Verhaltensbedingte Kündigung

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 Präsentation transkript:

Verhaltensbedingte Kündigung Dr. Brigitta Liebscher Richterin am Arbeitsgericht Köln

Die Abmahnung Allgemeines Die Abmahnung ist gesetzlich nicht geregelt, aber Ausfluss aus der Fürsorge- bzw. Treuepflicht und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die beiderseitige Pflicht zur Abmahnung vor einer einseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses trifft - vor außerordentlichen Kündigungen – den Arbeitnehmer und - vor verhaltensbedingten Kündigungen – den Arbeitgeber. Gegenstand einer Abmahnung sind Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten bei steuerbarem Fehlverhalten. Regelmäßig vom Vertragspartner hingenommene Verstöße gegen vertragliche Pflichten können u.U. zu einer inhaltlichen Änderung eines Vertrages führen. Wer das vermeiden will, muss klarstellen, dass er ein Verhalten nicht duldet. Wer Vertragsverstöße darüber hinaus zum Anlass nehmen will, den Vertrag einseitig zu lösen, muss dem Schuldner zuvor die Folgen seines vertragswidrigen Verhaltens vor Augen führen und deutliche machen, dass eine Wiederholung zu bestimmten Konsequenzen führt.

Die Abmahnung Vorstufen Folgende „Vorstufen“ enthalten – anders als die Abmahnung – keine Kündigungsandrohung und sind deshalb kündigungsrechtlich ohne Bedeutung: Kollegialer Ratschlag Vorhaltung Ermahnung Verwarnung Verweis Betriebsbuße (kollektivrechtlich begründete Ordnungsstrafe Ermahnung ist eher eine Erinnerung, also Rüge ohne Warnung

Abmahnung Negativbeispiel Sehr geehrter Herr Sorglos, in letzter Zeit haben Sie sich offensichtlich mehrfach selbst beurlaubt. Wir sind von Ihrer Einstellung zur Arbeit schwer enttäuscht. Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen: Letztens sind sie morgens nicht zum Dienst erschienen, sondern haben nur mitgeteilt, ihr Auto springe nicht an. Das Fernbleiben von der Arbeit werten wir als schwere Pflichtverletzung. Schließlich werden Sie für die Arbeit und nicht für das Schwänzen bezahlt. Hochachtungsvoll

Abmahnung Inhaltliche Voraussetzungen Deutliche und konkrete Darstellung des nicht gebilligten Verhaltens (Rügefunktion) Inhaltliche Bestimmtheit des Fehlverhaltens Aufforderung zur Verhaltensänderung und Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten (Hinweisfunktion) Hinweis auf Gefährdung von Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall (Warn- und Ankündigungsfunktion) Rüge: Datum, Zeit, Ort, beteiligte Personen

Abmahnung Formelle Voraussetzungen Abmahnungsberechtigte Person Zugang der Abmahnung beim Arbeitnehmer Verhältnismäßigkeit der Abmahnung Keine Regelausschlussfrist, innerhalb der die Abmahnung ausgesprochen werden muss; aber ggf. Verwirkung Mandatsträger dürfen wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten wie jeder Arbeitnehmer abgemahnt werden Abmahnungsberechtigte Person: Jeder, der dem Betroffenen gegenüber weisungsbefugt ist, z.B. neben dem Dienstvorgesetzten auch der unmittelbar Fachvorgesetzte, ein bevollmächtigter Rechtsanwalt Für den Zugang gelten die allgemeinen Regeln zum Zugang von Willenserklärungen; ggf. Übersetzung der Abmahnung bei AN, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind Verhältnismäßigkeit der Abmahnung: Einzelne Bagatellverstöße können nicht wirksam abgemahnt werden; die Verhältnismäßigkeit kann sich aber aus einer Häufung von geringen Verstößen ergeben Verwirkung: Der AG hat durch sein Verhalten zu erkennen gegeben, er wolle die Angelegenheit vergessen, z.B. weil er den AN trotz Kenntnis befördert hat oder der AN war längere Zeit vertragstreu

Abmahnung Entbehrliche Elemente Keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen sind dagegen: Verwendung des Begriffs „Abmahnung“ Schriftform Anhörung des Arbeitnehmers (es sei denn tarifvertraglich vorgeschrieben) Vorherige Ermahnung o.ä. Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 BetrVG oder sonstige Unterrichtung

