Lese- Rechtschreibschwäche bzw. Legasthenie

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Literatur Thomé, G. (Hrsg.) (2004). Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS) und Legasthenie. Weinheim: Beltz Gaidoschik, M. (2006). Rechenschwäche – Dyskalkulie.
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 Präsentation transkript:

Lese- Rechtschreibschwäche bzw. Legasthenie Grundlagen Erklärungsansätze Fragen der Diagnostik Leistungsbeurteilung Schulpsychologie Tirol

Schulpsychologie Tirol Definition „Legasthenie ist eine umschriebene und schwerwiegende Beeinträchtigung des Erlernens von Lesen und Rechtschreibung, die in Besonderheiten von Hirnfunktionen begründet ist. Diese in allen Schriftsprachen vorkommende Teilleistungsstörung ist veranlagt und nicht Folge von unzureichender Beschulung, einer Intelligenzminderung oder anderen körperlichen, neurologischen oder psychischen Erkrankungen." (WARNKE, 2002) Schulpsychologie Tirol

Schulpsychologie Tirol ICD-10 F81.0 Hauptmerkmal: umschriebene und eindeutige Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lese- und Rechtschreibfertigkeiten deutliche Diskrepanz zu intellektuellen Möglichkeiten und dem Alter des Kindes LRS persistieren oft bis in die Adoleszenz und ins Erwachsnenenalter Häufigkeit: 4-8 % aller Schüler/innen Tirol: zwischen 4.000 und 8.000 Schüler/innen Schulpsychologie Tirol

Ursachen: 3 Erklärungsansätze Legasthenie als Ausdruck von Besonderheiten visueller Informationsverarbeitung sprachlicher Informationsverarbeitung der Übersetzungsvorgänge zwischen visuellen und sprachlichen Informationsvorgängen Schulpsychologie Tirol

Besonderheiten der visuellen Informationsverarbeitung Störungen der Sehfunktion des Auges (Anzahl u. Dauer der Fixationen beim Lesen) - eher eine Folge von Legasthenie, weniger Ursache auch Kinder mit Legasthenie können unter Sehstörungen leiden Schulpsychologie Tirol

Besonderheiten akust. u. sprachl. Informationsverarbeitung sprachliche Faktoren stellen eine entscheidende Hürde beim Erwerb der Schriftsprache dar Grundstufe 1: 4 Bereiche phonologische Bewusstheit Erlernen d. Buchstabe-Laut-Zuordnung Zusammenschleifen v. Buchstaben Gliederung von Wörtern u. Silben Schulpsychologie Tirol

Besonderheiten sprachlicher Informationsverarbeitung meist Verbal-IQ niedriger im Vergleich zu sprachfreien Testteilen geringerer Wortschatz Grammatik wird weniger gut beherrscht niedrigere Gedächtnisleistungen bei sprachlichem Lernstoff Benennung v. Buchstaben, Worten, Farben, Begriffen od. Zahlen ist verlangsamt Schwächen in der phonologischen Bewusstheit Schulpsychologie Tirol

Phonologische Bewusstheit Einblick in die Lautstruktur der gesprochenen Sprache häufig und anhaltend bei Kindern mit LRS: spezifisches Defizit in den Bereichen: Silbentrennen Silbenzählen Reime erkennen Reime produzieren Lautkategorisierung Lautsynthese Lautanalyse Schulpsychologie Tirol

Beispiele für die phonol. BW Silbentrennen Wie klatscht man bei dem Wort „Kindergarten“? Silbenzählen Wie oft kann man zu dem Wort „Limonade“ klatschen? Reime erkennen Reimen sich „Maus“ und „Haus“? Reime produzieren Was hört sich an – klingt wie – „Brot“? Lautkategorisierung Welches Wort klingt am Ende anders als die anderen: „Saum“–„Baum“–„laut“–„Raum“? Phonemsynthese Was bedeutet „ei – s“? Rate! Phonemanalyse Welchen Laut hört man in dem Wort „Uhr“? Schulpsychologie Tirol

Besonderheiten der visuell-verbalen Verarbeitung Störungen zeigen sich in der extrem verlangsamten Lesegeschwindigkeit Lese- als auch Rechtschreibschwierigkeiten können isoliert vorkommen unterschiedliche Vorläuferdefizite verlangsamtes Benennen von visuellen Reizen (Dysfunktion der visuell-verbalen Datenverarbeitung der linken Hemisphäre?) Schulpsychologie Tirol

Neurobiologische Befunde Schwierigkeiten bei der Unterscheidung sprachlicher Laute bildgebende Verfahren: Unterschiede bezüglich der Anregung von Hirnregionen, die spezifisch für die sprachliche Informationsverarbeitung wichtig sind anatomische u. histologische Befunde: teilweise Änderungen beobachtbar, aber nicht gesichert (keine Diagnose möglich) Schulpsychologie Tirol

Bedeutung der Vererbung LRS tritt familiär gehäuft auf Erblichkeit bei ca. 40 % (= recht hoch) molekularbiologische Befunde: Gene auf den Chromosomen: 1, 2, 3, 6, 15, 18 Zwillingsforschung: Konkordanzraten bei eineiigen Zwillingen bei 100 % Schulpsychologie Tirol

Erscheinungsbild und Pädagogische Diagnose LRS-Schüler/innen: auffällig meist in der Fehlermenge, weniger in der Art der Fehler (TACKE), vor allem nach längerer Beschulung Diagnostische Leitlinien für „Lese- und Rechtschreibstörung“ (ICD-10): Überprüfung am besten auf der Grundlage eines individuell angewendeten standardisierten Testverfahrens zur Prüfung des Lesens, der Lesegenauigkeit und des Leseverständnisses bzw. auf der Grundlage eines individuell angewendeten standardisierten Rechtschreibtests Schulpsychologie Tirol

