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Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

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Präsentation zum Thema: "Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation"—  Präsentation transkript:

1 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Modul: MSW_2/1 und MSW_2/2 Kommunikationslinguistik der russischen/polnischen Sprache [Kommunikationslinguistik II] 2 LP Vorlesung, 2 SWS Prof. Dr. Peter Kosta Mi

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11 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stalin - Der Mythos Stalin-Trilogie, Folge 1 Er wurde zum Übervater aller Sowjetmenschen stilisiert, zum allwissenden und gerechten Lenker des Volkes. Welche Verbrechen im Schatten der Verklärung geschahen, blieb den meisten Zeitgenossen verborgen.

12 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stalin - Der Kriegsherr Stalin-Trilogie, Folge 2 Stalin war keineswegs der unfehlbare militärische Führer, zu dem er sich stilisierte. Kritiker meinen, dass der Krieg gegen Hitler nicht mit, sondern trotz Stalin gewonnen wurde.

13 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stalin - Der Tyrann Stalin Er gilt neben Hitler als der zweite große Mörder des 20. Jahrhunderts. Mehr als 20 Millionen Menschen haben während Stalins Gewaltherrschaft ihr Leben verloren.

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Bildnachweise: Karikaturen Folie 2-9 in: Propagandaplakate Folie 10 aus: Folien 11-13: ZDF. Zeitgeschichte: Folie 14: BERWANGER, K. & P. KOSTA (EDS.) (2005): Stereotyp und Geschichtsmythos in Kunst und Sprache. Die Kultur Ostmitteleuropas in Beiträgen zur Potsdamer Tagung, 16. –18. Januar 2003, Frankfurt a. M. usw., Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften.

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Gliederungsvorschlag: 1) : Einführung in die Thematik am Beispiel eines bekannten Stereotyps “Blondinen bevorzugt” (Plenum) 2) : Definition, Genese und Klassifizierung von Stereotypen und verwandten Phänomenen (Plenum) 3) : Kognitive, psychologische und soziologische Konzepte der Stereotypisierung (Plenum) 4) : Eigenschaftszuschreibungen, Wahrheitswertsemantik, Werturteile und Axiomatik, Generalisierungen, Vor-Urteile (Plenum) 5) : Stereotyp und Mythos als gesellschaftliches Phänomen (am Beispiel einiger verbaler Stereotype) (Plenum)

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6) : Stereotypen und Kultbildung am Beispiel von Personenkult (Stalin – Hitler) (Plenum) 7) : Stereotypen und Kultbildung am Beispiel von Personenkult (Stalin – Hitler) (Plenum) 8) : Die verbalen Mittel der Stereotypisierung: die Tiermetapher und die Sowjetpropaganda (Plenum) 9) : Die verbalen Mittel der Stereotypisierung: die Tiermetapher und die Sowjetpropaganda (Plenum) 10) : Die technischen Mittel der Image-/Gesichtspflege („face-work“) bei Erving Goffman (Plenum) 11) : Schlüsselkonzepte des naiven Weltbildes im Russischen (Zaliznjak, Levontina) (Plenum) 12) : Lingua mentalis, Ethnostereotype und naives Weltbild im Polnischen (Wierzbicka) (Plenum) 13) : Wiederholung und Vorbereitung auf die Klausur 14) : Klausur (2x 45 Minuten)

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Stereotypen als inkorrekte Generalisierungen, im besten Falle als Ökonomisierung der kognitiven Kapazität von Konzepten des Gehirns, begegnen in verschiedenen Formen im Alltag und in der Arbeit.

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Sie existieren als fest verankerte Vorstellungen bzw. Bilder, als Meinungsbilder, Urteile, ja Vorurteile der historischen, sozialen, ethnischen, kulturellen, politischen usw. Wirklichkeit einer Sprach- und Kulturgemeinschaft.

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1) : Einführung in die Thematik am Beispiel eines bekannten Stereotyps “Blondinen bevorzugt” (Plenum)

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„Blondinen bevorzugt“ Frauen mit blonden Haaren hängt seit Jahrhunderten ein bestimmtes Image an: Sie gelten als sinnlich, verführerisch und erotisch, aber auch als rein, kindlich und naiv. Woher kommt dieses Klischee und was ist dran am Gerücht, dass blonde Menschen vom Aussterben bedroht sind?

22 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Im Rahmen der Wortsemantik lassen sie sich meist nicht scharf umreißen, sie sind klischeehaft, vage und/oder mehrdeutig. Wir werden in der Vorlesung – ausgehend von den bekannten sozialpsychologischen, verhaltenspsychologischen bzw. kognitiven Ansätzen – primär auf die linguistischen Leistungen und Konzepte der Stereotypen- und Prototypensemantik eingehen.

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„Die Blondinen sterben aus!“ Mit dieser Meldung schockten zahlreiche Boulevardmedien unlängst ihre Leserschaft. Die WHO habe in einer Studie berechnet, dass in 200 Jahren der letzte blonde Mensch geboren werde. Zwar stellte sich die Information als Falschmeldung heraus, aber dennoch war die Aufregung groß. Doch woher kommt eigentlich die Faszination für blondes Haar – oder um es genauer zu sagen: für blondes Haar bei Frauen? Denn der Satz „Blonde Männer sterben aus“ würde viel weniger als Schlagzeile taugen. Warum ist blondes Haar bei Frauen so begehrt, nicht jedoch bei Männern?

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Bereits im antiken Rom hatte man ein Faible für blond. Die römischen Frauen waren fasziniert vom Kupferblond ihrer gallischen und germanischen Sklavinnen, ließen sich aus deren Haaren kunstvolle Perücken anfertigen oder versuchten (mit mäßigem Erfolg), sich die Haare zu bleichen. In den darauffolgenden Jahrhunderten hatte die ideale weibliche Schönheit immer blond zu sein. Ein Streifzug durch die Kunstgeschichte zeigt es: immer wenn es einem Maler darauf ankam, eine Frau von perfekter Schönheit zu malen, malte er eine Frau mit langen, blonden Haaren – sei es die Liebesgöttin Venus, die Madonna, Eva oder irgendeine Nymphe oder Muse. Blond galt schon vor Jahrhunderten als das Ideal, selbst (oder gerade) in Kulturen, in denen die Menschen überwiegend dunkelhaarig waren.

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So war es beispielsweise auch selbstverständlich, Maria, eine Frau aus dem Nahen Osten, die mit Sicherheit schwarzhaarig war, mit blonden Haaren darzustellen. Mit blondem Haar waren stets auch immer bestimmte Assoziationen verbunden: Reinheit, Unschuld, Jugend, aber auch Sinnlichkeit oder Erotik. Als im 20. Jahrhundert Anfang der 30er Jahre die ersten allgemein käuflichen Haarfärbemittel auf den Markt kamen, wurde das Blondsein zu einem Massenphänomen. Die Filmindustrie schürte diesen Trend mit zahlreichen Filmen blonder Hauptdarstellerinnen oder sogar Filmen, die das Wort blond im Titel trugen.

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Der berühmteste davon ist „Blondinen bevorzugt“ mit der wohl berühmtesten Blondine, die von Natur aus eigentlich brünett war – Marilyn Monroe. Sie war es auch, die wie keine andere das heutige Stereotyp einer Blondine prägte: verführerisch, sinnlich, schwach, unterwürfig und naiv. Dieses Stereotyp scheint fest in den Köpfen der Menschen verankert zu sein und wurde immer wieder in Experimenten zur sozialen Wahrnehmung bestätigt: Bittet man Versuchspersonen, anhand von Fotos unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale der abgebildeten Personen zu bewerten, tendieren sie dazu, Blondinen als schwächer, unterwürfiger und weniger gescheit zu beurteilen. Für die meisten Sozialpsychologen ist damit der Fall erledigt: Sie geben dem Phänomen einen wissenschaftlich klingenden Namen – nämlich „Stereotyp“ – und halten es damit für erklärt. Schließlich impliziert der Begriff „Stereotyp“ schon, dass alles nur ein Vorurteil sei, an dem selbstverständlich nichts dran sei. Die Antwort auf die grundsätzlich viel spannendere Frage, ob an einem Stereotyp vielleicht nicht auch ein Funken Wahrheit ist, bleibt der Stereotypforscher in aller Regel schuldig.

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Marilyn Monroe – hier links ein Foto aus jungen Jahren – war von Natur aus brünett

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Eine Ausnahme ist der Psychologe Jerome Kagan, der in einer interessanten Studienreihe Temperamentsunterschiede zwischen Personen unterschiedlicher Haarfarbe feststellte. Er untersuchte Kinder mit hellem Pigment und fand heraus, dass v.a. Kinder mit blauen Augen und hellen Haaren weit mehr dazu neigen, schüchtern und gehemmt zu sein als Kinder mit dunklen Augen und dunklen Haaren. Sie neigen am ehesten dazu, in neuen Situationen furchtsam zu sein, beim Zugehen auf andere zu zögern und sich in Gegenwart einer unbekannten Person still zu verhalten, und sie tendieren am meisten dazu, in der Nähe der Mutter zu bleiben. Kinder mit braunen Augen und dunklen Haaren sind hingegen wagemutiger.

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Kagan vermutet, dass es für diese Unterschiede eine genetische Ursache gibt. Seine These ist, dass blondes Haar, blaue Augen und Schüchternheit ein biologisches Gesamtpaket darstellen, das von denselben Genen gesteuert wird. Diese würden sowohl die Melaninproduktion (die für die Dunkelfärbung von Haut, Haaren und Iris verantwortlich ist) als auch die Kortikosteroidmenge im Körper steuern, die als Nebeneffekt für furchtsameres Temperament verantwortlich sei (vgl. Etcoff, 2001). Doch all dies ist natürlich nur eine Vermutung. Blondinen als „reine“, „unschuldige“ Wesen – nun, Kagans These vom „Gesamtpaket“ klingt jedenfalls einleuchtend. Doch die eigentliche Frage – nämlich die, weshalb Männer so sehr auf Blondinen ansprechen, bleibt damit immer noch unbeantwortet.

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Ein wichtigerer Grund für die Attraktivität von Blondinen dürfte wohl sein, dass blondes Haar als Zeichen der Jugend gilt. Dies kommt nicht von ungefähr. Die meisten Blondschöpfe finden sich bei Kindern. Doch etwa 14 Prozent von ihnen dunkeln im Laufe der Zeit nach. Spätestens in der Pubertät kommt die Kurskorrektur in Richtung dunkel. Auch bei denen, die ihr blondes Haar behalten, wechselt meist die Farbe von einem helleren Blond in ein dunkleres.

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Die Farbe Blond als Attribut von Jugend mag dafür verantwortlich sein, warum Blond ausgerechnet bei Frauen als attraktiv gilt, nicht jedoch bei Männern. Der Grund ist, dass Jugendlichkeit für die Attraktivitätsbewertung von Frauen eine wesentlich größere Rolle spielt als bei Männern. Nach einer allgemein akzeptierten Theorie der Attraktivitätsforschung bevorzugen Männer bei der Partnerwahl junge Frauen, weil diese mit größerer Wahrscheinlichkeit gesund sind und noch einer längere Phase der Fruchtbarkeit vor sich haben als ältere Frauen. In der Entwicklungsgeschichte des Menschen stellte diese Strategie für Männer einen Fortpflanzungsvorteil dar. Biologisch ausgedrückt: Die Vorliebe für jung aussehende Frauen wäre für Männer ein Faktor, der ihre „genetische Fitness” steigerte.

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Diese Theorie hat Konsequenzen: Wenn Männer aufgrund ihrer Biologie Frauen bevorzugen, die jung aussehen, dann sollten auch zugleich solche Einzelmerkmale die Attraktivität von Frauen erhöhen, die sie jung wirken lassen. Und so ist es auch: In Attraktivitätsexperimenten werden solche Frauengesichter als besonders schön beurteilt, die Merkmale besitzen, die eigentlich Kennzeichen von Kindergesichtern (Kindchenschema) sind (vgl. Dieses Phänomen bezeichnet die Attraktivitätsforschung als „Neotenie“.

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Das Kindchenschema

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Vor diesem Hintergrund betrachtet, bekommt auf einmal die Vorliebe für blondes Haar bei Frauen einen biologischen Sinn: Da Blond eine Farbe ist, die am häufigsten in jungen Jahren auftritt, ist blondes Haar ein Zeichen von Jugendlichkeit – wenn auch ein eher schwaches. Es fällt damit in dieselbe Kategorie wie kindchenhafte Gesichtsproportionen oder eine straffe, faltenlose Haut. Umgekehrt sollten solche Merkmale des Haars besonders unattraktiv wirken, die typisch sind für höheres Alter, z.B. graue oder weiße Haare – und so ist es auch.

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Damit liegt auch auf der Hand, warum blonde Haare bei Männern nicht attraktivitätssteigernd wirken. Im Gegensatz zu Frauen ist ihre Fortpflanzungsfähigkeit nicht an ein so relativ enges Zeitfenster gebunden. Zwar nimmt auch bei ihnen die Zeugungsfähigkeit mit zunehmendem Alter ab, jedoch können Männer auch in fortgeschrittenem Alter noch Vater werden. Deshalb werden äußerliche Zeichen des Alterns bei Männern als keine so großen Handicaps für ihre Attraktivität bewertet wie dieselben Merkmale bei Frauen. Es verwundert also nicht, dass blonde Haare den Männern keinen Attraktivitätsbonus bringen.

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Eher im Gegenteil: Für die meisten Frauen sollte der Traummann – sofern die Haarfarbe überhaupt relevant ist – dunkelhaarig sein. Der Prototyp für einen attraktiven Mann ist eher der südländische, dunkelhaarige Typ. Die Frau blond – der Mann schwarzhaarig, ein schönes Paar. Diese Kombination findet man besonders häufig, wenn Klischees bedient werden, z.B. der Held und seine Geliebte im Film, das glückliche, attraktive Paar in der Werbung oder die Plastikfiguren von Braut und Bräutigam auf der Hochzeitstorte.

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Blond sein heißt jung sein. Diese These könnte auch helfen, einige Stereotype der Zuschreibung von Charaktereigenschaften bei Blondinen zu erklären: Dass mit Blondinen Eigenschaften wie naiv, rein oder unschuldig in Verbindung gebracht werden, könnte daher kommen, dass Kindern dieselben Eigenschaften zugeordnet werden. Eine Besonderheit in diesem Zusammenhang ist, dass Blondinen für glaubwürdiger gehalten werden als Personen anderer Haarfarbe. Aus diesem Grund sind auch besonders viele Nachrichtensprecherinnen im Fernsehen blond.

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Die Assoziation „blond = kindlich“ wäre sogar eine Erklärung für das Vorurteil, Blondinen seien dümmer als Nicht-Blondinen, der Aufhänger für so zahlreiche Blondinen-Witze. Kindern fehlt es aufgrund ihres geringen Alters an Lebenserfahrung und Wissen über die Bedeutung und Zusammenhänge von Dingen

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Zwei Ikonen der Schönheit: Oben die Liebesgöttin Venus auf einem Gemälde von Rubens, unten die zur „Sexiest Woman 2004“ gekürte Britney Spears – beide blond und mit kindlichen Gesichtszügen

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Doch sind alle diese Stereotype über Blondinen tatsächlich nur auf ihre Haarfarbe zurückzuführen? An dieser Stelle wird es Zeit, sich klarzumachen, was wir eigentlich unter einer Blondine verstehen. Reichen blonde Haare als einziges Merkmal bereits aus? Eigentlich nicht. Zu einer „richtigen“ Blondine gehören für die meisten Menschen noch weitere äußerliche Kennzeichen: Die Haare sollten eher lang sein (jedenfalls nicht kurz) und die Frau sollte insgesamt attraktiv aussehen. Attraktivität ist bei Frauen jedoch – wie bereits oben erwähnt – gekoppelt an „kindchenhafte“ Merkmale im Gesicht.

