Umgang mit Suizidalität

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Dr. Peter Dobmeier Lech-Mangfall-Kliniken gGmbH
Advertisements

Depression hat viele Gesichter
bei nahestehenden Menschen
Schizophrenie und Seelsorge
Mit Medikamenten individuell behandeln Prof. Dr. Johannes Kornhuber
Kompetenzfeld Tod und Trauer
Peter Rossmann Institut für Erziehungswissenschaft
Klinische Bedeutung somatoformer Störungen
Gesunder Mensch im gesunden Unternehmen
Wirksamkeit der NADA-Ohrakupunktur bei Menschen mit psychiatrischen Diagnosen im ambulanten Bereich Euro-NADA Konferenz 2013.
Dissoziation: Definition
Patienten sind Menschen. Die Krankheit ist Teil ihrer Biografie
Schwerkranke und sterbende Patienten
Krisenintervention/ Akutbetreuung/ Stressverarbeitung
Aufarbeiten oder Verdrängen? – Männer trauern anders
Motivierende Gesprächsführung
Psychosen By Kevin und Oliver.
Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen als Chance für die ganze Familie Bundesverband e.V, Mai 2007 Anna Hoffmann-Krupatz An der stationären Vorsorge-
5. Vorlesung Affektive Störungen
Notfälle in der Psychiatrie. Suizidalität
geistig behinderter Erwachsener
Suche nach Hilfe.
Absetzen - aber wie? Fachtagung „Gratwanderung Psychopharmaka“
Kommunikation mit psychisch kranken Menschen
Die neue S3-Leitlinie Depression Antidepressiva Suizidalität
Einsamkeit aus hausärztlicher Sicht
Jean-Christoph Schwager "Glücksspielsucht im Alter"
Referat am Thema: Familientherapeutisch- systemische Ansätze Seminar: ADS mit und ohne Hyperaktivität.
18. Mai 2015 Dr. med. Cyrill Jeger-Liu, Olten
Suchttherapie bei älteren Menschen
 KBS-Plätze für psychisch behinderte Menschen mit ausserordentlichem Betreuungs­­bedarf: Wie präzis kann diese Zielgruppe erfasst werden?
Kom verder. Saxion. SE Verhaltensbilder 06 Depression - Manie.
ALBERT-LUDWIGS- UNIVERSITÄT FREIBURG Einführung „Klinische Psychologie“ Tobias Stächele - Vertiefendes Seminar zur Vorlesung Klinische Psychologie - Institut.
Die Suchtpräventionsstelle der Bezirke Affoltern und Dietikon 1.
01 Grundlagen der Psychiatrie
Gib Worte deinem Schmerz: Gram, der nicht spricht presst das beladene Herz, bis dass es bricht. William Shakespeare
„Einem Depressiven zu sagen, dass er seine Probleme einfach vergessen soll, ist wie einem Blinden zu sagen, dass er genauer hinsehen soll.“ Affektive Störungen:
Der (akut) suizidale Patient Vorstellung der Facharbeit von Michael Städtler Berlin, 7. September 2016.
Belastungen 22. April Ruedi Stüssi 2 Burnout Das Burnout-Syndrom ist eine Belastungsreaktion auf chronischen Stress am Arbeitsplatz. Dabei gibt.
Depressive Jugendliche. Muss man zu dem Psychologen gehen?
Landestagung der Mobilen Jugendarbeit und Streetwork 2016
Suizidalität Gabriel Wiesbauer.
Notfälle in der Psychiatrie. Suizidalität
Suche nach Hilfe
multiple Spezifische Phobien Alter Jahre
Wer kann behandelt werden?
Landestagung der Mobilen Jugendarbeit und Streetwork 2016
Depression hat viele Gesichter
Darstellung der Abläufe bei Unterbringung nach NPsychKG / BGB im AMEOS Klinikum Hildesheim Prof. Dr. med. Detlef E. Dietrich Dr. med. Christian Tettenborn.
Entwicklung einer offenen Austauschplattform "GenderMed-Wiki"
(K)eine alternative Behandlung von Menschen mit Psychose
Aachener Verein Sozialpsychiatrischer Fortbildungstag
Ökonomische Bedeutung ZNS
„Traumafachberatung“
A naturalistic study of outcomes in a general psychiatry day hospital
Geschlechtsaspekte bei Suizid und Suizidalität
Weiterbildung in den Gesundheitsfachberufen
Transkulturelle Psychoonkologie
-einer von 100 Erwachsenen Menschen in Deutschland
Thema 5: Basiswissen Spiritualität: Religionen und Kulturen.
5-6. Vorlesung: Schizophrenie
Depression bei Kindern und Jugendlichen Was wissen wir?
5. Vorlesung: Schizophrenie I.
Sucht – wie spreche ich es an?
Trauerarbeit und Bewältigung
Prof. Dr. med. P. Feyer, Dr. med. K. Zappel
TOP TALK ÖSTERREICHISCHE KREBSHILFE WIEN:
Suizidalität im Kontext psychiatrischer Erkrankungen in der Adoleszenz
In memoria Prof. Dr. med. Christian Scharfetter
 Präsentation transkript:

