Niedrigzins und Schuldenexzesse

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 Präsentation transkript:

Niedrigzins und Schuldenexzesse Vortragsreihe “Hohenheimer Köpfe“ 8. Mai 2017 Prof. Dr. Jürgen Stark Niedrigzins und Schuldenexzesse

Verschuldungsdynamik Zins- und Renditenentwicklung Optionen für eine Trendumkehr (wirtschaftliches Wachstum – Konsolidierung/Austerität – Insolvenz – Finanzielle Repression) 4. Institutionelle Regelungen (Nationale und Europäische Haushaltsregeln) 5. Ausblick: Schuldenfalle – Zinsfalle - Fiskaldominanz

1. verschuldungsdynamik

152 000 000 000 000 USD

270 Prozent der globalen Wertschöpfung

Globale Verschuldung 152 Billionen USD Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ)

Fortgeschrittene Volkswirtschaften: Öffentliche Verschuldung (in Prozent des BIP 1925-2016) IMF Fiscal Policy Department 2016

Euro-Länder Öffentliche Schulden Haushaltsposition (in Prozent des BIP)

Schulden-Szenarios für das Euro-Gebiet ECB Economic Bulletin 3/2016

Öffentliche Schulden Deutschland Quelle: EU Kommission Fiscal Sustainability Monitor, Januar 2017 Quelle: EU Kommission Fiscal Sustainability monitor, Januar 2017

Öffentliche Schulden Italien Quelle: EU Kommission Fiscal Sustainability Monitor, Januar 2017

Öffentliche Schulden Frankreich Quelle: EU Kommission Fiscal Sustainability Monitor, Januar 2017

Implizite und explizite Schulden Quelle: Peters, Raffelhüschen, Reeker: Die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen in Europa – Update 2016: Stiftung Marktwirtschaft 2017

Lasten der demografischen Alterung (Zunahme der öffentlichen Ausgaben für Rente, Gesundheit und Pflege 2010-2060) Quelle: Moog, Raffelhüschen: Die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen in Europa; Stiftung Marktwirtschaft 2014

Privatsektor Verschuldung

2. Zins- und Renditenentwicklung

Sinkende Zinsen – steigende Schulden (1985-2014)

Zinsen und Renditen in historischer Perspektive BIZ-Jahresbericht 2016

Leitzinsen (Prozent p.a.) EZB und FED EZB Zinskorridor Quelle: EZB

Eurosystem-Operationen seit 2007 Trichet Draghi 2010: SMP 2011: 3-y-LTROs 2012: OMT 2014: TLTROs 2015: QE=APP/EAPP

Zentralbank-Bilanzen ( Index=100 in 2007) Trichet Draghi Sources: ECB, Fed, BoE, BoJ, SNB

Eurosystem APP-Bestand (30. April 2017) Quelle: EZB

10-j. Staatsanleihen-Rendite (Prozent p.a.)

Veränderung der Anleihen-Renditen seit 2015 Source: ECB Economic Bulletin 2/2017

Zinszahlungen auf Staatsschulden (in Prozent des BIP) Datenbasis Eurostat/EU-Kommission

Veränderung der Haushaltspositionen 2015 bei „normalen“ Zinssätzen

3. Optionen für eine Trendumkehr (einschl. Historische Erfahrungen)

Optionen einer Trendumkehr Stabilisierung/Reduzierung öffentlicher Schulden durch Wirtschaftliches Wachstum Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ( “Austeritätspolitik“ ) in Verknüpfung mit wirtschaftlichen Strukturreformen zur Förderung des Wachstums Insolvenz und Restrukturierung der Schulden Insolvenzrecht; Kollektivklauseln (CACs) Finanzielle Repression = „Liquidationssteuer“

Schulden - Austerität - Wachstum Höheres Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung durch höhere öffentliche Verschuldung und zeitliche Verschiebung der Haushaltskonsolidierung. versus Hohe Schuldenstände per se Hemmnis für Wachstum und Beschäftigung; daher Konsolidierung unvermeidbar und hilft Vertrauen in Solidität der Staatsfinanzen zurück zu gewinnen. Entscheidend: Ursachen schwachen Wachstums: Fehlende Gesamtnachfrage? oder Angebotsseitige Probleme/Strukturelle Veränderungen in der Volkswirtschaft (Deleveraging, Abbau von Überkapazitäten; Belastung der Bankbilanzen; „Anpassungsrezession“)

Staatsverschuldung und Wachstum Schuldenstand 2015 und durchschnittliche BIP-Wachstumsprojektionen 2016-2018 ECB Financial Stability Report November 2016

Konsolidierung öffentlicher Haushalte Starker politischer Wille und breiter gesellschaftlicher Konsens nötig Glaubwürdiger mittelfristiger Konsolidierungsplan mit „front loading“, verbunden mit wachstumsfördernden Strukturreformen Ausgabenkürzungen erfolgreicher als Steuererhöhungen mit längerfristig günstiger Wirkung auf wirtschaftliches Wachstum Grundsätzlich: Aufgabenkritik; (Qualität/Effektivität öffentlicher Ausgaben; optimale Höhe der Staatsquote?)

Schuldenrestrukturierung Ausschlaggebend ist Tragfähigkeitsanalyse der Schulden: im Zweifel Gläubiger (privat/öffentlich?) bei Ausarbeitung eines Länder- Anpassungsprogramms und bei Finanzierung hinzuziehen. Insolvenzordnung für Staaten – geordnetes Verfahren. Insolvenz in einer Währungsunion nicht ausgeschlossen. Internationaler Standard: Kollektivklauseln (CACs).

Finanzielle Repression (i) „Subtile“ Formen: gekennzeichnet durch weitgehende Intransparenz, u.a.: Politischer Druck auf Zentralbank, Staatspapiere zu kaufen Kauf von Staatspapieren durch Zentralbank als „geldpolitische Maßnahme“ „Moral suasion“ oder politische Vorgabe gegenüber Investoren (z.B. Banken, Versicherungen, Pensionsfonds), bestimmten Anteil des Portfolios mit Staatsanleihen zu halten Zinsobergrenze auf Einlagen und/oder Staatspapiere Zinssätze unterhalb der nominalen Wachstumsrate, d.h. Verhältnis Schulden zum BIP verringert sich, ohne Schulden absolut zu reduzieren negative Realzinsen (s. Fin. Repression (iii))

Finanzielle Repression (ii) Aggressive Formen, u.a.: Zwangsanleihen Vermögensabgabe Kapitalverkehrskontrollen Wechselkurs-Abwertung

Finanzielle Repression (iii) Finanzielle Repression mit höherer Inflation wirkt in zwei Richtungen: 1. Niedrige Nominalzinsen senken Kosten des Schuldendienstes Zinssätze unterhalb der nominalen Wachstumsrate verringern Verhältnis Schulden zum BIP, ohne Schulden absolut zu reduzieren 2. Negative Realzinsen verringern den realen Wert der Schulden/Ersparnis und Vermögen dadurch „Kalte Enteignung“ über „Liquidationssteuer“ Verlust von Vermögen/Ersparnis durch Transfer von Gläubigern/Sparern zu Schuldnern/Staat Umverteilungseffekte

10-jährige Anleiherenditen unter nominalen Wachstumsraten

Ex-post Realzins auf Staatsanleihen (1945-2009: 3-Jahres Durchschnitte in Prozent) Entnommen: C.M. Reinhart und M.B. Sbrancia: The Liquidation of Government debt; NBER 2011

Liquidation der Schulden durch Finanzielle Repression 1945-1955 Entnommen: C.M. Reinhart und M.B. Sbrancia: The Liquidation of Government Debt; NBER 2011

Jährliche Zinsersparnis durch „Liquidations-Effekt“ Entnommen: C.M. Reinhart und M.B. Sbrancia: The Liquidation of Government Debt; NBER 2011

Schuldenexzesse und ihre „Lösung“ (1900-2011)

4. Institutionelle regelungen FÜR NACHHALTIGE fINANZPOLITIK

Nationale verfassungsmäßige oder gesetzliche Regeln „Goldene Regel“ (Beschränkung der Neuverschuldung bis zur Höhe der Nettoinvestitionsausgaben) Defizit- und Schuldenquoten (z.B. Maastricht-Vertrag: 3% resp. 60%) Ausgabengrenzen Schuldenbremse (z.B. Schweiz, Deutschland (GG Art. 109) Reform des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens (Doppelte Buchführung/Doppik; u.a. Transparenz über Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie künftige Versorgungsverpflichtungen)

Europäische Regeln Haushaltsregeln Maastricht-Vertrag/Stabilitätspakt (Referenzwerte: 3%, 60%) Fiskalpakt (Schuldenabbau, Schuldenbremse) Aber: Krisenmechanismus /dauerhafter ESM konditionierte finanzielle Unterstützung mit möglicher Transferfolge Interventionen der EZB erhöhen das „moral hazard“- Risiko

Verstöße gegen 3- Prozent Defizit-Kriterium (seit 1999 bis einschl 165 51 114 Quelle: ifo Institut; 1999 (oder Beitrittsjahr)-2015

…neue Verfahren und Instrumente auf europäischer Ebene? Auf dem Weg zur Haftungsunion „Fiskalunion“ Europäischer Finanzminister Haushalt für das Eurogebiet („Fiscal Capacity“) Politischer Dauerbrenner: Eurobonds: Vergemeinschaftung der Schulden; Haftungsunion Beachten: Eigenverantwortung vs. Solidarität Haftung – Risiko - Kontrolle

5. Ausblick: Schuldenfalle – Zinsfalle - Fiskaldominanz

Schuldenfalle, Niedrigzinsfalle und Fiskaldominanz Je mehr die Schulden steigen, desto schwieriger wird es, die Zinsen anzuheben, ohne Schaden zu verursachen. Zentralbanken (Geldpolitiken) geraten unter Dominanz der Fiskalpolitik und halten Zinsen künstlich niedrig. Niedrige Zinsen rechtfertigen sich dann selbst und erzeugen weiter niedrige Zinssätze. Zu niedrige Zinsen über einen langen Zeitraum führen zu höherer Risikoübernahme und letztlich zu neuen Übertreibungen und Krisen Finanzkrisen erfordern dann über noch längere Zeit niedrige Zinsen und noch mehr Liquidität, um das Finanzsystem zu stabilisieren ………… S. hierzu: 86. Jahresbericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (2016)