Arbeit am Ganzen Zur Rolle der allgemeinen Arbeit bei der Produktion von Universalgütern Stefan Meretz 4.10.2008

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 Präsentation transkript:

Arbeit am Ganzen Zur Rolle der allgemeinen Arbeit bei der Produktion von Universalgütern Stefan Meretz

Gliederung ● Ausgangsfrage ● Allgemeines, Besonderes, Einzelnes ● Allgemeine Arbeit bei Marx ● Abstrakt-allgemeine und konkret-allgemeine Arbeit ● Mittelbar und unmittelbar gesellschaftliche Arbeit ● Historische Allgemeinheit ● Privatisierte Universalgüter ● Freie Universalgüter ● Aufhebung der Arbeit

Ausgangsfrage »...der Terminus ‚allgemeine Arbeit‘... könnte dahingehend miss- verstanden werden, als handele es sich bei der Informationsarbeit um unmittelbar gesellschaftliche Tätigkeit. Das ist nicht intendiert. Diese Tätigkeiten sind in der kapitalistischen Gesellschaft selbst- verständlich genauso borniert, entfremdet und formbestimmt wie jede andere Arbeit. Die Unterscheidung allgemeine Arbeit – ge- trennte Privatarbeit soll einen Binnengegensatz innerhalb der Welt ungesellschaftlicher gesellschaftlicher Praxis kenntlich machen. Streng arbeitskritisch gelesen handelt es sich beim Ausdruck ‚allgemeine Arbeit‘ insofern um eine paradoxe Begriffsbildung, als die Transformation von Tätigkeit in Arbeit bereits die Herauslösung dieser Tätigkeit aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang impliziert.« (Lohoff 2007, Fußnote 24) → Ist dem so?

Allgemeines, Besonderes, Einzelnes ● Alltagsverstand: Allgemeines = Residuum des Gemeinsamen bei Weglassen des Besonderen und Einzelnen = Abstraktes ● = Form der realabstraktiven Verallgemeinerung in der Warenproduktion ● Dialektik: Einzelnes wird durch seine konkreten Beziehungen zum Allgemeinen ein Besonderes R. Kurz: »Das heißt..., daß das Allgemeine nicht (abstrakt) für sich steht, dem Besonderen fremd und äußerlich ist, sondern als konkrete Totalität ungetrennt vom Einzelnen und Besonderen bleibt.« (Kurz 1987, S. 69)

Abstrakt- und Konkret-Allgemeines Abstrakt-Allgemeines: ● Besonderes verschwindet als Ununterscheidbares im Allgemeinen ● Einzelnes und Besonderes steht dem Allgemeinen äußerlich gegenüber Konkret-Allgemeines: ● Besonderes ist Repräsentant des Allgemeinen ● Das Konkret-Allgemeine ist das »Reichtum des Besonderen in sich fassende Allgemeine« (Hegel 1979, S. 54)

Allgemeine Arbeit bei Marx = Arbeit für allgemeine Andere ≠ gemeinschaftliche, unmittelbar-kooperative Arbeit Marx: Es ist »zu unterscheiden zwischen allgemeiner Arbeit und ge- meinschaftlicher Arbeit. Beide spielen im Produktionsprozeß ihre Rolle, beide gehn ineinander über, aber beide unterschei- den sich auch. Allgemeine Arbeit ist alle wissenschaftliche Arbeit, alle Entdeckung, alle Erfindung. Sie ist bedingt teils durch Kooperation mit Lebenden, teils durch Benutzung der Arbeiten Früherer. Gemeinschaftliche Arbeit unterstellt die unmittelbare Kooperation der Individuen.« (MEW 25, S. 113f) → Allgemeine Arbeit ist gesellschaftliche Arbeit

Abstrakt-allgemeine Arbeit (1) ● Warenproduktion: Arbeit ist getrennte Privatarbeit und allgemeine Arbeit zugleich – wie das? ● Allgemeinheit, also gesellschaftliche Geltung, erlangen die Privatarbeiten nur durch Tausch ● Tausch abstrahiert real von Nützlichkeit ● Marx: »Die Arbeit, die sich im Tauschwert darstellt, ist vorausgesetzt als Arbeit des vereinzelten Einzelnen. Gesellschaftlich wird sie dadurch, daß sie die Form ihres unmittelbaren Gegenteils, die Form der abstrakten Allgemeinheit annimmt.« (MEW 13, S. 29) → Tausch ist Form indirekter gesellschaftlicher Ver- mittlung zur Erlangung gesellschaftlicher Geltung

Abstrakt-allgemeine Arbeit (2) ● Waren können als besondere Einzelne nicht allgemeine, gesellschaftliche Geltung erlangen ● Allgemeinheit gewinnen sie nur als »Rückseite« des Werts Marx: »Der der Ware immanente Gegensatz von Gebrauchswert und Wert, von Privatarbeit, die sich zugleich als unmittelbar gesell- schaftliche Arbeit darstellen muß, von besondrer konkreter Arbeit, die zugleich nur als abstrakt allgemeine Arbeit gilt, von Personifizierung der Sache und Versachlichung der Personen – dieser immanente Widerspruch erhält in den Gegensätzen der Warenmetamorphose seine entwickelten Bewegungsformen.« (MEW 23, S. 128)

Konkret-allgemeine Arbeit ● ist das, was Marx‘ mit „allgemeiner Arbeit“ meinte, als er an Wissenschaft, Erfindung etc. dachte ● ist als Allgemeines gleichzeitig Besonderes und umgekehrt ● kann nicht auf ein uniformes quantitatives Maß reduziert werden ● kann keinen Wert bilden ● ist genuin wertunproduktiv

Un-/Mittelbar gesellschaftliche Arbeit ● Abstrakt-allgemeine Arbeit ist mittelbar gesellschaftliche Arbeit: – sie existiert nur im und durch das Tauschverhältnis – sie kann sich nur vermittels des Wertvergleichs gesellschaftlich bewähren – ohne gelungenen Tausch keine gesellschaftliche Bewährung und damit keine Wertrealisation ● Konkret-allgemeine Arbeit ist unmittelbar gesellschaftliche Arbeit: – sie hat ohne „Umweg“ gesellschaftlichen Charakter – sie ist das den »Reichtum des Besonderen in sich fassende Allgemeine«

Historische Allgemeinheit ● Gegenständliche und symbolische Kumulation historischer Erfahrungen bei der Herstellung der gesellschaftlichen Lebensbedingungen ● Nur Resultate konkreter Tätigkeiten können historische Allgemeinheit erlangen ● Abstrakt-allgemeine Arbeit ist nicht historisch verallgemeinerbar, da sie nur Moment der Waren- metamorphose ist und darin erlischt ● Konkret-allgemeine Arbeit ist immer gleichzeitig historisch-allgemeine Arbeit ● Überdauerndes Moment ist die gesellschaftlich- kumulierte Erfahrung

● Generelle Tendenz der Ablösung gesellschaftlich- historischen Wissens von besonderen stofflichen Trägern ● Qualitativer Sprung mit digitaler Universal- maschine: Computer – Verallgemeinerung der digitalen Form – Globale Verallgemeinerung des Wissens durch Kopie ● Einmal in der Welt, stehen sie potenziell der Menschheit zur Verfügung und erlangen gleich- zeitig historische Allgemeinheit → Universalgüter können keinen Wert darstellen Universalgüter

Privatisierte Universalgüter ● Konkret-allgemeine Arbeit wird privat angeeignet ● Informationsgüter: Rechtsform und Kopierschutz ● Beispiele: proprietäre Software, Kulturgüter ● Charakter der Allgemeinheit ändert sich nicht, allein die reale Verfügung wird unterbunden → künstliche Knappheit → Bezahlgut E. Lohoff: »Unabhängige Privatarbeit konstituiert Wert, allgemeine Tätig- keit nicht, auch dann nicht, wenn sie privatisiert wird.« (Lohoff, 2007) → Ein privatisiertes Universalgut ist Ergebnis privatisierter konkret-allgemeiner Arbeit

Freie Universalgüter ● Freie Universalgüter werden als das produziert, was sie sind: unmittelbar gesellschaftliche Güter als Resultat konkret-allgemeiner Arbeit ● Freie Universalgüter = „Commons“ ● Beispiele: Freie Software, Wikipedia R. Kurz: »Sind die Arbeiten als konkrete allgemein, d.h. gesellschaftlich, dann bedarf es keiner abstrakten Allgemeinheit mehr. Qualität und Quantität bleiben als konkrete Allgemeinheit ungetrennt.« (Kurz 1987) Aber: Handelt es sich dann überhaupt noch um „Arbeit“?

...nochmal zurück zur Ausgangsfrage »...der Terminus ‚allgemeine Arbeit‘... könnte dahingehend miss- verstanden werden, als handele es sich bei der Informationsarbeit um unmittelbar gesellschaftliche Tätigkeit. Das ist nicht intendiert. Diese Tätigkeiten sind in der kapitalistischen Gesellschaft selbst- verständlich genauso borniert, entfremdet und formbestimmt wie jede andere Arbeit. Die Unterscheidung allgemeine Arbeit – ge- trennte Privatarbeit soll einen Binnengegensatz innerhalb der Welt ungesellschaftlicher gesellschaftlicher Praxis kenntlich machen. Streng arbeitskritisch gelesen handelt es sich beim Ausdruck ‚allgemeine Arbeit‘ insofern um eine paradoxe Begriffsbildung, als die Transformation von Tätigkeit in Arbeit bereits die Herauslösung dieser Tätigkeit aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang impliziert.« (Lohoff 2007, Fußnote 24) Doch, dem ist so!Allerdings mit privater Aneigung Das ist nur eine Seite des Widerspruchs Nicht paradox, sondern widersprüchlich

● In der konkret-allgemeinen Arbeit zeigt sich der Widerspruch zwischen – einerseits der warenförmigen Konstitution von Gesellschaftlichkeit über »Arbeit« – andererseits der Überschreitung der abgespaltenen Form »Arbeit« in Richtung auf eine eingebundene Weise der »Produktion der Lebensbedingungen« ● Verschiedene emanzipatorische Ansätze: – Michel Bauwens: Peer-to-Peer Foundation – Yochai Benkler: Commons-based Peer Production – Christian Siefkes: Peer Economy Aufhebung der Arbeit

Fazit ● Mit Hilfe des Begriffspaars abstrakte/konkrete allgemeine Arbeit kann gezeigt werden – dass Universalgüter wertlose „Bezahlgüter in Warenform“ sind – dass Universalgüter in widersprüchlicher Weise in den Kapitalismus eingebunden sind wie auf seine Überschreitung verweisen ● Die Produktion freier Universalgüter bietet einen Ansatz für die Entwicklung einer allgemeinen Produktionsweise jenseits von Ware, Wert, Markt und Staat

Quellen G. W. F. Hegel (1979), Wissenschaft der Logik, Erster Teil, Werke Band 5, Suhrkamp: Frankfurt/M. R. Kurz (1987), Abstrakte Arbeit und Sozialismus, in: Marxistische Kritik 4, S E. Lohoff (2007), Der Wert des Wissens, in: Krisis 31, S K. Marx (1859), Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, Dietz (1971): Berlin/DDR K. Marx (1863), Theorien über den Mehrwert, MEW 26.2, Dietz (1987): Berlin/DDR K. Marx (1890, 4. Aufl., hrsg. v. F. Engels), Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Band 1, MEW 23, Dietz (1962): Berlin/DDR K. Marx (1894, 1. Aufl., hrsg. v. F. Engels), Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Band 3, MEW 25, Dietz (1962): Berlin/DDR Lizenz: Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen Deutschland 3.0