Ein neuer lohnpolitischer Interventionismus Auswirkungen des neuen Systems der europäischen Economic Governance auf die Lohn- und Tarifpolitik Thorsten.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
ver.di Bundesvorstand Bereich Wirtschaftspolitik
Advertisements

Auf dem Weg durch den Antragsdschungel zur erfolgreichen EU – Förderung Die Strukturfonds und andere Förderprogramme der Europäischen Union für innovative.
Sozialpolitik in Europa und das europäische Sozialmodell
Ideologie und Wirklichkeit Von der Finanzarktkrise zur Schuldenkrise
Bereich Wirtschaftspolitik
Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Gut für dich – gut fürs Unternehmen. Zusammenarbeit im Bereich Risikoprävention Erkenntnisse aus der Unternehmenserhebung.
Regionalpolitik 1. EVTZ-Konferenz Die Reform der EVTZ-Verordnung 5. Juni Frankfurt (Oder) Anlass und Ziele der Reform der EVTZ-VO Dirk Peters Europäische.
Die Revision des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V)
CP 4. Schutzumfang von schwarz-weißen Marken „Harmonisierung der unterschiedlichen Auslegungen des Schutzumfangs von Marken, die ausschließlich die Farben.
EUROPEAN MINIMUM WAGES AND EXPERIENCES Poverty and Wages Friedrich-Ebert-Foundation, ČMKOS 10. November 2015, Prag Marc Amlinger.
Du trägst Verantwortung - made in Bangladesh. Gliederung Allgemein Rana-Plaza-Katastrophe Sicherheitsmaßnahmen: Früher/Heute Probleme Proteste/Demonstrationen.
Arbeitnehmervertretung in der Tschechischen Republik: Strukturen und aktuelle Entwicklungen Dr. Pavel Skácelík Vizepräsident des ČMKOS Wien
Jugendschutz im internationalen Vergleich KAAP-Tagung vom
Technische Universität München Industrielle Beziehungen in Europa – eine neue Erfindung Dr. Michael Whittall Lehrtstul für Soziologie SS 2010.
Geringe Inflation Aktuelle Entwicklung Aktuelle Entwicklung Argumente dafür Argumente dafür Aktuelle Infos Aktuelle Infos Zielkonflikte/Zielharmonie Zielkonflikte/Zielharmonie.
1 Magisches Viereck Hoher Beschäftigungsstand. 2.
Id901 Benchmarking - Analyse für die Euroregion Villa Manin unter besonderer Berücksichtigung der Rolle KÄRNTENS im Vergleich mit den NACHBARREGIONEN und.
Europäische Beschäftigungsstrategie AG 6:02 BAG Werkstättentag 2008 Bremerhaven, 25. September 2008 Dr. Torsten Christen Referat D/2: Europäische Beschäftigungsstrategie,
Ein Unternehmen der ProSiebenSat.1 Media AGEin Unternehmen der ProSiebenSat.1 Media SE Konjunkturentwicklung & -prognosen Unterföhring, Juni 2016.
1 Vollwertig, beschränkt oder behindert? Wim Storms Erlend Wethlij.
Probleme der Unternehmensverlagerung in Deutschland Gliederung: 1. Gründe der Unternehmensverlagerung 2. Auswirkungen der Unternehmensverlagerung in Deutschland.
2. Staat und Tourismus (Tourismuspolitik)
SEKTORVORHABEN NACHHALTIGE WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG
Pflegestärkungsgesetz II
Sabrina May Modul: Grundlagen empirischer Forschung
Rezepte gegen Arbeitslosigkeit
SE Aktuelle Themen der Wirtschaftspolitik SS2017 Michael Grasl
Konjunkturelle Fluktuationen 2
Die EU als Sackgasse auf dem Weg zum guten Leben für alle
Wirtschaftsdaten Konjunkturprognose Dezember 2006
Tansania: Recht auf Land & Ernährung
Konjunkturelle Fluktuationen 1
Ukrainischer Weg Perspektiven der Stadtentwicklungspolitik in der Ukraine Serhij Bilous, Department für Städtebau und Architektur Ministerium für Regionalentwicklung,
Präsentation im Rahmen der EffNet-Tagung in Kaiserslautern am
E V A L U A T I On und Präventionskultur
Deutschland aus Sicht polnischer Unternehmen
Anteil Industrieproduktion (in % des BIP)
Entwicklung der Chemieproduktion in Deutschland
Wirtschaftsdaten Konjunkturprognose 2011 und 2012 vom April 2011
Wirtschaftsperspektiven 2018 Was kommt auf unsere Wirtschaft zu?
Internationale Wirtschaft
Stefan Kurz, Werner Heinrich Universität Passau, Projekt InteLeC
Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial und gerecht gestalten:
Die Energiewende und Auswirkungen auf die Strompreise
Umstrukturierung gestalten – Konsequenzen für die ArbeitnehmerInnen
Entwicklung der Chemieproduktion in Deutschland Index 2015=100, Halbjahre, saisonbereinigt, Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent Die Produktion.
Mittel- bis langfristige Perspektiven des Arbeitsmarktes
Ökonomische Rahmenbedingungen der Tarifrunden 2018 Bereich Wirtschaftspolitik ver.di-Bundesverwaltung 1.
Ist die Krise überwunden? Wirtschaftsmuseum, 27. April 2010
“Job Coach für Menschen mit Behinderungen" (JOMB)
Die Wirkung des fairen Handels und die Funktion von Fairtrade
Forschung und Innovation in der neuen EFRE-Periode nach 2020 Dr
INNOVATIONSFÖRDERNDE ÖFFENTLICHE BESCHAFFUNG
Historischer Hintergrund der Landwirtschaft
Zehn Prioritäten für Europa
Tarifverträge Tarifvertragsarten
Wohlstand in Exportorientierten Regionen
Überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA) ab 2008
Entwicklung der Chemieproduktion in Deutschland Index 2015=100, Halbjahre, saisonbereinigt, Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent Die Produktion der.
Stabsabteilung Wirtschaftspolitik
Schwerpunktmodulgruppe „Finanzmärkte“ Bachelor Studienphase 2
Der 30-Sekunden Elevator Pitch
Einsatzmatrix 2.0.
Kernindikatoren der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland
Erasmus+ JUGEND IN AKTION ab 2021
Demographie und Finanzierung
Global Wage Report – Internationale Arbeitsorganisation ILO
Versuch einer Kooperationsanbahnung über gemeinsame Antworten
DIE KOHÄSIONSPOLITIK VORTEILE FÜR DIE BÜRGER
polis aktuell 2/2019: Musik und Menschenrechte
 Präsentation transkript:

Ein neuer lohnpolitischer Interventionismus Auswirkungen des neuen Systems der europäischen Economic Governance auf die Lohn- und Tarifpolitik Thorsten Schulten 25. Walter Kuhn Forum Wir und Europa Weinstadt-Beutelsbach, 27.-28.9.2013

Inhalt Löhne als Krisenursache? Vorherrschende Erklärungsansätze zur Euro-Krise Das neue System der europäischen Economic Governance Aktuelle Entwicklungstendenzen in der europäischen Lohn- und Tarifpolitik Die besondere Rolle der deutschen Lohnpolitik Konturen einer alternativen lohn- und tarifpolitische Agenda in Europa Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Vorherrschende Ansätze zur Erklärung der Eurokrise Diagnose: Schuldenkrise Wettbewerbskrise Therapie: Austeritätspolitik (Sparen, Sparen…) Strukturelle Reformen vor allem auf dem Arbeitsmarkt und bei den Tarifvertragssystemen Reduzierung von Arbeitskosten/ Erhöhte Lohnflexibilität “nach unten” (EZB: “downward flexibility”) Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 3

Ökonomische Ungleichgewichte in der EU Leistungsbilanzen (in Mrd. Euro) Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 4

Mario Draghi auf dem Euro Gipfel 14 März 2013 Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 5

Mario Draghi auf dem Euro Gipfel 14 März 2013 Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 6

Reale Tariflohnsteigerungen und reale Arbeitsproduktivität 2000 = 100 Source: TURI Database on Collectively Agreed Wages Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 7

Nominale Lohnstückkosten 2001-2008 (Gesamtwirtschaft , 2000 = 100) Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 8

Reale Lohnstückkosten 2001-2008 (Gesamtwirtschaft , 2000 = 100) Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 9

Lohnentwicklung und Eurokrise Alternative Erklärung: Löhne sind nicht der Hauptgrund für einen Mangel an Wettbewerbsfähigkeit und wachsende ökonomische Ungleichgewichte in Europa Entwicklung der Reallöhne liegt fast überall in der EU hinter der Produktivitätsentwicklung und führt damit zu einer strukturellen Nachfrageschwäche die Entweder durch Kredite/Verschuldung oder Exportüberschüsse ausgeglichen werden die aktuelle EU-Krisenpolitik mit ihrem Fokus auf Austerität und “strukturelle Reformen” beschleunigt einen deflationären Lohnsenkungswettlauf und fördert damit die ökonomische Stagnation Dr. Thorsten Schulten 20 06 2013 10

Inhalt Löhne als Krisenursache? Vorherrschende Erklärungsansätze zur Euro-Krise Das neue System der europäischen Economic Governance Aktuelle Entwicklungstendenzen in der europäischen Lohn- und Tarifpolitik Die besondere Rolle der deutschen Lohnpolitik Konturen einer alternativen lohn- und tarifpolitische Agenda in Europa Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Europäische Economic Governance Als Reaktion auf die Krise 2008f. entwickeln sich neue Formen einer verbindlicheren Koordinierung der Wirtschaftspolitik in der EU 2010: Europe 2020: Europäische Semester als jährlicher Koordinationszyklus 2011: Euro-Plus Pakt: Fixierung auf Strukturreformen 2011: Neues Verfahren zur Vermeidung von makroökonomischen Ungleichgewichten (Six-Pack) 2013ff. In der Diskussion: Neue Wettbewerbspakte: Verträge zwischen der EU und nationalen den Regierungen über „Strukturreformen“ Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Politik der Troika: Vorläufer 1980ff. : IWF-Strukturprogramme in Lateinamerika, Afrika und Asien Vorläufer: 1990ff.: IWF-Strukturprogramme in Mittel- und Osteuropa 2008ff: Memoranden zwischen den nationalen Regierungen und der Troika aus EU Kommission, EZB und IWF 2010ff: Intervention der EZB: Aufkauf von Staatsanleihen nur gegen „strukturelle Reformen“ Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Tarifpolitik und europäische Economic Governance Europäische Kommission: „In der jüngsten Vergangenheit wurde die Wettbewerbsfähigkeit in einer Reihe von Mitgliedstaaten durch Lohnsteigerungen beeinträchtigt, die über der Produktivitätsentwicklung lagen. Im Fall dieser Mitgliedstaaten hat die Kommission empfohlen, die Lohnfindungsmechanismen im Hinblick auf eine Anpassung der Löhne an die Produktivitätsentwicklung zu überprüfen, was bereits in Angriff genommen wurde.” Europäisches Semester 2013: Länderspezifische Empfehlungen 2013 Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 14

“Beschäftigungsfreundliche Reformen“ in der Tarifpolitik Dezentralisierung des Tarifvertragssystems Einführung/Ausdehnung v on Öffnungsklauseln für betriebliche Abweichungen von Flächentarifverträgen Begrenzung/Abschaffung des “Günstigkeitsprinzips" Reduzierung von Allgemeinverbindlicherklärungen Reduzierung der Tarifbindung allgemeine Reduzierung der Lohnsetzungsmacht der Gewerkschaften Dr. Thorsten Schulten

Der neue lohnpolitische Interventionismus der EU 18 von 27 EU-Staaten mit lohnpolit. Empfehlungen/Vorgaben Europäisches Semester Troika/IMF Moderate Lohnentwicklung BG, FI, IT, SI Moderate Mindestlohnentwicklung FR, SI Stopps/Kürzungen von Mindestlöhnen EL, IE, LV, PT, RO Lohnstopps/-kürungen im öffentl. Sektor EL, IE, HU, LV, PT, RO Lohnstopps/-kürungen im privat. Sektor GR Höhere Lohnspreizung SE Lohnentwicklung und Produktivität DE Dezentralisierung der Tarifpolitik BE, ES, IT EL, PT, RO Striktere Regeln für die AVE Reform/Abschaffung Lohnindexierung BE, CY, LU, MT Keine Empfehlungen AT, CZ, DK, EE, LT, NL, PL, SK, UK Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 16

1. Senkung der aktuellen Lohnkosten Lohnpolitik unter den Bedingungen der neunen europäischen Economic Governance 1. Senkung der aktuellen Lohnkosten Löhne im Öffentlichen Sektor Nationale Mindestlöhne Eingriffe in die Tarifautonomie 2. Neoliberaler Umbau der Tarifvertragssysteme: Radikale Dezentralisierung Dr. Thorsten Schulten 13. 05. 2013

Inhalt Löhne als Krisenursache? Vorherrschende Erklärungsansätze zur Euro-Krise Das neue System der europäischen Economic Governance Aktuelle Entwicklungstendenzen in der europäischen Lohn- und Tarifpolitik Die besondere Rolle der deutschen Lohnpolitik Konturen einer alternativen lohn- und tarifpolitische Agenda in Europa Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Tarifpolitik in den Ländern unter Troika-Diktat Löhne im öffentlichen Sektor Allgemeiner Lohnstopp (seit 2009/2010) Kürzung zwischen 5% und 10% Kürzung zwischen 15% und 30% Abschaffung des Jahresbonus Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Tarifpolitik in den Ländern unter Troika-Diktat Mindestlöhne Kürzung des Mindestlohns Einfrieren des Mindestlohns Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 20

Tarifpolitik in den Ländern unter Troika-Diktat Reale Mindestlöhne (2010-2012) Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 21

Tarifpolitik in den Ländern unter Troika-Diktat Veränderungen in den Tarifvertragssystemen Beendigung/Abschaffung nationaler Tarifverhandlungen Mehr Möglichkeiten für betriebliche Abweichungen Priorität für betriebl. Tarifverträge; Abschaffung des Günstigkeitsprinzps Striktere Regeln für die Allgemeinverbindlicherklärung Reduzierung der Nachwirkung von Tarifverträgen Betriebl. Tarifverträge auch durch nichtgewerkschaftliche AN-Gruppen Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 22

Entwicklung der Reallöhne vor der Krise (2001-2009, in %) Quelle: AMECO, Berechnungen des WSI Angaben für 2013: Prognose der Europäischen Kommission Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 23

Entwicklung der Reallöhne nach der Krise (2010-2013, in %) In 18 von 27 EU Staaten gehen die Reallöhne zurück !!! Quelle: AMECO, Berechnungen des WSI Angaben für 2013: Prognose der Europäischen Kommission Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 24

Inhalt Löhne als Krisenursache? Vorherrschende Erklärungsansätze zur Euro-Krise Das neue System der europäischen Economic Governance Aktuelle Entwicklungstendenzen in der europäischen Lohn- und Tarifpolitik Die besondere Rolle der deutschen Lohnpolitik Konturen einer alternativen lohn- und tarifpolitische Agenda in Europa Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Entwicklung der realen Tarif- und Effektivlöhne in Deutschland (2000-2012, in %) 26 Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Kritik der deutschen Lohnpolitik „Deutschland hat in den letzten 10 Jahren einen unglaublich guten Job gemacht, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, in dem es einen sehr hohen Druck auf seine Arbeitskosten ausgeübt hat. Wenn man sich die Lohnstückkosten anschaut, dann waren die Deutschen in dieser Hinsicht ungeheuer gut. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das ein nachhaltiges Modell ist - langfristig und für die gesamte [Euro-]Gruppe. Wir brauchen offensichtlich eine bessere Angleichung." Financial Times, 15. März 2010 Christine Lagarde Chefin des IWF und ehemalige französiche Finanzministerin 27 Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Kritik der deutschen Lohnpolitik „Den Weg, wie Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert hat, würde ich in unseren Land nicht gerne sehen.“ Deutschland betreibt „Lohn- und Sozialdumping.“ In Deutschland „gibt es eine Fehlentwicklung der deutschen Gesamtwirtschaft und der Tariflandschaft.“ Luxemburger Wort, 11. August 2010 Jean-Claude Juncker Ministerpräsident von Luxemburg und Ex-Chef der Euro-Gruppe Dr. Thorsten Schulten 28 Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Die deutsche Lohnpolitik als Vorbild „Deutschlands Erfolg ist das Ergebnis von drei Dingen: Erstens die moderate Lohnstückkosten- entwicklung: Die Nominallöhne sind langsamer gestiegen als im Durchschnitt der Euro-Zone und langsamer als die Produktivität. Diese Bemühungen waren notwendig und wurden stabil über mehrere Jahre durchgehalten. Eine Voraussetzung hierfür war das hohe Maß an Vertrauen zwischen den Sozialpartnern, das wir gerne in allen Ländern der Euro-Zone sehen würden. Zweitens wurden bereit seit einigen Jahren wichtige Strukturreformen insbesondere auf dem Arbeitsmarkt durchgeführt, die weitgehend parteiübergreifend unterstützt wurden. Schließlich waren die deutschen Unternehmen sehr geschickt, sich schnell an die Anforderungen der Globalisierung anzupassen.“ Jean-Claude Trichet Präsident der EZB Dr. Thorsten Schulten 29 Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Die deutsche Lohnpolitik als Vorbild „Die Art und Weise, wie Deutschland ein besonderes Augenmerk auf seine Produktionskosten gelegt hat und Reformen einführte, die die Flexibilität in der Wirtschaft erhöhten, kann für all seine Nachbarstaaten als Vorbild angesehen werden.“ Le Figaro, 3. September 2010 Jean-Claude Trichet Präsident der EZB Dr. Thorsten Schulten 30 Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Deutsche Lohnentwicklung und die Ungleichgewichte in Europa keine simple Lohndumpingstrategie, sondern Ausdruck des Verlustes gewerkschaftlicher Machtressourcen vor dem Hintergrund des besonderen Spezialisierungsprofils der Industrie in Deutschland sind viele Exporte relativ preisunabhängig geringere Lohnstückkosten wurden oft nicht an die Preise weitergegeben, sondern haben Profite erhöht Exportboom wird getragen von der dynamischen Binnenkonjunktur in den Zielländern Dr. Thorsten Schulten 31 Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Deutsche Lohnentwicklung und die Ungleichgewichte in Europa Die Förderung der Ungleichgewichte in Europa durch die schwache Lohnentwicklung vollzieht sich vor allem über die schwache Binnenkonjunktur in Deutschland Aktuelle EU Politik sieht Anpassungsbedarf ausschließlich bei den Defizitländern Europäische Verallgemeinerung des deutschen Entwicklungsmodells ist unmöglich, nicht alle europäischen Staaten gleichzeitig Überschussländer werden können vielfach die industrielle Basis für ein export-getriebenes Wachstumsmodell fehlt Dr. Thorsten Schulten 32 Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Braucht Deutschland eine neue Lohnformel? „Preise plus Produktivität plus Euro-Aufschlag“ (Peter Bofinger) Stärkere Lohndynamik in Deutschland … Stärkung der Binnenkonjunktur … Abbau der Ungleichgewichte … ohne negative Rückwirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit 33 Dr. Thorsten Schulten Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 30.11.2012

Inhalt Löhne als Krisenursache? Vorherrschende Erklärungsansätze zur Euro-Krise Das neue System der europäischen Economic Governance Aktuelle Entwicklungstendenzen in der europäischen Lohn- und Tarifpolitik Die besondere Rolle der deutschen Lohnpolitik Konturen einer alternativen lohn- und tarifpolitische Agenda in Europa Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Alternativen zum neuen lohnpolitischen Interventionismus der EU Verteidigung nationaler Tarifautonomie oder Entwicklung einer alternativen Strategie zur Europäisierung der Lohnpolitik ? Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Verteidigung der nationalen Tarifautonomie Argumente: EU hat keine Kompetenz im Berech der Lohnpolitik Verstöße gegen nationale Verfassungs- und internationale Arbeitsnormen (Europarat/ILO) Europäische Koordinierung/Europäisierung von Tarifstandards funktioniert nicht Europäische Standards sind zumeist schwächer als nationale Probleme: Gewerkschaften sind in vielen Ländern zu schwach zur Verteidigung nationaler Standards Nationale Verteidigung oft nur mit andauernden Konzessionen möglich, die nationale Tarifstandards sukzessive unterlaufen Dr. Thorsten Schulten Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Alternative Strategie zur Europäisierung der Lohnpolitik Europäische Koordinierung der Tarifpolitik: Rückkehr zur Produktivitätsorientierung der (Real-) Lohnpolitik: Begrenzung des Lohnwettbewerbes Förderung eines ausgeglichenen Wirtschaftsmodells Europäische Mindestlohnpolitik: Festlegung einer europäischen Mindestlohnnorm (z.B. 60% des jeweiligen nationalen Medianlohns) als verbindlicher Lohnuntergrenze in jedem EU-Mitgliedsland Stärkung von Flächentarifverträgen: Erleichterung und Ausbau von Allgemeinverbindlicherklärungen und Tariftreueregeln Dr. Thorsten Schulten Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Alternative Agenda für eine Stärkung der Tarifpolitik in Europa Internationale Arbeitsorganisation (ILO) Tarifverhandlungen als wichtiges Instrument für die Gestaltung der Wirtschafts-, Industrie-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik Stärkung von Tarifverhandlungen auf allen Ebenen Einführung/Stärkung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen auf sektoraler Ebene zur Erhöhung der Tarifbindung stärkere Ausrichtung der Löhne an Produktivitäts-steigerungen & Verringerung von Armut trotz Arbeit Stärkung von Mindestlöhnen zum Schutz von Arbeitnehmer am unteren Ende der Lohnskala Trotz der Krise sollen Regierungen sich nicht in die Lohnsetzung einmischen Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

Alternative Strategie zur Europäisierung der Lohnpolitik Probleme: Unterschiedliche Krisenwahrnehmung in den Gewerkschaften (Überschuss-/Defizitländer): Keine Europäisierung der Lohn- und Tarifpolitik ohne eine andere Ausrichtung der europäischen Wirtschaftspolitik Herausforderung: Verknüpfung nationaler und europäischer Reformpolitik, die Verteidigung nationaler Standards mit einer stärkeren Europäisierung verbindet Dr. Thorsten Schulten Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013

De-Legitimierung der undemokratischen und autoritären Troika-Politik: Dr. Thorsten Schulten 27.09.2013 40