Umgang mit Suizidalität

Suizidales Verhalten in Zahlen; Schweiz Suizidtote, 1999 (Quelle: Bundesamt für Statistik) Frauen 367 Männer 929 Total 1296 Rate, Suizide/100 000 Einwohner (1997) 16,3 Suizidversuche pro Jahr, die zu einer Behandlung führen, geschätzt 8000-10000

Risikofaktoren Wichtigster Risikofaktor: Psychiatrische Erkrankungen Persönliche und soziale Risikofaktoren: Männliches Geschlecht Alter über 45 Jahre Allein lebend Frühere Suizidversuche

Risikofaktor: Psychiatrische Erkrankungen Über 90% der Menschen, die Suizid begehen, leiden zu dieser Zeit an einer Psychiatrischen Erkrankung. Der wichtigste klinische Risikofaktor sind Depressionen. Depressive Störungen sind mit einer 20fach erhöhten Suizidhäufigkeit verbunden

Risikofaktor: Psychiatrische Erkrankungen Kurzfristig höheres Suizidrisiko bei depressiver Symptomatik mit Agitation, Angst oder Panikattacken Psychopathologische Befunde mit erhöhtem Suizidrisiko: Depressive Gedankeninhalte, Hoffnungslosigkeit, negative Einschätzung der Zukunft

Risikofaktor: Psychiatrische Erkrankungen Andere psychiatrische Erkrankungen mit erhöhtem Suizidrisiko: Alkohol- und Drogenabhängigkeit Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis Persönlichkeitsstörungen

Risikofaktor: Psychiatrische Erkrankungen Unspezifische Risikofaktoren: Merkmale, die mit einem erhöhten Suizidrisiko einhergehen Frühere Suizidversuche Suizidales Verhalten in der aktuellen Krankheitsphase vermehrte Wiederaufnahmen in eine Klinik Wiedereintritt kurze Zeit nach dem letzten Austritt (weniger als 3 Monate)

Risikofaktor: Psychiatrische Erkrankungen Unspezifische Risikofaktoren: schleppender Behandlungsverlauf bei Patienten mit schizophrenen Psychosen Enttäuschungs- und Zurückweisungs- erlebnisse bei Patienten mit Schizophrenie Rehabilitation- Konfrontation mit den krankheitsbedingten Grenzen, Risiken des Scheiterns, der Zurückweisung, der Enttäuschung, Erwartungsdruck Klinikaustritt, Verlegung

Das Präsuizidale Syndrom Einer Suizidhandlung geht eine unterschiedlich lange Phase latenter oder akuter Suizidgedanken voraus.

Das Präsuizidale Syndrom Pöldinger (1968) unterscheidet 3 Phasen vor dem Suizid: Erwägung: Im Vorfeld psychodynamische und psychosoziale Faktoren, die Sinn- oder Hoffnungslosigkeit signalisieren. Suggestive Momente können eine Rolle spielen. Ambivalenz: Nicht selten direkte Suizidankündigungen im Sinne eines Hilferufes. Vermehrte Suche nach Kontakten

Das Präsuizidale Syndrom Entschluss: Die letzte Phase ist durch Vorbereitungshandlungen gekennzeichnet und oft durch eine „Ruhe vor dem Sturm“. Suizidankündigungen sind eher indirekt und verhalten.

Das Präsuizidale Syndrom Das präsuizidale Syndrom nach E. Ringel (1969) Einengung: situativ dynamisch der zwischenmenschlichen Beziehungen des Werterlebens Gehemmte und gegen die eigene Person gerichtete Aggression Selbsttötungs- und Todes- Phantasien

Erkennen der Suizidgefährdung Suizidgefährdung erkennt man am sichersten, indem man die Patienten danach fragt. Wichtig ist deshalb die sorgfältig erhobene Anamnese: frühere und aktuelle Suizidgedanken frühere Suizidversuche Suizidereignisse in der näheren Umgebung Ressourcen (Kontakte, Vertrauenspersonen, familiäre oder berufliche Verpflichtungen, spirituelle Verwurzelung)

Suizid und Psychiatrische Diagnosen Psychiatrische Diagnosen bei erfolgten Suiziden >90% Häufigkeit affektiver Störungen 40-70% Häufigkeit von Sucht 25-50% Häufigkeit von Persönlichkeitsstörungen 30% Lebenszeit-Risiko für Suizid bei Major Depression 15% Lebenszeit-Risiko für Suizid bei Schizophrenie 10% Lebenszeit-Risiko für Suizid bei Sucht 3% (Quelle:The International Handbook of Suicide and Attempted Suicide, K. Hawton, K. van Heeringen; 2000)

Die Behandlung des suizidalen Patienten Hier müssen zwei Aufgaben bewältigt werden: Krisenintervention zur Behandlung der akuten Suizidalität Behandlung der psychiatrischen Grunderkrankung

Die Behandlung des suizidalen Patienten Krisenintervention Klärung der Situation und ihrer Rahmen- bedingungen (Psychodynamik, soziales Umfeld) Abschätzung der Bedrohlichkeit der Krise sowie Beurteilung der psychischen Gesamt- situation Einleitung geeigneter Massnahmen

Die Behandlung des suizidalen Patienten Krisenintervention Herstellung einer vertrauensvollen Beziehung Ermutigung, sich auszusprechen und Gefühle von Trauer, Schmerz, Schuld und Aggressivität zu zeigen Suizidgefährdung offen ansprechen ausreichend Zeit nehmen und zuhören beruhigen, trösten, Hoffnung vermitteln, d.h. Interventionen mit hohem Mass an Stützung ist zeitlich begrenzt ( 1-6 Sitzungen), danach evtl. weiterführende Psychotherapie

Suizide und Suizidversuche stellen Handlungen dar. Die Behandlung des suizidalen Patienten Exkurs: Suizid als Handlung (K. Michel) Suizide und Suizidversuche stellen Handlungen dar. Im Allgemeinen können wir unsere Handlungen erklären Handlungen werden in Form einer Geschichte erklärt (narrativ) In einer National-Fond-Studie wurde festgestellt, dass Patienten nach einem Suizidversuch die Suizidhandlung im Kontext ihrer Lebensgeschichte erklären konnten

Die Behandlung des suizidalen Patienten Exkurs: Suizid als Handlung (K Die Behandlung des suizidalen Patienten Exkurs: Suizid als Handlung (K. Michel) Patienten sprechen oft von psychischen Schmerzen und einem für sie unerträglichen Zustand („mental pain“, „psychache“), wenn sie ihre psychische Verfassung vor der suizidalen Handlung beschreiben das kurzfristige Ziel der Handlung ist, einen unerträg- lichen Zustand zu beenden („To end a bad story“) diese psychischen Schmerzen sind oft von einer starken inneren Erregung begleitet, manchmal kann ein dissoziativer Zustand entstehen, in dem die Patienten keinen Schmerz oder keine Angst empfinden

