insolvenzaufhebung hinausgeschoben.

Für Wettbewerbsverletzungen der Kapitalgesellschaft haften die Geschäftsführer / Vorstandsmitglieder grundsätzlich nur, wenn sie diese selbst begangen haben oder daran beteiligt waren. Ausnahmsweise Haftung auch bei Unterlassung, wenn ihnen der Wettbewerbsverstoß durch im Unternehmen tätige Dritte bekannt geworden ist und sie ihn nicht verhindert haben, obwohl sie dazu infolge ihrer Organstellung in der Lage gewesen wären.

Exkurs: Haftungsdurchgriff auf Gesellschafter oder Dritte Untrennbare Vermischung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen; Qualifizierte Unterkapitalisierung der Gesellschaft; Künstliche Aufspaltung eines Unternehmens bzw. „Aufblähung“ eines Konzerns

Haftung des faktischen Geschäftsführers Gesellschafter oder sonstiger Dritter (auch Verwandter oder Hausbank), aber kein Organwalter (häufig Mehrheits- oder Alleingesellschafter); Nimmt aufgrund seiner beherrschenden Stellung in der Gesellschaft de facto Geschäftsführerfunktionen wahr; Unter bestimmten Umständen Haftung des faktischen Geschäftsführers für Insolvenzverschleppung; mögliche Haftungsgrundlage: Verletzung einer Handlungspflicht aus Ingerenz; Haftung als Mittäter, wenn der „echte“ Geschäftsführer bloß als Strohmann fungiert; OGH hat bereits die Verpflichtung auch des „de facto Geschäftsführers“ zur Insolvenzantragstellung bejaht (vgl. ecolex 1998, 327);

Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs Geht auf (mittlerweile überholte) Entscheidung des BGH zurück (BGH II ZR 178/99, BGHZ 149, 10 „Bremer-Vulkan“): Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtender Eingriffe nur in besonderen Ausnahmekonstellationen; nur auf den „gezielten, betriebsfremden Zwecken dienenden Entzug von Vermögenswerten“ anwendbar. Vom OGH jedoch nicht anerkannt. Auch deutscher BGH ist wieder (BGH II ZR 3/04) von dieser Rechtsfigur abgegangen – wird nur mehr als „Innenhaftung“ anerkannt.

Berufshaftpflichtversicherung Keine verpflichtende Berufshaftpflichtversicherung für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder; Risiko der persönlichen Inanspruchnahme wird oft durch Abschluss von D&O-Versicherungen begegnet; Gegenstand: Abwehr von Haftungsansprüchen gegen Geschäftsleiter Abdeckung derselben, wenn Ansprüche gerechtfertigt; Problem: Haftungsausschluss für Vorsatz - Entlassung von angestellten GmbH-Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern.

Weisungen an den GmbH-Geschäftsführer Anfechtungspflicht des Geschäftsführers hinsichtlich fehlerhafter Weisungen? – eher nicht, da sonst Entwertung der gesetzlich angeordneten Befreiungswirkung der Weisung. Entlastung durch Weisung auch dann, wenn Gesellschaft Ersatzanspruch für Befriedigung der Gläubiger benötigt? – von überwiegender Meinung verneint. nichtige Weisungen (bei deren Befolgung sich der Geschäftsführer zivil-, straf- oder verwaltungsrechtlich haftbar oder strafbar machen würde) müssen vom Geschäftsführer nicht befolgt werden.

Ressortverteilung Gesetzliche Regelung fehlt, aber partielle Einschränkung der Verantwortlichkeit wird bejaht. Anordnung durch Gesellschaftsvertrag oder Beschluss der Gesellschafter auf dieser Grundlage. Nicht ausreichend nach großem Teil der Lehre: Anordnung durch einstimmigen Beschluss der Geschäftsführer. Überwachungspflicht hinsichtlich fremder Ressorts (Einrichtung eines Berichts- und Informationswesens). Gesamtverantwortung bei besonders wichtigen Kernkompetenzen unbeschränkbar („Kardinalpflichten“, z.B. Einrichtung Rechnungswesen samt Kontrollsystem, Aufstellung und Überprüfung des Jahresabschlusses, etc.).

Entlastung Wirksame Entlastung beseitigt bei der GmbH – anders als bei der AG – nach hM Ersatzansprüche der Gesellschaft aufgrund von § 25 Abs 2 bzw § 10 Abs 3 GmbHG (Verzichtswirkung). Gilt nur, wenn Ersatzanspruch bei sorgfältiger Prüfung erkennbar war oder der Geschäftsführer darüber berichtet hat. Verzichtswirkung ausgeschlossen, wenn Ersatz zur Gläubigerbefriedigung erforderlich. Entlastungsentscheidung zwingend durch Gesellschafter. Nach neuerer Rsp des OGH kein durchsetzbarer Anspruch des Geschäftsführers auf Entlastung.