Psychologische Diagnostik mehrachsige Diagnostik ganzheitliche Erfassung des Kindes im Zusammenhang mit seinen Lebensumständen seinen seelischen und körperlichen Voraussetzungen seiner Begabung und seinem psychosozialen Lebensumfeld Schulpsychologie Tirol

Mehrachsen-Diagnostik Klinisch-psychiatrisches Syndrom (seelische Erkrankung, ADHS, Schulangst, körperliche Beschwerden, psychosomatische Symptome, u.a.) Achse 2 Umschriebene Entwicklungsstörungen (Entwicklungsstand: Motorik, Sprache, Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen) Achse 3 Intelligenzentwicklung (testdiagnostische Überprüfung d. Intelligenz) Achse 4 Körperliche Symptomatik: internist. u. neurolog. Unt. (körperliche und neurologische Entwicklung) Achse 5 Akute abnormale psychosoziale Umstände (familiäre und schulische Gegebenheiten) Achse 6 Grad der psychosozialen Anpassung (Schweregrad? Störung von Krankheitswert)

Differentialdiagnostik LRS aufgrund einer neurolog. Erkrankung? (Bewegungs- u. Sinnesfunktionsstörungen) Verlust einer bereits erworbenen Lese- Rechtschreibfertigkeit (Hirnschädigung)? Erworbene Lese- Rechtschreibhemmung durch eine emotionale Störung oder psychiatrische Erkrankung? LRS infolge unangemessener Unterrichtung? Schulpsychologie Tirol

Schulpsychologie Tirol Diskrepanzkriterien standardisierter Lese- Rechtschreibtest: PR-10 (od. unwesentlich höher) Intelligenztest: zumindest durchschnittlicher IQ ≥ 85, bei lernschwachen Kindern IQ > 70 Vergleich IQ zu LRS-Test: Diskrepanz von 10-15 Wertpunkten (IQ soll 1-1,5 Punkte in der Standardabweichung über LRS-Test liegen) klinisch relevant: begabte Schüler/innen erreichen im LRS-Test meist PR > 10, müssen auch bei einem PR um 15 auf weiterführenden Schulen mit negativen Noten rechnen (nach REUTER-LIEHR) Schulpsychologie Tirol

Schulpsychologische Hilfe Beratung von Eltern und Schüler/inne/n bei Bedarf: differentielle psychologische Diagnostik bei Problemen der Lernorganisation und Motivation sowie auch einer eventuellen Begleitsymptomatik und bezüglich Empfehlung von Fördermaßnahmen Beratung der Lehrerschaft Schulpsychologie Tirol

Leistungsbeurteilung auch Für Schüler/innen mit LRS gelten: gesetzliche Bestimmungen der LF und LB Leistungsbeurteilungsverordnung des BMUK 1974 BMBWK Rundschreiben Nr. 32/2001* *Die besondere Berücksichtigung der LRS ergibt sich durch eine intensive, störungsbezogene Ausschöpfung der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten der LF und LB. Darunter wird verstanden, dass nach Möglichkeit jene Quellen der LF und LB besonders herangezogen werden, die von der Störung (im gegebenen Fall die LRS) nicht betroffen sind; weiters dass insbesondere auch die vorgesehenen Möglichkeiten der persönlichen Stützung ausgenutzt werden. Schulpsychologie Tirol

BMBWK-Rundschreiben Nr. 32 Im Lehrplan der Hauptschule und AHS-Unterstufe wird in der Bildungs- und Lehraufgabe die Gleichwertigkeit der Lernbereiche (Sprechen, Schreiben, Lesen und Textbetrachtung, Sprachbetrachtung und Sprachübung) ausdrücklich betont. Aus den Lehrplanbestimmungen einerseits und aus der Verordnung zur Leistungsbeurteilung ergibt sich somit eindeutig, dass der Gesichtspunkt der Schreibrichtigkeit keinesfalls die einzige Grundlage der Leistungsbeurteilung sein kann. Schulpsychologie Tirol

BMBWK-Rundschreiben Nr. 32 Daraus folgt, dass bei der Festsetzung der Gesamtbeurteilung im Fach Deutsch alle im Lehrplan angegebenen Aspekte zu berücksichtigen sind. Dadurch wird ausgeschlossen, dass ein/e Schüler/in lediglich auf Grund einer negativen Rechtschreibleistung zu einer negativen Gesamtbeurteilung in Deutsch kommt. Dies bedeutet, dass ein/e Schüler/in trotz einer bestehenden Lese- Rechtschreibschwäche zu einem positiven Jahresabschluss gelangen kann. Schulpsychologie Tirol

Schulpsychologie Tirol Literatur Warnke, A., Hemminger, U., Roth, E., Schneck, S.: Legasthenie – Leitfaden für die Praxis. Göttingen, Hogrefe Verlag 2002 Tacke, G.: Lese- Rechtschreibschwäche, Stuttgart, Landesinstitut für Erziehung und Unterricht (Hrsg.), Materialien Grundschule 1996 Dilling, H., Mombour, W., Schmidt, M. H. (Hrsg.): Internationale Klassifikation psychischer Störungen, Bern, 1999 Schulte-Körne, G. (Hrsg.): Legasthenie; Zum aktuellen Stand der Ursachenforschung, der diagnostischen Methoden und der Förderkonzepte; Bochum 2002 Schulpsychologie Tirol