Wirkung der Abmahnung Die Abmahnung ist grundsätzlich Wirksamkeitsvoraussetzung für die auf vertragswidriges Verhalten gestützte einseitige Auflösung oder Änderung von Arbeitsverhältnissen Kündigung Änderungskündigung (Straf-)Versetzung Verzicht auf die Kündigung bei Ausspruch einer Abmahnung Die unwirksame Kündigung kann die Abmahnung ersetzen Bei Kündigung in der Wartezeit und im Kleinbetrieb jedenfalls Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung, unabhängig ob Probe- oder Aushilfsarbeitsverhältnis. BAG 26.11.2009 – 2 AZR 751/08 Ein Verzicht auf die Kündigung kann bei Erteilung einer Abmahnung angenommen werden, wenn die Vertragsrüge deutlich und unzweifelhaft zu erkennen gibt, dass der Arbeitgeber den vertraglichen Pflichtverstoß damit als ausreichend sanktioniert und die Sache als damit erledigt ansieht. Beispiel Kein eindeutiger Verzicht auf das Kündigungsrecht wegen eines bestimmten Fehlverhaltens liegt in einem mit „Abmahnung“ überschriebenen Schreiben,welches wie folgt gegliedert ist: 1. Sachverhaltschilderung 2. Rechtliche Wertung 3. Hinweis auf rechtliche Konsequenzen mit folgendem Wortlaut: „Sie wurden über Ihr Fehlverhalten informiert. Der Betrieb behält sich weitere rechtliche Schritte... vor“ ( BAG, Urteil v. 6.3.2003, 2 AZR 128/02[1]). [1] AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 30. BAG 13.12.2007 – 6 AZR 145/07 Dies gilt auch bei einer Abmahnung innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG.

Erforderlichkeit einer Abmahnung Bei Pflichtverletzungen im Verhaltens- und Leistungsbereich sind eine oder mehrere Abmahnungen grundsätzlich erforderlich. Bei Verletzungen im Vertrauensbereich erforderlich, wenn es um ein steuerbares Verhalten geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann Bei personenbedingten Störungen kommt eine Abmahnung nicht in Frage. Eine Abmahnung ist entbehrlich, wenn sie keinen Erfolg verspricht, z.B. schwerwiegende Pflichtverletzung, deren Hinnahme offensichtlich ausgeschlossen ist. Pflichtverletzungen im Verhaltens- und Leistungsbereich: hierzu gehören die Hauptpflichten und die Nebenpflichten, soweit sie den Leistungsbereich berühren, z.B. Arbeitsbummelei oder Arbeitsverweigerung, fehlerhaftes Arbeiten, Nichtbefolgen von Arbeitsanweisungen - Nebenbereich: verspätete Krankmeldung, Störungen der Betriebsordnung oder Betriebsfriedens Vertrauensbereich: hierzu gehören vor allem unerlaubte Handlungen, Diebstahl, Unterschlagung, Arbeitszeitbetrug, falsche AU`s, Tätlichkeiten oder Beleidigungen, Unsittliches Verhalten, Verrat von Betriebsgeheimnissen: hier grds. Abmahnung entbehrlich Vertrauensbereich mit Abmahnung, z.B. weil Verhalten vom AG lange geduldet wurde wie unerlaubte Privattelefonatel etc. Personenbedingte Störungen sind Krankheit oder auf Alkohol – oder Drogenabhängigkeit beruhende Leistungsminderungen. Frage bei Abrenzungsproblemen: Aus welchem Bereich gibt kommt die Störung, welcher Bereich gibt ihr das Gepräge? Entbehrlichkeit bei hartnäckigen oder uneinsichtigen bewussten Vertragsverletzungen über einen längeren Zeitraum.

Abmahnung als Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung BAG 12.1.2006 – 2 AZR 179/05 Die Abmahnung ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeits-grundsatzes. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um eine künftige Vertragsstörung zu beseitigen oder zu vermeiden. Dieser Aspekt hat durch die gesetzliche Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren. Eine Abmahnung ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft – trotz Abmahnung – nicht erwartet werden kann oder es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar und bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist.

Anzahl der Abmahnungen Keine Regelanzahl, sondern entscheidendes Kriterium ist, ob eine negative Zukunftsprognose gestellt werden kann Aber beachten Sie auch BAG 16.9.2004, 2 AZR 406/03: Der Ausspruch von zu viel Abmahnungen kann dann gefährlich werden, da sich hierdurch eine Abschwächung der Warnfunktion ergeben kann. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann durch zahlreiche Abmahnungen, denen keine arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen, der Eindruck beim AN erweckt werden, die Kündigungsandrohungen seien nur leere Drohungen. Heraushebende Gestaltung der letzten Abmahnung Ist eine Abmahnung nicht entbehrlich, gibt es keine Regel für die Anzahl der Abmahnungen, die vor Ausspruch einer Kündigung erteilt sein müssen. Insbesondere ist die allgemein vorherrschende Ansicht, es bedürfe immer und auch ausschließlich zwei vorangegangener Abmahnungen, irrig. Entscheidend ist, ob eine negative Prognose gestellt werden kann, was wiederum von einer Einzelfallprüfung abhängig ist. Unter Umständen kann bei erheblichen Vertragspflichtverletzungen – wenn eine Abmahnung nicht sowieso entbehrlich ist – die Erteilung von nur einer Abmahnung ausreichen. Bei relativ geringfügigen Verstößen, wie beispielsweise bei kleineren Verspätungen ohne größere betriebliche Auswirkungen, sind regelmäßig mehrere Abmahnungen erforderlich. Empfehlenswert ist, bei zahlreichen Abmahnungen die aus Sicht des Arbeitgebers nunmehr letzte Abmahnung besonders eindringlich zu gestalten. Eine bestimmte Form ist hierfür nicht vorgeschrieben. Das besondere Herausheben kann in Form eines – vom Arbeitgeber zu beweisenden – eindringlichen Abmahnungsgesprächs oder durch eine besondere Kennzeichnung der letzten Abmahnung geschehen.

Maßnahmen gegen eine Abmahnung Beschwerde gem. §§ 84, 85 BetrVG Gegendarstellung des Arbeitnehmers zur Personalakte Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte bei Unrechtmäßigkeit (fehlerhafter Sachverhalt) Unwirksamkeit (keine Vertragsverletzung) Formelle Fehlerhaftigkeit Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Missbrauch BAG 19.2.2009 – 2 AZR 675/07: Erweisen sich nicht alle in einer Abmahnung enthaltenen Vorwürfe als zutreffend, muss sie insgesamt aus der Personalakte entfernt werden. Soweit die Vorwürfe zutreffen, behält sie als mündliche Abmahnung ihre Wirkung. Beschwerde nach § 85 beim BR, der bei Berechtigung der Abmahnung beim AG auf Entfernung hinzuwirken hat odre nach § 84 bei der vom AG für zuständig erklärten Stelle ggf. mit Unterstützung eines BR-Mitglieds; zuständige Stelle kann aber auch der unmittelbare Dienstvorgesetzte sein. Der AG muss die Abmahnung entfernen, wenn er die Beschwerde für berechtigt erachtet. Den AN darf wegen der Erhebung der Beschwerde kein Nachteil drohen (§ 84 III BetrVG). Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Keine Abmahnung von „Kleinigkeiten“ und keine herabwürdigenden Formulierungen, die das Persönlichkeitsrecht des AN verletzen könnten

Verhaltensbedingte Kündigung Formelle Voraussetzungen Einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung Vorherige Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG Erfordernis eines Kündigungsgrundes bei Anwendbarkeit des KSchG oder Ausspruchs einer außerordentlichen Kündigung Kündigungsberechtigung Schriftform, § 623 BGB Klarheit Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer Beachtung von Sonderkündigungsschutz Kündigungsberechtigung: Arbeitgeber, der kann sein Kündigungsrecht aber auf Dritte übertragen oder sich vertreten lassen. Dazu muss aber eine Vollmacht erteilt werden. Bei Personalleitern kann man regelmäßig von einer Kündigungsvollmacht ausgehen. Bei anderen Personen muss die Vollmacht bekannt gemacht worden sein.Ansonsten muss ein bevollmächtigter Vertreter eine Kündigungsvollmacht im Orignal vorlegen; ansonsten kann die Kündigung zurückgewiesen werden. Klarheit: Kündigungserklärungen müssen klar und eindeutig sein, ohne dass das Wort „Kündigung“ benutzt werden muss. Beendigungstermin! Zugang der Kündigung: Grds. zu jeder Zeit an jedem Ort. Zeitpunkt des Zugangs kann entscheidend sein für Fristen Achtung: Einwurf-Einschreiben geht wie einfacher Brief zu, während ein Übergabe-Einschreiben nicht in dem Zeitpunkt des Hinterlassens des Benachrichtigungsscheins zugeht, sondern erst, wenn das Einschreiben abgeholt wird.

Beispiele Sonderkündigungsschutz Schwangere Kündigungsverbot während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung, § 9 Abs. 1 MuSchG; Ausnahme: Behördliche Zustimmung, § 9 Abs. 3 MuSchG Betriebsverfassungsorgane Grundsätzlich Ausschluss der ordentlichen Kündigung, § 15 KSchG Ausnahme: Betriebs- oder Abteilungsstilllegung, § 15 Abs. 4 und 5 KSchG Schwerbehinderte Menschen Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich, §§ 85, 91 SGB IX Voraussetzung: Arbeitsverhältnis besteht länger als 6 Monate, § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX

Formen der Kündigung Ordentliche Kündigung unter Einhaltung der für den Arbeitnehmer geltenden Kündigungsfrist Außerordentliche Kündigung Tatkündigung: Nach Überzeugung des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer eine Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen Verdachtskündigung: Der Verdacht eines nicht erwiesenen vertragswidrigen Verhaltens hat das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Außerordentliche oder ordentliche Änderungskündigung

Ordentliche verhaltensbedingte Kündigung § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG: Eine Kündigung kann dann sozial gerechtfertigt sein, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt sind. Voraussetzung: Rechtswidriges oder schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers, also ein vorsätzliches oder fahrlässiges Tun oder Unterlassen, welches nicht gerechtfertigt ist (Pflichtwidrigkeit) Zweck der Kündigung: Vermeidung des Risikos künftiger Vertragsverletzungen (Prognoseprinzip) Zum Prognoseprinzip nächste Folie!

Verhaltensbedingte Kündigung Prognoseprinzip BAG 26.11.2009 – 2 AZR 751/08 Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt, wenn das ihm vorgeworfene Verhalten eine Vertragspflicht verletzt, das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt wird, keine zumutbare Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses bei Abwägung der Interessen beider Parteien billigenswert und angemessen erscheint. Entscheidend ist, ob das Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Einzelfall geeignet ist, einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung zu bestimmen.

Verhaltensbedingte Kündigung Pflichtwidriges Verhalten Hauptleistungsbereich: Die Arbeitspflicht stellt die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsvertrag dar Arbeitsverweigerung Schlecht- oder Minderleistung Verletzung von Nebenpflichten Anzeige und Nachweispflichten nach dem EntgFG Verbot der Erwerbstätigkeit während des Urlaubs (§ 8 BUrlG) Wettbewerbsverbote und Konkurrenztätigkeit Treue- und Sorgfaltspflichten nach § 241 Abs. 2 BGB Störung des Betriebsfriedens, des Betriebsablaufs oder der betrieblichen Ordnung

Verhaltensbedingte Kündigung Rechtfertigungsgründe Ein vertragspflichtiges Verhalten ist nur vorwerfbar, wenn es rechtswidrig ist. Mögliche Rechtfertigungsgründe: Zurückbehaltungs- oder Leistungsverweigerungsrechte Nichterfüllung gesetzlicher oder vertraglicher Schutzpflichten Mitbestimmungswidriges Verhalten des Arbeitgebers

Verhaltensbedingte Kündigung Verschulden Schuldloses Verhalten rechtfertigt in der Regel keine Kündigung. Als Verschuldensmaßstab kommen Vorsatz und Fahrlässigkeit in Betracht. Abgrenzung zu nicht steuerbarem Verhalten; ggf. Rechtfertigung einer personenbedingten Kündigung Unverschuldeter Irrtum über die Rechtmäßigkeit des Verhaltens (Beispiel Nichtkenntnis der deutschen Sprache – BAG 28.1.2010 – 2 AZR 764/08 -).

Verhaltensbedingte Kündigung Verdachtskündigung Der Verdacht eines nicht erwiesenen vertragswidrigen Verhaltens hat das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Verdacht ist auf konkrete Tatsachen gestützt Verdacht ist dringend Alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts sind unternommen Dem betroffenen Arbeitnehmer wurde vorher Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (Anhörung)