Haftung von Leitungs- und Kontrollorganen

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 Präsentation transkript:

Haftung von Leitungs- und Kontrollorganen 4. Einheit WS 2017/18 Hon.-Prof. Dr. Irene Welser Partner CHSH

Abberufung des Vorstands (1) § 75 Abs 4 AktG: „ Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied […] widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt“ Ansprüche aus Arbeitsvertrag hiedurch nicht berührt

Abberufung des Vorstands (2) Wichtiger Grund: (§ 75 Abs 4 AktG) Grobe Pflichtverletzung Unfähigkeit zur Geschäftsführung Entziehung des Vertrauens durch die HV Diese Aufzählung ist nicht taxativ Andere Gründe möglich, wenn sie in Qualität und Intensität gleichkommen Beurteilung im Einzelfall Widerruf wirksam, solange nicht gerichtlich Unwirksamkeit festgestellt

Grobe Pflichtverletzung Verletzung von Pflichten, die aus einer Organfunktion resultieren Unmittelbarer Zusammenhang mit der Organstellung Mögliches Beispiel: strafbare Handlung (z.B. Insidergeschäfte) im Rahmen der Funktionsausübung Vermögensschaden nicht erforderlich

Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung Unvermögen des Vorstandsmitglieds zur Geschäftsführung muss über eine bloße Untüchtigkeit oder wirtschaftlichen Misserfolg hinausgehen Einmaliges Scheitern ist keine Unfähigkeit Leistungsfähigkeit muss dauerhaft beeinträchtigt sein

Entzug des Vertrauens durch die Hauptversammlung Wichtiger Grund bei aus offenbar nicht unsachlichen Gründen erfolgtem Vertrauensentzug Auch ein nicht mit Gründen versehener HV-Beschluss ist eine ausreichende Grundlage für einen Widerruf durch den AR Allerdings muss die Gesellschaft die konkreten Gründe für den Vertrauensentzug offenlegen und beweisen Kommt selten vor, meist nur bei 100% Eigentümern

Zuständigkeit Gleichgültig um welchen Abberufungsgrund es sich handelt: immer ist es der AR, der die Abberufung vornimmt und zwar ausschließlich durch Beschluss Eine Verpflichtung des AR, bei Vorliegen eines Abberufungsgrundes, die Abberufung auch tatsächlich vorzunehmen, besteht nicht Wahrnehmung bzw Ausübung von pflichtgemäßem Ermessen

Einschränkung / Erweiterung der Gründe Die Abberufungsgründe des AktG können durch die Satzung weder eingeschränkt noch erweitert werden Dies kann auch nicht im Rahmen des Bestellungsbeschlusses geschehen

Unverzügliche Geltendmachung der AR muss von seinem Abberufungsrecht unverzüglich Gebrauch machen bei sonstiger Verwirkung seines Rechts Eine angemessene Zeit zur Befassung des Plenums, zur Überlegung, uU auch zur näheren Sachverhaltsermittlung und nicht zuletzt zur Bewältigung aller notwendigen Verfahrensschritte (zB Einholung der Zustimmung der Mehrheit der Kapitalvertreter) steht aber dem AR selbstverständlich zur Verfügung

Formales zu Abberufung in der AG Die Abberufung ist ein einseitiger körperschaftsrechtlicher Akt, der wohl zugehensbedürftig, nicht jedoch annahmebedürftig ist Der Funktionsverlust tritt folglich mit Zugang ein Parallel dazu: Auflösung des Arbeitsvertrages/freien Dienstvertrages erforderlich! Unterschied Entlassung / Kündigung Unterschiede befristete und unbefristete Managerverträge

Abberufung des GmbH-Geschäftsführers (1) § 16 Abs 1 GmbHG: „Die Bestellung zum Geschäftsführer kann unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen durch Beschluss der Gesellschafter jederzeit widerrufen werden.“ Vorliegen eines wichtigen Grundes grundsätzlich nicht erforderlich Bei schon im Gesellschaftsvertrag bestellten Gesellschafter-Geschäftsführern kann die Abberufung im Gesellschaftsvertrag auf wichtige Gründe beschränkt werden (§ 16 Abs 3 S 1 GmbHG)

Abberufung des GmbH-Geschäftsführers (2) § 16 Abs 2 GmbHG: „Ein Geschäftsführer kann aus einem wichtigen Grund durch gerichtliche Entscheidung abberufen werden. […]“ § 117 Abs 1 und 127 UGB sind bei Gesellschafter-Geschäftsführern sinngemäß anzuwenden: ein wichtiger Grund ist daher insbesondere: grobe Pflichtverletzung Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung Aufgrund dieser Vorschrift kann auch ein Minderheitsgesellschafter das Abberufungsrecht durchsetzen.

Formales zur Abberufung in der GmbH (1) Widerruf durch Gesellschafterbeschluss: einfache Mehrheit genügt (außer im Gesellschaftsvertrag anders geregelt) Die Abberufung ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung der Gesellschaft, mit Zugang (= Mitteilung) an den abberufenen Geschäftsführer wirksam

Formales zur Abberufung in der GmbH (2) Beschränkung auf wichtige Gründe (gem. § 16 Abs 3 GmbHG): Wichtige Gründe können im Gesellschaftsvertrag (demonstrativ) aufgezählt und dort gegenüber dem allgemeinen Verständnis des „wichtigen Grundes“ erweitert werden Nach einem Teil der Lehre und der Rsp ist demgegenüber eine Einengung nicht möglich: objektiv wichtige Gründe können also nicht als unwichtig erklärt werden Eine gesetzliche Frist, innerhalb welcher ein wichtiger Grund geltend gemacht werden müsste, besteht nicht längeres Zuwarten könnte uU als schlüssiger Verzicht auf die Geltendmachung gesehen werden

Formales zur Abberufung in der GmbH (3) Abberufung durch gerichtliche Entscheidung (§ 16 Abs 2 GmbHG): Abberufungsklage = Rechtsgestaltungsklage Klageberechtigt sind die übrigen Gesellschafter Gesellschafter, die bei einem versuchten Abberufungsbeschluss gegen die Abberufung gestimmt haben, können von den anderen auf Zustimmung geklagt werden

Arbeitsrechtliches Risiko Wenn ein Vorstand / Geschäftsführer zwar abberufen, aber nicht (arbeitsrechtlich) entlassen wird: Risiko, dass er „zurückfällt“ und als „einfacher Dienstnehmer“ anzusehen ist dann: Kündigung nach § 105 ArbVG Sonderproblem Vorstandsvertrag: Entlassung kann nicht als Kündigung wirken, wenn Vertrag befristet und keine ordentliche Auflösungsmöglichkeit

Strafrechtswidriges Verhalten eines Vorstandsmitglieds/Geschäftsführers Kann sowohl Entlassungs-, als auch Abberufungsgrund darstellen Abberufungsgrund, wenn grobe Pflichtverletzung Entlassungsgrund wenn Vertrauensunwürdigkeit gem. § 27 Z 1 AngG Vorliegen der Straftat genügt Bloßer Verdacht reicht in der Regel nicht aus Ermittlungsverfahren, Anklageerhebung oder Verurteilung nicht erforderlich

Allfällige Schadenersatzansprüche gegen Vorstand: Vergleich/Verzicht möglich? § 84 Abs 4 Akt „ […] Die Gesellschaft kann erst nach fünf Jahren seit der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich darüber vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zwanzig vom Hundert des Grundkapitals erreichen, widerspricht. Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig oder überschuldet ist und sich zur Überwindung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung mit seinen Gläubigern vergleicht.“

Allfällige Schadenersatzansprüche gegen Vorstand: Vergleich/Verzicht möglich? Möglichkeit auf Ansprüche zu verzichten oder Vergleich abzuschließen ist beschränkt: Zeitlich: erst 5 Jahre nach der Entstehung Formal: Zustimmung der Hauptversammlung Ausnahme bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung