Vorlesung Behindertenrecht HS 12 Dr. iur. Caroline Hess-Klein.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Gesetz zur Gleichstellung von behinderten Menschen
Advertisements

Projektumfeld Gesellschaftliche Strömungen Strukturen/ Gliederung
Behinderten-gleichstellungs-gesetz (BehiG)
Zusammenstellung: Barbara Weber (HMULV)
Massengeschäfte Massengeschäften ähnliche Geschäfte Der Öffentlichkeit
Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche
Akzeptierende Jugendarbeit mit rechtsextremen Jugendlichen
Zugänglich für alle? Das Ziel einer barrierefreien Gesellschaft
Bauordnungsrechtliche Voraussetzungen für barrierefreie Umbaumaßnahmen
Das Subsidiaritätsprinzip Grundlage der Kommunalen Selbstbestimmung & der gesetzlichen Vorrangstellung der freien Wohlfahrtspflege Erstellt von der.
Daten- und Persönlichkeitsschutz u. a
Frauen sind anders – Männer auch Geschlecht und Behinderung
5 Jahre BehiG - 5 Jahre EBGB
Übungen im öffentlichen Prozessrecht Prof. Dr. Isabelle Häner 7. November 2008.
Grundsätze des Verwaltungsrechts im Zusammenhang mit der Verfügung
5 Jahre BehiG Rückblicke & Ausblicke
An- und Aufregungen Thea Mauchle
damit es gute Hilfs-Angebote für behinderte Frauen und Mädchen gibt?
Grundlagen des Zivil- und Katastrophen- Schutzes
RAKUL Verein für Raumentwicklung Kultur und Landschaft Vereins Vorstellung 4.Juli 2007 Amt für Raumentwicklung Amt für Kultur Amt für Wirtschaft und Tourismus.
outil d’intégration et d’inclusion sociale ?
Mag. Marie-Therese Richter, B.A.
Praxisworkshop Antidiskriminierung und Konsumentenschutz 1. März 2010 Mag. a Silvia Schmid Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.
ZGB-Inhaltsübersicht
News Aktuelles aus Politik, Wirtschaft und Recht08/2010 © Verlag Fuchs AG Der Fall Rappaz Fragen und Antworten 1.Nennen Sie stichwortartig die Gerichtsinstanzen,
Altersdiskriminierung
Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderung
SchÖffen im strafverfahren
Perspektive Gemeinwesen? Prof. Dr. Albrecht Rohrmann
RAKUL Verein für Raumentwicklung Kultur und Landschaft Vereins Vorstellung 4. Dezember 2007 Bundesamt für Raumentwicklung ARE Bern.
Fachabteilung Gemeinden, Wahlen und ländlicher Wegebau
Submissionsrichtlinien Bonstetten Bonstetten..... aktuell Verabschiedet durch den Gemeinderat 20. März 2007.
Praxisworkshop Antidiskriminierung und Konsumentenschutz Zugang zu kommunalem Wohnbau und anderen Dienstleistungen für Drittstaatsangehörige Marta Hodasz.
Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht Frühlingssemester 2014
Der kantonale Richtplan Der kantonale Richtplan ist das wichtigste Instrument für die Raumplanung, das dem Kanton zur Verfügung steht. Der Richtplan legt.
Schweizer Gesetzgebung und Richtlinien zur Zugänglichkeit von Websites www-Workshop 2004 – Accessibility ETHZ/Uni Zürich, 21. September 2004 Dr. A. Rieder,
Schadensminderung im Justizvollzug Zusatzmodul: Gefangene aus ethnischen Minderheiten Training Criminal Justice Professionals in Harm Reduction Services.
SBauVO NRW - Teil 1 - Versammlungsstätten
Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken
Angepasste Rahmenbedingungen (Nachteilsausgleich)
Von Unternehmen und Unternehmern
Dr. Bettina Leonhard, Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V.
Die Praxis des Asylrechts zwischen Gesetzesanwendung und Gnadenakt
…im täglichen Leben … für Menschen mit Behinderungen
PARTicipation Basis Workshop Inklusion
Für einen starken Service public – Für ein demokratiegerechtes Mediensystem Edith Graf-Litscher, Nationalrätin SP (Thurgau) Anhörung der EMEK zum Thema.
Pflichtübung aus Europarecht 3. Einheit Dienstleistungsfreiheit
Nachteilsausgleich /Dr. Greve/MK
1 Ganner UN-Behinderten- rechtskonvention. 2 Ganner Allgemeines qÜbereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung vom.
Der ANDERE Dialog. Gleichstellung: Wer behindert wen? 12. Dezember 2011 in Wien.
Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht 1 Übungen im Handels- und Wirtschaftsrecht Frühlingssemester 2015 Fall 5 – Wettbewerbsrecht PD Dr. iur. Simon.
Bremisches Behindertengleichstellungsgesetz Rückblick sowie Vorstellung und Diskussion von Eckpunkten zur inhaltlichen Notwendigkeit der Überarbeitung.
Angepasste Rahmenbedingungen (Nachteilsausgleich)
Disability Mainstreaming Impuls auf der 4. Sitzung der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Leitlinien der Berliner Seniorenpolitik am Christine.
Prof. Dr. Albrecht Rohrmann
Das Bremische Behindertengleichstellungsgesetz (BremBGG)
Vorlesung Behindertenrecht HS 13 Dr. iur. Caroline Hess-Klein.
Vorlesung Behindertenrecht HS 13 Dr. iur. Caroline Hess-Klein.
Vorlesung Behindertenrecht HS 13 Dr. iur. Caroline Hess-Klein.
Österreichs schwieriger Weg zur Inklusion Impulsreferat im Rahmen des Trialoges der Lebenshilfe Österreich St. Pölten, 17. November Dr. Erwin Buchinger.
Vorlesung Behindertenrecht HS 13 Dr. iur. Caroline Hess-Klein.
Vorlesung Behindertenrecht HS 12 Dr. iur. Caroline Hess-Klein.
Ass.-Prof. Dr. iur. M. Hürzeler II.Grundlagen der Haftpflicht Abgeltung immaterieller Nachteile Gesetzliche Grundlagen im Obligationenrecht Art. 47 OR.
1 Einführung ins Gemeinderecht. 2 CH-Gemeinden in Zahlen 1990: 3021 Gemeinden 2000: : : : 2551.
Vorlesung Behindertenrecht HS 12 Dr. iur. Caroline Hess-Klein.
Vorlesung Behindertenrecht HS 12 Dr. iur. Caroline Hess-Klein.
Das persönliche Budget ASG Treffen vom Vortrag Irene Goldschmidt Lebenshilfe Delmenhorst und Landkreis Oldenburg e.V.
W.J. Kainz 1 Mittagessen in Werkstätten für behinderte Menschen – eine Leistung der Eingliederungshilfe? Willi Johannes Kainz Richter am Bayerischen Landessozialgericht.
Vorlesung Behindertenrecht FS 11 Dr. iur. Caroline Hess-Klein.
Inklusion Prof. Dr. Bettina Lindmeier Was ändert sich im Landkreis für die Verwaltung?
 Präsentation transkript:

Vorlesung Behindertenrecht HS 12 Dr. iur. Caroline Hess-Klein

Vorlesung 4  Allgemeine Einführung in das Behindertengleichstellungsgesetz  Behindertenrecht im Baubereich

Allgemeine Einführung in das Behindertengleichstellungsgesetz I.Entstehung, Wille des Gesetzgebers II.Ziele III.Aufbau, Systematik IV.Grundlegende Begriffe/Konzepte/Probleme

Entstehung/Wille des Gesetzgebers Primäre Stossrichtungen des BehiG -Antwort auf die Feststellung der Benachteiligung von Menschen mit Behinderung/Abbau von Benachteiligungen -Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 und 4 BV -Antwort auf die Volksinitiative « Gleiche Rechte für Behinderte »

Eidgenössische Volksinitiative „Gleiche Rechte für Behinderte“ Die Volksinitiative lautet: I Die Bundesverfassung wird wie folgt ergänzt: Art. 4bis (neu) 1Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, der Sprache, des Alters, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Ueberzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. 2Das Gesetz sorgt für die Gleichstellung behinderter Menschen. Es sieht Massnahmen zur Beseitigung und zum Ausgleich bestehender Benachteiligungen vor. 3Der Zugang zu Bauten und Anlagen oder die Inanspruchnahme von Einrichtungen und Leistungen, die für die Oeffentlichkeit bestimmt sind, ist soweit wirtschaftlich zumutbar gewährleistet.

Ziele Art. 1 BehiGZweck 1 Das Gesetz hat zum Zweck, Benachteiligungen zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen, denen Menschen mit Behinderungen ausgesetzt sind. 2 Es setzt Rahmenbedingungen, die es Menschen mit Behinderungen erleichtern, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und insbesondere selbstständig soziale Kontakte zu pflegen, sich aus- und fortzubilden und eine Erwerbstätigkeit auszuüben.

BehiG Aufbau, Systematik Sechs Abschnitte 1. Allgemeine Bestimmungen 2. Rechtsansprüche und Verfahren 3. Verhältnismässigkeit 4. Besondere Bestimmungen für den Bund 5. Besondere Bestimmungen für die Kantone 6. Schlussbestimmungen

BehiG Grundlegende Begriffe Art. 2 Begriffe 1 In diesem Gesetz bedeutet Mensch mit Behinderungen (Behinderte, Behinderter) eine Person, der es eine voraussichtlich dauernde körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigung erschwert oder verunmöglicht, alltägliche Verrichtungen vorzunehmen, soziale Kontakte zu pflegen, sich fortzubewegen, sich aus- und fortzubilden oder eine Erwerbstätigkeit auszuüben. 2 Eine Benachteiligung liegt vor, wenn Behinderte rechtlich oder tatsächlich anders als nicht Behinderte behandelt und dabei ohne sachliche Rechtfertigung schlechter gestellt werden als diese, oder wenn eine unterschiedliche Behandlung fehlt, die zur tatsächlichen Gleichstellung Behinderter und nicht Behinderter notwendig ist. 3 Eine Benachteiligung beim Zugang zu einer Baute, einer Anlage, einer Wohnung oder einer Einrichtung oder einem Fahrzeug des öffentlichen Verkehrs liegt vor, wenn der Zugang für Behinderte aus baulichen Gründen nicht oder nur unter erschwerenden Bedingungen möglich ist. 4 Eine Benachteiligung bei der Inanspruchnahme einer Dienstleistung liegt vor, wenn diese für Behinderte nicht oder nur unter erschwerenden Bedingungen möglich ist. 5 Eine Benachteiligung bei der Inanspruchnahme von Aus- und Weiterbildung liegt insbesondere vor, wenn: a. die Verwendung behindertenspezifischer Hilfsmittel oder der Beizug notwendiger persönlicher Assistenz erschwert werden; b. die Dauer und Ausgestaltung des Bildungsangebots sowie Prüfungen den spezifischen Bedürfnissen Behinderter nicht angepasst sind.

Behindertenrecht im Baubereich

Verhältnis zwischen BehiG und kantonalen Bauvorschriften

Öffentlich zugängliche Bauten und Anlagen 1.Geltungsbereich BehiG a)Erfasste Bauten und Anlagen - Was sind Bauten und Anlagen? - Was heisst öffentlich zugänglich? b)Auslöser der Anpassung

a) Erfasste Bauten und Anlagen -Was sind Bauten und Anlagen? Art. 22 RPG Bauten und Anlagen sind: „jene künstlich geschaffenen und auf Dauer angelegten Einrichtungen, die in fester Beziehung zum Erdboden stehen und geeignet sind, die Vorstellung über die Nutzungsordnung zu beeinflussen, sei es, dass sie den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen. Dazu gehören auch Fahrnisbauten, welche über nicht unerhebliche Zeiträume ortsfest verwendet werden.“ Art. 2 lit.b BehiV Bauten und Anlagen (Art. 3 Bst. a BehiG): befristet errichtete oder auf Dauer angelegte Räumlichkeiten und Einrichtungen;

a) Erfasste Bauten und Anlagen -Was heisst öffentlich zugänglich? Auszug aus der Botschaft zum BehiG (S. 1778): Bauten und Anlagen „zu denen grundsätzlich jeder Zugang hat, sofern er die allenfalls bestehenden Voraussetzungen (Eintritts- oder Benützungsgebühr, schickliche Kleidung usw.) erfüllt“

Art. 2 lit. c BehiV öffentlich zugängliche Bauten und Anlagen (Art. 3 Bst. a BehiG): Bauten und Anlagen: 1. die einem beliebigen Personenkreis offen stehen, 2. die nur einem bestimmten Personenkreis offen stehen, der in einem besonderen Rechtsverhältnis zu Gemeinwesen oder zu Dienstleistungsanbieterinnen und –anbietern steht, welche in der Baute oder Anlage tätig sind. Ausgenommen sind Bauten und Anlagen, die zur Kampf- und Führungsinfrastruktur der Armee gehören, oder 3.in denen Dienstleistungsanbieterinnen und –anbieter persönliche Dienstleistungen erbringen;

b) Was löst die Pflicht zur Anpassung aus? Bewilligung für den Bau oder Erneuerung der öffentlich zugänglichen Bereiche. Ursprüngliche Regelung: 40% des Neuwertes Frage der Nutzungsänderung Frage des vereinfachten Baubewilligungsverfahrens

2. Materielle Anforderungen a) Grundsätzlich -Begriff der Benachteiligung nach Art. 2 Abs. 2 und 3 BehiG -Alle Zugänge? -Zugang oder auch Benutzbarkeit? -Frage des Teilumbaus b) Einschränkende Interessen bei der Anpassung

2. Materielle Anforderungen a) Grundsätzlich -Begriff der Benachteiligung Einschränkung der Autonomie. Der Hinweis auf «bauliche Gründe».

-Alle Zugänge? „Es müssen nicht sämtliche Zugänge behindertengerecht gestaltet sein; es genügt, wenn der Haupteingang die Anforderungen erfüllt. Unstatthaft wäre hingegen beispielsweise der Zugang über einen Warenlift eines Hintereingangs.“ (Botschaft BehiG, 1777)

-Zugang oder auch Benutzbarkeit? „Je nach Umständen kann der ‚Zugang’ auch die Benützung eines Objektes bedeuten. Dies ist beispielsweise bei öffentlich zugänglichen Teilen von Gebäuden im oben beschriebenen Sinne (Bst. c) der Fall. Mit Blick auf diese Bauten bedeutet ‚Zugang’ auch die Möglichkeit, die öffentlich zugänglichen Teile dieses Gebäudes und dessen dazugehörenden Annexeinrichtungen (Toiletten, Lifte usw.) zu benützen.“ (Erläuterungen des BJ zur BehiV)

- Frage des Teilumbaus BGE 134 II 249

2. Tragweite der Anpassung b) Einschränkende Interessen bei der Anpassung Grundsatz der Verhältnismässigkeit, Art. 11 und 12 BehiG. -Berechnung der Erneuerungskosten -Frage der Etappierung

Beispiel Anwendung Art. 11/12 BehiG: Urteil Bundesgericht 1C_280/2009 (2009) – Umbau Seefeldstrasse Zürich

Art. 11 Allgemeine Grundsätze 1 Das Gericht oder die Verwaltungsbehörde ordnet die Beseitigung der Benachteiligung nicht an, wenn der für Behinderte zu erwartende Nutzen in einem Missverhältnis steht, insbesondere: a. zum wirtschaftlichen Aufwand; b. zu Interessen des Umweltschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes; c. zu Anliegen der Verkehrs- und Betriebssicherheit. (...) Art. 12 Besondere Fälle 1 Bei der Interessenabwägung nach Artikel 11 Absatz 1 ordnet das Gericht oder die Verwaltungsbehörde die Beseitigung der Benachteiligung beim Zugang zu Bauten, Anlagen und Wohnungen nach Artikel 3 Buchstaben a, c und d nicht an, wenn der Aufwand für die Anpassung 5 Prozent des Gebäudeversicherungswertes beziehungsweise des Neuwertes der Anlage oder 20 Prozent der Erneuerungskosten übersteigt. (...)

Erwägung 5.2 „Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, der Belagswechsel verletze das Strassenverkehrsrecht des Bundes, weil er dazu führe, dass das Trottoir nicht mehr als durchgehendes Trottoirband erkennbar sei. Dadurch entstehe Unsicherheit über die Vortrittsberechtigung der Fussgänger; dies gefährde die Verkehrssicherheit. Es handle sich um eine unzulässige Markierung i.S.v. Art. 72 Abs. 1 bis der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV; SR ). Eine Pflästerung der Trottoirüberfahrt wäre überdies doppelt so teuer wie ein konventioneller Belag und hätte einen erhöhen Unterhaltsbedarf zur Folge. Die damit verbundenen Zusatzkosten seien unverhältnismässig (Art. 11 und 12 BehiG).“

Erwägung 5.3 „Zunächst ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht keine Pflästerung, sondern lediglich eine taktil erfassbare Belagsstruktur der Trottoirüberfahrten angeordnet hat. Die nähere Ausgestaltung derselben bleibt im Ermessen der Stadt. In Betracht kommen insbesondere taktil- visuelle Markierungen für blinde und sehbehinderte Fussgänger gemäss VSS-Norm SN (...). Solche Markierungen sind nach Art. 72a SSV ausdrücklich zulässig. Die Markierungen dürfen nicht den Eindruck erwecken, es handle sich um die Markierung einer Fahrbahn, sondern müssen das Trottoir weiterhin als durchgehendes Band erkennen lassen, um keine Unsicherheit über die Vortrittsberechtigung der Fussgänger zu schaffen. Die Beschwerdegegnerin hat hierfür eine mögliche Lösung vorgeschlagen (...). Dieser Vorschlag ist aber nicht verbindlich. Die Stadt kann daher eine andere, in Art. 72a VSS zugelassene, Markierung wählen, die den Anforderungen an Trottoirüberfahrten entspricht. Die Beschwerdegegnerin legt unwidersprochen dar, dass die fraglichen Markierungen, wie konventionelle Strassenmarkierungen, maschinell angebracht werden können und keine erheblichen Kosten verursachen (ca. Fr. 50/Laufmeter). Insofern erweist sich die Anordnung auch als verhältnismässig.“

Beispiel Anwendung Art. 11/12 BehiG: Waadt, Tribunal cantonal, AC (2011)

Wohnbauten/Geltungsbereich Frage der Berechnung der Anzahl Wohneinheiten wenn: –Bauten mit mehreren Hauseingängen; –Überbauungen mit mehreren Gebäuden, die demselben Eigentümer gehören; –aneinandergebaute Gebäude im Eigentum verschiedener Personen.

Wohnbauten/Tragweite der Anpassung Zugang oder Benutzbarkeit?

Bauten mit Arbeitsplätzen/Geltungsbereich „Bei der Baupublikation steht die konkrete Nutzung oft noch nicht im Detail fest. Es ist deshalb kaum möglich, bereits in diesem Zeitpunkt die künftigen Arbeitsplatzzahlen verlässlich zu berechnen. Es muss deshalb der rechtsanwendenden Behörde überlassen werden, die konkrete Situation im Einzelfall zu würdigen, um festzustellen, ob ein solches Gebäude in den Geltungsbereich des BehiG fällt oder nicht.“ (Erläuterungen BJ zur BehiV)

Bauten mit Arbeitsplätzen/Tragweite der Anpassungen Zugang oder Benutzbarkeit?

Rechtsansprüche des Einzelnen (Art. 7 Abs. 1 BehiG) -Baubewilligungsverfahren Frage der Enge der Beziehung zur Streitsache. -Zivilverfahren: das Baubewilligungsverfahren wurde nicht durchgeführt, obwohl es hätte durchgeführt werden müssen; aus den Plänen waren die Anpassungen nicht ersichtlich (Bsp. Handgriffe im WC); es wurde nicht gemäss Bauplan gebaut.

Rechtsansprüche der Organisationen Ideelle Verbandsbeschwerde nach Art. 9 Abs. 3 lit. a BehiG Egoistische Verbandsbeschwerde

Kantonsverfassung BS § 8 Rechtsgleichheit und Diskriminierungsverbot (...) 3 Für Behinderte sind der Zugang zu Bauten und Anlagen sowie die Inanspruchnahme von Einrichtungen und Leistungen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, soweit wirtschaftlich zumutbar, gewährleistet. Der Gesetzgeber konkretisiert die wirtschaftliche Zumutbarkeit.

Kantonsverfassung GE Art. 16 Droits des personnes handicapées 1 L ’accès des personnes handicapées aux ba ̂ timents, installations et équipements, ainsi qu’aux prestations destinées au public, est garanti.

Rechtsvergleich

USA §12182 ADA (a)General rule No individual shall be discriminated against on the basis of disability in the full and equal enjoyment of the goods, services, facilities, privileges, advantages, or accommodations of any place of public accommodation by any person who owns, leases (or leases to), or operates a place of public accommodation. (…) For purposes of subsection (a) of this section, discrimination includes— (…) (iv) a failure to remove architectural barriers, and communication barriers that are structural in nature, in existing facilities, (…), where such removal is readily achievable; and (v)where an entity can demonstrate that the removal of a barrier under clause (iv) is not readily achievable, a failure to make such goods, services, facilities, privileges, advantages, or accommodations available through alternative methods if such methods are readily achievable.

Deutschland Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen vom 27. April 2002 Siehe insbesondere § 4, 5, 7 und 8 Benachteiligungsverbot für Träger der öffentlichen Gewalt Zielvereinbarungen mit Privaten

Frankreich: Gesetz vom 11. Februar 2005 (« Loi Handicap ») Vorschriften für neue und bestehende Bauten mit Umsetzungsfristen Unabhängige Überprüfung bei der Bauabnahme Vorschriften beim Erteilen von Subventionen Behindertenzugänglichkeit als obligatorischer Bestandteil der Ausbildung der Architekten und weiterer Baufachleute

Art. 9 UNO Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung - Zugänglichkeit (1) Um Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Massnahmen mit dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, (…), sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten. Diese Massnahmen, welche die Feststellung und Beseitigung von Zugangshindernissen und -barrieren einschliessen, gelten unter anderem für a) Gebäude, Strassen, Transportmittel sowie andere Einrichtungen in Gebäuden und im Freien, einschliesslich Schulen, Wohnhäusern, medizinischer Einrichtungen und Arbeitsstätten; (2) Die Vertragsstaaten treffen ausserdem geeignete Massnahmen, a) um Mindeststandards und Leitlinien für die Zugänglichkeit von Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, auszuarbeiten und zu erlassen und ihre Anwendung zu überwachen; b) um sicherzustellen, dass private Rechtsträger, die Einrichtungen und Dienste, die der Öffentlichkeit offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, anbieten, alle Aspekte der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen berücksichtigen; c) um betroffenen Kreisen Schulungen zu Fragen der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen anzubieten;