Computerspiel- und Internetsucht – Prävention, Diagnostik, Therapie

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 Präsentation transkript:

Computerspiel- und Internetsucht – Prävention, Diagnostik, Therapie PD Dr. phil. Florian Rehbein (Dipl.-Psych.)

Gliederung Die folgenden Fragen werden in dieser Antrittsvorlesung behandelt: Was ist die Internet Gaming Disorder (IGD)? Wie lässt sich IGD diagnostizieren? Wie viele Personen sind von IGD betroffen? Welche Risikofaktoren stehen mit IGD in Zusammenhang? Welche Beeinträchtigungen stehen mit IGD in Zusammenhang? Welche Präventions- und Interventionsmöglichkeiten bestehen?

Computerspielnutzung im Jugendalter Ergebnisse der JIM-Studie (wiederholte Basisuntersuchung von Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 19 Jahren): 98% besitzen einen eigenen Computer 75% haben eine stationäre Spielekonsole 68% der Jugendlichen spielen täglich oder mehrmals pro Woche Computerspiele Nur 4% der Jungen und 15% der Mädchen sind Nichtspieler (Feierabend, Plankenhorn & Rathgeb, 2015) Computerspiele sind ein zentraler Bestandteil der Freizeit-gestaltung von Jugendlichen.

Zugang zu Bildschirmmedien/Internet in Jugendzimmern (12 bis 19-Jährige, JIM-Studien) Aktuelle Zahlen von 2016: Handy: 97% Smartphone: 95% Internetzugang: 92% Computer: 74% Fernseher: 55% Spielkonsole: 45% Tablet: 30%

Computerspielnutzung im Jugendalter Jugendliche Neuntklässler spielen im Schnitt täglich 96 Minuten Computerspiele, Jungen: 162 Minuten, Mädchen: 27 Minuten (Rehbein, Kliem, et al., 2016). 10,3 % der Jugendlichen (Jungen: 18,6% , Mädchen: 1,7%) weisen ein exzessives Spielen auf (tägliche Spielzeit > 4,5h). Spielzeit allein lässt nicht auf Pathologie schließen. Exzessives Spielen und Computerspielsucht sind nicht dasselbe!

Computerspielnutzung unter Erwachsenen Deutschlandweite Repräsentativbefragung von 3.073 Personen im Alter zwischen 16 und 93 Jahren (Rehbein, Staudt, et al., 2016): Tägliche Spielzeit (Spieler): ø 88 Minuten 64% Nichtspieler (höherer Nichtspieleranteil) Repräsentativbefragung von 4.382 Computerspielern im Alter zwischen 14 und 90 Jahren (Festl, Scharkow & Quandt, 2013): Tägliche Spielzeit (Spieler): ø 52 Minuten Computerspiele werden in allen Altersgruppen genutzt. Im Erwachsenenalter allerdings in geringerem Maße als im Jugendalter.

Internetbezogener Störungen (Rehbein, Mößle, Arnaud, & Rumpf, 2013) Allgemeine Definition: Unter internetbezogenen Störungen wird ein Nutzungsverhalten mit Krankheitswert verstanden, bei dem die Symptome einer psychischen Abhängigkeit erlebt werden, ein klinisch relevanter Leidensdruck aus dem Verhalten resultiert und das Verhalten trotz negativer Konsequenzen aufrechterhalten wird.

Mögliche Systematisierung psych Mögliche Systematisierung psych. Störungen im Bereich Computer-/Internetnutzung Online Internet-pornographie Soziale Netzwerke Onlineglücksspiel Onlineshopping Onlinegaming Offline- pornographie Realweltliches Glücksspiel Einkaufen (Shoppen gehen) Offlinegaming Offline Internetsucht DSM-5-IGD

Aktueller Status der Diagnose IGD (Rehbein, 2014) Noch keine offizielle Diagnose (DSM-5: Klinische Erscheinungsbilder mit weiterem Forschungsbedarf). ICD-11 Eingruppierung noch nicht entschieden. Vermutete nosologische Verortung: Stoffungebundene Suchterkrankung Abgrenzung: Problematischer Internet- und Glücksspielkonsum Jugendliche und junge Erwachsene besonders häufig betroffen. 12-Monats-Prävalenz unter Jugendlichen in Deutschland: 1,2% bis 1,6% (Rehbein, Kliem, et al., 2015; Müller et al., 2015). Erwachsene: ca. 0,8% (Rehbein, Mößle, et al., 2015). International teilweise geringere oder höhere Schätzungen. Rund 90 Prozent der Betroffenen sind männlich. Computerspiele können Glücksspielteilnahmen simulieren, Konstruktionsmerkmale von Glücksspielen adoptieren (intermittierende Verstärkung; Gewinne & Verluste) und virtuelle Items monetarisieren.

Bindungswirkung von Computerspielen Unentgeltliche Belohnungen, die für Spieler eine hohe subjektive Relevanz besitzen können (Achievements, Level-Fortschritt, seltene virtuelle Gegenstände). Hohe Immersion, verändertes Zeiterleben, Flow-Erleben. Teilweise extrem langes und repetitives Spielverhalten notwendig, um bestimmte Spielerfolge zu erzielen. Soziale Vernetzung und Verpflichtungen in Onlinespielen. Die virtuelle Identität als zweites Leben. Strukturelle Ähnlichkeit zu Glücksspielen.  Kann zu einer Priorisierung des Spielens über alternative Aktivitäten und Verpflichtungen sowie bei fortgesetztem Spielverhalten zu negativen psychosozialen Konsequenzen führen. Strukturelle Ähnlichkeit zu Glücksspielen: Computerspiele können Glücksspielteilnahmen simulieren, Konstruktionsmerkmale von Glücksspielen adoptieren (intermittierende Verstärkung; Gewinne & Verluste) und virtuelle Items monetarisieren.

Realität in Computerspielen Soldat in Afghanistan (Foto) Virtueller Soldat im Spiel ARMA 3 (Screenshot)

Erhöhtes Risikopotenzial Spielgenres Rennspiele Denk- und Geschicklichkeitsspiele Adventures Strategiespiele Sportspiele First-Person-Shooter Erhöhtes Risikopotenzial Onlinerollen-spiele Simulationsspiele

Beispiele Call of Duty – Ghosts (First-Person-Shooter) World of Warcraft (Onlinerollenspiel)

Virtual reality seit 2016 verfügbar: Bedeutung für IGD?

Ein Beitrag von klicksafe zu IGD 15

Fallbeispiel (Rehbein, Baier, et al., 2015) Tim (16 Jahre, 9. Klasse) Deutliche Verschlechterung der Noten in den letzten beiden Jahren Muss aktuell die neunte Klasse wiederholen Häufiges Zuspätkommen, oft tagelanges unentschuldigtes Fehlen Tims Mutter berichtet dem Klassenlehrer: Tim spielt fast jede freie Minute am Computer, teilweise bis spät in die Nacht hinein. Anderen Hobbies geht er im Gegensatz zu früher seit längerem nicht mehr nach. Mit seinen verschiedenen Onlinespielen ist Tim so intensiv beschäftigt, dass er kaum noch ansprechbar ist. Zum Essen und Schlafen müssen wir ihn häufig zwingen. Meist reagiert er dann recht gereizt, sodass es zu Hause nahezu täglich zu Konflikten kommt.

Diagnostische Kriterien der Internet Gaming Disorder (DSM-5) „Persistent and recurrent use of the Internet to engage in games, often with other players, leading to clinically significant impairment or distress“ „IGD most often involves specific Internet games, but it could involve non-Internet computerized games as well“ (APA, 2013, S. 795-796) Status: Klinisches Erscheinungsbild mit weiterem Forschungsbedarf. Mindestens 5 von 9 Kriterien müssen auftreten (12-Monatszeitraum). Diagnose nur für Computerspielnutzung (online oder offline). Spielverhalten plattformunabhängig (mobil und stationär). Die operationale Definition der IGD-Kriterien wird kontrovers diskutiert (vgl. Griffiths et al., 2016; Kuss, Griffiths, & Pontes, 2016; Petry et al., 2016).

Herstellung eines internationalen Konsenses

Internet Gaming Disorder Kriterium (DSM-5) Vorgeschlagene Bedeutung (Petry et al., 2014) 1) Gedankliche Vereinnahmung Der Spieler verbringt viel Zeit damit, an das Spielen zu denken, auch wenn er gerade nicht spielt, oder damit zu planen, wann er wieder spielen kann. 2) Entzugs-erscheinungen Der Spieler erlebt psychische (nicht physische oder pharmakologische) Entzugssymptome wie Gereiztheit, Unruhe, Traurigkeit oder Ängstlichkeit wenn nicht gespielt werden kann. 3) Toleranz-entwicklung Der Spieler verspürt im Laufe der Zeit das Bedürfnis, mehr und mehr Zeit mit Computerspielen zu verbringen, um das gleiche Ausmaß an Spannung zu erleben. 4) Kontrollverlust Dem Spieler gelingt es nicht, die Häufigkeit und Dauer des Spielens zu kontrollieren bzw. seine Spielzeit zu verringern. 5) Verhaltensbez. Einengung Der Spieler verliert aufgrund des Spielens sein Interesse an vormals geschätzten Hobbies und Freizeitaktivitäten oder schränkt seine Partizipation daran stark ein.

Internet Gaming Disorder Kriterium (DSM-5) Vorgeschlagene Bedeutung (Petry et al., 2014) 6) Fortsetzung trotz psychosoz. Probleme Der Spieler setzt sein Spielverhalten fort, obwohl er in Folge seines Spielverhaltens psychosoziale Probleme bemerkt. 7) Lügen/ Verheimlichen Der Spieler belügt Familienmitglieder, Therapeuten oder andere Personen über das tatsächliche Ausmaß seines Spielverhaltens oder versucht seine Spielzeiten vor diesen zu verheimlichen. 8) Dysfunktionale Gefühlsregulation Der Spieler setzt das Computerspielen ein, um Problemen zu entkommen oder diese zu vergessen oder um unangenehme Gefühle wie Schuld, Angst, Hilflosigkeit oder Niedergeschlagenheit zu lindern. 9) Gefährdungen/ Verluste Der Spieler hat wegen seines Computerspielens wichtige Beziehungen, Berufs-, Bildungs- oder Karrierechancen gefährdet oder verspielt. Zu Kriterium 6: Dies kann umfassen z. B. Schlafmangel, Unpünktlichkeit in der Schule/Arbeit, zu hohe Geldausgaben, Streitigkeiten mit anderen oder Vernachlässigung wichtiger Pflichten.

Diagnostics Seit Erstveröffentlichung des DSM-5 (2013) wurde eine Vielzahl von Fragebögen entwickelt, die jedoch die Kriterien teilweise in zweifelhafter Weise erfassen. Beispiele: Kontrollverlust = Die Zeit aufgrund des Spielens vergessen? Fortsetzung trotz psychosozialer Probleme = Aufgrund des Spielens vergessen, den Haushalt zu erledigen? Toleranzentwicklung = “I often think that a whole day is not enough to do everything I need to do in-game” (IGD-20 Test; Pontes et al., 2014). “The IGD-20 Test includes 20 items reflecting the nine criteria of IGD as in the DSM-5” (Pontes et al., 2014, S. 3)

Häufige Fehlannahmen und Probleme IGD geht häufig mit exzessivem Spielverhalten einher. Aber: Nur wenige exzessive Spieler sind als pathologische Spieler zu klassifizieren. Ein einzelnes DSM-5-Kriterium ersetzt nicht die Diagnose: Beispiel „Lügen/Verheimlichen“: Nicht jeder, der sein Spielverhalten vor anderen verheimlicht, ist ein pathologischer Computerspieler. Nicht jeder pathologische Computerspieler täuscht sein Umfeld über das tatsächliche Ausmaß des eigenen Spielverhaltens. Bereits mit Vorliegen eines einzelnen klinisch bedeutsamen Symptoms kann ein bestimmtes Kriterium als erfüllt angesehen werden. Beispiel „Gefährdungen/Verluste“: Wenn Karrierechancen gefährdet wurden, muss es nicht auch noch zu Beziehungsabbrüchen gekommen sein. Zu 3) Deshalb ist es umso wichtiger, diese klinisch bedeutsamen Symptome im Einzelnen genaustens zu erfassen. Viele Instrumente wählen hier leider Abkürzungen, in dem alle Symptome in ein einzelnes Item übernommen werden, was häufig zu komplexen Oder-Verknüpfungen führt, die hohe kognitive Anforderungen an den Probanden bedingen.

Computerspielabhängigkeitsskala CSAS Fragebogen zur Erfassung der Internet Gaming Disorder nach DSM-5 (Selbstbericht, ergänzend auch Fremdbeurteilung durch Lebenspartner oder Eltern) Bezug auf das Spielverhalten in den letzten 12 Monaten (12-Monats-Prävalenz) 18 Items (2 Items pro Diagnosekriterium). 4-stufiges Antwortformat (stimmt nicht, stimmt kaum, stimmt eher, stimmt genau). Diagnostisches Kriterium erfüllt, wenn mindestens eines der beiden zugehörigen Items mit „stimmt genau“ beantwortet wird. Cronbachs Alpha:  = .93. Verdachtsdiagnose: 5 oder mehr Kriterien erfüllt

KFN-Niedersachsen-Survey 2013 (Bergmann, Baier, Rehbein, & Mößle, 2017) Bundeslandrepräsentative Schülerbefragung unter Neuntklässlern in Niedersachsen (Januar 2013 – April 2013) Berücksichtigung aller allgemeinbildenden Schulformen (Förderschulen, Hauptschulen, Realschulen, integrierte Haupt-/Realschulen, Gymnasien, Gesamtschulen, Oberschulen) Zufallsziehung unter allen Schulklassen des 9. Jahrgangs (stratifiziert: Schultyp). Gesamtstichprobe: 556 Schulklassen, N = 11 003 (51.1 % männlich) Alter: 13 bis 18 Jahre, M = 14.9, SD = .74 Nettorücklauf (exklusive stichprobenneutraler Ausfall Klassen): 84,1 % Bruttorücklauf (inklusive stichprobenneutraler Ausfall Klassen): 63.7 % Vollstandardisierte Befragung durch geschulte Interviewer im Klassenverbund

Erste veröffentlichte groß angelegte Repräsentativstudie zu IGD im Jugendalter

12-Monats-Prävalenz IGD (N = 11 003) (Rehbein, Kliem, et al., 2015) Erfüllte Kriterien n (%)   Alle Jugendlichen Jungen Mädchen 9,702 (88.18) 4,564 (81.20) 5,138 (95.47) 1 732 (6.65) 575 (10.23) 157 (2.92) 2 244 (2.22) 207 (3.68) 37 (0.69) 3 127 (1.15) 103 (1.83) 24 (0.45) 4 70 (0.64) 58 (1.03) 12 (0.22) 5 51 (0.46) 46 (0.82) 5 (0.09) 6 34 (0.31) 31 (0.55) 3 (0.06) 7 14 (0.13) 12 (0.21) 2 (0.04) 8 11 (0.10) 11 (0.20) 0 (0.00) 9 18 (0.16) 14 (0.25) 4 (0.07) 1,2% 2,0% 0,3% 27