eine Suizidhandlung hat immer eine Vorgeschichte Die Behandlung des suizidalen Patienten Exkurs: Suizid als Handlung (K. Michel) Wenn wir davon ausgehen, dass Menschen, die Hintergründe ihrer Handlungen erklären können, ist es wichtig, den Patienten zu ermutigen, die Ge -schichte zu erzählen, die dahinter steckt eine Suizidhandlung hat immer eine Vorgeschichte das Verhalten eines Menschen in einer suizidalen Krise hat eine innere Logik wichtig ist es deshalb, zunächst einmal zuhören zu können und versuchen zu verstehen das wichtigste Mittel zur Bewältigung von suizidalen Krisen ist das Gespräch

Die Behandlung des suizidalen Patienten Behandlung der psychiatrischen Grunderkrankung Depressionen erkennen und behandeln- adäquate antidepressive Medikation als wichtigste Suizid -prophylaxe Sog. reaktive Depressionen wurden nicht oder weniger konsequent antidepressiv medikamentös behandelt (Fawcett 1972: „The presence of a reason for depression does not constitute a reason for ignoring ist presence“)

Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis: Die Behandlung des suizidalen Patienten Behandlung der psychiatrischen Grunderkrankung Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis: medikamentöse Therapie mit Neuroleptika zur Be- handlung der akuten Symptomatik und zur Rückfall- prophylaxe, nur begrenzter Einfluss auf Negativ- symptomatik Weitere Schwerpunkte: Unterstützung bei der Lösung von Problemen und der Anpassung von Lebenszielen an die Möglichkeiten der Patienten evtl. zusätzlich Antidepressiva bei depressiven Verstimmngszuständen

Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhägigkeit:. Die Behandlung des suizidalen Patienten Behandlung der psychiatrischen Grunderkrankung Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhägigkeit:. Suizidgefährdung wird bedingt durch die pychischen Begleitwirkungen der Sucht und die in der Folge auftretenden psychosozialen Probleme Suizidprophylaxe bei Suchtmittelabhängigen ist gleichzusetzen mit Rückfallprophylaxe Wichtig: Nach der Hospitalisation gute Nachsorge und Perspektive z.B. bzgl. beruflicher Situation

Die Behandlung des suizidalen Patienten Medikamentöse Behandlung der Suizidalität Es gibt keine Medikamente gegen die Suizidalität, jedoch Medikamente zur Behandlung der psychiatrischen Grundkrankheit Medikamente sind sinnvoll, um quälende Symptome wie Angst, innere Unruhe oder Schlaflosigkeit zu vermindern (Benzodiazepine, Neuroleptika)

Suizidvertrag- sinnvolle Intervention? Reimer (1986): Der Suizidvertrag dient möglicherweise mehr dem Therapeuten als dem Wohl des Patienten Finzen: Grosse Zurückhaltung dem Suizidvertrag gegenüber, da er für die Patienten zu einer zusätzlichen Belastung werden kann. Betont dagegen die Bedeutung der Entwicklung eines tragfähigen Arbeitsbündnisses und die Einschätzung der Situation durch den Patienten

Suizidvertrag- sinnvolle Intervention? Vorgehen in der VT: bei der DBT Verpflichtung während der Psychotherapie keinen Suizidversuch zu unternehmen Suizidvertrag auch bei der ambulanten Therapie der Depression

Häufige Fehler im Umgang mit suizidalen Patienten (nach Reimer 1986) Übersehen von Trennungsängsten (Ferien des Therapeuten, Abteilungswechsel, Austritt) Bereitschaft, sich auf Bagatellisierungstendenzen des Patienten einzulassen zu rasche Suche nach positiven Veränderungs- möglichkeiten mangelnde Exploration der jetzigen und früheren Umstände, die zu Suizidalität geführt haben Klassifikation von Suizidversuchen in demonstrative und ernstgemeinte Suizidalität als persönliche Provokation betrachten

Weitere Präsentationen www.seminare-ps.net