Formulierung diagnostischer Hypothesen

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 Präsentation transkript:

Formulierung diagnostischer Hypothesen Sommersemester 2011 Der diagnostische Prozess Prof. Dr. Jäger Isabell Totzauer & Felix Gerig

Gliederung Einleitung Funktionen von Hypothesen - Definition 3. Hypothesenarten 4. Die Rolle von Hintergrundwissen Teilnehmer-Aktivierung Hypothesenprüfung Erklärung und Prognose 8. Quellen

Hypothese und Hintergrund- 1. Einleitung Hypothesenprüfung Hypothese und Hintergrund- wissen Ausgangspunkt

2. Funktionen von Hypothesen Erklärung eines Sachverhaltes Präzision der Darstellung von Sachverhalten Nennen der Ursachen eines Sachverhalts relevante Informationen für eine Prognose können aber auch schon eine Prognose darstellen (Bsp. Studienverlauf) liefern eine klassifikatorische Zuweisung nennen mögliche Voraussetzungen zur Modifikationsstrategie

Definition: Hypothese im weitesten Sinne: jede Feststellung über ein Merkmal oder eine Verhaltenstendenz eines Beurteilungsgegenstandes (Person, Situation, Institution, etc.) ist eine diagnostische Hypothese

3. Hypothesenarten Singuläre Hypothese Allgemeine Hypothese Aussagen beziehen sich auf ein einziges Individuum bzw. einen einzigen Beurteilungsgegenstand Aussagen beziehen sich auf die Gesamtheit von Individuen Aktivitäten oder allgemeine Sachverhalte werden qualifiziert beschränkt oder unbeschränkt Beispiel: „der Proband hat im Urin einen hohen Anteil an Adrenalin“ „wenn eine Person Testangst hat, so verringert sich ihre Leistung bei kognitiven Aufgaben“ (unbeschränkt)

Exkurs: Raum-Zeit-Stellen Beobachtungshypothese Idiographische Hypothese singuläre Aussage über ein beobachtbares Merkmal oder Verhalten  eine Person/Gegenstand, eine Zeit-Situation-Stelle singuläre Aussage über eine Eigenschaft oder Verhaltenstendenz  eine Person/Gegenstand, viele Zeit-Situation-Stellen Beispiel: bei der Auswertung von Tests „Hans ist überdurchschnittlich intelligent“

Deterministische Hypothese Statistische Hypothese 3. Hypothesenarten Deterministische Hypothese Statistische Hypothese unter bestimmten Bedingungen tritt ein Sachverhalt ein Aussagen über Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Variablen werden ohne statistische Begriffe angegeben statistische Begriffe werden benutzt  Wahrscheinlichkeiten, Verteilungen, Durchschnitt, Korrelation,… Beispiel: „wenn eine Person Testangst hat, so verringert sich ihre Leistung bei kognitiven Aufgaben“ „wenn eine Person Testangst (A) hat, so verringert sich die Wahrscheinlichkeit, mit der sie eine kognitive Aufgabe löst (L): p(L/A) < p(L)“

Kovariationshypothese 3. Hypothesenarten Gesetzeshypothese Kovariationshypothese kann Teil einer allgemeinen Hypothese sein kann Teil einer allgemeinen Hypothesen sein geht über Kovariation hinaus: die Ausprägung einer Variablen beeinflusst die Ausprägung einer anderen Variablen enthält immer eine systematische Beziehung  es wird nicht auf die Wirkung einer Variablen angesprochen Beispiel: „wenn eine Person Testangst hat, so verringert sich ihre Leistung bei kognitiven Aufgaben“ „Testwerte im IST korrelieren mit der Lehrerbeurteilung der Intelligenz zu 0.60“

beobachtbare Variablen nicht-beobachtbare Variablen 3. Hypothesenarten Hypothesen über beobachtbare Variablen nicht-beobachtbare Variablen Variablen sind beobachtbar Variablen sind nicht beobachtbar Beispiel: Antwort b markieren, Testwert im IST, etc. Intelligenz, Introversion, Konditionierbarkeit, etc. Formulierung operationaler Hypothesen: allgemeine Aussagen über einen Zusammenhang zwischen beobachtbaren und nicht-beobachtbaren Variablen „Der Gesamtwert im HAWIE ist ein Maß für die allgemeine Intelligenz“

4. Die Rolle von Hintergrundwissen die zu untersuchenden Konstrukte sind oft nicht der Beobachtung zugänglich operationale Hypothesen stellen den Zusammenhang zwischen den hypothetischen und den beobachtbaren Variablen her der Idealfall: es existiert eine Theorie über den Gegenstand der Hypothese

4. Die Rolle von Hintergrundwissen Hintergrundwissen des Diagnostikers = Gesamtheit der inhaltlichen und methodischen Annahmen, die er im Verlauf eines diagnostischen Prozesses als akzeptables Wissen voraussetzt Hypothesenmodulation es geht um Wahrscheinlichkeiten Hypothesentests müssen dies berücksichtigen

4. Die Rolle von Hintergrundwissen Voraussetzungen der Untersuchungssituation Verfahren müssen für Probanden geeignet sein (Alter, Kultur, etc.) Verfahren werden vorschriftsmäßig durchgeführt  Bedingungskonstanz Berücksichtigung der Entwicklung der Forschung ggf. Rückgriff auf Intuition

5. Teilnehmer-Aktivierung besprecht in der Gruppe, welche Hypothesenart euch vor liegt nennt kurz 1-2 Punkte, warum ihr euch für diese Hypothesenart entschieden habt Viel Spaß!

6. Hypothesenprüfung Im diagnostischen Prozess ist es üblich mehrere Hypothesen zu testen. Gründe Mehrere Testprobleme mit jeweils einer Hypothese  Wenn die Ursache einer Krankheit geklärt ist, ist die Frage ob die Voraussetzungen für eine Therapie gegeben sind. Hypothese 1 Ursache ,, Vermeidung führt zu Angststörungen“ Hypothese 2 Therapie ,,Vermeider sind durch Konfrontation heilbar“

Im diagnostischen Prozess ist es üblich mehrere Hypothesen zu testen. 6. Hypothesenprüfung Im diagnostischen Prozess ist es üblich mehrere Hypothesen zu testen. Gründe Eine Problem mit mehreren Hypothesen  Über die Ursache einer Krankheit gibt es mehrere Hypothesen. Hypothese 1: Vermeidung Diagnose: Angststörung Hypothese 2: Veranlagung Hypothese 3: Erfahrung

6. Hypothesenprüfung Welches Vorgehen zur Prüfung einer diagn. Hypothese geeignet ist, hängt entscheidend von der Beschaffenheit des Problems ab. Es gilt drei Situationen zu unterscheiden Soll über eine einzelne Hypothese, Über mehrere Vereinbare Hypothesen, Über mehrere einander ausschließende Hypothesen entschieden werden?

6. Hypothesenprüfung Eine einzelne Hypothese Hier muss nur zwischen Hypothese und ihrer Negation entschieden werden. Beispiel: Verhaltenstherapie Verminderte Angstreaktion Frage: Welche potentiellen Beobachtungen sind mit Hypothese vereinbar?

6. Hypothesenprüfung Mehrere Vereinbare Hypothesen Hier ergänzen sich Hypothesen und die Negation der einen heißt nicht, dass eine andere ausgeschlossen werden kann.. Beispiel: Jede Hypothese wird einzeln getestet wie im ersten Fall Intelligenz hohe Studienleistung Konzentrationsfähigkeit Hämorrhoiden

6. Hypothesenprüfung Mehrere einander ausschließende Hypothesen Alle Hypothesen werden gemeinsam getestet (Wahrscheinlichkeiten). Das Zutreffen einer Hypothese schließt die anderen aus. Beispiel: Schlaganfall Herzinfarkt Innere Blutungen Schmerzen im linken Arm

7. Erklärung und Prognose Diagnostische Hypothesen dienen der Erklärung und Prognose relevanter Sachverhalte. Gesetzeshypothese(n) - Wenn eine Person hohe Testangst hat, so verringert sich ihre Leistung bei kognitiven Aufgaben Anfangsbedingung = Diagnose - P hatte Testangst ____________________________________________________ zu erklärender Sachverhalt - P erbrachte eine verringerte Leistung bei den bearbeiteten kognitiven Aufgaben

7. Erklärung und Prognose Der zu erklärende Sachverhalt wird aus Gesetzeshypothesen und Anfangsbedingungen logisch abgeleitet.  deduktiv-nomologisch Gesetzeshypothese Wenn Testangst dann Leistung Sachverhalt P zeigt geringe Leistung Erklärung Anfangsbedingung P hat Testangst

7. Erklärung und Prognose Prognosen und Erklärungen haben eine ähnliche Struktur Es bestehen jedoch Unterschiede: Erklärung: Zutreffende Anfangsbedingung und Gesetzeshypothese werden gesucht Prognose: Anfangsbedingungen die mit dem Ereignis kovariiren (auch wenn sie nicht determinieren) werden gesucht Bespiel: Erhöhte Körpertemperatur prognostiziert das Eintreten von Fieber auch wenn sie es nicht erklärt.  Eine Prognose ohne zugrundeliegende Gesetzeshypothese ist jedoch mit großer Unsicherheit verbunden.

7. Erklärung und Prognose Häufiger als mit deterministischen Gesetzeshypothesen hat man es in der Psychologie mit statistischen Gesetzeshypothesen zu tun. Ein Sachverhalt S (z.B. Schulprobleme) soll durch eine Diagnose erklärt werden  Wir suchen nach Gesetzhypothesen die etwas über S aussagen! p(S/E)>p(S) p(S/E)<p(S) Positiv relevant Negativ relevant E (Eigenschaft) ist z.B.: hohe Intelligenz, hohe Leistungsmotivation, familiäre Konflikte, Mittelschichtszugehörigkeit usw.

7. Erklärung und Prognose Eine statistische Erklärung besteht in: einer Angabe aller für S relevanter Eigenschaften (Bedingungen), die diagnostiziert wurden einer Angabe der statistischen Gesetzeshypothesen, die jeweils für eine bestimmte Kombination relevanter Eigenschaften die Wahrscheinlichkeit von S angeben. p(S/K1) = r1; p(S/K2) = r2; usw.

7. Erklärung und Prognose Deterministische Gesetzeshypothesen Statistische Sagt im Fall der definierten Anfangsbedingung den Sachverhalt (S) mit Sicherheit voraus. Sagt im Fall der definierten Anfangsbedingung den Sachverhalt mit einer Wahrscheinlichkeit voraus. In beiden Fällen werden die diagnostizierten Bedingungen angegeben, die für den zu erklärenden Sachverhalt S relevant sind (Anfangsbedingungen). Das Modell der statistischen Erklärung ist meist unvollständig und besteht in einer Auflistung der positiv oder negativ relevanten Eigenschaften (Bedingungen) mit ihrer relativen Stärke.

8. Quellen Jäger, R. S. (1986). Der diagnostische Prozess. Göttingen: Hogrefe Jäger, R. S. & Petermann, F. (Hrsg.). (1999). Psychologische Diagnostik. Weinheim: Beltz Psychologie Verlags Union http://www.phil.uni-sb.de/~jakobs/seminar/vpl/theorie/hypothesen.htm (25. Mai 2011, 14:27 Uhr)