1 Programm Zweite Doppelstunde Wirtschaftsverfassungsrecht I I.Die „offene“ Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes II.Die wirtschaftsrelevanten Grundrechte.

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 Präsentation transkript:

1 Programm Zweite Doppelstunde Wirtschaftsverfassungsrecht I I.Die „offene“ Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes II.Die wirtschaftsrelevanten Grundrechte der Verfassung (insbesondere Art. 12 und 14 GG)

2 Die „offene“ Wirtschaftsverfassung Wirtschaftspolitische Gestaltungsfreiheit Kompetenzordnung des GG Grundrechte Andere Verfassungs- prinzipien Verwaltung Finanzierung Berufsfreiheit Eigentumsgarantie andere Grundrechte Verhältnismäßigkeit Vertrauens- schutz demokratische Legitimation Gesetzgebung

Staatsstrukturprinzipien Demokratieprinzip Rechtsstaatsprinzip Bundesstaatsprinzip Sozialstaatsprinzip 3

Gesetzgebungskompetenzen nach dem GG Grundsatz: Art. 70 Abs. 1 GG Ausschließliche Gesetzgebung des Bundes (Art. 73 GG) Konkurrierende Gesetzgebung (Art. 72 GG) Hinweis auf Art. 74 GG 4

5 Die wirtschaftsrelevanten Grundrechte des Grundgesetzes 1. Einführung 2. Berufsfreiheit, Art. 12 GG 3. Eigentumsgarantie, Art. 14 GG 4. Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG 5. Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit, Art. 9 Abs. 1, 3

6 Ausgangsfall Ein Gesetz verpflichtet die Hersteller von Tabakerzeugnissen, Warnhinweise auf die Produkte zu drucken. Der Tabakproduzent M fühlt sich in seinen Grundrechten verletzt und möchte gegen das bestehende Gesetz vorgehen. Kann er dies mit Erfolg tun?

7 Die Funktion der Grundrechte Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe dadurch: Gewährleistung privatwirtschaftlicher Betätigung durch Begründung von Legitimationsbedarf für staatliche Entscheidungen mit belastender Wirkung durch Gewährleistung von Staatsfreiheit im Kernbereich Grundrechte und Schutzpflichten, im öffentlichen Wirtschaftsrecht: kein Schutz vor Konkurrenz, tw. Teilhaberechte Grundrechte als Auslegungsmaßstab: die sog. verfassungskonforme Auslegung (Vorschriften i.d.R. nicht verfassungswidrig)

8 Die Prüfung von Grundrechten Schutzbereich: Was schützt ein Grundrecht? -Sachlicher Schutzbereich: was wird geschützt? -Persönlicher Schutzbereich: wer wird geschützt? Eingriff in den Schutzbereich: greift eine staatliche Maßnahme in den Schutzbereich ein? Rechtfertigung des Eingriffs? Gesetzesvorbehalt und insbesondere Verhältnismäßigkeit des Eingriffs

9 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 1.Legitimer Zweck 2.Geeignetheit 3.Erforderlichkeit = mildestes sicher wirkendes Mittel? 4.Angemessenheit = Abwägung der Rechtsgüter

10 Berufsfreiheit, Art. 12 GG: Überblick a) Schutzbereich –sachlich: „Beruf“, „Ausbildung“, „Arbeitsplatz“ –persönlich: Alter, Staatsangehörigkeit, natürliche/juristische Personen b) Kategorien relevanter staatlicher Eingriffe c) Rechtfertigungskriterien für staatliches Eingreifen

11 Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG: Sachlicher Schutzbereich Beruf: –jede selbständige oder unselbständige Tätigkeit von gewisser Dauer, –die der Schaffung einer Lebensgrundlage dient und –die nicht allgemein verboten ist (sehr str.) 1. Auffassung: die nicht sozialschädlich ist 2. Auffassung: deren zugrunde liegende Handlung nicht allgemein verboten ist 3. Auffassung (Entfallen des Kriteriums und Prüfung im Rahmen der Rechtfertigung eines Eingriffs)

12 Schutzbereich: Geschütztes Verhalten –Entscheidung, einen Beruf zu ergreifen –Wahl eines Berufs –Ausübung eines Berufs –Absolvieren einer Ausbildung (berufsbezogene Qualifikation) –Entscheidung über Wahl, Wechsel oder Aufgabe eines Arbeitsplatzes (einschl. Entscheidung über Zutritt zum Arbeitsmarkt, Wahl eines Vertragspartners) –negativ: Entscheidung, ohne Beruf zu bleiben, ihn aufzugeben, keine Ausbildung zu absolvieren, keinen Arbeitsplatz anzunehmen oder in aufzugeben

13 Schutzbereich: Persönlicher Schutzbereich 1. Im Hinblick auf die Staatsangehörigkeit - Deutsche i.S.d. Art. 116 GG - EG-Ausländer: (Ableitung streitig: unmittelbar aus EG/EU- Recht oder aus Art. 2 I GG) - für andere Ausländer gilt Art. 2 I GG (mit erheblich weiteren staatlichen Beschränkungsmöglichkeiten) 2. Im Hinblick auf das Alter auch Minderjährige 3. Im Hinblick auf die Personenform natürliche Personen (inländische) juristische Personen (weit!), vgl. Art. 19 III GG, da und soweit das Grundrecht seinem Wesen nach auf sie anwendbar ist

14 Kategorien grundrechtsrelevanter staatlicher Eingriffe Regelnde Eingriffe (sog. klassische Grundrechtseingriffe) –Unmittelbar beschränkende Wirtschaftsgesetzgebung mit berufsregelnder Tendenz –Genehmigungsvorbehalte –Ge-, Verbote, Auflagen/Anordnungen der staatlichen Verwaltung mit berufsregelnder Tendenz Faktische Beeinträchtigungen –Definition: Mittelbare Einwirkung auf die Wirtschaft mit berufsregelnder Wirkung –Beispiele: Bindung staatlicher Auftragsvergabe an „Tariftreue“ der Unternehmen; Produktwarnungen Subventionierung von Konkurrenten sehr streitig: Produktwarnungen, Empfehlungen (ablehnend BVerfGE 105, 252, 268; 279, 301 ff.)

15 Rechtfertigung eines Eingriffs in die Berufsfreiheit 1. „durch oder aufgrund eines Gesetzes“ Beachte: Nach BVerfG einheitlicher Gesetzesvorbehalt: Art. 12 I 2 GG (d.h. keine Differenzierung nach Berufswahl oder –ausübung) 2. Differenzierung der zulässigen Eingriffsintensität nach der Dreistufentheorie (=> spezifische Form der Verhältnismäßigkeitsprüfung) 1. Stufe: Regelung der Berufsausübung 2. Stufe: Beschränkung der Berufswahl durch subjektive Zulassungsvorauss. 3. Stufe: Beschränkung der Berufswahl durch objektive Zulassungsvorauss. vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls Schutz besonders wichtiger Gemeinschafts- güter Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut Rechtfertigung

16 Rechtfertigung: Dreistufentheorie, Beispiele Eingriffsintensität 1. Stufe: Ladenschlussregelung, Rauchverbot in Gaststätten 2. Stufe: Befähigungs- und Sachkundenachweise 3. Stufe: Bedürfnisprüfungen, Höchstzahlregelungen, staatliche Monopole Zulässige Zwecksetzung 1. z.B. Arbeitnehmerschutz; Schutz der Sonntagsruhe 2. z.B. Gewährleistung des Rechtsfriedens, der Gesundheit 3. z.B. Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens „Schrankenschranke“: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit