Bestandsaufnahme zur Umsetzung der SDG 4 in Österreich SDG 4: Für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sowie Möglichkeiten.

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 Präsentation transkript:

Bestandsaufnahme zur Umsetzung der SDG 4 in Österreich SDG 4: Für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen sicherstellen Univ. Prof. Dr. Gottfried Biewer Universität Wien, Institut für Bildungswissenschaft (Institutsvorstand) Vize-Studienprogrammleiter LehrerInnenbildung im Verbund Nord-Ost

Entwicklungstendenzen der Bildungspolitik in Österreich Es gibt Bereiche, in denen die österreichische Politik konzeptionell deutlich weiter ist, als die SDG 4 propagieren. Beispiel: während unter 4.b die Erhöhung der verfügbaren Stipendien verlangt wird, fokussiert das Hochschulkooperationsprogramm APPEAR auf die Etablierung nachhaltiger Strukturen in den Hochschulsystemen in Ländern des globalen Südens zu Lasten des individuellen Stipendiensystems Es gibt Bereiche, in denen Zielsetzungen in vollem Umfang erfüllt werden. Beispiel: Unterrichtspflicht für Kinder im Alter von 6 bis 14/15 Jahren Es gibt Bereiche, in denen gravierende Mängel herrschen. Beispiel: fehlende Strukturen für den Zugang zu Schulbildung und/oder Ausbildung für nicht schulpflichtige Jugendliche mit Fluchthintergrund

SDG 4.1 Österreich hat ein weitgehend öffentlich finanziertes Bildungssystem mit einem nur geringen Privatschulsektor. Dies erleichtert sozialen Aufstieg auch für Kinder aus bislang bildungsfernem Elternhaus. Dies wird aber konterkariert durch fehlende Unterstützungssysteme bei Problemlagen in den kostenfreien weiterführenden öffentlichen Bildungsinstitutionen. Die äußere Selektion für unterschiedliche Schulformen im Alter von 10 Jahren ist unter pädagogischen, sozialen und entwicklungspsychologischen Aspekten nicht zu rechtfertigen. Positiv sind die Strukturveränderungen der neuen Lehrer/innenbildung hervorzuheben, die seit 2014 umgesetzt wird und die nur noch ein Sekundarstufenlehramt Allgemeinbildung für alle Schulformen anbietet und pädagogische Inhalte auch mit einem Fokus auf Heterogenität der Schüler/innenschaft und Chancengerechtigkeit ermöglicht. Bis 2030 allen Mädchen und Jungen den Abschluss einer kostenlosen, chancengerechten und hochwertigen Primar- und Sekundarschulbildung ermöglichen, die zu relevanten und effektiven Lernergebnissen führt.

SDG 4.2 Frühkindliche Bildungsangebote für Kinder unter 3 Jahren gibt es nicht flächendeckend in Österreich. Die Qualifikation des Fachpersonals in vorschulischen Bildungsinstitutionen liegt weit unter dem europäischen Durchschnitt. Versuche es bis auf akademisches Niveau über die Pädagog/innenbildung NEU anzuheben, wurden in den nachfolgenden Gesetzgebungen nicht umgesetzt. Bis 2030 allen Mädchen und Jungen den Zugang zu hochwertiger frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung sichern, die ihnen einen erfolgreichen Übergang in die Schule ermöglichen.

SDG 4.3 Das duale Bildungssystem führt auch im internationalen Vergleich zu einer hohen Quote beim Arbeitsmarktzugang von jungen Erwachsenen. Es gibt allerdings nach wie vor eine zu hohe Quote, denen es wegen mangelnder Ausgangskompetenzen nicht gelingt in den vorhandenen Strukturen eine Ausbildung abzuschließen. Im Bereich der akademischen Bildung ist die Quote weiblicher Studierender inzwischen höher als die männlicher Personen. Nach wie vor studieren Frauen aber eher Fächer, die zu geringerem Einkommen und zu schlechteren Arbeitsmarktchancen führen. Für Menschen mit Beeinträchtigungen fehlen im tertiären Bildungsbereich adäquate Unterstützungssysteme. Bis 2030 allen Frauen und Männern einen gleichberechtigten und bezahlbaren Zugang zu hochwertiger beruflicher und akademischer Bildung ermöglichen.