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„Richtige“ Blondinen haben daher meist auch kindliche Gesichtszüge; dadurch werden sie jedoch nur umso mehr mit den oben genannten Charaktereigenschaften (unschuldig, schwach, unerfahren, naiv) in Verbindung gebracht. Ein Blick auf die Gesichter der hier abgebildeten Blondinen zeigt, dass sie alle „kindchenhafte“ Gesichtsmerkmale besitzen. Wenn man verstehen will, woher die Klischees über Blondinen kommen, darf man also nicht nur auf ihre Haarfarbe achten, sondern muss stattdessen das gesamte Äußere betrachten.“ (Artikel findet sich vollständig in:

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B  L  O  N  D  I  N  E  N  W  I  T  Z  E     30 von 311 Wie lässt man eine Blondine am besten in den Swimmingpool fallen? Einfach einen Spiegel auf den Grund legen  Woran erkennt man, dass eine Blondine den Garten angelegt hat? Die Büsche sind größer als der Rest des Grundstücks  Was sagt die Mutter zur blonden Tochter vor ihrer Verabredung? Wenn du um 12 noch nicht im Bett bist, komm nachhause  Was erhält man, wenn man einer Blondine einen Pfennig für ihre Gedanken bietet? Wechselgeld 

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Wie versucht eine Blondine einen Vogel umzubringen? Sie wirft ihn vom Balkon! Und wie bringt sie einen Fisch um? Durch ersäufen 

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Warum freut sich eine Blondine so, wenn sie ein Puzzle nach 6 Monaten fertig hat? Weil auf der Packung steht: von 2-4 Jahren  Wie beschäftigt man eine Blondine für mehrere Stunden? Einfach Bitte umdrehen auf beide Seiten eines Papiers schreiben 

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Hausaufgabe: 1) Suchen Sie in dem Text „Blondinen bevorzugt“ nach typischen verbalen Stereotypen und begründen Sie, warum es hierbei um Stereotypen geht. 2) Wie kann man beweisen, dass die Attribute „verführerisch“, „sinnlich“, „schwach“, „unterwürfig“ und „naiv“ nicht zum Bedeutungskern des Worts „Blondine“ gehören.

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2) : Definition, Genese und Klassifizierung von Stereotypen und verwandten Erscheinungen (Plenum)

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Stereotyp und Ritual Der Begriff „Ritual“ wurde primär als rituelle religiöse Handlung (Vorschrift, Zeremonie) verstanden. Davon zeugt auch die Etymologie des Wortes aus lat. ritus „religiöse Handlung, Vorschrift, Zeremonie“ bzw. ritualis „religiöse Handlungen betreffend“. Der Begriff wurde seit dem XVI/XVII Jh. verwendet, nämlich als Bezeichnung der Agende, also des Kirchenbuches, in welchem die religiösen Handlungen, Zeremonien und Gebete beschrieben werden, derer sich der Messdiener während der Erteilung der Sakramente zu bedienen hat.

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In der Umgangssprache kann der Begriff „Ritus“ auch Verhaltensweise, Brauch bzw. Gewohnheit bezeichnen. In der Verhaltensforschung bezeichnet Ritus den stets in derselben Weise wiederkehrenden Ablauf einer Handlung. In diesem Sinne wird der Begriff in der Sozialpsychologie, der Medizin und den Sozialwissenschaften gebraucht.

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In der Soziologie lassen sich eine Reihe von innerhalb einer Gesellschaft oder einer gesellschaftlichen Gruppe üblichen oder vorgeschriebenen, meist formalisierten oder ritualisierten Gruppenverhaltensweisen als Ritus beschreiben. Solche Riten haben in der Regel eine identitäts- oder sinnstiftende Funktion und dienen damit dem Gruppenzusammenhalt oder der Rollenzuweisung innerhalb einer Gruppe.

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Für das soziale Leben von besonderer Bedeutung sind z. B. Übergangsriten (z. B. Initiationsriten wie Taufe, Hochzeitsriten), Reinigungsriten (z. B. vor einer Heirat oder nach einer Verfehlung), oder Vergebungsriten (etwa zur Wiederaufnahme eines Mitglieds in die Gemeinschaft oder zur Versöhnung verfeindeter Gruppenmitglieder oder Klans). Kampfritten (z. B. ein Duell) bieten die Möglichkeit einer geregelten Austragung von Auseinandersetzungen in ritualisierter oder symbolischer Form.

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Staatsriten: Krönung eines Herrschers, der feierliche Einzug des Parlamentspräsidenten, die Vereidigung des Bundeskanzlers, das Fahnenzeremoniell, Zapfenstreich – dienen der Legitimation und Darstellung staatlicher Macht.

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Religiöse Riten: alle in einer Religionsgemeinschaft üblichen oder geregelten Praktiken oder Rituale, die der religiösen Lebensführung oder dem Kult dienen (Gottesdienste, liturgische und kultische Handlungen aller Art, die Feier religiöser Feste, Anbetungsgesten und Verehrungspraktiken, die Rezitation von Gebeten oder Mantras, religiöse Tänze und Gesänge, Orakelbefragungen, Beschwörungen, magische Rituale, Heilungsrituale, rituelle Waschungen von Menschen oder Gegenständen, der Vollzug der Beschneidung, der Taufe oder sakramentale Handlungen, Opfer-, Reinigungs-, Segnungs- oder Weihehandlungen u.v.m.

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Kirchliche Riten: Im Christentum wird als Ritus die historisch gewachsene, der Überlieferung entsprechende und in der Regel kirchlich normierte Ordnung der liturgischen Vollzüge und Gottesdienste in einer Kirche, einer Teilkirche oder einer Gruppe von Kirchen bezeichnet. In diesem Sinne kann z. B. die Feier eines Sakraments nach orthodoxem oder katholischem Ritus durchgeführt werden.

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Stereotyp: aus gr. stereós „fest, haltbar“ und topos „Gestalt, Muster, Stempel“. Der Begriff stammt aus dem Druckerwesen und wurde im J durch den frz. Drucker F. Didot eingeführt als Bezeichnung des Prozesses des Druckens, der sich fester vorgefertigter Druckplatten bedient.

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Der Begriff Stereotyp (von griech. στερεός, stereós „fest, hart, haltbar, räumlich“ und τύπος, týpos „Gestalt, -artig“) tritt in verschiedenen Zusammenhängen mit unterschiedlicher Bedeutung auf. Allen Bedeutungen ist gemeinsam, dass ein bestimmtes gleich bleibendes oder häufig vorkommendes Muster bezeichnet werden soll, ähnlich der umgangssprachlichen Wendung „Schema F“. Ein Stereotyp kann als eine griffige Zusammenfassung von Eigenschaften oder Verhaltensweisen aufgefasst werden, die häufig einen hohen Wiedererkennungswert hat, dabei aber in aller Regel für sich genommen den gemeinten Sachverhalt sehr vereinfacht. Somit steht es in engem Bedeutungszusam-menhang zum Klischee oder Vorurteil.

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Das Stereotyp ist ein interdisziplinär verwendeter Begriff verschiedener Fachrichtungen (Psychologie, Soziologie, Linguistik). Am geläufigsten ist die Verwendung des Begriffes in einem sozialwissenschaftlichen Kontext. Hier sind Stereotype Komplexe von Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die bestimmten Personengruppen zugeschrieben werden. Damit grenzen sie sich klar von Schemata ab, welche nicht primär soziale Informationen beinhalten (z. B. Prototypen). Stereotype sind des Weiteren (im Gegensatz zu Soziotypen) vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie besonders distinkte und offensichtliche Eigenschaften karikierend hervorheben und z. T. falsch verallgemeinern.

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In die soziologische Literatur eingeführt wurde der Begriff 1922 von Walter Lippmann. Seine Arbeit „Public Opinion − die öffentliche Meinung“ war bahnbrechend für die Stereotypenforschung. Im Gegensatz dazu stehen Vorurteile − einerseits als abstrakt-allgemeine Vorurteile, andererseits als Einstellung gegenüber Individuen. Stereotype dagegen bezeichnen eine Überverallgemeinerung tatsächlicher Merkmale, sie reduzieren Komplexität und bieten auch Identifikationsmöglichkeiten

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In der Psychologie übernimmt das Stereotyp verschiedene Aufgaben, als: Orientierungsystem (vereinfachte Entscheidung für eine kognitive Ökonomie) Anpassungssystem (in einer Gruppe werden Konflikte verringert) System zur Aufrechterhaltung des Selbst (zur Selbstdefinition und Selbstverankerung)

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Außerdem gibt es in Bezug auf Gruppen verschiedene Theorien: Komplexitäts-Extremitäts-Theorie: Je mehr Dimensionen ein Urteilsgegenstand hat, desto weniger extrem ist das Gesamturteil. Stereotype haben wenige Dimensionen und fallen deshalb eher extrem aus (positiv oder negativ). Reizklassifikationstheorie: Beim Zuordnen von Gegenständen in vorgegebene Kategorien wird der Unterschied in der Kategorie verkleinert, während er zwischen den Kategorien größer wird. Da Stereotype auf einer Urteilsverzerrung beruhen, tritt eben dieser Effekt auf.

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Theorie der vermuteten Merkmale: Den Mitgliedern der eigenen Gruppe werden eher positive, den Mitgliedern anderer Gruppen eher negative Merkmale zugeordnet. Stereotype heben die positiven Eigenschaften einer Gruppe noch hervor (oder auch die negativen).

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Die Eigenschaft des unveränderlichen, dauerhaften Musters wurde dann in den soziologischen und psychologischen Disziplinen übernommen, später auch von der Kognitionswissenschaft und der Linguistik. Stereotype verstehen sich als schematische, vereinfachte, verallgemeinerte und daher auch ‚falsche‘ Bilder von Menschen, Gruppen, gesellschaftlichen oder ethnischen Gemeinschaften usw.

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theoretischer Ansatz der Erwartungsabweichung: Es gibt bestimmte Merkmale, die man Gruppenmitgliedern zuschreibt − bei einer Abweichung ändert man seine Einstellung in die erfahrene Richtung. Stellt ein Beobachter fest, dass eine andere Person positiv von seiner Erwartung abweicht, wird er sie noch positiver beurteilen. Beispiele: Japaner würden sich eher eine Hand abhacken lassen, als ein schlechtes Wort über ihre Firma zu verlieren. Franzosen sind die besten Liebhaber. Stolz wie ein Spanier. Temperamentvoll wie Italiener. Geizig wie Schotten. Polen stehlen. Engländer trinken um 5 immer Tee. Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg. Jeder Türke heißt Mohammed, Ali oder Murat.

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In der Literatur kann man sich nicht darauf einigen, wo Stereotypen zuzuordnen sind: Sind es besondere Haltungen, Überzeugungen oder verbale Ausdrücke von Überzeugungen? Einig ist man sich dagegen, was die Merkmale von Stereotypen anbelangt: der Gegenstand von Stereotypen sind bestimmte Gruppen von Menschen, zweitrangig auch die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen ein Individuum lernt Stereotype als Ausdruck der öffentlichen Meinung durch die Erziehung der Familie oder des Milieus, unabhängig von seiner persönlichen Erfahrung

67 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
in Bezug auf die wertende Funktion des Stereotyps ist es immer emotional geladen (positiv oder negativ) ein Stereotyp ist entweder völlig tatsachenwidrig oder enthält nur partiell Tatsachen, wodurch es den Anschein erweckt, völlig wahr zu sein Stereotype sind dauerhaft und resistent gegen Veränderungen, weil sie unabhängig von der Erfahrung und emotional geladen sind, vernünftige Argumente zeigen kaum Wirkung

68 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
die soziale Funktion besteht darin, die von einer Gruppe/Gesellschaft akzeptierten Werte und Urteile zu verteidigen (ein Individuum, das dieser Gruppe angehören möchte, sollte diese Werte als soziale Norm verinnerlichen) der Stereotypeninhalt kann durch ein Wort aktiviert werden Stereotype sind immer verbal, sie sind linguistisch immer ein Satz (oder mehrere Sätze)

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Die Stereotypenforschung der Sozialwissenschaften hat den Begriff Stereotyp [griech. stereós ‚fest‘, týpos ‚Gestalt‘] auch in die Linguistik importiert. Im Lexikon der Sprachwissenschaft von H. Bußmann (Stuttgart 1990:735) versteht man unter diesem Begriff „Bezeichnung von gruppenspezifischen, durch Emotionen geprägten, meist unbewussten, stark verfestigten (Vor)-Urteilen“.

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Wie man unschwer erkennen kann, hat dieser von Lippmann (1922) aus der Druckersprache in die Sozialpsychologie übernommene Begriff in den verschiedenen Nachbardisziplinen unterschiedliche Ausprägung und Reichweite erfahren, oft auch entschiedene Revision. Lipmann betont in seinem Standardwerk „Public Opinion“ (1922/1965), dass stereotypische Repräsentationen sozialer Gruppen sowohl unvollständig als auch tendenziös seien. Schauen wir uns dazu einen Textausschnitt aus einem Lehrbuch von Anfang des 20.Jh. an:

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Alexander Puschkin ( ) "In ihm spiegeln sich die russische Natur, die russische Seele, die russische Sprache, der russische Charakter in solcher Klarheit, in solcher reinen Schönheit, wie sich eine Landschaft in der gewölbten Fläche eines optischen Glases spiegelt." Nikolai Gogol, russischer Schriftsteller)

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„Die Volksseele der Russen ist durch Sinnigkeit, Gemütstiefe und Nationalstolz gekennzeichnet. Wechsel zwischen Munterkeit und Schwermut sind den Russen eigentümlich. Groß ist ihre Verschmitztheit und Höflichkeit. Die unbezwingliche Rauheit der Natur hat sie zur Genügsamkeit, Geduld und Unterwürfigkeit, aber auch zum Fatalismus erzogen, so dass ihnen mit Ausnahme des großrussischen Stammes der Kosaken die Tatkraft verloren ging. Der lange Winter regte die Russen zu Handwerkstätigkeit an und erzog sie zur Handgeschicklichkeit, Handelstüchtigkeit (Hausierer) und praktischem Sinn, führte sie aber auch zu Trägheit und Trunksucht. Die russischen Stämme sind Halbasiaten. Ihr Geist ist unselbständig. Wahrheitssinn wird durch blinden Glauben ersetzt, Forschungstrieb mangelt ihnen. Kriecherei, Bestechlichkeit, Unreinlichkeit sind echt asiatische Eigenschaften. E. von Seydlitz, Geographie. Ausgabe B: Kleines Lehrbuch, Breslau 1908, S. 243 f.

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»Dem Deutschlandbild, das sich die Franzosen machen, entspricht etwa unser Russlandbild«, schreibt Manfred Koch-Hillebrecht in seiner Studie Das Deutschenbild (1977, S. 248), »dort die Deutschen der Madame de Staël, die sich in ihren unergründlichen Wäldern die Märchen der Gebrüder Grimm gegenseitig vorlesen, sich an Kachelöfen wärmen, Sauerkraut essen und im übrigen die Sitten und Gebräuche ihrer Vorväter wahren. Hier die geduldige russische Seele, die den unendlichen Weiten der Ebene entspricht, die schneebedeckte Tundra, auf der eine Troika mit Glockengeläut vorbeiläuft, angetrieben von einem gutmütigen Kutscher. Dort Richard Wagners Opern, die die Gefühle und nicht den Intellekt ansprechen - hier das Wolgalied und die Donkosaken, die zu Tränen rühren.«

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In den Beziehungen zwischen den Völkern spielt das Bild, das sich die eine Nation von der anderen macht oder das einer Nation bezüglich der anderen suggeriert wird, eine kaum zu überschätzende Rolle. Bis in den zwischenmenschlichen Bereich hinein bestimmen solche Pauschalvorstellungen von den anderen das Klima zwischen den Völkern, vielfach über sehr lange Zeitspannen hinweg. Damit überdauern sie tendenziell die wechselhaften politischen Vorgaben und Programme, auch wenn diese ihrerseits auf die nationalen Stereotypen zurückwirken können.

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Wer sich vergleichend mit solchen nationalen Stereotypen beschäftigt, stößt im Rahmen Europas auf eine West-Ost- (wie auch Nord-Süd)-Schiene, auf der Urteile sich in aller Regel bewegen. Die Wahrnehmung des jeweils östlichen Nachbarn als barbarisch (bzw. natürlich) und des jeweils westlichen als dekadent (bzw. zivilisiert) macht zweierlei deutlich: Erstens sind die Stereotypen nicht völlig beliebig, denn ihnen liegen in der Regel Ungleichzeitigkeiten der jeweiligen national- und regionalgeschichtlichen Entwicklung zugrunde, aus denen langlebige Unter- und Überlegenheitsgefühle resultieren. Zweitens steckt in den Vorstellungen, die man sich von einer anderen Nation macht, indirekt Wesentliches vom nationalen Selbstbild. Wenn sich z. B. die Deutschen für fleißig und ordentlich halten, dann liegt es nahe, dieses Selbstbild dadurch auszudrücken, dass andere Völker - im Osten und Süden - als faul und unordentlich betrachtet werden.

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Gemessen am Leitbild des heroischen Befreiungskampfes, das die polnische Nationalbewegung seit den blutig niedergeschlagenen Aufständen von 1830/31, 1848 und 1863 bestimmte, nahmen sich die Tschechen, die ihre nationale Emanzipation überwiegend mit anderen Mitteln betrieben, wie ein Volk von Feiglingen aus. Der polnische Heroismus, der die Bewunderung vieler Liberaler Europas fand, war indessen großenteils ein Erbe adeliger Werte. Als das stärker kleinbürgerlich geprägte ›polnische Gemeinwesen‹ in der preußischen Provinz Posen gegen Ende des 19. Jahrhunderts seinen nationalen Selbstbehauptungskampf intensivierte, richtete es sich am Vorbild just der Tschechen auf, die ohne große Worte im gesellschaftlich-ökonomischen Kleinkampf gegen die deutsch-österreichische Hegemonie angetreten waren.

78 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Nationale Stereotypen - es klang schon an - sind in der Regel nicht eindeutig in ihrer Wertung, sondern ambivalent konstruiert, auch wenn man sagen kann, dass Selbstbilder eher positiv, Fremdbilder meist eher negativ gefärbt sind. Der russische Publizist Nikolai Danilewski, dessen Buch Russland und Europa (zuerst 1871) zur Bibel des Panslawismus wurde, stellte die »Völker des romanisch-germanischen Typs«, charakterisiert durch »Gewaltsamkeit« als Ergebnis übermäßigen Individualismus', den slawischen Völkern mit ihrer »angeborenen Humanität« gegenüber und sah sich seitens Wladimir Solowjews, eines seiner schärfsten Kontrahenten, dem Vorwurf ausgesetzt, das Lehrbuch der Weltgeschichte (1859) des Deutschen Heinrich Rückert plagiiert zu haben.

79 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die positive oder negative Wertung kann sich also ändern, ohne dass die alten Klischees aufgegeben werden. Viele der antisemitischen Topoi lassen sich relativ problemlos philosemitisch umwerten, wie der geschäftliche und berufliche Erfolg west- und mitteleuropäischer Juden. Man kann die Verhaltensweisen der Deutschen als diszipliniert oder als starr und autoritätshörig bezeichnen, die bereits erwähnten Polen als idealistische, glühende Patrioten oder als verantwortungslose Abenteurer und Fanatiker. Jede der beiden Einschätzungen, die positive wie die negative, bezieht sich auf genau dieselben (vermeintlichen) Eigenschaften, nur in jeweils unterschiedlicher oder sogar gegensätzlicher Bewertung.

80 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Gegenüber den regelrechten, deklarierten Feindbildern, die meist begrenzten Perioden und politisch-sozialen Kräften zuzuordnen sind - sie bündeln negative Qualitäten, die einer Gruppe angeblich unveränderlich zugehörig sind und hochgradig affektiv aufgeladen werden -, verfügen die allgemeineren nationalen Stereotypen gerade wegen ihrer ambivalenten Struktur und des Mangels an ideologischer Zielgerichtetheit über ein größeres Maß an Dauerhaftigkeit und Vielfältigkeit bei der Verwendung. Denn sie scheinen zeitlos und unpolitisch.“ [zitiert aus: Peter Brandt: Das deutsche Bild Russlands und der Russen in der modernen Geschichte].

81 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Einige stereotypische Eigenschaften von Stereotypen Stereotype sind sensitiv hinsichtlich individueller Variabilität innerhalb bestimmter sozialer Gruppen. Stereotype bestehen fort trotz offensichtlicher Gegenevidenz. Die kognitive Leistung von Stereotypen besteht in der Entlastung und Ökonomisierung der kognitiven Kapazität von Konzepten des Gehirns

82 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Lipmann (1922) bezeichnet das Stereotyp als eine „prägnante Akzentuierung ausgewählter Elemente der Umwelt in einer einfachen, entscheidungserleichternden Formel.“ Stereotype bieten kein vollständiges Bild von der Umwelt, sondern das Bild einer möglichen (imaginierten) Umwelt, auf das wir uns eingestellt haben, so dass uns jede Störung dieses festgelegten (oder vorgefassten) Bildes wie ein Angriff auf deren Grundlage vorkommt.

83 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Bei der Begründung seiner Annahme, dass die „Bilder in unserem Kopf“ mit der äußeren Welt nicht übereinstim-men müssen, und dennoch das Verhalten im sozialen Umfeld stärker beeinflussen als die herrschenden Bedingungen, hat sich Lippmann auf Dewey und James berufen.

84 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Es wurden zahlreiche Versuche mit VPen durchgeführt. Rice (1926) legte Studenten einige Zeitungsfotos, auf denen Personen verschiedener Berufe abgebildet waren, vor, nannte Berufe und forderte die VPn auf, diese Fotos zuzuordnen. Er fand hohe Festigkeit der Zuordnungen und große Übereinstimmungen zwischen den VPn in den Fällen falscher Zuordnung, was er als Indiz für die Existenz von Berufsstereotypen ansah.

85 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Beamtenwitze Ich habe nichts gegen Beamte. Sie tun ja nichts. Drei in einem Büro und einer arbeitet. Was ist das? Zwei Beamte und ein Ventilator. Was ist der Unterschied zwischen Holz und einem Beamten? Holz arbeitet. Ein Beamter zeigt seiner Frau ein Bild von seinen Kollegen aus seinem Büro. "Hier, schau mal, eine Stunde belichtet und keiner verwackelt."

86 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Treffen sich zwei Beamte auf dem Gang. "Na Klaus, kannst du auch nicht schlafen." Was ist der Unterschied zwischen Beamten und Terroristen? Terroristen haben Sympathisanten. Zwei Beamte sitzen zusammen im Büro. "Was hältst du davon wenn wir uns ein Aquarium kaufen?" "Meinst Du nicht das bringt zu viel Hektik ins Büro."

87 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Ein Beamter wird gefragt warum er einen verfaulten Apfel isst. Dieser antworten: "Als ich angefangen habe war er noch gut." Wie bringt man einen Beamten ins Schwitzen? Indem man seinen Bleistift auf das Fensterbrett legt.

88 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Was ist der arbeitsintensivste Tag für einen Beamten? Montag. Da muss er gleich drei Kalenderblätter abreißen. Was macht ein Beamter der in der Nase bohrt? Er holt das letzte aus sich heraus. Warum können Beamte nicht tanzen? Weil keine Band so langsam spielen kann. Seltene Flüssigkeit mit 14 Buchstaben? Beamtenschweiß. Was ist Beamtenmikado? Wer sich zuerst bewegt hat verloren.

89 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Wie sieht der typische Beamte aus? - Ergebnisse einer Befragung 55,72 % ,46 % 6,84 % 4,41 %

90 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Welche Person ist wahrscheinlich ein Deutscher Verwaltungsbeamter? Insgesamt haben 3218 Personen an dieser Online-Befragung in den letzten beiden Jahren teilgenommen. 55 % aller Teilnehmer/innen entschieden sich für das Bild B! Aber auch in dem von Ihnen gewählte Gesicht sehen 4,29 % einen typischen Beamten.   

91 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die Stereotypenforschung wurde durch die Untersuchung von Katz & Braly (1933) maßgeblich geprägt, die die Begriffe Stereotype und Vorurteile dem Einstellungsbegriff unterordneten. Danach beschreiben Stereotype den kognitiven, Vorurteile den affektiven Teil einer Attitüde zu fremden Gruppen (vgl. Lilli 1982:4). Die in der sozialpsychologischen Forschung vorherrschenden Konzepte des Stereotyps bis zu den 80er Jahren werden in den Arbeiten von Lilli (1982) und Schäfer & Six (1978) genannt:

92 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(1) Stereotype als inkorrekte Generalisierungen: in vielen Fällen ist von falschen Verallgemeinerungen oder Übergeneralisierungen die Rede. Verallgemeinerungen (z. B. über die Mitglieder einer Gruppe) können der Richtung nach inkorrekt sein (wenn einer Person dieser Gruppe eine Gruppeneigenschaft zugeschrieben wird, die sie als Individuum nicht hat;

93 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
meist mit Allquantoren wie alle, jeder oder generischen Sätzen sprachlich ausgedrückt) und sie können dem Umfang (Extension) nach inkorrekt sein (z. B: wenn eine Person die ihr zugeschriebenen Eigenschaften hat, jedoch nicht in dem behaupteten Umfang). Viele Autoren dieser Richtung halten das Validitäts-problem für wichtig (z. B. Fishman 1956; Mann 1967), andere halten eine Validierung für überflüssig (Abata & Berrien 1967; Brown 1965; Diab 1963), u. a. deshalb, weil eine Übergeneralisierung selbstevident ist.

94 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(2) Stereotype als Ergebnis fehlerhafter Denkprozesse: Manche Forscher, die Stereotype ebenfalls unter dem Gesichtspunkt von Generalisierungen sehen, stellen die Frage, wie man eine Abgrenzung zu gewöhnlichen (validen) Verallgemeinerungen vornehmen könnte. Die erste Antwort ist, dass es sich bei Stereotypen um fehlerhafte Denkprozesse handele, die auf einer niedrigen, nicht-logischen Ebene ablaufen würden (z. B. Bogardus 1950; Fishman 1956).

95 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die zweite Antwort ist, dass der Denkprozess durch Fehlinformation beeinflusst ist (z. B. zweifelhafte Quellen; vgl. Lilli 1982:9). (3) Stereotypen als Kategorisierungen und Konzepte: In einigen Untersuchungen werden Stereotype als Verwendung oder Missbrauch (use or misuse) von Kategorien verstanden, indem die Zugehörigkeit einer Person zu einer Gruppe oder Ethnie als hinreichend angesehen wird, dieser Person alle die Eigenschaften

96 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(5) Stereotype als Gewohnheiten (habits): Die Analyse von Stereotypen als „habits“ hat Cambell (1967) vorgenommen, der unter Verwendung der Hullschen Lerntheorie Stereotype als Reaktionspotentiale interpretiert.

97 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Taxonomie der nationalen/ethnischen Stereotypen: (1) Das S1 → S2 Urteil (das übliche Heterostereotyp): Ein Deutscher sagt, die Engländer seien voller Humor; (2) Das S1 → S1 Urteil (Autostereotyp): Ein Berliner sagt, die Berliner seien schlagfertig; (3) Das S1 → (S2 → S1) Urteil (vermutetes Heterostereotyp): Ein Deutscher sagt, die Italiener halten alle Deutschen für aggressiv; (4) Das S1 → (S2 → S2) Urteil (vermutetes Autostereotyp): Ein Deutscher sagt, die Amerikaner halten sich für hilfsbereit. (Beispiele nach Schäfer & Six 1978: 20)

98 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotypen- und Prototypen in der Wortsemantik Zwei der wichtigsten Beiträge zu Grundlagenproblemen der Wortsemantik stammen von Autoren, die nicht Linguisten, sondern Vertreter von Nachbardisziplinen sind: wir wollen uns in diesem Zusammenhang mit den kognitiven Ansätzen der Psychologin Eleanor Rosch und des Philosophen Hilary Putnam (Rosch 1977, Putnam 1978) auseinandersetzen.

99 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die Arbeiten sind nicht ohne Konsequenzen, da sie einen wesentlichen Einfluss auf die lexikalische Semantik ausgeübt haben. Sie werden uns darüber hinaus eine Abgrenzung zu dem bisher definierten Begriff des „Stereotyps“ erlauben. Vor allem im Bereich der vom Strukturalismus geprägten Wortsemantik (Merkmalssemantik, Komponentialanalyse) waren die Beiträge von Rosch bedeutsam (siehe Schwarze 1996; Kleiber 1993; Fanselow/Staudacher 1991; Lakoff 1987; Putnam 1970; 1973; 1975ab; 1979; 1982; Rosch 1973; 1975; 1976; 1978; Schwartz 1977; 1978; 1980)

100 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
zuzuschreiben, die in der Kategorie enthalten sind. In diesem Sinne sind Stereotype als Konzepte aufzufassen, die jemand von einer Gruppe hat, der er eine stereotypische Eigenschaft zuordnet, und die als kognitive Organisationssysteme fungieren (LILLI, a. a. O.). (4) Stereotype als Generalisierungen mit Rigiditäts-charakter: Stereotype sind „petrifizierte“ Einstellungen, die sich so gut wie überhaupt nicht ändern lassen (Schäfer & Six 1978:20)

101 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Rosch: sprachpsychologische Untersuchungen über Farbkategorien; sie geht davon aus, dass farbbezeichnende Lexeme eine sog. Prototypenstruktur haben: „Color appears to be one domain in which all evidence – physiology, language, memory, learning, child development, and information processing experiments – converge in supporting that the categories possess an analog prototype structure“ (Rosch 1977: 15)

102 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Damit ist gemeint, dass die Kategorie jeweils um ein Zentrum organisiert ist, und dass ihre Ausdehnung nicht durch die Abgrenzung zu einer Nachbarkategorie, sondern durch den (variablen) Abstand der Randbereiche zum Zentrum bestimmt ist. Dieses Zentrum ist ein typischer Vertreter der Kategorie, z. B. für die Kategorie „rot“ ein ganz bestimmtes ROT; die Bezeichnung für dieses Zentrum einer Kategorie ist PROTOTYP.

103 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die grundlegende Idee besteht darin, dass sich die Kategorien nicht aus Exemplaren zusammensetzen, die im gleichen Verhältnis zur überdachten Kategorie stehen, sondern dass es Exemplare gibt, die „bessere Vertreter“ sind als andere. So ergaben die Antworten der von E. Rosch (1973) befragten Personen, dass der Apfel das beste Exemplar für die Kategorie Obst (engl. fruit) darstelle, während die Olive am wenigsten repräsentativ sei; dazwischen findet man (in der Reihenfolge absteigender Repräsentativität) Pflaume, Ananas, Erdbeere und Feige.

104 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Prototyp: OBST APFEL Pflaume Ananas Erdbeere Feige Olive

105 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die Ergebnisse hat Rosch dann entsprechend für geometrische Formen, Gesichtsausdrücke und konkrete Gegenstände bestätigt gefunden. Frage: Wenn Menschen ihre Kategorien nach universell gültigen Prinzipien bilden, wie kann man dann in Experimenten nachweisbare individuelle Abweichungen in der Beurteilung der besten Exemplare einer Kategorie erklären?

106 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Antwort: Wenn Kategorien von Sprache zu Sprache und von Kultur zu Kultur verschieden sind, so erklärt Rosch diese Abweichungen damit, dass einer der drei Fälle vorliegen: (1) sie unterscheiden sich nur in den „Rändern“, sind aber hinsichtlich des Prototyps gleich (dies gilt für Farben und Formen); (2) sie beruhen darauf, dass die Welt, in Bezug auf die die Kategorien gebildet werden, nicht dieselbe ist (dies gilt z.B. für natürliche Gattungen und Artefakte)

107 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(3) es bestand für die Bildung bestimmter Kategorien kein Anlass (Bsp.: geographische und zoologische Begriffe: Tundra, Steppe, Krokodil…., Realienlexik wie russ. toská, poln. Żurek, tsch. Švejk, knedlíky)

108 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotyp bei Hilary Putnam Während Rosch von Untersuchungen über Begriffsbildung, Kategorienlernen und Kategorienzuweisung ausgeht, analysiert Putnam zeichentheoretische Probleme der Wortsemantik im philosophischen Diskurs. Seine Grundannahme sind: zum „Haben“ eines Wortes gehören folgende Komponenten:

109 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die Kenntnis der syntaktischen Eigenschaft eines Wortes Die Fähigkeit, die Kategorie einer bestimmten, allgemeineren Kategorie zuzuordnen; solche übergeordneten Kategorien sind z.B. ‚Tier‘, ‚Lebewesen‘, ‚Artefakt‘, ‚Wochentag‘, ‚Zeiteinheit‘ (für z.B. „Tiger“, „Venusmuschel“, „Stuhl“, „Donnerstag“, „Stunden“) Die Kenntnis von Stereotypen, die mit dem Wort verbunden sind.

110 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Diese Stereotypen bestehen aus denjenigen Eigenschaften, die einen Prototypen im Rosch‘schen Sinne zum Prototypen machen, d. h. es sind Eigenschaften eines typischen Vertreters der Kategorie. Diese Eigenschaften kommen aber nicht allen Referenten des Worts in gleicher Weise zu; Die Kenntnis der Extension (Umfang eines Begriffs).

111 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Syntactic markers Semantic markers Stereotype Extension Mass noun Natural kind colorless H2O Concrete liquid transparent tasteless thirst-quen-tching

112 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Zwei weitere Gedanken: (1) das „Haben“ eines Wortes muss nach Putnam im Hinblick auf die ganze Sprachgemeinschaft gelten, nicht etwa im Hinblick auf den „Durchschnittssprecher“

113 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(2) Wenn die entsprechende Gesellschaft arbeitsteilig organisiert ist, so schlägt sich dies auch auf den Sprachbesitz nieder: bei einem Wort wie z.B. Gold kennt die Masse der Sprecher nur das Stereotyp Gold, dazu kommen die Spezialisten, die die Extension von Gold kennen, und unter diesen sind wieder solche, die darüber hinaus auch überprüfen können, ob ein gegebenes Muster, das dem Stereotyp von Gold entsprechen mag, auch in die Extension von Gold fällt (z.B. Semantiker).

114 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Im Folgenden sei unter einem Prototyp ein typischer Referent verstanden: so ist z.B. ein besonders typischer Stuhl ein Prototyp im Hinblick auf die Kategorie ‚Stuhl‘. Ein Stereotyp hingegen sei die Menge der Eigenschaften, die einen Prototypen definieren; so ist z.B. das Stereotyp von Stuhl: ‚dient zum Sitzen, hat eine Lehne und vier Beine, ist aus festem Material, bietet Platz für eine Person‘.

115 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotypische Eigenschaften schließlich seien diejenigen Eigenschaften, aus denen ein Stereotyp besteht. So ist z. B. ‚hat eine Lehne‘ eine stereotypische Eigenschaft von ‚Stuhl‘. Jede stereotypische Eigenschaft gehört analytisch zum betreffenden Stereotyp Die Zugehörigkeit eines Objekts zu der um das Stereotyp organisierten Kategorie setzt die vollständige Übereinstimmung (Identität) mit dem Stereotyp nicht voraus.

116 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Deshalb ist eine stereotypische Eigenschaft nicht eine analytische Eigenschaft aller in die Kategorie fallenden Objekte. Eine stereotypische Eigenschaft E kann daher nicht als Implikation einer Kategorie K : K (x) → E (x) dargestellt werden, sondern nur als eine (revidierbare) Inferenz !

117 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Stereotypische Eigenschaften können untereinander hierarchisch geordnet sein: so ist z. B. das Stereotyp des Vogels wichtiger, Federn zu haben, als singen zu können. Für das Ethnonym ‚Pole‘ ist es wichtiger, Angehöriger des Landes Polen zu sein, als ‚Mann‘, ‚Frau‘ oder ‚Kind‘ zu sein.

118 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die an den Rändern der sprachlichen Bedeutung eines Wortes situierten stereotypischen Eigenschaften (wie z. B. die Polen sind mutig, nonkonformistisch; die Tschechen sind gemütlich…konformistisch) speisen sich aus verschiedenen (meist wertenden) Einstellungsoperatoren (Meinungsbildern, Urteilen und Vorurteilen der historischen, sozialen, ethnischen, kulturellen, politischen usw. Wirklichkeit) einer Sprach- bzw. Kuturgemeinschaft und sind somit als nicht scharf umrissene Kategorien der

119 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Wortbedeutung fixiert, sondern als klischeehafte Vorstellungen einer Sprach- bzw. Kulturgemeinschaft inferiert. Im Unterschied zu Lakoff (1987:85), der von sozialen Stereotypen spricht (Beispiele wären Mütter sind Hausfrauen, Frauen sind schlechte Autofahrer, Japaner und Deutsche sind fleißig), werde ich im folgenden für diese klischeehaften Vorstellungen und Meinungsbilder von Imago-Typen sprechen.

120 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Imago-Typen sind Vorstellungen (wörtlich Bilder) einer sozialen Gruppe, einer Ethnie oder eines Kollektivs über eine andere soziale Gruppe, Ethnie oder ein anderes Kollektiv, die häufig als ständige Markierung einer Kategorie K der betreffenden sozialen Gruppe, Ethnie oder des Kollektivs existieren, selbst aber keine Eigenschaft dieser Kategorie sind!

121 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
In der Kommunikation kommen sie oft als versprachlichte, feste, generalisierte, nicht wahrheitsfähige bzw. zumindest nicht falsifizierbare Meinungsäußerungen in Form von einfachen oder mehrfachen Prädikationen, festen Redewendungen, Vergleichen, Metaphern, Metonymien, Sprichwörtern, nicknames (Schimpf- oder Kosenamen) zum Ausdruck.

122 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Um den Unterschied zwischen stereotypischen Eigenschaften bzw. Stereotypen (im Sinne der Prototypen-/Stereotypensemantik) und Imago-Typen zu verdeutlichen, nenne ich folgenden Belege: (1) Alle Polen sind Europäer (2) Alle Polen sind Menschen (3) Alle Polen sind unordentlich, unpünktlich, betrügerisch, heldenhaft, mutig, romantisch, nonkonformistisch…Anarchisten

123 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(4) Alle Tschechen sind gemütlich, dick, zynisch, Biersäufer, geschwätzig, konformistisch, feige…unverbindlich, unzuverlässig, Musiker, Schwejks. Nur die Sätze (1) und (2) sind wahrheitsfähig, zumindest falsifizierbar, d.h. sie lassen sich auf ihre Wahrheitswerte überprüfen. Wir können z.B. für (1) den Wahrheitswert ‚f(alsch)‘ angeben, weil in die semantische Kategoriebildung der Klasse <Polen>

124 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
extensional außer den in Europa lebenden Polen auch die außerhalb Polens lebenden Polen gehören. Der Satz (2) lässt sich für alle Exemplare der Kategorie <Polen> - also für de Prototyp <<POLE>> - mit ‚w(ahr)‘ angeben. Die Aussagen (3), (4) als teilweise bewertende, teilweise konstatierende Sprechakte lassen sich hingegen nur bedingt auf ihre Wahrheitswerte überprüfen oder lassen sich zumindest nicht als in der objektiven Realität für alle Exemplare der Kategorien >Polen< und >Tschechen< mit den Wahrheitswerten ‚f/w‘ überprüfen.

125 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
In der nächsten Stunde werden wir uns eingehender mit dem Problem der ethnischen Imago-Typen vom Standpunkt der Wahrheitswertsemantik und der Axiomatik befassen. → 4) : Eigenschaftszuschreibungen, Wahrheitswertsemantik, Werturteile, Axiomatik und Konnotation, Generalisierungen, Vor-Urteile (Plenum)

126 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Durch die Schaffung von Stereotypen wird der kollektive Narzismus gestützt. Das, womit sich der Mensch identifiziert, das Wesen der eigenen Gruppe, wird plötzlich gut; das andere, fremde (…) – schlecht. (T.W. Adorno, W kwestii: co jest niemiecke, im Sammelband: Po upadku Trzeciej Rzeszy. Niemeccy intelektualiści a tradycja narodowa, Warszawa 1981, 272) [zitiert nach Kuczyńska 1997: 131] Die Engländer behaupten, dass das erste Wort des Iren, mit dem er auf die Welt kommt, „Nein“ heißt (A. Bobkowski, Szkice piórkem, Warszawa 1995, 445) [zitiert nach Kuczyńska 1997: 133]

127 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Welche Daten, Beschreibungsmethoden bzw. –verfahren stehen uns Linguisten zur Verfügung, um die Imago-Typen (Stereotypen) festzustellen? Damit bin ich bei der Fragestellung einer möglichst exakten wertneutralen Methode angelangt. Die Möglichkeit einer streng linguistischen bzw. wortsemantischen Beschreibung ist aus besagten Gründen limitiert, denn die bereits erwähnten stereotypischen Eigenschaften als Reflexe von Einstellungsoperatoren (Meinungsbildern, Urteilen und Vorurteilen der historischen, sozialen, ethnischen, kulturellen und politischen Wirklichkeit) einer Sprach- bzw. Kulturgemeinschaft sind als nicht scharf

128 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
umrissene Kategorien der Wortbedeutung (Konnotationen und Wertungen) schwer zu fassen (Kosta 2005: 59f.). Uta Quasthoff, die die linguistische Erforschung von Stereotypen initiierte (Quasthoff 1988: ; 1987: ) ist der Meinung, dass die kognitive Funktion der Stereotype wichtiger sei als die soziale oder emotive. Die kognitive Funktion von stereotypem Denken ist Resultat von kognitiven Vereinfachungsprozessen. Diese Vorstellung entspricht neueren Ergebnissen der kognitiven Psychologie, für die Vorurteile und Stereotypen Ergebnisse der normalen Informationsverarbeitung sozialer Wahrnehmungen sind:

129 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Zur Aufrechterhaltung der Orientierung in der Umwelt müssen die ankommenden Wahrnehmungen geordnet werden. Dies geschieht so, dass das Wahrgenommene Kategorien zugeordnet wird, die im Laufe der Erziehung gelernt werden. Äußere und soziale Unterscheidungsmerkmale wie Geschlecht, Alter, ethnische Zugehörigkeit etc. bilden gelernte Kategorien, nach denen Personen und Personengruppen eingeordnet werden. Diesen Zuordnungsprozess nennt man Attribution: in ihm werden Personen oder Sachverhalte derjenigen Kategorie zugeordnet, die als besonders geeignet erscheint. Mit diesen Kategorien sind Wertungen und Präferenzen verbunden.

130 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Mit Wertungen beschäftigt sich die Axiologie. Die Axiologie als Wertlehre entwickelte sich laut Oskar Kraus schon in der altgriechischen Philosophie. Die moderne Lehre von den Werten ist die Wertphilosophie (Axiologie, Timologie, Werttheorie, Wertlehre).

131 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Der wertende Mensch stellt zwischen seinen Maßstab (Wertmaßstab) und einem Gegenstand Beziehung her, welche den Wert der Sache darstellt. Der bewertende Mensch fällt somit ein Werturteil, welches seine Bewertung zum Ausdruck bringt. Beruht der Wertmaßstab auf einem subjektiven Lustgefühl durch Bedürfnisbefriedigung, dann entsteht eine psychologische Werttheorie, so beschäftigt sich u. a. die subjektive Wertethik mit dem Wert an sich als Forschungsobjekt. Die mannigfaltigen Gefühlsarten und Bedürfnisse der Menschen führen auch zu gänzlich differierenden Wertungen, - was der eine hoch erachtet, betrachtet ein anderer wiederum geringschätzig. Ansichten, welche den Werten an sich nur relative Bedeutung und Geltung zugestehen, zählen zum Wertrelativismus als besonderer Form des Relativismus. Der Wertrelativismus erkennt eine Absolutheit der Werte nicht an, sondern knüpft deren Gültigkeit an bestimmte Menschen, Gemeinschaften, Kulturen ( Kulturrelativismus) oder Epochen. Die Wertpsychologie untersucht die seelischen Vorgänge der Wertungen. (Wikipedia)

132 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Wer sich die Entwicklung der Sprachphilosophie und der Sprachwissenschaft der letzten Jahrzehnte vor Augen führt, wird ein verstärktes Interesse an der axiologischen Problematik feststellen. (Kosta 1993: 248) Angefangen mit der konzeptuellen Semantik des Philosophen Georg Henrik von Wright (1963ab) über die Metaethik (Pieper 1971) bis hin zu den kognitivistischen Theorien der Naturalisten (C. I. Lewis, George Edward Moore) haben sich zunächst

133 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
die Philosophen und Moralethiker mit der seit Aristoteles aufgeworfenen Frage befasst (Nikomachische Ethik). War also bis Anfang der sechziger Jahre des 20. Jh. die ontologische Taxonomie einer wie auch immer gearteten Moralethik gültig, so war es von Wright, der eine Wende vom ontologischen zum semantischen Prinzip der Klassifikation vollzog (Arutjunova 1988: 65).

134 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Den Aristotelischen Kategorien des Guten (äußeres, psychisches und physisches Wohl) bzw. den drei Typen des Guten bei Hobbes - pulchrum ‚das Gute in der Überzeugung‘, jucundum ‚das Angenehme‘ und bonum ‚das Nützliche‘ – stellte er ein differenziertes konzeptuell-begriffliches Modell gegenüber. Die vier Formen des Guten (forms of goodness) sind nach von Wright das instrumental und das technisch Gute (instrumental and technical goodness), das utilitaristisch-benefaktiv Gute (utilitarian and beneficial goodness), das medizinisch

135 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Gute (medical goodness) und das hedonistische Gute (the hedonic good). (genauer Kosta 1993:249) Ebenso wie Wertungen und wertende Sprechakte sind auch Konnotationen wichtige Objekte der Stereotypenforschung. Wir gehen hier von einem in der lexikalischen Semantik wohl definierten Begriff der „lexikalischen Konnotation“ bei Iordanskaja/ Mel‘čuk (1980) aus, die unter Konnotation die Mitbedeutung eines Wortes verstehen, die neben dem notionalen Bedeutungskern auch wertende oder assoziative Komponenten enthält: Betrachten wir hierzu folgende Situation:

136 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
( Lexikalische Semantik A. Grundbegriffe: Intension, Extension, Referenz, Denotation, Konnotation (1) Wir stellen uns die folgende, stark reduzierte Welt vor. Es gebe 5 Individuen mit folgenden Eigenschaften:

137 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Anna: ist eine Frau, studiert Biologie, raucht nicht Bettina: ist eine Frau, ist Reiseleiterin, raucht nicht Christian: ist ein Mann, studiert Mathematik, raucht Daniel: ist ein Mann, studiert Linguistik, raucht nicht Erwin: ist ein Mann, ist Taxichauffeur, raucht

138 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(2) Die Extension eines sprachlichen Ausdrucks ist die Menge von Sachverhalten in der Welt, auf welche man mit dem Ausdruck Bezug nehmen kann: Frau → {Anna, Bettina} Mann → {Christian, Daniel, Erwin} Student/in→ {Anna, Christian, Daniel} Raucher → {Christian, Erwin} Linguist → {Daniel}

139 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(3) Die Intension eines sprachlichen Ausdrucks ist dessen begrifflicher Inhalt, seine deskriptive Bedeutung. Die Intension eines Wortes kann beispielsweise durch eine Wörterbuchs-Definition expliziert werden: Student/in: eine Person, die an einer Hochschule eine höhere Ausbildung absolviert. Raucherin: eine Person, die gewohnheitsmäßig Tabak raucht. Linguist/in: eine Person, die sich berufsmäßig mit Sprachwissenschaft beschäftigt.

140 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(4) Referenz ist die aktuelle Bezugnahme auf ein oder mehrere konkrete Elemente aus der Menge der Objekte, die mir die Extension des Ausdrucks prinzipiell zur Verfügung stellt: [Angenommen, Christian steht vor dem Eingang des Institutsgebäudes und raucht. Ich kann mich dann folgendermaßen auf ihn beziehen:] Da steht ein Student und raucht. Der Student dort macht Rauchpause. [etc.]

141 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Das Verhältnis zwischen Extension, Intension und Referenz ist also folgendermaßen: Die Intension ist abstraktes, situationsunabhängiges Wissen über die Inhaltsseite eines Ausdrucks. Dieses definiert eine Menge von Objekten, die Extension, auf welche der Ausdruck prinzipiell anwendbar ist. Referenz ist die konkrete Auswahl eines (oder mehrerer) Elemente aus dieser Menge durch den Sprecher.

142 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die Extension von Student(in) ist {Anna, Christian, Daniel}. Weil Christian ein Element dieser Menge ist, kann ich mit dem Ausdruck Student mich auf Christian beziehen, d.h., ich kann mit dem Ausdruck Student auf Christian referieren (aber nicht z.B. auf Erwin, weil Erwin nicht in der Extension von Student enthalten ist).

143 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(5) Manchmal wird gleichbedeutend mit Extension der Begriff Denotation gebraucht, manchmal wird differenziert zwischen (i) Extension als einer Menge von Objekten in der Welt, und (ii) Denotation als die Relation vom Ausdruck selbst auf seine Extension, wie in folgender Abbildung. In unserer Mini-Welt denotiert der Ausdruck Raucher Christian und Erwin, aber nicht Anna, Bettina, Daniel:

144 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(6) Nun kann ich über Christian nicht nur aussagen Christian raucht, sondern auch: Christian qualmt. In unserer Mini-Welt haben die Ausdrücke x raucht und x qualmt die gleichen Wahrheitswerte: Christian raucht, Christian qualmt, Erwin raucht, Erwin qualmt → wahr Anna raucht, Anna qualmt, Bettina raucht, Bettina qualmt, Daniel raucht, Daniel qualmt → falsch

145 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Somit denotieren zwar rauchen und qualmen die gleichen Sachverhalte, aber qualmen ist semantisch spezifischer: In Christian qualmt sage ich nicht nur aus, dass Christian Raucher ist, sondern auch etwas über meine Einstellung zu dem Sachverhalt: qualmen hat eine negative Konnotation, die rauchen nicht hat. Wir können auch sagen, dass die Aussage ein negativ-bewertender Sprechakt ist.

146 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die Ergebnisse der Studie über nationale Stereotypen von Bartminski lässt folgendes Bild der Tschechen durch die Brille der polnischen Studierenden entstehen: Heterostereotypen : wie sieht ein Pole einen Tschechen Demnach sind Tschechen joviale, gemütliche, gesellige, sanftmütige (friedliche), tolerante, fleißige und begabte Nachbarn, die nicht übermäßig religiös sind, die ihre Nation zwar lieben, aber im Zweifelsfalle ihre eigene tschechische Großmutter für eine Portion Knödel und einen Krug Pilsner Urquell verkaufen würden. Sie fahren regelmäßig am Wochenende (das schon am Freitag Mittag beginnt) in die chata (Wochenendhaus), wo sie dann gerne handwerken.

147 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Das Autostereotyp der Polen enthält im wesentlichen 10 dominante Merkmale: der Pole ist sehr gastfreundlich, gesellig, patriotisch, er geht beherzt, stolz und fröhlich regelmäßig zum Gottesdienst, trinkt gerne, was manchmal zu emotionalen oder gar aggressiven Exzessen führen kann. Das in der Untersuchung Bartmińskis (1995a) entstandene relativ positive ethnische Heterostereotyp beweist, dass Heterostereotypen (also wie eine Nation die andere sieht) durchaus auch positive und Autostereotypen (wie man sich selbst sieht) durchaus auch negative und kritische Attribuierungen und Merkmale enthalten können.

148 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Betrachten wir hierzu nun die konkreten sprachlichen (verbalen) Mittel am Beispiel von: Heterostereotypen der Russen bei den Polen und der Polen bei den Russen: Die Heterostereotypen des Russen in Polen und des Polen in Russland sind in den letzten 10 Jahren häufig Gegenstand von Monographien, Sammelbänden und Aufsätzen gewesen.

149 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Nach dem berühmten Buch von Andrzej Kępiński Lach i Moskal. Z dziejów stereotypu (1990) wurden zahlreiche polnisch-russische Konferenzen und Tagungen organisiert (Polacy-Rosjanie 1999; Chorev 2000; Chorev 2002), und Artikel publiziert (Tazbir 1996, Koch et al. 2001).

150 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
In allen diesen Untersuchungen wird deutlich, dass das seit dem XVI. Jh. entstandene polnische Imago des Russen und das russische Heterostereotyp des Polen sehr beständig und negativ markiert sind. Durch den historischen Abstand nehmen sie stellenweise bereits die Gestalt eines Mythos an. Kann man diese Stereotypen aufbrechen?

151 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
1) Bezeichnungen für die Russen bei den Polen (nicknames): Rosjanin, pot. Rusek, Ruski, Wielkorus; Moskwicin; Moskal; Iwan; Wania, Sasza Charakterisierende Namen: Kacap Die in der poln. Umgangssprache (język potoczny) auftretenden Namen Rusek, Ruski, Ruscy, Ruskie sind negativ bewertende, pejorative Bezeichnungen.

152 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die negative Bewertung enthält eine abwertende, aber auch eine ironische Komponente. Traditionell sind auch die Namen Moskal (im Apoln. auch Moskwicin) und der Nickname Kacap. Der Begriff Moskal ist eine abwertende Bezeichnung des Einwohners des Machtzentrums Moskau und dann seine pars-pro-toto-Synekdoche für alle Russen. Der Nickname Kacap enthält im SWJP von Dunaj die Bedeutung: ‘człowiek ciemny, zacofany, głupi; tępy‘

153 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Ja się od swojej mamy już nasłuchałam, jacy są Rosjanie z natury okrutni. Kacap [kacap:subst:sg:nom:m1] , mówiła, to kacap. Dla Artura realnymi Rosjanami były ziemniaczane buce z targowiska na Stadionie Dziesięciolecia, na

154 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

155 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

156 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Zwischen einer positiven (scherzhaft) und negativen (ironisch) Bewertungsskala sind dagegen die Typennamen: Iwan, Wania, Wańka, Sasza, Tamara und Wowa einzuordnen.

157 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Weitere, auf die Zeit des Kommunismus zurückgehende Bezeichnungen des Russen: Sowiet, bolszewik, czerwony, komunista; towarzysz, kołchoźnik, człowiek radziecki, meszkaniec republiki radzieckiej sowie die scherzhaft-ironischen Bezeichnungen (die auch in anderen Satelittenstaaten des Warschauer Pakts bekannt sind): bracia, przyjaciele ze Wschodu. Letztere kann man auch als Euphemismen bezeichnen.

158 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Ableitungen (Derivation, Wortbildung): Die weibliche Ableitungsform Rosjanka aus Rosjanin hat bereits eine starke konnotative Komponente, die sie selbst zum Stereotyp macht. Verben/Verbalnomina: rusyfikować, ruszczyć, rusyfikacja haben in der polnischen Sprache eine negativ bewertende Konnotation und beziehen sich auf die Teilungsperiode.

159 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Phraseologische (idiomatische) Wendungen: Vergleiche: uparty jak Rusin (1830), chytry jak Rusin (1913), czerwony jak Rusin (1900) Phrasen: Bywszy na Rusi, do domu musi (1913) Wortverbindungen: ruski miesiąc ‚russischer Monat‘ = „langer Zeitabschnitt“ (bei den katholischen Polen entstandene Auffassung, dass der Monat länger sei (die Feiertage bei den Orthodoxen setzen später ein als bei den Katholiken, da der gregorianische und julianische Kalender sich um 10 Tage unterscheiden)

160 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Redewendungen/Wortverbindungen: ruski dar: dzisiaj dał, jutro odebrał (seit 1632) ruska dolina ‚rozbrój z pobiciem ofiary‘, kradzież przez wyrwanie rzeczy z rąk ofiary i ucieczkę‘ ruska narkoza ‚gumowy młotek‘ ruskie perfumy ‚miotacz gazowy‘ (Stępniak 1993:489; Bartmiński et al. 2002:114)

161 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Russen im Lichte experimenteller Erhebungen: Neutrale Konnotation (Bewertung): biedny, uparty, silny, wytrzymały, lubi kartofle, samogon, śpiew Positive Konnotation (Bewertung): gościnny, uczynny, otwarty, szczery, wylewny, serdeczny, przyjazny, miły, wesoły, prawdomówny, skromność, pokora, prostota usw. Negative Konnotation (Bewertung): zacofany, zastraszony, prymityw, pijak, ograniczony, ciemny, gruboskórny

162 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Korpusbelege: 1615: Cztery rzeczy nie do rzeczy: noga w szczudle, a mysz w pudle, koza w sadzie, Rusin w radzie [Präsupposition: der Russe ist nicht schlau] Kto Rusina oszuka, będzie mądr (1632) [Präsupposition: der Russe ist unstet, sprunghaft] Z Rusinem gadaj, a w zanadrzu kamień trzymaj [Präsupposition: dem Russen kann man nicht trauen, der Russe ist falsch]

163 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Zusammenfassung (nach Ханзен 2006): Под стереотипом понимается базирующееся на убеждении суждение со следующими признаками: 1. предметами этих суждений являются прежде всего группы людей (расовые, национальные, классовые, политические, профессиональные, половые и т.п.) и связанные с ними отношения (напр. стереотип революции). Признаки приписываются целому классу индивидов;

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2. генезис суждения – социален; суждение не базируется на обобщении личного опыта, а передается от поколения к поколению как часть культурного кода; т.е. стереотип независим от личного опыта; 3. суждение всегда содержит эмоциональный – отрицательный или полoжительный – компонент;

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4. суждение может или соответствовать действительности (‚kernel of truth’ = зерно правды) или быть полностью ложным; 5. так как это суждение не зависит от личного опыта, оно устоичиво и меняется во временном плане очень медленно; 6. стереотип имеет социальную функцию защиты и укрепления ценностей, принятых в одной группе или в одном обществе; 7. стереотип всегда связан со словом-стимулом.

166 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Weitere Korpusbelege: (1) Это сказал проницательный англичанин Альфред Нокс. [Известия 2003/02/24] (2) Где вы наберете аккуратных, как немцы, работников? [Огонек 2001/30] (3) Джон, как всякий англичанин, безукоризненно вежлив.[…] Джон, как истинный англичанин, умеет слушать — внимательно и пытливо. [Звезда 6/2003]

167 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
3.1. Сравнения При сравнениях названный народ рассматривается как образцовый носитель признакa. Сам признак приводится в большинстве случаев в виде прилагательного или наречия. В некоторых случаях, однако, коннотативное значение национального названия настолько однозначно, что упоминание Подразумеваемого признака излишне и сравнение осуществляется без его употребления.

168 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
«как немец» (4) [...] на который у них купон , чтобы сэкономить десять центов. Не потому, что они экономные, как немцы, а потому, что у них реально нет этих десяти центов! [Огонек 2000/46] (5) Ну ты, как немец, - пунктуальный и точный. [Огонек: 2000/46] (6) Где вы наберете аккуратных, как немцы, работников? [Огонек: 2001/30]

169 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(7) Это одно из наших самоутешений: вот мы не такие рациональные, как немцы, зато добрые, душевные, глубокие, чувствительные. [Огонек: 2001/33] (8) Разделились Чехия со Словакией. Но эти, хоть и славяне, повели себя как немцы. Все посчитали, потом поделили. [Огонек: 2001/ 48] (9) [...] и очень боюсь, что наши тины скоро станут такими же дебилами, как немцы. [Огонек: 2001/38]

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«как француз» (10) [...] в Москве жил быстро вошедший в моду французский доктор, огромный ростом, красавец, любезный, как француз, и, как говорили все в Москве, врач необыкновенного искусства. [Толстой: Война и мир]

171 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(11) Я уже говорил тебе вчера , но ты все не понимаешь. Ламберт , ты - ребенок и глуп, как француз. [Достоевский: Подросток]

172 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
«как англичанин» (12) Роскошь нужна была там, за стеной, где президент Джозеф Макклоски, чопорный, как английский лорд , принимал особо важных персон. [Андрей Таманцев: Двойной капкан]

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«как итальянец» (13) Дугони, как все итальянцы, был очень романтичен, даже поэтичен. [Лопато: Волшебное зеркало воспоминаний 2002–2003] «как цыгане» (14) [...] покупал, как и все, на Серебряном и Золотом базарах мелкие сувениры у назойливых, как цыгане, торговцев. [Андрей Таманцев: Двойной капкан)

174 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Im Anschluss an Putnam haben in den 80er Jahren Linguisten die Brauchbarkeit von Stereotyp für eine exakte Bedeutungsbeschreibung von Lexemen überprüft. Es stand zunächst als Ziel fest, zu entscheiden, welche Begriffe überhaupt für den Stereotypbegriff taugen. Während Putnam noch

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den sprachphilosophischen Standpunkt vertrat, dass alle nicht-intensionalen Bedeutungskomponenten nicht-analytisch, da revidierbar sind, ist die linguistische Forschung davon überzeugt, dass die Bedeutung von Inhaltswörtern kein einheitliches semantisches Organisationsprinzip zulässt (vgl. Schwarze 1982; Viehweger 1990; Fanselow/Staudacher 1991).

176 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Bedeutungen setzen sich demnach aus stereotypen, begrifflich-notionalen, relationalen und wertenden Komponenten zusammen. In der wortbezogenen Semantikforschung kann man demnach folgende Klassifizierungen vorfinden:

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Klassifikation von Stereotypen (wortbezogen) nach Zybatow (1995:54) Stereotypen: D A C B

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A : Bedeutungsstereotyp: sie bestimmen den Inhalt der Ausdrücke für natürliche Arten und Artefakte: z. B. Wasser, Tasse, russ. vodá, čaška B : Assoziationsstereotypen: sie verbinden sich assoziativ mit Ausdrücken, die ein Kategoriemitglied bezeichnen, oft Vertreter sozialer Gruppen, Institutionen oder geografischer bzw. politischer Entitäten, aber auch natürlicher Arten und Artefakte: z.B. Deutscher, Ausländer, Russland, russ. cygan, intelligencija, ženščina, dom, mašina

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C: Interpretationsstereotyp: sie bestimmen die bevorzugte Lesart soziokultureller Begriffe. Z.B. Freiheit, svoboda, perestrojka, civilizacija D: Abbildungsstereotyp: sie bestimmen durch metaphorische Grundmuster geprägte stereotype Sichtweisen, z. B.: Evropa als obščeevropejskij dom, zemlja als mat‘

180 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
: Stereotypen und Kultbildung am Beispiel von Personenkult (Stalin – Hitler) (Plenum) Die vergleichende faschistisch-kommunistische Diktaturforschung hat durch die Kontroverse um das <<Schwarzbuch des Kommunismus>> (Courtois/Werth/Panné et al. 1998) einen neuen Auftrieb erhalten. Wie die Arbeiten von Daniel Weiss zum Propagandadiskurs in Stalinismus und Nationalsozialismus (Weiss 1998; 2000; 2000ab; 2003; 2006) zeigen, wird die Frage nach Sinn und Unsinn eines solchen Vergleichs heute intensiver denn je erörtert.

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Dabei stellt sich auch die Frage nach dem Beitrag der Stereotypenforschung (Weiss 2006) von neuem. Strittig ist dabei nicht nur das Ob, sondern auch das Wie eines solchen Vergleichs, insbesondere aber seine zeitliche und geographische Eingrenzung (kann etwa oder soll sogar das NS-System nur mit der stalinistischer Phase, mit der gesamten Sowjetgeschichte, mit jener anderer

182 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
sozialistischer Staaten (z. B. der DDR, oder gar wie im Schwarzbuch mit Volksrepublik China bzw. dem Roten Khmer in Bezug gesetzt werden?), die Anwendbarkeit des Totalitarismusbegriffs, die Gewichtung der personalistischen Komponente (Hitler vs. Stalin) oder aber des jeweiligen Herrschaftsapparats und der Einheitsparteien (NSdAP bzw. KPdSU), die Rolle des Führerkults, des Terrors, die Grenzen des Herrschaftsanspruchs usw. (Weiss 2003:309).

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An dieser Stelle sei auf den Stalinkult im Vergleich mit dem Hitlerkult kurz eingegangen. Wir stützen uns dabei vor allem auf die Arbeiten von Daniel Weiss (2000; 2000ab; 2003)! In der Porträtierung stimmt mit Hitler der meist militärisch schlichte Dress überein, der allerdings später (v. a. in der Phase des Generalissimus) weiß gehalten wird. Die Feldherrnattitüde ist auch Stalin nicht unbekannt, daneben figuriert er auf Plakaten als Lokführer oder als Kapitän des Staatsschiffs:

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Die Rolle des Planers und des Initiators gehört bei beiden ins Repertoire; während Hitler sich gerne vor Autobahnbauten und Architekturmodellen ablichten ließ, figurierte Stalin z. B. vor der Karte Südrusslands, auf der die großen Wasserkraftprojekte eingetragen waren, oder setzte seine Hand auf den Schalthebel bei der Einweihung eines Großkraftwerks.

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189 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Ein signifikanter Unterschied betrifft hingegen den Gesichtsausdruck: anders als der verbiesterte Hitler zeigt sich Stalin oft lächelnd entspannt, was noch akzentuiert wird durch das Attribut der Pfeife:

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Adolf Hitler bei seiner ersten Rundfunkrede

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Auch die Bergeinsamkeit ist nicht Stalins Ding, hingegen wacht er gerne als Personifizierung der bditel‘nost‘ „Wachsamkeit“ als einziger im Kremlstübchen über die Geschichte seiner schlafenden Nation, ein Motiv, das auch Eingang ins sowjetische Wiegenlied findet: „Za drevnej kremlevskoj stenoju / Ne spit on poroju nočnoju / V trude ne sčadit svoi sily / čtob v radosti ros ty / moj milyj“ (Zitat nach Weiss 2003:348)

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Der Flut an begleitenden Warenprodukten im Dritten Reich hatte der Stalinismus nichts Ebenbürtiges entgegenzusetzen. Hier nur einige Werbeprodukte:

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Seltener sieht man Stalin privat, anders als dies bei Hitler der Fall war:

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200 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Im verbalen Medium hingegen nähern sich die beiden Kulte einander wieder an, die Palme gebührt aber wohl Stalin. Stellvertretend für viele andere Textsorten sei hier auf den Mythenschatz der Stalinlieder (Ščerbinina 1998) hingewiesen: der vožd‘ ist der Aar aus den Bergen („Kak orel sredi orljat, / Samyj pervyj deputat“) )

201 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Er ist die Sonne („Za mostami ot zastavy / Vschodit solnyško vo mgle, / Vmesto s solncem vstanet rano / Stalin – solnyško v Kremle“), der geniale Lehrer, Vater- , aber auch Mutterersatz („Kak učit otec različat‘ dobro, / Tak na zastavljal terpelivo Stalin. / Kak mat‘ neustanno rastit synovej/, Rastiš‘ ty geroev na divo, Stalin.“)

202 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Der Name Stalin bedeutet nichts weniger als den Lebensquell: „Eto imja chranit nas ot gorja i bed“, „Esli ot gorja nečem dyšat‘, / Proiznesi tol‘ko slovo Stalin- / I k podvigam budeš‘ gotov opjat‘“) (vgl. Weiss 2003:348)

203 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Bei Hitler ist die Gartenflora und das Schöpfungsmythos (Schaffer und Schöpfer, Erhalter), bei Stalin die Metapher von dem mächtigen Lebensbaum belegt: „Er [Hitler] ist der Schaffer und Erhalter unseres herrlichen Deutschen Reichs, damit der Erhalter auch meines kleinen Stückchens Erde, meines Gartens. / Jede Blume, die hier blüht, blüht ihm zum Dank, jeder Apfel, der reift, reift ihm zum Dank.“ [H. G. Schulzendorf 1939, zitiert nach Weiss 2003:347)

204 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Vnedrjajas‘ v počvu pročnymi kornjami, / Sijaja blagodatnoju listvoj, / Nas osenjaja moščnymi vetvjami, / Ty – drevo žizni, Stalin, vožd‘ rodnoj… (zitiert nach Weiss 2003:349) Das höchste aller Gefühle besteht dann in der Kumulierung möglichst unterschiedlicher Rollen: Živi i slav‘sja, vožd‘ , otec narodov, - / Ty, stavšij nam bliže i rodnej, / Generalissimus proslavlennych pochodov, / Velikij Stalin – solnce našich dnej!

205 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Fügen wir zu dieser Blütenlese jetzt noch Helden aus dem Zaubermärchen und den edlen Recken aus der Byline, ob dessen Gebrüll der Feind schon die Waffen aus der Hand fallen lässt (vgl. Weiss 1998:474; Weiss 2003:349), so scheint insgesamt die Vermutung begründet, dass Stalins Rollenrepertoire um einiges reichhaltiger als jenes Hitlers ausfällt.

206 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Vor allem aber ist das Verhältnis der Untertanen zum Stalin, vožd‘ rodnoj… von einer weitaus wärmeren Emotionalität geprägt: die ausschlaggebenden Attribute lauten: blizkij, rodnoj, ljubimyj und sind alle noch steigerungsfähig: „On živet v našem serdce navek, / Samyj mudryj i samyj ljubimyj, / Samyj blizkij dlja nas čelovek!“ Solche Volksnähe bietet fürwahr einen extremen Kontrast zu dem vor den Massen in die Bergwelt entrückten Hitler!

207 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
„Wird nicht die Aufgabe des leitenden Staatsmannes … vielmehr nur in der Kunst gesehen, die Genialität seiner Entwürfe einer Hammelherde von Hohlköpfen verständlich zu machen, um dann deren gütige Zustimmung zu erbetteln?“ „…dass es ihm nicht gelingt, die Mehrheit eines durch mehr oder minder saubere Zufälle zusammen gebeulten Haufens für eine bestimmte Idee zu gewinnen?“

208 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
„Ist nicht jede geniale Tat auf dieser Welt der sichtbare Protest des Genies gegen die Trägheit der Masse?“ „Glaubt man aber, dass der Fortschritt dieser Welt etwa aus dem Gehirn von Mehrheiten stammt und nicht aus den Köpfen einzelner?“ [Mein Kampf, 85-87] (zitiert nach Weiss 2003:350)

209 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Daniel Weiss (2003) charakterisiert den entscheidenden Gegensatz zwischen dem Personenkult Hitlers und Stalins wie folgt: „Stalins Personenkult konnte dem kollektivistischen Prinzip zumindest verbal nicht völlig entraten, Hitlers Führerkult dagegen verrät einen durchgängig e l i t ä r e n Anspruch, die Massen waren für ihn nicht nur in der Praxis wie bei Stalin, sondern eben auch expressis verbis bloß eine geistig hoffnungslos unterlegene Manövriermasse, die er offen verachtete.“ (a. a. O.: 349)

210 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die kommunikativen Praktiken um den «Führer des Weltproletariats» lassen sich in indirekte (Symbole, Rituale, Inszenierungen) und direkte (Telegramme, Briefe, persönliche Begegnungen) teilen.

211 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Der Stalin-Kult wurde im sozialistischen Block vor allem Produkt der symbolischen Politik und einer inszenierten Kommunikation. Die Macht versuchte, jeden Menschen der offiziellen Gestalt Stalins ständig begegnen zu lassen: im Alltag bei der Arbeit und zu Hause, bei Partei- und Sportveranstaltungen, im Bereich des Verbrauchs und der Unterhaltung.

212 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die Gestalt Stalins wurde zum Symbol der Propaganda des Sozialismus, der neuen Gesellschaft und des neuen Menschen als deren Mitglied. Porträts auf Postkarten und Briefmarken, nach Stalin benannte und seine Darstellung tragende Straßen, Plätze und Städte, Schulen und Industriebetriebe translierten die herrschende Ideologie und bezogen den Menschen in ein auf den ersten Blick unsichtbares Spinngewebe der Interaktionen ein.

213 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation

214 "Stalin as an Organiser of the October Revolution" by Karp Trokhimenko ( ). Painted in the 1940s. It is an oil on canvas, of size 85 x 117 cm.

215 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
"Stalin as an Organiser of the October Revolution" was painted during World War II, when Josef Stalin was at the height of his power, and implementing his cult of personality. During the early years of the war, when the Soviet Union was being beaten back, people began to question Stalin's organisational and strategic skills. To both restore his own credibility and restore the morale of the nation, Stalin commissioned numerous portraits of himself as a young man organising the Bolsheviks, despite the fact that his role in the actual October Revolution was limited. Contrast "Roses for Stalin", which portrays him as a benevolent man who loves children.

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217 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Museum of Communism The Museum of Communism is situated on na Přikopé Street, just a block from Václavské náměstí (Wenceslas Square). There is a MacDonalds restaurant on the main floor and the Museum shares the second floor with another symbol of capitalism: a Casino. The entry hall includes life-size bronze statues of Karl Marx and Vladimir Lenin. One exhibit room contains objects from a 1950's machinist shop, an elementary school classroom, and some military equipment. Another room contains political propaganda posters from the 1950's and 1960's. Political cartoons at that time depicted Czech citizens as pawns in a global chess game.

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220 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die Grundlage der Verehrung war nicht so sehr der fanatische Glauben an Stalin wie vielmehr die Möglichkeit der Verwirtschaftung und Erhöhung des symbolischen Kapitals der Kommunikationsteilnehmer. Zum Beispiel wurden dem Adressaten die Verbesserung der Wohnverhältnisse, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Erhöhung des Niveaus von Bildung und Kultur, Erholung und Unterhaltung, Verbrauch und Versorgung versprochen. Auf diese Weise eröffnete die Kommunikation mit dem «Führer» einen illusorischen Weg zu den materiellen Wohltaten des Sozialismus.

221 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die Partei- und Staatsrituale und -feste konstruierten einen symbolischen kommunikativen Raum, dessen Ziel nicht nur die Manipulierung der Massen war, sondern auch ihre Heranziehung zur Mitbeteiligung und Mitarbeit am Aufbau der «neuen demokratischen Ordnung». Stalins Geburtstage (21. Dezember) und praktisch der ganze Zyklus der sowjetischen Feiertage (1. Mai, Tag des Sieges bzw. Tag der Befreiung, Internationaler Frauentag) dienten als Vorwand, Stalin in seinen verschiedenen mythologischen Erscheinungsformen zu präsentieren, und als Mittel, die Gesellschaft in den Zyklus des sozialistischen Lebens einzuschalten.

222 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Durch Teilnahme an Massenritualen erhielt der Mensch die Möglichkeit, seine Zugehörigkeit zum Sozium zu empfinden, der Ziele von Partei und Staat teilhaftig zu werden und die Begrenzung der individuellen Ressourcen durch Auflösung seiner Persönlichkeit im kollektiven Schicksal zu überwinden. Nicht von ungefähr war die Rhetorik der völligen Identifizierung der Bevölkerung mit dem «sowjetischen Führer» die am meisten verbreitete Variante der Herstellung der symbolischen Verbindung: «Stalin ist unser Führer!», «Dein Name ist in unserem Mund, dein Herz in unseren Herzen!»

223 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Eine Ergänzung zur psychotherapeutischen Wirkung der Herstellung der Identität mit der charismatischen Persönlichkeit waren die im Rahmen eines Rituals erlebbaren Emotionen von Begeisterung, Optimismus und Courage. Der Stalin-Mythos bot dem Verbraucher einen Satz von positiven Empfindungen an, nämlich: Er formierte das Gefühl der Dankbarkeit für die Befreiung von der faschistischen Gefahr, das Gefühl des Stolzes auf die Zugehörigkeit zum starken «Lager des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit», zur künftigen «Gesellschaft von Glück und Überfluss».

224 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
An zentraler Stelle stand die Anerziehung der Liebe zum Staat, zur Partei und zum «Führer». Einerseits gab das dem Individuum das Gefühl einer relativen Sicherheit dank der paternalistischen Bevormundung durch die Macht. Andererseits war die Manipulierung von kollektiven Emotionen für den Staat von Vorteil, denn er war direkt an der Mobilisierung der Gesellschaft und der Erfüllung der Wirtschaftspläne interessiert.

225 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Ein markantes Beispiel des kommunikativen Aktes der Unterstützung des Personenkultes war die groß angelegte Spendung von Geschenken zu Stalins Geburtstagen in der DDR. Die Propaganda servierte die Geschenke, die in ihrer Mehrheit in Moskauer Museen ausgestellt wurden, nicht anders als einen «Ausdruck der Liebe des ganzen Volkes» und einen anschaulichen Beweis für den Triumph der Ideen des Sozialismus.

226 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Das Gästebuch einer Ausstellung der Geschenke enthielt, wie die Direktorin der Ausstellung A. Tolstichina in einem der Berichte schrieb, «eine kolossale Anzahl von Eintragungen, worin die Besucher dem Genossen Stalin für das glückliche Leben danken». Und weiter: «Jede davon wendet sich unmittelbar an den großen Führer und Lehrer...». Mittels der Geschenke konnten die gesellschaftlichen Organisationen, Betriebe, einzelnen Menschen am Prozess der Mythologisierung, des Zelebrierens des Kultes teilnehmen und die eine oder andere Rolle der Figur Stalins unterstützen.

227 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Ausdruck der Unterstützung und Beweis der Integration des Mythos ins Bewusstsein der Massen war die Volkskunst: Malen von Gemälden, Schreiben von Gedichten, Liedern und Hymnen, Meißeln von Büsten. Die Übernahme von kollektiven und individuellen Verpflichtungen zu Stalins Geburtstagen und anlässlich anderer sozialistischer Feiertage, die Massencharakter trug, bestätigt ein übriges Mal die Funktion der sozialen Mobilisierung der Gesellschaft vermittels der Gestalt des «Führers».

228 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
LIED ÜBER STALIN Text: M. Injuschkin Musik: Ferencz Szabo Deutscher Text: Erich Weinert Es schwingt über Gipfel und Täler und Auen mit Schwingen des Adlers ein herrliches Lied. Das Lied über Stalin, dem alle vertrauen, zu dem wir in Liebe und Freundschaft erglühn. Wir lassen mit Stolz unser Sturmlied erklingen. Wir führen zum Siege den Stalinschen Plan. Wenn wir unser glückliches Leben besingen, wir wissen, mit wem wir das Tagwerk getan. Es schwingt über Gipfel und Täler und Auen, wo Flieger sich grüßen in Wolken und Wind, das Lied über Stalin, dem alle vertrauen, dem alle wir treu und verantwortlich sind.

229 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Als Kanäle der direkten Kommunikation dienten Briefe an den «Führer». In privaten Briefen an Stalin (Briefe mit Treuebekenntnissen, Beichtbriefe, Bittschreiben, Sühnebriefe, Briefe mit Dankesbezeigungen oder Denunziationen, Beschwerdebriefe, Fragebriefe) fand die Gesellschaft eine unter den Bedingungen der Diktatur seltene Chance, die eigenen Bedürfnisse, Vorstellungen von der Gegenwart und Zukunft zu artikulieren.

230 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die Bevölkerung unterstützte das Propagandabild des «Führers», weil sie darin die Möglichkeit sah, die eigenen Probleme zu lösen, die materiellen Bedürfnisse und persönlichen Ambitionen zu befriedigen, und eine Chance zu haben glaubte, auf sozialer Leiter aufzusteigen (Karriere, Privilegien, sozialer Status). Demnach lag der Kommunikation eine Symbiose von Irrationalem und Pragmatischem zugrunde. Quellen: Alexej Tichomirov, Pädagogische Universität, Jaroslav: Kulturgeschichte des Stalinismus. Stalinkult im Ostdeutschland: Transfer, Anpassungsstrategien und soziale Perzeption ( )

231 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Wie der totalitäre Diskurs und Argumentationsstil Stalins in den frühen Phasen ausgesehen haben, beweisen u. a. Antworten auf kritische Briefe aus den 30er Jahren. Ich zitiere hier nach der Internetausgabe seines Werks: "Stalin" Werke Band 13 BRIEF AN GENOSSEN SCHATUNOWSKI

232 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Genosse Schatunowski! An Ihren ersten Brief (über Liebknecht) erinnere ich mich nicht. Den zweiten Brief (über Kritik) habe ich gelesen. Natürlich ist Kritik notwendig und unerlässlich, jedoch unter einer Bedingung: Sie darf nicht fruchtlos sein. Leider kann man von Ihrer Kritik nicht sagen, dass sie fruchtbar wäre. Ich gehe nun auf die einzelnen Punkte Ihrer Kritik ein.

233 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
1. Es ist nicht richtig, dass vor der Revolution nur Kulaken Boden kauften. In Wirklichkeit kauften Boden sowohl Kulaken als auch Mittelbauern. Wenn man die Bauernwirtschaften, die Boden gekauft haben, nach sozialen Gruppen gliedert, so zeigt sich, dass auf die Mittelbauern eine größere Anzahl Wirtschaften entfällt als auf die Kulaken; betrachtet man die Sache jedoch unter dem Gesichtswinkel der Menge des gekauften Bodens, so liegt das Übergewicht auf Seiten der Kulaken. In meiner Rede [7] sprach ich natürlich von den Mittelbauern.

234 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
2. Die Bemerkung, dass diejenigen, die Torheiten begangen haben, auf die leninistischen Positionen zurückkehren sollen, drückt mit anderen Worten den Gedanken aus, dass sie sich von ihren Fehlern lossagen sollen. Ich denke, das ist klar und einleuchtend. Ihre „kritische“ Bemerkung hierzu ist geradezu ergötzlich.

235 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
3. Unrecht haben Sie auch, was die Verwendung von Roggen als Schweinefutter betrifft. Es handelt sich bei mir nicht darum, ob Roggen auch als Schweinefutter geeignet ist. Es handelt sich bei mir hinsichtlich des. Roggens um die Überproduktionskrise [8]. die eine Erweiterung der Anbauflächen für Roggen unvorteilhaft werden lässt und die Kapitalisten (wegen des Preisverhältnisses) veranlasst, den Roggen durch ein besonderes chemisches Verfahren zu verderben, so dass er nur noch zur Schweinemast taugt (derartiger Roggen ist für die menschliche Ernährung untauglich). Wie konnten Sie diese „Kleinigkeit“ übersehen?

236 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
4. Noch mehr im Unrecht sind Sie, wenn Sie behaupten, die Fäulnis des Kapitalismus schließe ein Wachstum des Kapitalismus aus. Lesen Sie Iljitschs „Imperialismus“ [9], und Sie werden begreifen, dass die Fäulnis des Kapitalismus in einzelnen Wirtschaftszweigen und Ländern ein ‘Wachstum des Kapitalismus in anderen Wirtschaftszweigen und Ländern nicht ausschließt, sondern voraussetzt. Wie konnten Sie diese „Kleinigkeit“ bei Lenin übersehen? Bitte kritisieren Sie, aber kritisieren Sie vom Leninschen Standpunkt aus, und nur von diesem Standpunkt, wenn Sie wollen, dass Ihre Kritik fruchtbar sei.

237 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
5. Sie haben ferner Unrecht, wenn Sie unser Land als ein Land „vom Typ kolonialer Länder“ bezeichnen. Kolonialländer sind im Wesentlichen vorkapitalistische Länder. Unser Land jedoch ist ein nachkapitalistisches Land. Die ersteren haben die Stufe des entwickelten Kapitalismus noch nicht erreicht. Das zweite ist über den entwickelten Kapitalismus hinausgewachsen. Das sind zwei grundsätzlich verschiedene Typen. Wie kann man diese „Kleinigkeit“ außer acht lassen, Genosse Kritiker?

238 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
6. Sie wundern sich darüber, dass nach Stalins Auffassung die neuen Wirtschaftskader in technischer Hinsicht erfahrener sein müssen als die alten [10]. Warum eigentlich? Stimmt es etwa nicht, dass sich unsere alten Wirtschaftskader in der Wiederherstellungsperiode herangebildet haben, in der Periode der Ausnutzung der alten Betriebe, die technisch rückständig waren und in denen man daher keine großen technischen Erfahrungen sammeln konnte? Stimmt es etwa nicht, dass die alten Wirtschaftskader in der Rekonstruktionsperiode, wo neue, moderne technische Anlagen in Betrieb genommen werden, völlig umlernen und dabei nicht selten den neuen, technisch geschulteren Kadern Platz machen müssen? Wollen Sie etwa bestreiten, dass die alten Wirtschaftskader, die sich in der Zeit der Ausnutzung und Inbetriebnahme der alten Betriebe herangebildet haben, nicht nur der neuen Technik, sondern auch unserm neuen Tempo oft geradezu hilflos gegenüberstehen?

