Vorlesung: Klinische Psychiatrie WS 2016/2017

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In memoria Prof. Dr. med. Christian Scharfetter
 Präsentation transkript:

Vorlesung: Klinische Psychiatrie WS 2016/2017 Termine: bitte Aushang am Institut beachten Themen: - allgemeine Einführung - Depression - Schizophrenie - Angst - Zwang - Posttraumatische Belastungsstörung - Somatisierungsstörungen - dissoziative Störungen - Persönlichkeitsstörungen - Sucht - organische psychische Störungen Prüfungstermine: - Mittwoch 30.1.17, 13.00 [HS Neurologie ] - weitere Termine entsprechend Aushang [HS Neurologie] Literatur: Rothenhäusler / Täschner (2013) Kompendium Praktische Psychiatrie, 2. Aufl. Möller / Laux / Deister (2015) Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie, 6. Aufl. bitte die im Institut aufliegenden Vorlesungs- u. Prüfungstermine beachten !!

Psychopathologie Gegenstand: „Lehre vom seelisch Abnormen“ - + „seelisch“ Erlebnisweisen, Erfahrungen, Verhaltensweisen Psychopathologische Symptome, Zeichen, die wir beschreiben u. verstehen „Norm“ statistische Norm – soziale Norm Individualnorm – Idealnorm „abnorm“ „abnorm“  „krank“ „Gesundheit“ WHO vs. gelingendes Leben, Echtheit d. Selbstverwirklichung, Bewährung „Krankheit“ Leidensaspekt – Versagensaspekt – Beziehungsaspekt (disease - illnes - sickness impairment - disability - handicap) Funktionsstörung – Aktivität – soziale Teilnahme „Krise“ Kontext- abhängigkeit Bedeutung Sinn + - quantitativ/qualitativ

Voraussetzungen einer psychiatrischen Untersuchung Interaktion zwischen Arzt und Patient objektiv beobachtbare Verhaltensweisen [Fremdbeobachtung] berichtete subjektive Erlebnisweisen [Selbstbeobachtung] „Symptome“ Psychopathologie: Lehre von der Beschreibung psychischer Störungen Symptome Syndrome Diagnosen

Wissenschaftliche Erfassung von Zusammenhängen Erklären (empirisch) Beobachtung Hypothesenbildung Operationalisierung Experiment Datenerhebung Kausalität charakteristisches Muster von Symptomen – Syndrom – Krankheit? mögliche spezifische Ursachen? wahrscheinlichste Ursache? welche Mechanismen hinter den festgestellten Ursachen? Verstehen (hermeneutisch) Nachempfinden statisches (Wesen) genetisches Verstehen / Tiefenhermeneutik (Zusammenhänge) Erzählen – Zuhören: Dialog Bedeutung - Sinn Erzählen als subjektive Erfahrung von Krankheit subjektive Vorstellungen / Konzepte von Erkrankung und deren Verursachung Krankheit als Krise: Sinnsuche und Sinnfindung chronische Krankheit als biographisch relevante Krise Bedeutung von Metaphern im Kontext von Krankheitsbewältigung

Wissenschaftliche Wertigkeit subjektiver und objektiver Momente in der Krankengeschichte Wissenschaftliche Bewertung positiv negativ Subjektiv Individualität kaum messbar Verantwortlichkeit komplexe Handlungsebene auch Grundlage der nicht (beliebig) reproduzierbar Erkenntnis des Objektiven idiographisch verfälscht „objektive“ Daten Objektiv eindeutig distanziert messbar ignoriert Individualität reproduzierbar bloß an äußeren Manifestationen der Krankheit orientiert nomothetisch Krankheit ohne kranken / leidenden Menschen

Psychiatrische Untersuchung jetzige Erkrankung: - Schilderung der Beschwerden bzw. Anlass der Vorstellung/Aufnahme - Beginn und Entwicklung der aktuellen Symptomatik psychopathologische Befunderhebung - (systematische, strukturierte Exploration) psychiatrische Vorerkrankungen psychiatrische Familienanamnese aktuelle somatische Erkrankungen/Therapien - internistischer und neurologischer Status Einnahme von psychotropen Substanzen biographische Entwicklung (Lebensumstände, Lebensereignisse, innere Entwicklung) - Geburtkomplikationen - frühe körperliche, emotionale, kognitive u. soziale Entwicklung - frühkindliche Neurotizismen, Traumatisierungen - frühe familiäre u. soziale Umwelt - schulischer, beruflicher, sozialer Werdegang - sexuelle Anamnese, Partnerbeziehungen, Ehe u. Familie - aktuelle Lebenssituation

Erfassung psychopathologischer Symptome äußeres Erscheinungsbild, Verhalten Bewusstsein - quantitaive/qualitative Störungen Orientierung - Zeit, Ort, Person Aufmerksamkeit, Konzentration, Auffassung Merkfähigkeit, Altzeitgedächtnis Intelligenz - Allgemeinwissen, Denkleistung formales Denken Wahrnehmung - Halluzinationen (akustisch, optisch u. a.) inhaltliche Denkstörungen - überwertige, wahnhafte Ideen Ich-Erleben - psychotische Ich-Störungen Zwänge, Phobien, Ängste Stimmungslage, Affektivität Antrieb/Psychomotorik Vitalität/Vegetativum Suizidalität Krankheitserleben, - gefühl, -einsicht Primärpersönlichkeit

Diagnostische Überlegungen Welches Syndrom steht im Vordergrund des psychopathologischen Status? Querschnitt und Verlauf Pathogenese - Ätiologie Differentialdiagnose Diagnose Therapie

Syndrom-Begriff Symptome: Zeichen von Störungen / Erkrankungen Syndrome: Muster typischer Symptomkonstellationen - nosologisch unspezifisch - unterschiedliche Ursachen „Syndrom“ „multifaktorielle Syndromgenese“

Multifaktorielle Syndromgenese Kategorien der Dimensionen der Anlagefaktoren syndromgenetischen Faktoren (I – IV) Charakter [Persönlichkeit] Umwelt-Faktoren [I] einschließlich aktueller psychosozialer Situation psycho- pathologisches Intelligenz Biographische Faktoren [II] Syndrom Hereditäre Faktoren im Anlagefaktoren [III] Hinblick auf eine Disposition von psychischen Störungen Organische Faktoren [IV]

Stufen der psychiatrischen Diagnostik Paranoid-halluzinatorische Schizophrenie Diagnose keine körperliche Ursache Symptome seit einem Monat diagnostische Ein-/Ausschluss- Kriterien paranoid-halluzinatorisches Syndrom Syndromebene Gedanken- Verfolgungswahn gemachte Gefühle Psychopatho- lautwerden Ich-Störungen logische Symptomebene „ich höre meine „Geheimdienst „meine Gefühle Exploration eigenen Gedanken“ ist hinter mir her“ werden ferngelenkt“

Spezielle Psychopathologie Die Interaktion der Psychopathologie mit wissenschaftlichen Nachbardisziplinen Psychologie Psychodynamik Epidemiologie Psychopathologie Neuroscience Soziologie Spezielle Psychopathologie Psychiatrische Krankheitslehre

Biopsychosoziales Krankheitsmodell [George L. Engel] Gesundheit: ausreichende Kompetenz des Systems „Mensch“, beliebige Störungen auf beliebigen Systemebenen autoregulativ zu bewältigen Krankheit: dann, wenn der Organismus die autoregulative Kompetenz zur Bewältigung von auftretenden Störungen auf beliebigen Ebenen des Systems „Mensch“ nicht ausreichend zur Verfügung stellen kann und relevante Regelkreise für die Funktionstüchtigkeit des Individuums überfordert sind bzw. ausfallen aus: Egger (2005)

Domänen des biopsychosozialen Modells (modifiziert nach: Novack et al Psychologisch-biologisch Psychologisch Psychologisch-behavioral Entwicklungspsychobiologie Gesundheitsverhalten (Aktivität, Diät, genetische Basis für Verhalten / Substanzgebrauch) Umwelteinflüsse auf Haltungen – Selbstwirksamkeit, Gesundheits- Genexpression überzeugungen, Veränderungsmotivation Psychophysiologie (ZNS, ANS) Psychodynamik Psychoneuroendokrinologie Coping-Stil, Compliance Psychoneuroimmunologie Somatisierung, Krankheitsängste, Leugnung Stress / Allostase Persönlichkeit Psychobiologie spezieller Entwicklungspsychologie somatischer Krankheiten / Therapien Biologisch Behavioral Sozial-biologisch Sozial-behavioral biologische Konsequenzen von familiäre, soziale, kulturelle, ökonomische sozialer Isolation, Schicht, Armut, Determinanten von Gesundheit, Gesundheits- Urbanizität, Arbeitsstatus praktiken, Inanspruchnahmeverhalten soziales Netz, soziales Kapital, soziale Unterschiede im Zugang zum Gemeindekohäsion Gesundheitssystem religiöse Orientierung - Kommunität Arzt-Patienten-Beziehung Sozial/kulturell/ökonomisch Biopsychosozial akute Erkrankung chronische Krankheit tödliche Krankheit existenzielle Krise chronischer Schmerz Leiden Krankheitsverhalten Achse-I-Störungen Achse-II-Störungen gesundheitsbezogene Lebensqualität Salutogenese