29. Europäische Notarentage 2017

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 Präsentation transkript:

29. Europäische Notarentage 2017 Prof. Dr. Peter Kindler, LMU München Gesellschaftsrecht im Zeitalter der Digitalisierung

Gesellschaftsrecht im Zeitalter der Digitalisierung – Bestandsaufnahme Handelsregister (2003) Hauptversammlung (2007) System der Registerverknüpfung (Business Registers Interconnection System – BRIS 2017) Richtlinien-Entwurf (2014): Online-Gründung der SUP "Report on Digitalisation in Company Law" (Expertenbericht März 2016) Europäisches Parlament Juni 2016: Mitteilung über „Fragen der Digitalisierung im Gesellschaftsrecht ("Issues relating to Digitalisation in Company Law"), Vanessa Knapp, OBE

Organisationsverfassung bleibt unangetastet Gesellschaftsrecht im Zeitalter der Digitalisierung – Drei Grundannahmen des Expertenberichts Organisationsverfassung bleibt unangetastet Technologieneutralität: Problem der Anerkennung von unsicheren Identifizierungsmitteln aus anderen Mitgliedstaaten! Gegenseitige Anerkennungspflicht im Hinblick auf die Einhaltung von Normen, Verfahren und Bescheinigungen

Onlinegründung (Expertenempfehlung Nr. 5) Empfehlung, die Mitgliedstaaten sollten die Onlinegründung aller nach ihrem Recht gegründeten Gesellschaften zulassen, die im Handelsregister einzutragen sind, und alle Vorschriften streichen, die die körperliche Anwesenheit der Gründer oder anderer Personen in ihrem Gebiet erfordern. Kritik: Von einer zuverlässigen Feststellung der Identität der Gesellschaftsgründer mit den Mitteln der (Informations- )Technologie kann keine Rede sein. Genau deshalb findet die von dem Expertenbericht in Bezug genommene eIDAS-Verordnung nach ihrem Art. 2 Abs. 3 (mit Erwägungsgrund 21) im Registerverkehr keine Anwendung.

Expertenempfehlung Nr. 6: Mustersatzung („Table A“) die MS sollten zu allen ihren nationalen und im HReg. eintragungspflichtigen Gesellschaftsformen Mustersatzungen für die Gründung online zur Verfügung stellen; die Gesellschafter sollten diese zu einem späteren Zeitpunkt online abändern können, wenn alle Erfordernisse einer Satzungsänderung nach nationalem Recht erfüllt wurden. Problem: Individueller Charakter der Regelungen zur Vinkulierung (Überfremdungsschutz), Vererbung, Abfindung beim Ausscheiden eines Gesellschafters. Sachgründung aus der Distanz ist missbrauchsanfällig (Art. 10 ff. Kapital-RL erfordern Wertprüfung und Offenlegung)

Expertenempfehlung Nr Expertenempfehlung Nr. 7: Verzicht auf körperliche Anwesenheit im Gründungsstaat Empfehlung, den Gesellschaften die Erfüllung ihrer Offenlegungspflichten unter der Publizitäts-RL (2009/101/EG) ohne die körperliche Anwesenheit von Organmitgliedern oder Vertretern zu ermöglichen, und dass die MS es den ihrem Recht unterliegenden Gesellschaften erlauben, alle Anmeldungen zum Handelsregister elektronisch (online) vorzunehmen (nicht nur die von Art. 2 der Publizitäts-RL vorgesehenen). Kritik: Totalverzicht auf die körperliche Anwesenheit von Gesellschaftsvertretern im Gründungsstaat bedeutet zugleich Verzicht auf eine zuverlässige Prüfung der Identität und der Vertretungsmacht der handelnden Personen.

Expertenempfehlung Nr Expertenempfehlung Nr. 8: Elektronische Abschrift als öffentlich beglaubigte Abschrift Empfehlung: Bei Vorlage elektronischer Abschriften mit Angaben über eine Gesellschaft müssen diese als öffentlich beglaubigte Abschriften (»true copies«) behandelt werden, ohne dass der Antragsteller ausdrücklich darum ersuchen müsste. Bewertung: Der Empfehlung der Experten ist zuzustimmen. Entscheidend ist aber, dass die zugrundeliegenden Originalurkunden unter Verwendung zuverlässiger Identifizierungsmittel zustande gekommen sind.

Expertenempfehlung Nr. 9: Offenlegung bei Zweigniederlassungen dass ab Schaffung eines einheitlichen europäischen Unternehmensregisters (System der Registervernetzung = BRIS) die Zweigniederlassungs-RL (89/666/EWG) es den Gesellschaften möglich sein sollte, alle Anmeldungen und Offenlegungen (“all filings“) mit Bezug zu einer Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat bei dem Unternehmensregister ihres Heimatstaates vorzunehmen. Bewertung: Der Empfehlung der Experten ist zuzustimmen. Entscheidend ist aber, dass die zugrundeliegenden Originalurkunden unter Verwendung zuverlässiger Identifizierungsmittel zustande gekommen sind.

Gesellschaftsrecht im Zeitalter der Digitalisierung – Zusammenfassung Die vorgeschlagene Digitalisierung gesellschaftsrechtlicher Rechtsgeschäfte und Offenlegungsvorgänge ist grundsätzlich zu begrüßen, soweit damit eine Befreiung der Gesellschaften, ihrer Gesellschafter und Organmitglieder von überflüssigen bürokratischen Lasten verbunden ist. Keinesfalls dürfen die vorgeschlagenen Neuerungen zu Lasten des Verkehrs- und Gläubigerschutzes gehen. Bei der Erstellung von Urkunden bei der Gründung von Gesellschaften und Grundlagengeschäften muss ein hohes Sicherheitsniveau von Identifizierungsmitteln iSd. eIDAS-Verordnung eingehalten werden. Abzulehnen ist die reine Online-Gründung von Kapitalgesellschaften. Damit sind gravierende Gefahren für die Registerpublizität verbunden.

29. Europäische Notarentage 2017 Prof. Dr. Peter Kindler, LMU München Gesellschaftsrecht im Zeitalter der Digitalisierung