SDG 4.4 Für einzelne Gruppen (insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene mit unzureichenden Kenntnissen in den Kulturtechniken und bei Jugendlichen mit Behinderungen) gelingt dies nicht oder nur unzureichend. Jugendliche mit intellektueller Beeinträchtigung werden nach wie vor über einen Sonderweg in einen Ersatzarbeitsmarkt geleitet, obwohl die Effektivität alternativer Qualifikationswege („training on the job“) für den regulären Arbeitsmarkt nachgewiesen ist. Bis 2030 sicherstellen, dass eine deutlich höhere Anzahl an Jugendlichen und Erwachsenen die für eine Beschäftigung oder Selbstständigkeit relevanten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten erwirbt.

SDG 4.5 Die Kombination von Migrationshintergrund, Armutslebenslagen und sprachlicher Verschiedenheit zur Mehrheitsgesellschaft führt im Bildungsprozess zu gravierenden Benachteiligungen und Ausgrenzungseffekten. Die Umsetzung schulischer Inklusion wird noch zu wenig unter der Perspektive der Veränderung der Strukturen der regulären Schule geführt. Obwohl weibliche Kinder und Jugendliche bei den Abschlüssen in Primar- und Sekundarschulen sowie in der tertiären Bildung insgesamt erfolgreicher sind als männliche Personen, gibt es einen deutlichen Unterschied hinsichtlich Einkommen und Prestige der gewählten Studiengänge. Bis 2030 Benachteiligungen aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit auf allen Bildungsstufen beseitigen und allen Menschen gleichberechtigten Zugang zu allen Bildungsstufen sichern, einschließlich Menschen mit Behinderung, indigenen Völkern und benachteiligten Kindern.

SDG 4.6 Insbesondere in großstädtischen Regionen gelingt es nicht einen Teil der Kinder und Jugendlichen in multiplen Problemlagen (insbes. Migrationshintergrund in Kombination mit familiären Armutslebenslagen und einer anderen Erstsprache als Deutsch) zu ausreichenden Kompetenzen i.S. des Literacy-Konzeptes zu führen. Für Schüler/innen mit Behinderung endet die Pflichtschulzeit zu früh, bevor relevante Kenntnisse abschließend erworben wurden. Bis 2030 den Erwerb ausreichender Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeiten für alle Jugendlichen und für einen erheblichen Anteil der Erwachsenen sicherstellen.

Auffällige Lücken und Handlungsbedarfe Die vermutlich größte Herausforderung des Bildungssystems in Österreich, insbesondere in den Großstädten, ist die nötige Fokussierung auf die Unterstützung für Kindern und Jugendlichen, bei denen ein familiärer Migrationshintergrund mit Armutslebenslagen und einer anderen Erstsprache als Deutsch einhergeht. Ressourcen für das Schulsystem sollten daher nicht gleichmäßig nach dem „Gießkannenprinzip“ verteilt, sondern verstärkt an denjenigen Orten eingesetzt werden, an denen soziale Problemlagen mit Auswirkungen auf das Bildungssystem kumulieren.

Vorschläge für strukturverändernde Maßnahmen i.S. der SDG 4 SDG 4.1: Eine äußere Selektion hinsichtlich der weiteren Schullaufbahn sollte erst ab dem Alter von 14, statt im Alter von 10 Jahren erfolgen. SDG 4.2: Bessere Qualifizierung des Fachpersonals für den Vorschulbereich und Etablierung einer tertiären Ausbildungsschiene auf BA-Niveau mit der Option zu weiterer akademischer Qualifizierung; SDG 4.3: Etablierung und Ausbau persönlicher Assistenzsysteme für den tertiären Bildungssektor SDG 4.4: weitgehende Ersetzung des Ersatzarbeitsmarktes für Menschen mit Behinderung (Werkstätten mit Arbeits- und Beschäftigungstherapie) durch Unterstützungsmaßnahmen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt SDG 4.5: keine weitere Aufnahmen von Kindern mit Behinderungen in Sonderschulen, beginnend mit ersten Klasse der Volksschule und einer jährlichen Ausweitung um jeweils die nächste Schulklasse; gleichzeitig Aufbau inklusiver Unterstützungssystem in allen Regelschulen; Priorisierung von Schulen mit schwieriger sozialer Zusammensetzung bei der Versorgung mit Lehrkräften sowie materiellen und räumlichen Ressourcen; SDG 4.6: Etablierung zusätzlicher schulischer Stützsysteme für Schüler/innen mit multiplen Problemlagen; Möglichkeit der Wahl von Erstsprachen der Kinder mit Migrationshintergrund als weitere Schulfächer im Unterricht; Ermöglichung einer verlängerten Schulpflichtzeit bei Jugendlichen mit Behinderungen;