Symptomwandel der ADHS im Jugendalter Konsequenzen für Forschung und klinische Praxis nun Lars Tischler, Sören Schmidt, Franz Petermann und Ute Koglin.

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Symptomwandel der ADHS im Jugendalter Konsequenzen für Forschung und klinische Praxis nun Lars Tischler, Sören Schmidt, Franz Petermann und Ute Koglin Zentrum für klinische Psychologie und Rehabilitation ZKPR, Universität Bremen, Grazer Str. 2, 28359 Bremen, Deutschland Ergebnisse Hintergrund ADHS ist über verschiedene Lebensabschnitte durch einen Symptomwandel gekennzeichnet (Schmidt & Petermann, 2008). Für das Kindes- und Jugendalter sind die Symptome allgemeingültig definiert (ICD- 10, DSM-IV-TR). Für das Erwachsenenalter liegen die Wender-Utah-Kiterien vor (Wender, 1995). Diese Klassifikationssysteme bilden jedoch die Heterogenität psychischer Entwicklung in der Adoleszenz nur eingeschränkt ab. Ins Erwachsenenalter hinein verschieben sich die Symptome der ADHS: Die körperliche Unruhe weicht zunehmend einer inneren. Hinzu kommen Symptome aus den Bereichen Affekt und Emotion, die sich negativ auf das subjektive Wohlbefin-den auswirken: Lebenszufriedenheit und Lebensqualität sind betroffen. Es ist zu vermuten, dass diesen Symptomen der ADHS im Er- wachsenenalter Erscheinungsformen vorausgehen, die bisher in der Diagnostik der Kindheit und Jugend zu wenig Beachtung erfahren haben (Tischler et al., 2010). I. Die Berechnung der bivariaten Zusammenhänge zwischen psychischen Belastungen und den ADHS-E-Skalen ergibt einen starken Zusammenhang zwischen den Skalen «Emotion und Affekt» sowie «Unruhe und Überaktivität» des ADHS-E und der verringerten Lebenszufriedenheit der Jugendlichen (r > .50). Ein weiterer starker Zusammenhang besteht zwischen «Emotion und Affekt» und «Aufmerksamkeitssteuerung» und «Depressivität» (vgl. Tab. 1). Tabelle 1: Interkorrelationen der Skalen Anmerkung: +p < .10, *p < .05, **p < .01, ***p < .001 II. Die linearen Regressionen auf den ADHS-E-Gesamtwert (vgl. Tab. 2) betonen ebenfalls den Zusammenhang zwischen verminderter Lebenszufriedenheit der Jugendlichen und ADHS-Symptomen (R = .63, F[5, 139] = 17,25; Varianzaufklä-rung ~ 39 %). Zweitstärkster Prädiktor ist die Skala «Depres-sivität» (b = .28). Die gesundheitsbezogene Lebensqualität ist nicht beeinträchtigt. Tabelle 2: Lineare Regressionen auf den Summenwert des ADHS-E Anmerkungen: *p < .05, **p < .01, ***p < .001 Schlussfolgerungen Methode Stichprobe: Anhand einer repräsentativen Datenerhebung (Meinungsforschungsinstitut USUMA, Berlin) wurde eine Stichprobe von N = 140 Jungen (50,7%) und Mädchen (49,3%) im Alter von 14 bis 19 Jahren erhoben. Fragestellung: Untersucht wurde der Einfluss von ADHS auf die Lebenszufriedenheit und Lebensqualität Heranwachsen-der im Hinblick auf Symptome, wie sie in der ADHS-Diagnostik bisher nur für das Erwachsenenalter klassifiziert sind. Folgen-de Fragebogen wurden im Selbstbericht eingesetzt: ADHS-E (ADHS-Screening für Erwachsene) SF-12 (Kurzform des SF-36 Health Survey Fragebogens) SWLS (Satisfaction With Life Scale) PHQ-15 und PHQ-9 (Patient Health Questionnaire). Auswertung: Mit SPSS 16 wurden t-Tests zur Prüfung von Mittelwertsunterschieden zwischen Jungen und Mädchen durchgeführt. Zusammenhangshypothesen wurden mit Pearsons r getestet. Zur Analyse multipler Zusammenhänge zwischen psychischen und somatischen Belastungen und ADHS-Symptomen wurden multiple Regressionen auf den ADHS-E-Gesamtwert berechnet: für die gesamte Stichprobe und jeweils für Jungen und Mädchen. Besonders die mit Emotion und Affekt verbundenen Faktoren der ADHS wirken sich negativ auf die Lebenszufriedenheit der Jugendlichen aus. Dies wird in ICD-10 und DSM-IV bisher nicht entsprechend berücksichtigt. Auch die Zusammenhänge mit Depressivität können nicht außer Acht gelassen werden. A Die Diagnostik von Kindern- und Jugendlichen mit Verdacht auf ADHS sollte immer mit Blick auf die Aufmerksamkeitsleis-tungen und emotional-affektive Beeinträchtigungen durch- geführt werden. Das Jugendalter ist nicht als bloß krisenhafte Entwicklungsphase zu betrachten. Es bedarf einer Bewusst-heit für die ADHS des Jugendalters und ihrer dynamischen Er-scheinungsformen, die die Diagnosekriterien für die ADHS im Erwachsenenalter mit berücksichtigt. Schmidt, S. & Petermann, F. (2008). Entwicklungspsychopato-logie der ADHS. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 56, 265-274. Tischler, L., Schmidt, S., Petermann, F. & Koglin, U. (2010). ADHS im Jugendalter. Zeitschrift für Psychiatrie, Psycholo-gie und Psychotherapie, 58, 23-34. Wender, P. H. (1995). Attention-deficit hyperactivity disor-deriin adults. New York: Oxford University Press. Dipl.-Psych. L. Tischler, ehem. Psychologische Kinderambulanz der Universität Bremen, Grazer Str. 2, 28359 Bremen Aktuell 2017: lars.tischler@medicalschool-hamburg.de