Heterogenität von Familienunternehmen

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 Präsentation transkript:

Familienunternehmen: Ein Streifzug aus rechtlicher und steuerlicher Sicht Prof. Dr. Thomas Zellweger

Heterogenität von Familienunternehmen

Ökonomische Bedeutung von Familienunternehmen in der Schweiz KMU Gross Nicht-Familie Familie Manager-geführte KMU mit keinem dominantem Familien- aktionär Manager-geführte Gross-Unternehmen mit verzweigtem Aktionariat Gross-Unternehmen mit dominantem Familienaktionär 99.3% 0.7% 0.48% 87.9% 0.2% 11.4% KMU mit Familienaktionär 88.4% 11.6% (Zellweger 2006)

Familienunternehmen an den weltweiten Kapitalmärkten Unterschiede erklären sich durch unterschiedlichen Schutz der Minderheitsaktionäre Definition of family firm: if an individual or a family controls at least 20% of the votes of a company.

Eigentums- und Managementnachfolge Führung Familienintern Kombination Familienextern Eigentum Familienintern Familiennachfolge (ca. 40%) Gemischtes Management Externes Management, Familie im Eigentum Kombination Externe Kapitalgeber Einbezug externe Kapitalgeber z.B. Stiftung, IPO, Private Equity Familienextern Verbleibender, aber oft abnehmender Einfluss der Familie Verkauf (ca. 50%; trade sale: 25%; MBO:20%; MBI: 5%)

Nachfolgemodell: Ein schrittweiser Zugang zur Gestaltung des Nachfolgeprozesses 1. Klärung Ziele und Prioritäten 2. Überprüfung der strategischen Ausrichtung 3. Planung Übergabe Verantwort-lichkeiten 4. Bewertung 5. Finanzierung 6. Rechtliche und steuerliche Regelung

Familieninterne Nachfolger erwarten einen Abschlag von rund 60% bei einer Übernahme des elterlichen Betriebs Erwarteter Preisnachlass im Vergleich zu einem Verkauf ausserhalb der Familie

Rechtliche Fragen im Kontext Unternehmensnachfolge Gesellschaftsrechtliche Fragen: Übertragungsgegenstand: Share versus asset deal Gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten: z.B. Holding, (Familien-)stiftung, Trust, ESOP …, insbesondere auch zum Machterhalt der Eigentümer Steuerrechtliche Fragen: Kapitalgewinnsteuer versus Vermögenssteuer Steuerliche Privilegien für gewisse Gesellschaftsformen Erbschaftssteuer Ehe- und erbrechtliche Fragen: Eheverträge Erbverträge, insbesondere Pflichtteile respektive Testierfreiheit

Gesellschaftsrechtliche Strukturen zum Machterhalt für Unternehmerfamilien

Schweiz: Familie Burkard und Sika Familienholding mit Stimmrechtsaktien und Opting Out

Frankreich: Familien Dumas / Guerrand / Puech und Hermes “Active Partner” mit wesentlichem Einfluss auf Hauptunternehmen Descendants Jacqueline Dumas Descendants Aline Guerrand Descendants Yvonne Puech Bertrand Puech and family Nicolas Puech * together: 100% Holding 51 private, 100% family owned Holding 2 private, 100% family owned 100% of management board are family members 50.31% 6.51% 5.76% Emile Hermes SARL active partner Hermes International SA publicly listed Public sharehholders 37.42% Active partner (=mgt board of Emile Hermes SARL) Limited partners (=shareholders of Hermes Int.) Duties: Illimitedly and jointly liable for Hermes International Liable only for share capital Rights: Appoints Executive Chairman Determines strategy, budget, agenda general assembly Important recommendations for management Approval of credits above 10% of equity Approval of subsidiaries and acquisitions Approval of investments above 10% of equity Appoints board members Appoints auditor Approves annual accounts Approval and usage of dividends * Preemption right for other family members Zellweger, 2016

Italien: Familie Agnelli und Exor (Fiat and more) Pyramidenstruktur Children and wife of Giovanni Agnelli John Elkann’s stake: 62.5% of votes Dicembre Holding private, 100% family owned Other members of the Agnelli and Nasi families, fiduciary shares (Highest individual stake 12.83%) 33.8% 66.2% Giovanni Agnelli Holding (GAC) private, 100% family owned 51.39% Public shareholders Exor publicly listed 48.61% 30.81% 26.97% 80.89% Fiat Chrysler Automotive publicly listed CNH Industrial publicly listed Cushman & Wakefield private Further investments Zellweger, 2016

Steuerrechtliche Rahmenbedingungen: Erbschaftssteuer

Erbschaftssteuer als Reflexion des Sozialgefüges einer Gesellschaft: Argumente für und wider die Erbschaftssteuer Familienprinzip Eigentum des Erblassers ist nicht wirklich individuelles Eigentum, sondern Eigentum der Familie. Dieses überlebt also den Erblasser. Gibt den Erben das Recht am Erbe Entlegitimiert Erbschaftssteuern, denn diese würden Familien schwächen Prominentes Argument in Deutschland Prinzip der gleichen Gelegenheiten Ungleichheit in der Gesellschaft nur gerechtfertigt aufgrund unterschiedlicher individueller Leistung Erbschaftssteuern sind gerechtfertigt, denn sie schaffen gleiche Startbedingungen, was eine wesentliche Voraussetzung für die Leistungsgesellschaft darstellt Prominentes Argument in den USA Beckert, 2008

Erbschaftssteuer als Reflexion des Sozialgefüges einer Gesellschaft: Argumente für und wider die Erbschaftssteuer Prinzip der sozialen Gerechtigkeit Erbschaftssteuern als Versuch, den unterschiedlichen Erfolg von Marktteilnehmern zu korrigieren Versuch, die Macht der Aristokratie zu brechen Erbschaftssteuern sind legitim, denn die Besteuerten haben die Mittel, um diese zu bezahlen Prominentes Argument in Frankreich, als Ausfluss der französischen Revolution (liberté, égalité, fraternité) Gemeinschaftsprinzip Erblasser steht in der gesellschaftlichen Verantwortung, sein Erbe nach seinem Ableben dem Gemeinwohl zu widmen, z.B. durch Spenden Erbschaftssteuern sind in erster Linie dazu da, Anreize für philanthropische Spenden zu schaffen Philanthropische Spenden und Institutionen sind demnach von der Erbschaftssteuer ausgenommen Prominentes Argument in England und in den USA Beckert, 2008

Historische Entwicklung der Erbschaftsteuer in den USA und in Deutschland Becker, 2008

Steuerrechtliche Rahmenbedingungen: Ehe- und Erbrecht, insbesondere Pflichtteile

Die Gründe für und gegen Beschränkung der Testierfreiheit Gründe für Beschränkung der Testierfreiheit: Schutz von abhängigen Person: Ehepartner und Kinder Gerechtigkeitsprinzip der (zumindest teilweisen) Gleichheit von Nachkommen im Erbfall Neuverteilung von Vermögen zur Schaffung (einigermassen) vergleichbarer Startbedingungen Gründe gegen Beschränkung der Testierfreiheit: Erhalt ökonomisch effizienter Unternehmensstrukturen Erhalt ökonomischer Anreize

Testierfreiheit in der Welt Zahlen in der Tabelle zeigen den grössten Teil eines Vermögens, den ein Erblasser einem einzigen Kind vermachen kann, in Anwesenheit eines Ehepartners und zweier Kinder. Vergleichbare Resultate bei anderer Anzahl Kinder und Abwesenheit Ehepartner Common law Civil law Sharia law Ellul et al., 2010

Begrenzte Testierfreiheit schadet Familienunternehmen Aufsplitterung Unternehmenseigentum: oft in operativer Hauptaktionär («der Nachfolger») und in Kleinaktionäre: Geringerer Anreiz beim Unternehmer, da Wertsteigerung geteilt wird Übervorteilung der Minderheitsaktionäre durch Hauptaktionär Finanzierung Auskauf der Geschwister behindert Investitionen in Zukunft des Unternehmens Diese Effekte besonders stark in Ländern, wo Minderheitsaktionäre weniger geschützt Durchschnittswerte, mittelgrosse und grosse Unternehmen in Europa Investitionen in Anlage-vermögen Umsatz-wachstum (in%) Bilanz-summe Markt- zu Buchwert Familienunternehmen in Ländern mit beschränkten Testiermöglichkeiten 0.0682 12,15 1209 1,62 Familienunternehmen in Ländern mit unbeschränkten Testiermöglichkeiten 0.0795 12,95 1551 1,65 Ellul et al., 2010

Begrenzte Testierfreiheit schadet Familienunternehmen Investitionslücke Ellul et al., 2010

Begrenzte Testierfreiheit schadet Unternehmerfamilien Streit unter Nachkommen vor Erbgang zu Frage der gerechten Aufteilung des elterlichen Vermögens: Eiertanz beim Anfertigen von Erbverträgen: wie sage ich es meinem Kinde…? Rechtsstreit unter Nachkommen nach Erbgang: Damoklesschwert von Herabsetzungsklagen

Zusammenfassung Familienunternehmen im Brennpunkt von gesellschaftlichen Anschauungen zu Gerechtigkeit, wirtschaftlichem Erfolg, Meritokratie und der Rolle von Familie als soziale Gruppe Dieses Sozialgefüge hat seinen Ausfluss in rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen, insbesondere Verfügbarkeit von gesellschaftsrechtlichen Strukturen Besteuerung der familieninternen Übertragung von Unternehmensanteilen Testierfreiheit Aus ökonomischer Sicht drängt sich eine Liberalisierung der Testierfreiheit in der Schweiz auf.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Center for Family Business Universität St. Gallen Prof. Dr. Thomas Zellweger www.cfb.unisg.ch thomas.zellweger@unisg.ch