12-Monatsprävalenz IGD (N = 11 003) (Rehbein, Kliem, et al., 2015) 128 Jugendliche erfüllen fünf oder mehr Kriterien der Internet Gaming Disorder. 12-Monatsprävalenz “Gesamt”: 1,16% (95% CI [0.96, 1.36]) 12-Monatsprävalenz “Jungen”: 2,02% (95% CI [1.65, 2.38]) 12-Monatsprävalenz “Mädchen”: 0,26% (95% CI [0.12, 0.40]) Wichtig: Der Anteil männlicher Personen unter den Betroffenen beträgt rund 88 %. Im Durchschnitt spielen die betroffenen Jugendlichen täglich mehr als 6 Stunden (unauffällige Jugendliche: 1 Stunde / 33 Minuten). Im Vergleich zu nicht klassifizierten Jugendlichen weisen die betroffenen Jugendlichen schlechtere Schulnoten, häufigeres Schulschwänzen und häufigere Schlafprobleme auf. Zudem empfinden sie sich selbst häufiger als süchtig.

12-Monatsprävalenz IGD nach Subgruppen (N = 11 003)

Häufigkeit der IGD-Kriterien (N = 11 003) (Rehbein, Kliem, et al

Güte der Kriterien (N = 11 003) (Rehbein, Kliem, et al., 2015) 0.43% 45% 89% 0.07% Um die Diagnose auch im Sinne eines schrittweisen Algorithmus multivariat vorhersagen und hierdurch den Beitragswert der einzelnen Kriterien genauer ermitteln zu können, wurde ein diagnostischer Entscheidungsbaum (non-parametric condititonal inference tree, C-Tree) kalkuliert. Als Inputvariablen zur Vorhersage der IGD-Diagnose wurden die neun IGD-Kriterien sowie Alter, Geschlecht und Spielzeit einbezogen. 32

Risikokorrelate von IGD (Rehbein, 2014; Rehbein, Kühn, et al Risikokorrelate von IGD (Rehbein, 2014; Rehbein, Kühn, et al., 2016; Rehbein & Mößle, 2012) Person männlich erhöhte Impulsivität geringe Empathie und Sozialkompetenz Schule wird als negativ oder angstbesetzt empfunden geringeres akademisches Selbstkonzept zurückliegende Klassenwiederholungen Umfeld eingeschränktes Freizeitverhalten wenig Erlebnisse, auf die der Jugendliche stolz ist frühe Ausstattung mit Bildschirmgeräten schlechte Integration in der Schulklasse Aufwachsen in Ein-Eltern-Familie Spiel insbesondere Onlinerollenspiele aber auch Shooter und Strategiespiele häufig Onlinespiele bereits frühe Tendenz zu hohen Spielzeiten und dysfunktionaler Nutzung

Mit IGD korrelierte Beeinträchtigungsmaße (Rehbein, 2014; Rehbein, Kühn, et al., 2016)

Further research needed Weitergehende empirische Prüfung der IGD-Kriterien. Vereinheitlichung der operationalen Definitionen zwischen (internationalen) Studien. Vermeidung von Überpathologisierung. Längsschnittliche Analysen des Verlaufs und Identifikation relevanter Risiko- und Schutzfaktoren. Analyse der Bedeutung spielstruktureller Merkmale. Entwicklung evidenzbasierter präventiver und therapeutischer Maßnahmen/Interventionen.

IGD: Wie groß ist nun das Problem. (Haß & Lang, 20161; Jacobi et al IGD: Wie groß ist nun das Problem? (Haß & Lang, 20161; Jacobi et al., 2014²; Kraus et al., 2014³) 12-Monats-Prävalenz Angststörungen² 15,3% Nikotinabhängigkeit² 13,1% Affektive Störungen² 9,3% Zwangsstörungen² 3,6% Alkoholabhängigkeit² 3,0% Essstörungen² 0,9% Cannabisabhängigkeit³ 0,5% Medikamentenabhängigkeit² Glücksspielsucht1 0,4% Kokainabhängigkeit³ 0,2% Amphetaminabhängigkeit³ 0,1% Internet Gaming Disorder 0,8 – 1,2%

Zwischenfazit Die Daten sprechen dafür, dass es sich bei IGD um eine relevante psychische Störung handeln könnte. Derzeit wird davon ausgegangen, dass diese als Suchterkrankung einzuordnen ist. Unter Neuntklässlern in Niedersachsen sind verdachtsdiagnostisch etwa 1,2 % von IGD betroffen (12-Monatsprävalenz). Für erwachsene Personen in Deutschland beträgt die Prävalenz rund 0,8%. Männliche Personen sind weit häufiger betroffen als weibliche Personen. Die Betroffenen weisen in erhöhtem Maße psychosoziale und leistungsbezogene Beeinträchtigungen auf.

Zwischenfazit Die DSM-5-IGD-Kriterien unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Auftretenshäufigkeit im Jugendalter (1,5% bis 5,3%) Das Kriterium „Verhaltensbezogene Vereinnahmung“ tritt vergleichsweise selten auf, hat aber die höchste Vorhersagekraft für die Diagnose. Auch die Kriterien Toleranzentwicklung und Entzugserscheinungen sind offenbar sowohl für die Bestätigung wie auch für den Ausschluss der Diagnose von übergeordneter Bedeutung.

Verhaltens- vs. Verhältnisprävention Verhaltenspräventive Maßnahmen zielen auf eine unmittelbare Verhaltensänderung bei Individuen oder Gruppen ab. Verhältnispräventive Maßnahme zielen auf eine Veränderung sozial-ökologischer Umweltfaktoren und Lebensbedingungen ab, die einen Einfluss auf die Erkrankungswahrscheinlichkeit haben, dabei allerdings außerhalb der individuellen Handlungsmöglichkeiten liegen. Wichtig: Keiner der beiden Maßnahmeformen kann eine grundsätzliche Überlegenheit zugesprochen werden. Eine wirksame Präventionsstrategie sollte in der Regel sowohl verhaltens- als auch verhältnispräventive Maßnahmen berücksichtigen.

Beispiele für verhaltens- und verhältnispräventive Ansätze bei Suchterkrankungen Bei „Früherkennung und Frühintervention“ betreffen die damit verbundenen Schulungen eher die Verhaltensebene (z.B. des Verkaufspersonals, von Kinderärzten) und der intendierten Wirkung dieser geschulten Personen die Verhältnisebene. Rehbein, F., Kalke, J., Bleckmann, P., Rüdiger, T.-G., & Mößle, T. (2014). Verhältnisprävention bei stoffungebundenen Süchten. In Mann, K. (Hrsg.), Verhaltenssüchte (155-175). Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag.

Verhaltensprävention von Computerspielsucht Schulen bieten vielfältige Ansatzpunkte für die Realisierung von universellen und selektiven Präventionsmaßnahmen: Thematisierung im Unterricht und/oder Schulprojekten Verteilung von Informationsmaterialien Benennung eines kompetenten Ansprechpartners Schulung/Fortbildung von Lehrkräften Einladung einer Fachkraft für Suchtprävention Externe Beauftragung der Durchführung umfassenderer Präventionsmaßnahmen

Beispiele für verhaltens- und verhältnispräventive Ansätze bei Suchterkrankungen Bei „Früherkennung und Frühintervention“ betreffen die damit verbundenen Schulungen eher die Verhaltensebene (z.B. des Verkaufspersonals, von Kinderärzten) und der intendierten Wirkung dieser geschulten Personen die Verhältnisebene. Rehbein, F., Kalke, J., Bleckmann, P., Rüdiger, T.-G., & Mößle, T. (2014). Verhältnisprävention bei stoffungebundenen Süchten. In Mann, K. (Hrsg.), Verhaltenssüchte (155-175). Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag.

Früherkennung und Frühintervention Idee: Riskantes Computerspielverhalten anhand von Früherkennungsmerkmalen erkennen. Identifikation über geschulte Akteure oder mittels elektronischer Systeme (Algorithmen). Aktuelle Situation: Keine Umsetzung. Herausforderungen: Relevante Früherkennungsmerkmale in zuverlässiger Weise erfassen. Geeignete Reaktionen auf problematisches Spielverhalten zeigen. Einschätzung des Wirkpotentials: Eher hoch. In Hinblick auf Früherkennung und Frühintervention durch Anbieter müssen allerdings Interessenkonflikte befürchtet werden. Beim Glücksspielen: Personalschulungen von Spielstättenpersonal, um problematische Glücksspieler erkennen und intervenieren zu können. Extrem hohe Nutzungszeiten, hohe Geldausgaben im Spiel. Möglichst in breiten Kontexten erfassen (Kinder- & Jugendärzte, Schulen, Pädagogen…). Spielsysteme könnten mit Warnmeldungen, Hinweis-Emails oder der Vermittlung von Hilfsangeboten reagieren. Tipps für kontrollierte Nutzung zukommen lassen. Früherkennung auch möglich über pädagogische Fachkräfte, die Verhaltensauffälligkeiten in Zusammenhang mit Computerspielnutzung von Kindern und Jugendlichen erkennen. Computerspielhersteller könnten geringes Interesse daran haben, ein Suchtpotential ihrer Produkte einzuräumen und intensive Formen des Spielverhaltens (sowohl zeitlich als auch monetär) zu beschränken.

Schutz von Minderjährigen Idee: In Anlehnung an den Substanzbereich und das Glücksspielen den Zugang von Minderjährigen zu besonders riskanten Computerspielangeboten einschränken (Altersfreigabe). Aktuelle Situation: Keine Berücksichtigung des Suchtpotentials im Jugendmedienschutz. Rechtliche Zuständigkeit ungeklärt. Herausforderungen: Ermöglichung von Gefährdungsprognosen anhand von Spielmerkmalen. Abdeckung offline und online vertriebener Spiele (auch Browsergames, Apps). Einschätzung des Wirkpotentials : Eher hoch. Zugang von Minderjährigen zu besonders suchtgefährdenden Spielangeboten könnte in Teilen eingeschränkt und Mediennutzungsmenüs auf weniger gefährdende Angebote gelenkt werden. Bei Glücksspielen: Spielen erst ab 18 Jahren. Dennoch werden Glücksspiele auch von Jugendlichen genutzt. Schutz im Internet muss verbessert, Wirksamkeit der Alterskontrollen verbessert werden. Bislang Onlinerollenspiele, Shooterspiele und Strategiespiele besonders auffällig. Diskutierte Merkmale: Offene Spielwelten mit repetitiven Spielhandlungen, die online genutzt werden können, gelten als besonders kritisch. Virtuelle Spieleshops und Monetarisierung von Spieleitems kann ebenfalls als kritisch gelten. Vergabe zufälliger Belohnungen, intermittierende Verstärkung. Datenträgergebunden  USK, oberste Landesjugendbehörden. Internetspiele = Telemedien  Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Kinder und Jugendliche sollen ungeeignete Angebote „üblicherweise nicht wahrnehmen können“. Üblich sind hierfür simple Altersverifikationen (Geburtsdatum angeben). Spiele, die nur online vertrieben werden  USK oder JMStV.

Externe Beschränkung von Spielangebot und Konsumgelegenheiten Idee: Zugang (z.B. Gerätebesitz) und Konsumgelegenheiten einschränken. Aktuelle Situation: In Deutschland keinerlei Einschränkungen. Im Gegenteil: Zugang und Konsumgelegenheiten nehmen ständig zu. Herausforderungen: Einschränkung des Zugangs. Einschränkung von Konsummöglichkeiten. Einschätzung des Wirkpotentials : Eher gering. Zugangsbeschränkung kaum möglich (Stichwort: Smartphones). Konsumgelegenheiten könnten allerdings reduziert werden (z.B. nächtliche Sperre bestimmter Spieleserver, Cooling-Off-Phasen, Reduktion von Konsumgelegenheiten im öffentlichen Raum). Bei Glücksspielen: Staatliches Glücksspielmonopol (Regulierung der Angebotsdichte, begrenzte Lizenzen, Verbot bestimmter Internetglücksspiele). Würde bedeuten, Geräte weniger verfügbar zu machen. Dies ist noch für das frühe Kindesalter denkbar, indem Geräteausstattung später erfolgt.

Selbstbeschränkung von Spielangebot und Konsummöglichkeiten Idee: Möglichkeiten schaffen, den eigenen Computerspielkonsum zu regulieren. Aktuelle Situation: Keine Möglichkeiten der Selbstbeschränkung. Herausforderungen: Computerspielern ermöglichen, sich selbst den Zugang zu einem bestimmten Spiel, Anbieter oder Genre zu unterbinden. Verschiedene Sperrmodalitäten anbieten, z. B. komplette Sperre, befristete Sperre (3 Monate), Spielzeitkontingente, blocken bestimmter Wochentage, Selbstlimitierung von Geldausgaben in Free-2-Play-Spielen. „Permadeath“ von Accounts. Verkaufsmöglichkeit von Gebrauchtspielen. Einschätzung des Wirkpotentials : Sehr hoch. Eine wirksame Umsetzung könnte allerdings durch Interessenkonflikte erschwert werden. Im Glücksspielbereich wurden vielfältige Maßnahmen erprobt: Etablierung der Möglichkeit der Selbstsperre und von Besuchsvereinbarungen wie Spielfrequenz und Einsatzhöhen. Es geht darum, dem Kontrollverlust Kontrollmöglichkeiten entgegenzusetzen! Hierzu könnten auch große Internet-Vertriebsplattformen für Computerspiele, wie z.B. Steam, U-Play, Playstation Store, Xbox Games Store) verpfichtet werden, einzelspielübergreifende Selbstsperren für ihre Kunden anzubieten.

Produktgestaltung Idee: Reduktion des Gefährdungspotentials von Computerspielen durch Veränderungen in der Produktgestaltung und/oder Präsentation. Aktuelle Situation: Kaum Anstrengungen der Anbieter zu erkennen. Im Gegenteil: Kritische, eigentlich genrespezifische Spielmerkmale, sprengen zunehmend Genre-Grenzen. Herausforderungen: Identifikation und Veränderung gefährdender Spielmerkmale. Warnhinweise bei Kauf und im Spiel so implementieren, dass dies einer Sensibilisierung und nicht dem Marketing dient. Beispiele für mögliche Ansatzpunkte: Abkürzung von Aufgaben, Verringerung des notwendigen Spielzeitinvestments, Verringerung der Belohnungsvergabe mit fortschreitender Spielzeit, Verzicht auf persistente Spielwelten. Einschätzung des Wirkpotentials : Eher gering (Warnhinweise). Eher hoch (Spielmerkmale). Gesetzliche Vorgaben notwendig: Einige kritische Merkmale können Markt- und Suchtpotential gleichermaßen erhöhen (Interessenkonflikt). Im Glücksspielbereich existieren viele gesetzliche Vorgaben (z.B. Verbot von Live-Wetten, verpflichtende Warnhinweise auf Spielgeräten und in Spielstätten, Regelung der Gewinnausschüttung und der Ereignisfrequenz). Im Computerspielbereich nicht! Offene Spielwelten mit repetitiven Spielhandlungen, die online genutzt werden können, gelten als besonders kritisch. Virtuelle Spieleshops und Monetarisierung von Spieleitems kann ebenfalls als kritisch gelten. Vergabe zufälliger Belohnungen, intermittierende Verstärkung. Beispiel Warnhinweis in WoW: „Konsumiere alles in Maßen (sogar World of Warcraft)“. In Final Fantasy 11: Vanadiel zu erkunden ist eine aufregende Erfahrung. Während deiner Zeit hier wirst du die Möglichkeit haben mit vielen zu sprechen, zusammenzuarbeiten und Abenteuer zu erleben und eine Erfahrung zu machen, die einmalig für ein Online-Spiel ist. Dies vorausgeschickt haben wir kein Interesse daran, dass hierdurch dein reales Leben in Mitleidenschaft gezogen wird. Vergiss nicht deine Familie, deine Freunde, deine Schule und deine Arbeit. Es sollte darauf verzichtet werden, Spieler bei längerer Abwesenheit zu bestrafen oder sie im Rahmen persistenter Spielwelten beständig dazu aufzufordern, ihren Spielstatus zu kontrollieren, um bestimmte Vorteile zu bekommen oder Nachteile zu vermeiden.

Werbebeschränkung Idee: Kinder- und Jugendliche nicht auf problematische Spiele aufmerksam machen. Gefährdete Computerspieler nicht mit suchtassoziierten Reizen konfrontieren. Aktuelle Situation: Keine gefährdungsspezifischen Beschränkungen. Herausforderungen: Umsetzung von Werbebeschränkungen in Orientierung an den gesetzlichen Vorgaben beim Glücksspiel für riskante Computerspielformen. Irreführende Werbeaussagen verbieten, z.B. Bewerbung von Free-2-Play-Spielen als kostenlos, obwohl Weigerung zum Itemkauf sich nachteilig auf den Spielerfolg oder Spielfortschritt auswirkt. Entwicklung verpflichtender Vorgaben zur Offenlegung nachträglicher Kosten. Einschätzung des Wirkpotentials : Eher gering (Werbebeschränkungen). Eher hoch (Verbot irreführende Werbeaussagen). Gesetzliche Vorgaben wären notwendig. Im Glücksspielbereich Verbot von Fernsehwerbung (grundsätzlich) und Kinowerbung (bis 18:00 Uhr) sowie Werbeverbot in der Nähe von Schulen und nicht adressiert an Minderjährige.

Regelungen zum Konsumumfeld Idee: Konsumumfeld so gestalten, das Risikopotential vermindert wird. Aktuelle Situation: Konsum findet in der Regel im privaten Setting (zuhause) statt. Herausforderungen: Allenfalls Regulierung des Konsumumfelds auf öffentlichen Spielveranstaltungen (LAN-Parties, Computerspielturniere, Spielstätten mit Arcardespielgeräten) denkbar. Einschätzung des Wirkpotentials : Sehr gering. Privates Konsumumfeld kann kaum über verhältnispräventive Maßnahmen verändert werden. Hier kann nur Verhaltensprävention (Sensibilisierung von Eltern) wirksam ansetzen. Im Glücksspielbereich z.B. Alkoholverbot oder Rauchverbot in Spielstätten, Trennwände zwischen Spielgeräten.

Stichprobe: Suchtpräventionsakteure in Niedersachsen Fragebogen aufgerufen: N = 702 Stichprobe: 51,8% weiblich 60,7% über 50 Jahre alt In die Auswertung einbezogene Fragebögen: N = 527 Vollständig ausgefüllte Fragebögen: N = 498

Ergebnisse der Befragung von Akteuren der Suchtprävention 2016 in Niedersachsen

Ergebnisse der Befragung von Akteuren der Suchtprävention 2016 in Niedersachsen

Ergebnisse der Befragung von Akteuren der Suchtprävention 2016 in Niedersachsen

Niedersachsenrepräsentative Neuntklässerbefragung 2015

Ergebnisse der Schülerbefragung 2015 in Niedersachsen (n= 10.638)

Zweites Zwischenfazit Auf Basis der im Glücksspielbereich gemachten Erfahrungen können mögliche verhältnispräventive Maßnahmen für den Computerspielbereich ausgelotet werden. Eine Bestandsaufnahme zeigt, dass mögliche Potentiale der Verhältnisprävention bislang vollständig unausgeschöpft sind (keine Erprobungen, keine Pilotstudien, keine Gesetzesinitiativen). Aus ökonomischen, sozialpolitischen und gesundheitspsychologischen Erwägungen heraus erscheint es jedoch kaum begründbar, dass zunehmende gesellschaftliche Ressourcen für die Beratung, Behandlung und Verhaltensprävention aufgewendet werden, verhältnispräventive Möglichkeiten aber (die primär die Ressourcen der Computerspieleindustrie in Anspruch nehmen, sonst aber kaum Kosten erzeugen) ungenutzt bleiben. Somit erscheint es nun dringend erforderlich, vielversprechend erscheinen Maßnahmen zu erproben und hierfür die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Besonders zielführend erscheint es, sich zunächst auf den Schutz von Minderjährigen und Selbstbeschränkungsoptionen zu konzentrieren.

Verhaltenstipps für Eltern Möglichst keine Bildschirmmediennutzung von Vorschulkindern Selbst unstrukturiertes freies Spiel ist Bildschirmangeboten im Vorschulalter überlegen. Vorlesen ist ebenfalls besonders wichtig für die kognitive Entwicklung. Im Grundschulalter auf eine deutlich limitierte Bildschirmzeit achten. Hier noch keine eigenen Geräte und Smartphones! Nicht nur darauf achten, wieviel, sondern auch was und wie genutzt wird. Seien Sie ein gutes Vorbild. Reflektieren Sie ihre eigene Mediennutzung. Etablieren Sie verbindliche Familienregeln für die Mediennutzung, an die sich alle halten müssen. Lernen Sie wieder, als Familie Langeweile auszuhalten, miteinander zu sprechen und Freizeit (kommt von „freie“ Zeit) kreativ und spontan auszufüllen. Zu 1: Bunte Bildschirme wirken auf Kleinkinder wie Licht auf Motten. Zu 2: Die hier anstehenden Entwicklungsaufgaben können nicht durch Bildschirmmediennutzung bewältigt werden (z.B. sensumotorische Integration) Zu 3: Eltern: Sprechen Sie sich ab. Ihr Verhalten bestimmt die „Norm“ und damit das, was zum „Normalen“ wird. Wenn es ein Handy sein muss, dann bitte ein Dumbphone! Zu 4: Das betriff zum einen Gewaltinhalte. USK-Altersfreigaben sind zum Teil fragwürdig. Kinder umgehen diese zudem häufig. Weitere Gefahren: Internetpornographie, Cybermobbing, Cybergrooming. Zu 5: Durch ihr eigenes Verhalten leben Sie einen Umgang mit Medien vor. Wenn Sie selber bei Stress und Ärger in Medienwelten flüchten, werden ihre Kinder das irgendwann auch tun. Wenn Sie Gespräche mit Ihren Kindern zugunsten einer Whatsapp-Nachricht abbrechen, dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn irgendwann nur noch Smartphones das Sagen haben. Zu 6: Was könnten das für Regeln sein? Haben Sie Ideen? Essenszeit ist fernseh- und smartphonefreie Zeit. Medienfreie Familientage. Alternative Familienaktivitäten. Zu 7: Aus der Not der Langeweile resultieren manchmal die allerbesten Ideen. Tun Sie nicht immer nur das, was am nächsten liegt. Denn dann werden Sie irgendwann merken, das Mediennutzung viel zu häufig am nächsten liegt. Machen Sie auch mal was verrücktes (z.B. gerade weil es regnet, spazieren gehen und eine möglichst tiefe Pfütze suchen).

Was tun, wenn die Mediennutzung problematisch wird? Versuchen Sie erst einmal genau zu verstehen, worin das Problem besteht. Sprechen Sie das Problem an. Seien Sie konkret und stellen Sie in den Vordergrund, warum Sie sich Sorgen machen, was Ihnen aufgefallen ist. Vermeiden Sie Vorwürfe und Verurteilungen. Vereinbaren Sie verbindliche Regeln. Sie sind der Chef bzw. die Chefin! Versuchen Sie, Alternativen zur Mediennutzung zu entwickeln. Wenn Vereinbarungen nicht eingehalten werden: Nutzen Sie elektronische Jugendschutzprogramme. Wenn Probleme länger weiter bestehen: Suchen Sie professionelle Hilfe auf! 1. Was wird wie lange gemacht? Und was motiviert zur Mediennutzung? Zeitlich exzessives Verhalten, ohne das alternative Freizeit beeinträchtigt wird? Oder zunehmender Interessenverlust? Wird die Mediennutzung eingesetzt, um Probleme (z.B. in der Schule, mit Freunden, in der Familie) auszublenden? Welche Angebote werden in problematischer Weise genutzt (bestimmte Spiele? Facebook?). 5. Z. B. Wochenkontingente. Intelligente Software kann auch nach der Art der Nutzung unterscheiden, z.B. Wochenlimit für Internetsurfen, Wochenlimit für Spiele, usw. Zudem können problematische Inhalte (z.B. Pornographie) geblockt werden. 6. Z. B. Suchtberatungsstelle, Selbsthilfegruppe

Technologie kann faszinierende Erlebnisse, aber auch neue Risiken schaffen…

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! PD Dr. Florian Rehbein Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen Lützerodestraße 9 30161 Hannover florian.rehbein@kfn.de

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