Bindungsqualität und kindliche Entwicklung

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Dr. Peter Dobmeier Lech-Mangfall-Kliniken gGmbH
Advertisements

DI ZI GUI Dankbarkeit & Liebe für die Umwelt Höflichkeit im Umgang mit Menschen.
Pro-Skills-Hintergrundphilosophie
Fragetechnik statt Sagetechnik
"Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das erzogen werden muss" – Über (schulische) Erziehung Referenten: Björn Anton: Andy Caspar Michael.
Referentinnen: Julia Michalewski, Birte Stapperfend, Elisa Remde
Sozialisation 2. Vorlesungseinheit:
Vorlesung: Einführung in die Pädagogische Psychologie
Vorlesung: Einführung in die Pädagogische Psychologie
Transmission des Scheidungsrisikos
Theorien der Aggression Teil III
Bindung und die Entwicklung des Selbst
Entstehung von Süchten und Drogenmissbrauch durch Modell-Lernen
John Bowlby, Mary Ainsworth, Bindung.
Grundkonzepte der Bindungstheorie
Gesunder Mensch im gesunden Unternehmen
Entwicklung des Gottesbildes aus psychologischer Sicht
Untersuchungen zum Informationsverhalten Jugendlicher
Entwicklungspsychologie für Lehrer
Bindungsqualität und kindliche Entwicklung
Bindung und Verlust im Kindesalter
Innere Arbeitsmodelle – Was ist das?
Umgang mit schwierigen Schülern – Eine Einführung
Vortrag Elternabend Kinderbrücke
7 d Ursachen und Behandlung Angst - Sozialisation
Mögliche Themen für die Sozialarbeit im Fall Herr und Frau Huber
Die Balance finden mit Triple P
Die präventive Psychomotorik nach Bernard Aucouturier
ICH bin … CrashÜbersicht
Transkulturalität Transkulturalität bezeichnet Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Kulturen. Der Begriff drückt aus 1.) Es gibt Unterschiede zwischen.
Was kleine Kinder brauchen, um stark zu werden
Trauma und Bindung Auswirkungen erlebter Traumatisierung
John Bowlby Über das Wesen der Mutter-Kind-Bindung (1959)
Persönlichkeitsstörungen
Burnout Dr. Margot Peters FÄ f. Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin.
Bindungsentwicklung von der frühen Kindheit bis in das Erwachsenenalter; Bindungsqualitäten in späterer Partnerschaft und Perspektiven der Bindungstheorie.
Computerspielsucht.
Bindungstheorien Bindungstheorien.
Körperorientierte Psychotherapie nach Ron Kurtz
Dipl. Sozialpädagogin Margit Bösen-Schieck
Selektive Sprachlosigkeit –
Schädigung durch Beziehungsabbrüche
Elternwerkstatt 3. Abend
Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen als Chance für die ganze Familie Bundesverband e.V, Mai 2007 Anna Hoffmann-Krupatz An der stationären Vorsorge-
Kompetenzentwicklung in schwierigen Zeiten: Wie man Jugendlichen dabei helfen kann, die eigene Biografie zu gestalten Perspektive Berufsabschluss, Offenbach.
Medienkompetenz, na klar… … und wenn Sie nicht neben dem Rechner stehen?
Weisse Woche 2011 Fachbereich Integration. Einleitung / Ausgangslage Definition Hauptstossrichtungen Organisation der Fachgruppe.
Fabienne Becker-Stoll Staatsinstitut für Frühpädagogik
Bearbeitet mit Aufsätzen aus: Spangler/Zimmermann Die Bindungtheorie
Soziales Lernen in der Schuleingangsphase an der GGS Deutzerstr.
Menschenbild und Methoden in der Suchtarbeit.
Fachdienst Jugend und Familie
Evaluation der Präsentation der Ergebnisse. Fokus der Evaluation Sprach- und Spielnachmittage > an der Rodatal- Schule und an der GS „An der Saale“ Kinder.
Konflikte bewegen – Konflikte konstruktiv angehen
Entwicklung des Gottesbildes Überlegungen aus religions- psychologischer und religionspädagogischer Sicht.
Gesunder Umgang mit Stress und negativen Emotionen im Ganztag
Individuelle Unterschiede bei Aggressionen
Kulturvergleiche in der Entwicklungspsychologie -Theorie-
„Verlorene Eltern“ - Ein Blick auf die Kinder
Funktionale Analphabet/-innen - erkennen, ansprechen und informieren
Überblick Unsere Hoffnungen und Wünsche
Die Angebote der Fachstelle XX
Wie viel Mutter oder Vater braucht das Kind?
Liebe lässt sich lernen KommunikationGefühleBindungIntimität.
We are Family! Geschwister von Kindern mit Behinderung.
Die Suchtpräventionsstelle der Bezirke Affoltern und Dietikon 1.
Die Bindungsmodelle John Bowlby ( ).
Bindung?.
SAFE © SICHERE AUSBILDUNG FÜR ELTERN I Modellprojekt zur Förderung einer sicheren Bindung zwischen Eltern und Kind Karl Heinz Brisch Kinderklinik und.
 Präsentation transkript:

Bindungsqualität und kindliche Entwicklung

Gliederung 1. Einleitung 2. Besteht Zusammenhang zwischen Bindungsqualität mit 12 Monaten und Umgang mit Emotionen mit 6 Jahren? 3. Stabilität von Bindungsorganisation von 12 Monaten zu 10 Jahren 4. Bindungsorganisation mit 12 Monaten und soziales Verhalten mit 10 Jahren 5. Veränderung des Bindungsverhaltens zu primären Bindungspersonen (Eltern) im Jugendalter 6. Bindungsqualität und Persönlichkeitsmerkmale 7. Soziale Kompetenz und Freundschaftskonzept von 16-Jährigen im Vergleich mit sozialer Kompetenz von 10-Jährigen 8. Bindungsorganisation der frühen Kindheit und Bindungsorganisation/-repräsentation von 16-Jährigen 9. Kindheitsjahre – doch nicht Schicksalsjahre? Fazit

Einleitung Zentrale Fragen: Besteht Zusammenhang zwischen: Bindungsqualität und kindlicher Entwicklung? Bindungsorganisation frühe Kindheit, Bindungsrepräsentation von 6-jährigen, 10-jährigen Kindern und 16-jährigen Jugendlichen? Bindungsorganisation, Bindungsrepräsentation und Persönlichkeitsentwicklung? Bindungsorganisation in früher/mittlerer Kindheit bzw. Bindungsrepräsentation in Jugendalter und Freundschaftsbeziehungen und Freundschaftskonzept?

Einführung ins Thema Vielzahl von Theorien: Erfahrungen in Kindheit beeinflussen spätere Persönlichkeit eines Menschen Bindungsverhalten zu Bindungspersonen entwickelt sich ab erstem Lebensjahr Aufbau von internalen Arbeitsmodellen über Verfügbarkeit der Eltern Bindungstheorie nimmt an, dass sich Arbeitsmodelle im Lauf der weiteren Entwicklung stabilisieren Erfahrungen mit Bindungspersonen beeinflussen Umgang mit diesen und auch anderen Personen

Studien zur Feststellung: der Bindungsrepräsentation, also der Vorstellung/Bewertung der eigenen Bindungsentwicklung des Sozialverhaltens von 10-jährigen Kindern und 16-jährigen Jugendlichen des Zusammenhangs zwischen Bindungsqualität in früher bzw. später Kindheit sowie Jugendalter

2. Besteht Zusammenhang zwischen Bindungsqualität mit 12 Monaten und Umgang mit Emotionen mit 6 Jahren? Studie nach Main, Kaplan, Cassidy 1985 Bindungsorganisation mit 12 Monaten Verhalten mit 6 Jahren sicher mehr Offenheit mehr konstruktive Lösungen für Fragen zu fiktiver Trennungssituation freudige Reaktion auf Familienfoto, das in Abwesenheit der Eltern gezeigt wurde unsicher-vermeidend emotional verschlossener weniger passende Handlungsmöglichkeiten für fiktive Trennungssituation ablehnende Reaktion auf Familienfoto, das in Abwesenheit der Eltern gezeigt wurde unsicher-ambivalent (desorganisiert) bewusste Kontrolle des Verhaltens gegenüber Eltern nach Trennung => werten Eltern ab oder reagierten mit übertriebener Fürsorglichkeit auf sie

3. Stabilität von Bindungsorganisation von 12 Monaten zu 10 Jahren Studie Scheuerer-Englisch 1989 Methode: Interview Frage: Inwiefern werden Eltern als verfügbar und unterstützend bewertet? Bindungsor-ganisation mit 12 Monaten Verhalten mit 10 Jahren sicher suchten Unterstützung bei Eltern bei Kummer, Angst, Ärger Verbalisieren von Kummer im Interview d. h. Zugang zu Gefühlen möglich offenes, flüssiges Antwortverhalten im Interview unsicher suchten seltener Unterstützung bei Eltern bei Kummer usw. konnten Kummer weniger verbalisieren weniger Zugang zu Gefühlen stockendes, weniger offenes Antwortverhalten

4. Bindungsorganisation mit 12 Monaten und soziales Verhalten mit 10 Jahren Studie nach Srouve (1983), Suess, Grossmann, Sroufe (1992) Bindungsor-ganisation mit 12 Monaten Soziales Verhalten mit 10 Jahren sicher festes Freundschaftsnetz hatten häufiger „besten Freund“ weniger Probleme mit Gleichaltrigen unsicher seltener festes Freundschaftsnetz hatten seltener „besten Freund“ mehr Probleme mit Gleichaltrigen

Fazit: Es besteht Zusammenhang zwischen Bindungsorganisation in früher Kindheit (12 Monate) und Bindungsorganisation/-repräsentation in später Kindheit (10 Jahre).

5. Veränderung des Bindungsverhaltens zu primären Bindungspersonen (Eltern) im Jugendalter Bowlby: Ziel Bindungsverhalten = Nähe zur Bindungsfigur herzustellen, bes. in Problemsituationen (Verunsicherung, Kummer, Krankheit, Müdigkeit) Jugendliche lernen zunehmend selbständige Problemlösung/Umgang mit Belastung suchen seltener Nähe primärer Bindungspersonen in Belastungssituation auf trotzdem bleibt Beziehung zu Eltern bestehen, verändert sich jedoch statt dessen gewinnen Freundschaftsbeziehungen, Liebesbeziehungen, Beziehungen zu anderen Erwachsenen an Bedeutung neuere entwicklungspsychologische Forschung: Veränderung der Eltern-Kind-Beziehung = wachsende Selbständigkeit der Jugendlichen trotzdem: Jugendliche betrachten Eltern noch als erste Quelle von Sicherheit

6. Bindungsqualität und Persönlichkeitsmerkmale Forschungsziel: Inwiefern bewerten Jugendliche Eltern als Quelle von Sicherheit? Methode: Fragebogen, Bindungsinterview Inwiefern besteht Zusammenhang zwischen Bindungsqualität und Persönlichkeitsmerkmalen?

6. Bindungsqualität und Persönlichkeitsmerkmale von 16-jährigen Jugendlichen Studie nach Kobak und Sceery (1988) Bindungsre-präsentation Kennzeichen sicher-autonom - berichteten über elterliche Unterstützung - hohe Ich-Flexibilität - schätzten sich selbst als sozial-kompetent ein - klare Identität - weniger feindselig, ängstlich, hilflos - weniger ausweichend in Problemsituationen unsicher-distanziert - berichteten über weniger elterliche Unterstützung - geringe Ich-Flexibilität - feindseliger (schrieben anderen in sozialen Konfliktsituationen eher feindselige Absichten zu als sicher-autonome Jugendliche) - ängstlicher - vermeidende bis emotional beschwichtigende Problemlösungsstrategien unsicher-verwickelt - ängstlich - schätzten sich selbst als wenig sozial-kompetent ein - vermeidende Problemlösungsstrategien

Fazit: es besteht Zusammenhang zwischen Erfahrung von Unterstützung durch Bindungspersonen und Aufbau einer gesunden Persönlichkeit

7. Soziale Kompetenz und Freundschaftskonzept von 16-Jährigen im Vergleich mit sozialer Kompetenz von 10-Jährigen Freundschaftsbeziehungen 10-Jährige (sicher gebunden mit 1 Jahr) suchten/erhielten elterliche Unterstützung bei Kummer gute Freundschaftsbeziehungen zu Gleichaltrigen mehr Freunde höhere soziale Kompetenz Freundschaftsbeziehungen 10-Jährige (unsicher gebunden mit 1 Jahr) weniger Freunde geringere soziale Kompetenz Freundschaftsbeziehungen und –erwartungen 16-Jährige (sicher-autonome Bindungsrepräsentation) stabiles Freundschaftsnetz regelmäßiger Kontakt zu Freunden Vertrauen in Freundschaftsbeziehungen als wichtig bewertet Wertschätzung gegenseitiger Hilfe in Problemsituationen Aufrechterhalten der Freundschaftsbeziehungen bei Konflikten, Suche nach beidseitig befriedigender Lösung Umsetzung dieser Vorstellungen je sicherer Bindungsrepräsentation, desto höher Bereitschaft zur Ratsuche bei Freunden Freundschaftsbeziehungen u. –erwartungen 16-Jährige (unsicher-distanzierte Bind.repräsentation) alle Bereiche korrelierten negativ zu sicherer Bindungsrepräsentation alle Bereiche ähnlich wie unsicher-distanziert, außer Freundschaftskonzept und -qualität

7. Fortsetzung soziale Kompetenz es besteht Zusammenhang zwischen Art der Bindungsrepräsentation – sicher-autonom, unsicher-distanziert, unsicher-verwickelt – und Qualität der geschilderten Freundschaftsbeziehungen sowie Erwartungen an diese ebenso Zusammenhang zwischen Jugendlichen, die mit 10 Jahren elterliche Unterstützung erfuhren bei Kummer usw. und diese auch suchten, und Qualität ihrer Freundschaftsbeziehungen mit 16 Jahren Problembesprechung mit Freunden Wertschätzung Offenheit in Freundschaften anders die Jugendlichen, die nicht mit 10 Jahren elterliche Unterstützung erfahren hatten seltener Problembesprechung mit Freunden geringer Wertschätzung Offenheit in Freundschaften

8. Bindungsorganisation der frühen Kindheit und Bindungsorganisation/-repräsentation von 16-Jährigen Bedingt die Qualität der Bindungsorganisation in früher Kindheit die Bindungsrepräsentation von 16-jährigen Jugendlichen? Daten der Bielefelder Studie auf Kontinuität und Einfluss von Risikofaktoren geprüft zwar war aktuelle Bindungsrepräsentation der Jugendlichen unsicher oder unsicher-verwickelt, wenn Risikofaktoren aufgetreten waren (z. B. Trennung der Eltern) aber kein Zusammenhang zwischen Qualität Bindungsorganisation früher Kindheit und Bindungsrepräsentation im Jugendalter nachweisbar d. h. Kinder mit unsicher-vermeidender Bindungsorganisation in früher Kindheit müssen nicht zwingend unsicher-distanzierte Bindungsorganisation bzw. repräsentation im Jugendalter haben

9. Kindheitsjahre – doch nicht Schicksalsjahre? Hat Bindungsqualität in früher Kindheit doch keinen Einfluss auf Bindungsrepräsentation im Jugendalter? Bowlby: Organisation von Bindungsverhalten zwar ab erstem Lebensjahr aufgebaut, stabilisiert sich wahrscheinlich, ist aber labil Bindungsorganisation veränderbar über frühe Kindheit hinaus bis ins Jugendalter und länger je älter Kind, desto schwerer und weniger vollständig ist Bindungsorganisation veränderbar Ainsworth: alle Veränderungen, die Bindungsfigur (mehr) belasten, können Bindungsorganisation des Kindes verändern ebenso kann sich Bindungsrepräsentation von Jugendlichen durch Risikofaktoren ändern, z. B. Scheidung, Erkrankung der Eltern

Fazit Bindungsorganisation bildet sich ab erstem Lebensjahr stabilisiert sich im Laufe der Entwicklung ist aber labil, veränderbar über Kindheit und Jugendalter hinaus je älter Kinder sind, desto weniger leicht veränderbar ist Bindungsorganisation es besteht Zusammenhang zwischen: Bindungsorganisation der frühen Kindheit und 10-jährigen Kindern Bindungsrepräsentation von 10-jährigen Kindern und 16-jährigen Jugendlichen Bindungsrepräsentation von Jugendlichen und ihrem Freundschaftskonzept sowie ihren Freundschaftsbeziehungen es besteht kein zwingender Zusammenhang zwischen Bindungsorganisation der frühen Kindheit und Bindungsrepräsentation im Jugendalter