239 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
7. Ich übergehe die übrigen Punkte Ihres Briefes, die geringfügiger und unwesentlicher, wenn auch nicht weniger fehlerhaft sind. 8. Sie sprechen von Ihrer „Ergebenheit“ mir gegenüber. Mag sein, dass Ihnen diese Worte nur zufällig entschlüpft sind. Mag sein... Sollten Ihnen aber diese Worte nicht zufällig entschlüpft sein, so würde ich Ihnen raten, das „Prinzip“ der Ergebenheit gegenüber Personen über Bord zu werfen. Das ist nicht bolschewistische Art. Seien Sie der Arbeiterklasse, ihrer Partei, ihrem Staat ergeben. Das ist notwendig und gut. Aber verwechseln Sie diese Ergebenheit nicht mit der Ergebenheit gegenüber Personen, mit diesem hohlen und unnützen intelligenzlerischen Phrasengeklingel. Mit kommunistischem Gruß J. Stalin

240 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
: Die Tiermetapher als Stereotyp (am Beispiel der Sowjetpropaganda)

241 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Definition der Metapher (allgemeine Vorbemerkungen): „Es gehört schon eine gehörige Portion Mut, um nicht zu sagen Leichtsinn, dazu, wenn man sich heute noch ohne längere Vorbereitungsstudien zum Problem der Metapher äußern will“ (Markiewicz 1983; zitiert nach Kosta 1987:485) (1) Metapher als Form ‚semantischer Anomalie‘ (Todorov 1966; Hörmann 1971; Stierle 1975) oder ‚semantische Inkompabilität‘ (Dubois et al. 1974) Semantische Anomalie bestimmt sich nach den Gebrauchsnormen der Lexeme in der sogenannten ‚Normalsprache.‘

242 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(3) Verstoß gegen die ‚normalsprachliche Isotopie‘ (4) Metapher = „Funktion eines Kontextes, der dadurch gesichert ist, dass er eine Erwartung erfüllt, die durch die pragmatischen Bedingungen einer Textart vorgegeben ist.“ (Stierle 1975:152; zitiert nach Kosta 1987:487)

243 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(5) Metaphorik als Gegensatz von pragmatischen (sachbezogenen) vs. poetischen (fiktionalen) Texten? (6) Dichtersprache = Polyfunktionalität: Das Zerbrechen des Sprachsystems selbst, nicht nur das Überschreiten der Sprachnorm zur vollen Ausschöpfung aller Kommunikationsmöglichkeiten, bedeute zugleich das Zerbrechen des Schemas der Kommunikation und damit die Aufhebung der Bedingungen, unter denen Metaphorik überhaupt möglich ist (Stierle 1975:184)

244 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(7) Je kühner sich eine Metapher gibt (Weinrich 1963), umso weiter entfernt sie sich von der derzeit gültigen Metaphernorm, die ja als Teil der Sprachnorm, nur eine begrenzte Zahl an Realisierungsmöglichkeiten eröffnet.

245 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Definition: Erscheinung der Bezeichnungsübertragung aufgrund von Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen den Denotaten der außersprach-lichen Wirklichkeit, infolgedessen es zu Bedeutungsübertragung von Primär- auf Sekundärsignifikat kommt. (Kosta 1987:488)

246 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Metapher und Vergleich: Metapher als verkürzter Vergleich (Quintilian) Metapher Vergleich Direkte Übertragung der Bedeutung keine Bedt.-Übertragung unterschiedliche Tiefenstrukturen Oberflächenausdrücke Einheit (monistisch) Dualität (dualistisch) verdichtet-synthetisch erklärend-analytisch ambivalent (ambig) univok (unisemisch) + semantisch anomal semantisch anomal

247 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
: Erforschung der sowjetische Propagandasprache und die Zoolinguistik (Weiss 1986; 1998a; 2000; 2006)

248 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Untersucht wurde: (1) das Lexikon der natürlichen Sprache Russisch, in dem die dem so genannten naiven Weltbild des Durchschnittssprechers zugehörigen Begriffe wie Wolf, Hund, Hai, Adler mitsamt ihren Konnotationen, wertenden Komponenten, ihrer Polysemie (wörtliche vs. metaphorische bzw. metonymische Bedeutung), den entsprechenden Phrasemen und eventuell vorhandenen Synonymen, Hyperonymen u.ä. verankert sind, (2) der kulturspezifische Fundus

249 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(z.B. über Sprichwörter oder literarische Zitate), der weitere tierische Stereotype beisteuert, und (3) die spezifisch propagandistische Umwertung bestimmter Tiersymbole in Wort und Bild. Kaum eine Rolle spielte das zoologische Fachwissen, eben sowenig wie die Fachsprachen der Jäger, Fischer, Imker, Viehzüchter etc.

250 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Tiermotive (Parameter): Ontologischer Status: real existierende vs. fiktive Tiergattungen Oberkategorien: Land Vierbeiner: životnye. zveri Kriechtiere u. ä. : gady Wasser Fische u. ä. Luft Vögel u. ä.

251 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Beziehungen zum Menschen: Wild vs. zahm (Haustier) Nutztier vs. Schädling Emotional, z. B. Bewunderung vs. Verachtung Rührung vs. Ekel Hoffnung vs. Furcht

252 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Beziehung zu anderen Tieren Raub- vs. Beutetier Semantik: wörtliche vs. figurative Bedeutung Konnotationen: Basis Alltagserfahrung Volks- und Aberglaube antike oder christliche kulturelle Tradition

253 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Lexikon vs. Text freie vs. gebundene phraseologische Fügung ± literarische Tradition Textuelle Funktion Referenz vs. Prädikation (nominal vs. verbal) individuelle vs. generische Referenz Vergleich vs. Metapher

254 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Nonverbale Kodierung (Kodes): Heraldik (Wappen, Fahnen, Flaggen, etc.) Bilder und Plakate Horizontal (links vs. rechts) Vertikal (oben vs. unten)

255 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Politische Axiologie Freund „wir/die Eigenen“ (my, svoi) (good guys) vs. Feind (oni/drugie) „die anderen“ (bad guys) Schemata Konstant vs. singulär

256 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
In der Sprache der sowjetischen kommunistischen Propaganda springt sofort eine fundamentale Asymmetrie ins Auge: Auf der einen Seite der svoi bzw. der „Eigenen“ sind nur gerade Adler (als Stalins persönliches Sinnbild) und Falke (als Logo der stalinskie sokoly, d. h. der Piloten der sowjetischen Luftwaffe) vertreten.

257 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Demgegenüber ist das Bestiarium der gegnerischen Seite mit einer Vielzahl von figurativ zu interpretierenden Bewohnern bestückt, die allen erdenklichen Biotopen entstammen und sowohl Haus- als auch Wildtiere umfassen: Zveri: volk, tigr, obezjana Domašnie životnye: pes/sobaka, svin‘ja, kurica, dojnaja korova, ovca, Kriechtiere, Schädlinge, Ungeziefer (vrednye nasekomye): zmeja, krysa, pauk, truten‘ (Drohne, Faullenzer) voš‘, klop (Wanze), blocha, mucha … Ryby: akula (Haifisch), sprut (Krake) Pticy: stervjatnik (Aasgeier)

258 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
An fiktiven Bestien steuert die frühe Sowjetpropaganda zumindest den Drachen (zmej) und die Hydra bei, später (v. a. in der Zeit des 2. Weltkriegs) die erwähnten Humanoiden, hauptsächlich mit Beimengung von Primaten und Schweinen; der Hitlerkopf wurde aber auch mit Pferden, Schlangen und Kühen gekreuzt. Unter den Hyperonymen des naiven Weltbilds sind zumindest die folgenden nachgewiesen: chiščnik (Raubtier), zver‘, gad(ina) (Reptil, gemeiner Mensch), nečist‘ (Teufelspakt).

259 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Hyponyme: Affen – martyška (Meerkatze) Hund – mos‘ka Axiologie: neben der wertenden Bedeutung kennen auch viele Tiermetaphern ihre wertneutrale Bedeutung, v. a. in Vergleichen, so das Pferd als Zugtier und Fortbewegungsmittel; allgemein sind wörtlich interpretierte Nutztiere als Gegenstand etwa der Reden Chruščevs noch nicht axiologisch gepolt.

260 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Ferner sind gewisse Tiere insofern mittelbar der Gegenseite zugeordnet, als sie metonymisch auf Tod und Untergang des Feindes verweisen, so z. B. der Rabe und die schwarze Katze als Begleiter von Unheil, Andererseits wird der Glaube an solche tierischen Vorzeichen in der frühen Propaganda eher als Zeichen der mentalen Rückständigkeit gegeißelt. Die Katze taucht auch als Objekt tierquälerischer Neigungen junger Deutscher auf, vgl. : „Šalovliv byl junyj Fric, Rezal košek, vešal ptic“ „Unartig war der junge Fritz, er schlachtete Katzen und hängte Vögel auf“

261 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Das Tierquälerei-Motiv kann allerdings auch gerade gegenläufig eingesetzt werden, vgl. Abb. 1: Hitlers Vegetariertum und Abneigung gegen Tierquälerei („mne zarezannych oveček / I baraškov očen‘ žal‘“) mit seinen menschenschlächterischen Neigungen („ne nužna mne krov‘oveč‘ja, a nužna mne čeloveč‘ja!“) kontrastiert (zum Menschenfresser-Motiv in der Sowjetpropaganda vgl. Weiss 2000:251; Weiss 2006:431)

262 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Tiermetaphern – Nutztiere Tiermetaphern – wilde Tiere und Raubtiere Tiermetaphern – Kriechtiere, Insekten

263 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Konnotationen: siehe Bild Treue Hund Arglist Schlange Weisheit – Eule (West-/Mitteleuropa, nicht Russland) Diebische Elster Raubgier Raubkatze (Panther, Puma?) Elternliebe Pelikan (?)

264 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Korova ‚Kuh‘ – direkte Bedeutung ‚Fleisch-, Milchlieferant‘ (1) Ot každoj korovy nadoeno po 3112 kilogrammov moloka, togda kak v srednem po kolchozam i sovchozam respubliki nadoj moloka sostavil 1520 kilogrammov. Konečno, armjanskie rukovoditeli mogut skazat‘: sejčas 1520 kilogrammov, a sem‘ let tomu nazad v srednem udoi byli vsego po 300 kilogrammov ot korovy, a emu vse malo (Oživlenie v zale) Da, malo! Ne mne malo, vam malo, potomu čto rastet respublika, rastet ee chozjajstvo, rastut ee ekonomika, kul‘tura, rastut petrebnosti naroda. (Aplovdismenty) To, čto bylo sdelano za sem‘ let, za eto blagodarili. Za poslednie gody my uveličili proizvodstvo produktov životnovodstva v 2 – 3 raza i vyše. (Kommunizm – mir v sčast‘e narodov 1, 91) [zitiert nach Weiss 2006:432f.]

265 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Schwein – metaphorische Bedeutung ‚Feind‘ (2) Pod rukovodstvom mužestvennogo patriota i revoljucionera Fidelja Kastro kubincy bystro razgromili amerikanskich naemnikov, sbrosili ix v zaliv Kočinos, čto po-russki označaet „Zaliv svinej“. Tuda im i doroga! (Smex v zale. Burnye aplovdismenty) (Kommunizm – mir i sčast‘e 2:24) [zitiert nach Weiss 2006:436]

266 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
(3) Esli oni posmejut sunut svoi svinye ryla v naš sovetskij ogorod (1951, zitiert nach Weiss, a.a.O.) (4) V rečach našich voždej neizmenno zvučalo, čto my gotovy dostojno vstretit’ vraga, otvetit’ udarom na udar, pust’ tol’ko posmeet „sunut svinoe rylo v naš sovetskij ogorod“. Nas ubeždali, čto vrag budet razgromlen na svoej territorii. (

267 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
: Erving Goffman: Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation Techniken der Imagepflege (S )

268 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Verhaltensstrategie Image 'Der Terminus Image kann als der positive soziale Wert definiert werden, den man für sich durch die Verhaltensstrategie erwirbt, von der die anderen annehmen, man verfolge sie in einer bestimmten Interaktion. Image ist ein in Termini sozial anerkannter Eigenschaften umschriebenes Selbstbild - ein Bild, das die anderen übernehmen können.' (S. 10) falsches Image gar kein Image Selbstachtung

269 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
'Ein Aspekt des Regelsystems jeder sozialen Gruppe besteht in dem Konsens darüber, wie weit jemand gehen sollte, um sein Image zu wahren. Hat jemand erst einmal eine Vorstellung seiner selbst, die durch sein Image zum Ausdruck gebracht wird, angenommen, dann wird von ihm erwartet, dass er auch danach lebt.' (S. 14)

270 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Rücksichtnahme 'So wie vom Mitglied jeder Gruppe erwartet wird, Selbstachtung zu zeigen, so wird von ihm erwartet, einen bestimmten Standard von Rücksichtnahme aufrecht zu erhalten; man erwartet von ihm, dass er sich bis zu einem gewissen Grad bemüht, die Gefühle und das Image anderer Anwesender zu schonen, und zwar freiwillig und spontan auf Grund emotionaler Identifikation mit den anderen und ihren Gefühlen.' (S. 15)

271 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
gegenseitige Anerkennung von Verhaltensstrategien 'Die doppelte Wirkung der Regeln von Selbstachtung und Rücksichtnahme besteht darin, dass jemand sich bei einer Begegnung tendenziell so verhält, dass er beides wahrt: sein eigenes Image und das der anderen Interaktionspartner.

272 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
D.h., dass die von jedem Teilnehmer eingeschlagene Strategie sich meist durchsetzen und jeder Interaktionsteilnehmer die Rolle übernehmen darf, die er für sich selbst gewählt zu haben scheint. Ein Zustand, wo jeder temporär die Verhaltensstrategie jedes anderen akzeptiert, ist erreicht. Diese Art gegenseitiger Anerkennung scheint ein grundlegendes strukturelles Merkmal von Interaktion zu sein, besonders der Interaktion von direkten Gesprächen.' (S. 17)

273 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Techniken der Imagepflege 'Mit Techniken der Imagepflege möchte ich Handlungen bezeichnen, die vorgenommen werden, um all das, was man tut, in Übereinstimmung mit seinem Image zu bringen. Techniken der Imagepflege dienen dazu, "Zwischenfällen” entgegenzuarbeiten - das sind Ereignisse, deren effektive, symbolische Implikationen das Image bedrohen.' (S. 18)

274 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
charakteristische Repertoires an Praktiken zur Wahrung des Images von Menschen, Subkulturen, und Gesellschaften defensive Orientierung (im Hinblick auf die Wahrung des eigenen Images) vs. protektive Orientierung (im Hinblick auf die Wahrung des Images anderer) drei Typen von Bedrohungen des Images argloses Handeln boshaftes, gehässiges Handeln zufällige Beleidigungen

275 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die grundlegenden Arten der Techniken der Imagepflege Der Vermeidungsprozess Vorbeugung von Zwischenfällen defensive Manöver vs. protektive Manöver Nichtbeachtung von Zwischenfällen Verheimlichung von Zwischenfällen

276 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Der Korrektive Prozess 'Wenn die Interaktionsteilnehmer dem Auftreten eines Ereignisses, das expressiv unvereinbar mit gültigen sozialen Werturteilen ist, nicht vorbeugen können, und wenn das Ereignis schwerlich zu übersehen ist, dann werden sie ihm wahrscheinlich den anerkannten Status eines Zwischenfalls zugestehen, um diesen als eine Bedrohung zu ratifizieren, die direkte öffentliche Aufmerksamkeit verlangt. Dann gehen sie dazu über, die Wirkung des Zwischenfalls zu korrigieren. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich ein oder mehrere Beteiligte in einem Zustand rituellen Ungleichgewichts oder einem Zustand der Missachtung, und es muss nun der Versuch gemacht werden, einen befriedigenden rituellen Status wiederherzustellen.' (S. 24 f.)

277 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Ausgleichshandlung Wiederherstellung des rituellen Gleichgewichts Phasen des Korrektiven Prozesses → Modell interpersonellen, rituellen Verhaltens Herausforderung Angebot (einer Neudefinition der Handlung/ einer Entschädigung/ einer Selbstbestrafung) Akzeptieren Dank Abweichungen vom Modell Emotionen als Handlungsschritte

278 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Pluspunkte sammeln - die aggressive Verwendung von Techniken der Imagepflege Aggressive Ausgleichshandlungen 'Handhabt jemand die Techniken der Imagepflege nicht so, dass er sich auf ihre Ausführung vorbereitet, sondern rechnet er damit, dass die anderen sie ausführen oder annehmen, dann wird eine Begegnung oder ein Unternehmen weniger eine Szene gegenseitiger Rücksichtnahme sein als eine Arena von Wettkämpfen oder Spielen. Das Ziel des Spiels ist, die Strategie eines jeden vor einem unentschuldbaren Widerspruch zu bewahren, wobei man freilich möglichst viele Minuspunkte für seinen Widersacher sammelt und möglichst viele Pluspunkte für sich selbst.' (S. 30 f.)

279 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
"Spitzzüngigkeit” 'In aggressiven Ausgleichshandlungen glückt es dem Gewinner nicht nur, günstige Informationen über sich und ungünstige über andere anzubringen, sondern er demonstriert zugleich, dass er mit sich als Interagierendem besser umgehen kann als seine Gegner.' (S. 31) Gegenschläge und Erwiderungen

280 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die Wahl angemessener Techniken zur Imagepflege 'Bei einem Zwischenfall kann derjenige, dessen Image bedroht ist, versuchen, die rituelle Ordnung mit einer bestimmten Strategie wieder aufzurichten, während die anderen Interaktionspartner eine andere Technik wünschen, oder erwarten können.' (S. 32)

281 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Kooperation in den Techniken der Imagepflege 'Ist ein Image bedroht worden, müssen Techniken der Imagepflege angewendet werden; aber ob dies nun in erster Linie von demjenigen initiiert und durchgeführt wird, dessen Image bedroht worden ist, oder vom Täter oder einfach von einem Zeugen, ist oft von zweitrangiger Bedeutung. [...] Da jeder Interaktionsteilnehmer, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, bemüht ist, sein Image und das der anderen zu wahren, entsteht wie selbstverständlich eine stillschweigende Kooperation, so dass alle Interaktionspartner ihre gemeinsamen, aber unterschiedlich motivierten Ziele erreichen können.' (S. 34 f.)

282 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
A. Takt hinsichtlich der Technik der Imagepflege 'Man verteidigt nicht nur sein eigenes Image und schützt das Image anderer, sondern handelt so, um es den anderen möglich und sogar leicht zu machen, Techniken der Imagepflege für alle Anwesenden anzuwenden. Man hilft ihnen, damit sie sich und einem selbst helfen.' (S. 36)

283 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
B. gegenseitige Selbstverleugnung 'Oft hat jemand keine klare Vorstellung von einer richtigen oder annehmbaren Verteilung von Beurteilungen während der Interaktion, und damit beraubt oder entwertet er sich freiwillig, während er gegenüber den anderen nachsichtig und schmeichelhaft ist. In beiden Fällen geht er in seinen Beurteilungen über das hinaus, was gerade richtig ist. Günstige Beurteilungen lässt er sich von anderen geben, ungünstige über sich selbst sind sein eigener Beitrag.' (S. 37)

284 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
'Verwendet jemand Techniken der Imagepflege, verbunden mit stillschweigender Zustimmung, anderen dabei zu helfen, die ihren zu gebrauchen, zeigt er seine Bereitschaft, an den Grundregeln sozialer Interaktion festzuhalten. Hierin liegt das Kennzeichen seiner Sozialisation als Interagierender.' (S. 37)

285 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die rituellen Rollen des Selbst Doppelte Definition des Selbst das Selbst als ein Image vs. das Selbst als ein Spieler Ritueller Kodex, Beziehung der beiden rituellen Rollen zueinander

286 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Sprachliche Interaktion konventionelle Organisation sprachlicher Interaktion 'Immer wenn die konkrete Möglichkeit sprachlicher Interaktion auftaucht, kommt offensichtlich ein System von Praktiken, Konventionen und Verfahrensregeln ins Spiel, das als ein Mittel fungiert, den Verlauf der Mitteilungen zu regeln und zu organisieren.' (S. 40)

287 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
'Die Konventionen, die die Struktur von Gesprächssituationen betreffen, stellen eine wirksame Lösung des Problems der Organisation der Anzahl sprachlicher Mitteilungen dar. Will man herausfinden, wie diese Konventionen als Leitfaden der Handlung aufrechterhalten werden, findet man Hinweise dafür, die eine funktionale Beziehung zwischen der Struktur des Selbst und der Struktur sprachlicher Interaktion vermuten lassen.' (S. 43)

288 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Wahrung des Images → Aufrechterhaltung der Interaktion 'Der sozialisierte Interagierende wird sprachliche Interaktionen wie jede andere behandeln, wie etwas, das mit ritueller Sorgfalt vermieden werden muss. Durch zwangsläufiges Appellieren an das Image weiß er deshalb, wie er sich selbst im Gespräch zu verhalten hat. Er stellt sich wiederholt und zwangsläufig die Frage,: "Wenn ich in dieser Weise handele oder nicht, werden dann ich oder andere das Image verlieren?”, und entscheidet so in jedem Moment, bewusst oder unbewusst, wie er sich zu verhalten hat.' (S. 43)

289 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
A) Eintritt in ein Gespräch B) Gesprächszustand (Gefahr von unpassenden Pausen, Unterbrechungen und Unaufmerksamkeiten) Aufrechterhaltung einer oberflächlichen Übereinstimmung

290 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
C) Ausstieg aus einem Gespräch 'Im allgemeinen bestimmt man selbst, wie man sich während einer Gesprächssituation zu verhalten hat, indem man die potentiell symbolische Bedeutung seiner Handlungen an den vorhandenen Selbstbildern testet. Dadurch unterwirft man sein Verhalten beiläufig der herrschenden expressiven Ordnung und trägt zum richtigen Ablauf der Mitteilungen bei. Das Ziel ist, sein Image zu wahren, und die Folge davon ist, die Situation zu wahren. Vom Standpunkt der Wahrung des Images aus gesehen, ist es gut, dass sprachliche Interaktion ihre gegebene konventionelle Organisation besitzt. Vom Standpunkt der Aufrechterhaltung eines ordentlichen Ablaufs von Mitteilungen aus gesehen, ist es gut, dass das Selbst eine bestimmte rituelle Struktur besitzt.' (S. 46)

291 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
'Der rituelle Kodex selbst erfordert Feingefühl und kann leicht von jedem, der ihn zu eifrig oder nicht eifrig genug einhält, aus dem Gleichgewicht gebracht werden, gemessen an den Standards und den Erwartungen seiner Gruppe.' (S. 47) 'Trotz dieser der Organisation des Gesprächs inhärenten "Pathologien” ist die funktionale Entsprechung zwischen dem sozialisierten Individuum und sprachlicher Interaktion eine lebensfähige und praktikable. Die Orientierung eines Menschen am Image, besonders am eigenen, ist der Punkt, wo die rituelle Ordnung Einfluss auf ihn hat, außerdem ist gerade in die Gesprächsstruktur das Versprechen eingebaut, rituelle Sorge für sein Image zu tragen.' (S. 48)

292 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Image und soziale Beziehung 'Wenn jemand eine mittelbare oder unmittelbare Begegnung beginnt, dann steht er in irgendeiner Art von Sozialbeziehung zu den anderen Beteiligten, und er erwartet, nach Beendigung dieser Begegnung in einer bestimmten Beziehung zu ihnen zu stehen. Dies ist natürlich eine Art, in der soziale Kontakte auf die Umwelt übergreifen. Ein Grossteil der Aktivität während einer Begegnung kann als die Bemühung eines jeden verstanden werden, die Situation und alle nicht antizipierten und nicht intendierten Ereignisse, die die Interaktionsteilnehmer in ein schlechtes Licht setzen könnten, zu bewältigen, ohne die Beziehungen der Teilnehmer zu stören.' (S. 48)

293 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
'Es scheint eine wesentliche Verpflichtung vieler Sozialbeziehungen zu sein, dass jedes der Mitglieder die Garantie liefert, in einer gegebenen Situation ein vorhandenes Image für die anderen Teilnehmer zu unterstützen. Um Störungen dieser Beziehungen zu verhindern, muss jeder Teilnehmer die Beschädigung des Images anderer vermeiden. Gleichzeitig veranlasst gerade die Sozialbeziehung zu anderen jemanden dazu, an bestimmten Begegnungen mit ihnen teilzunehmen, wo er zufällig in ihre Abhängigkeit geraten kann, um sein Image wahren zu können.

294 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Darüber hinaus werden in vielen Beziehungen die Teilnehmer dazu kommen, ein gemeinsames Image zu haben, so dass in Anwesenheit dritter eine unpassende Handlung eines Teilnehmers Ursache akuter Verwirrung der anderen wird. Eine Sozialbeziehung kann also als ein Weg betrachtet werden, wie man mehr als gewöhnlich gezwungen wird, seinem Selbstbild zu vertrauen und dem Takt und dem guten Benehmen anderer zu begegnen.' (S. 49 f.)

295 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die Natur der rituellen Ordnung rituelle Ordnung (Image) vs. andere Arten sozialer Ordnung (Gerechtigkeit) universelle menschliche Natur und Gesellschaft Ritual als Mittel der Gesellschaft, ihre Mitglieder dazu zu bringen, selbstregulierend an sozialen Begegnungen teilzunehmen

296 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Excerpt Collins, Randall: Theoretical Continuities in Goffman’s Work. In: Drew, P./ Wootton, A. (Ed.): Erving Goffman. Exploring the Interaction Order. Oxford S

297 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Zusammenfassung: Zitate: ''=GOFFMAN; "”=COLLINS "His [Goffman's] intellectual lineage is usually assumed to be symbolic integrationists. [...] It was natural to assume that Goffman was merely continuing the themes of Mead, Thomas and Blumer. [...] Goffman was in fact an enemy of any glib processualism or reality constructionism in everyday life. He always asserted the primacy of structural constraints, and one might say that his originality was to push this social determination down to the micro level as far as it could go, even willing to dissolve the self in the face of the structured situation. [...] I am asserting that the deepest layer in Goffman's works, his core intellectual vision, is a continuation of the Durkheimian tradition.”

298 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
GOFFMAN´S EARLY DURKHEIMIANISM Durkheimian tradition: Social reality is at its core a moral reality. Society is held together by feelings of right and wrong, emotional sentiments that impel people towards certain action , and into righteous revulsion against certain others. → The mechanism by which these moral sentiments are produced and shaped into specific social forms is the ritual.

299 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Ritual 1. face to face assemblance of the group 2. mutual focus of consciousness (arbitrary) 3. common emotional mood (arbitrary) 4. intensification "I would suggest that both (2), the mutual focus of consciousness and (3), the common emotion, feed back upon themselves and upon each other, so that a successful ritual progresses over time to become a kind of socially induced trance as well as an encompassing emotion.” 5. production of moral sentiments in the participants

300 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
"The consequences of such ritual interactions are to shape the subsequent behaviour, thought and feelings of those, who take part in them. The social pressure which exists in its most intense form during a ritual is impressed upon the consciousness and the emotions of the individual. Rituals thus produce (and reproduce) moral sentiments in individuals. Whatever the content of the ritual, arbitrary though it may have been initially, it becomes a symbol of the experience in which it originated.

301 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
It carries a charge of emotional energy and a sense of the interpenetrating consciousness that was manifested in the mutually aware focus of attention during the ritual. The physical and mental world, in short, becomes populated with objects that symbolize society. Internalized and carried around in the minds of individuals, these symbols become the steering mechanisms by which people recognize co-members. By means of these symbols people feel where to gravitate for support, where are the centres of power they must respect. On the negative side, they recognize the boundaries of their groups by the lack of respect for their own sacred symbols; and they feel the impulse to punish deviants within their groups who demean them symbolically.”

302 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Interaction Ritual and the Cult of the Self "For Goffman, the self is not so much a private, individual attribute, as a public reality, created by and having its primary existence in public interaction.” On face work: an analysis of ritual elements in social interaction, 1955 The nature of deference and demeanour, 1956 Durkheim’s theory of the soul 'face work' in conversation

303 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
ritual codes require individuals to maintain a consistent face and also to help others in maintaining their own faces (ritual co-operation) "Interaction is a process of exchange between ritually enacted selves. Each person defers [defer: sich fügen, nachgeben, sich beugen] to the other's demeanour [demeanour: Benehmen, Verhalten, Haltung] self, and in return receives deference [deference: (1) Ehrerbietung, Achtung; (2) Nachgiebigkeit, Rücksich(nahme)] which helps them to uphold their own demeanour. One's personal self is partly based on other's reactions via deference to one's demeanour. Each individual relies on others to complete one's picture of one's self.”

304 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Das nächste Mal werden wir das Kapitel Über Ehrerbietung und Benehmen (S ) aus Erving Goffman „Interaktionsrituale“ behandeln! In diesem Zusammenhang wird auch die Höflichkeitstheorie von Brown/Levinson (Brown, P. & Levinson, S. (1987). Politeness: Some universals in language usage. Cambridge: Cambridge University Press.) sowie Goffman, E. (1967). ‘On facework: an analysis of ritual elements in social interaction’, in Jaworski, A.,and Coupland, N. (eds.) The Discourse Reader, London, Roterledge, pp sowie Mills, S. (2003). Gender and politeness. Cambridge: Cambridge University Press. Behandelt.

305 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
: 1. Über Ehrerbietung und Benehmen (S ) aus Erving Goffman „Interaktionsrituale“

306 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Über Ehrerbietung und Benehmen (S ) Durkheim (54): The Elementary Forms of the Religious Life Persönlichkeit des Individuums als eine Verteilung des kollektiven Mannas Riten gegenüber dem Individuum selbst "Heiligkeit” des Individuums, die in symbolischen Handlungen entfaltet und bestätigt wird Ehrerbietung und Benehmen

307 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Einleitung Verhaltensregeln Regelverletzungen Wirkung von Verhaltensregeln auf das Individuum als Verpflichtungen, die das Verhalten des Individuums selbst erzwingen als Erwartungen, die das Verhalten dem Individuum gegenüber moralisch verpflichtend festlegen erwünschte Verhaltensregeln (Rechte, Privilegien) vs. unerwünschte Verhaltensregeln

308 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Verhaltensregeln ↔ Selbstbild 'Hält jemand eine bestimmte Regel aufrecht, dann wird er vermutlich an ein bestimmtes Selbstbild gebunden. Hinsichtlich seiner Verpflichtungen wird er für sich und andere zu jemandem, der dieser bestimmten Regel folgt und von dem man selbstverständlich erwartet, dass er entsprechend handelt. Hinsichtlich seiner Erwartungen nimmt er an, dass andere ihre Verpflichtungen ihm gegenüber genau erfüllen, denn ihr Verhalten drückt eine bestimmte Vorstellung von ihm aus.' (S. 58)

309 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
'Im allgemeinen finden wir also, wenn eine Verhaltensregel gebrochen wird, zwei Leute, die Gefahr laufen, diskreditiert zu werden: den einen mit einer Verpflichtung, der sich von der Regel hätte leiten lassen müssen, den anderen mit einer Erwartung, der in einer bestimmten Weise hätte behandelt werden sollen. Beide, Handelnder und Empfänger, sind bedroht.' (S. 58)

310 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Verhaltensregeln ↔ Kommunikation 'So verwandeln Verhaltensregeln Tätigkeit wie Untätigkeit in Ausdruck, und gleichgültig, ob man an den Regeln festhält oder ob man sie bricht, es wird sicher etwas Bedeutsames zum Ausdruck gebracht.' (S. 59) Teilnehmerstatus wir verstehen, dass er in gewisser Hinsicht an ihnen nicht als ganze Person teilnimmt, sondern eher in Bezug auf spezielle Eigenschaften oder einen bestimmten Status, kurz: in Bezug auf ein spezielles Selbst.' (S. 59) symmetrische Verhaltensregeln vs. asymmetrische Verhaltensregeln

311 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Unterscheidung zwischen Substanz und Zeremonie 'Eine inhaltliche Regel bestimmt das Verhalten gegenüber Dingen, die an und für sich schon Bedeutung haben, und zwar unabhängig von der Bedeutung, die die Verletzung oder Aufrechterhaltung für das Selbst der engagierten Individuen hat.' (S. 60 f.) 'Eine zeremonielle Regel bestimmt das Verhalten gegenüber Dingen, die für sekundär oder bedeutungslos gehalten werden, deren hauptsächliche Bedeutung aber jedenfalls offiziell ein konventionalisiertes Mittel der Kommunikation ist, durch das man seinen Charakter zum Ausdruck bringt oder seine Einschätzung anderer Teilnehmer in der Situation übermittelt.' (S. 61)

312 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
inhaltlicher Kodex (Recht, Moral, Ethik) vs. zeremonieller Kodex (Etiquette) inhaltliche Handlungsfunktionen vs. zeremoniellen Handlungsfunktionen zeremonielles Idiom 'Alle Symbole, die von einer bestimmten sozialen Gruppe fuer zeremonielle Zwecke verwendet werden, kann man als ihr zeremonielles Idiom bezeichnen.' (S. 63) Ehrerbietung und Benehmen als Komponenten zeremonieller Handlungen

313 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Ehrerbietung 'Mit Ehrerbietung soll die Handlungskomponente bezeichnet werden, durch die symbolisch die Wertschätzung des Empfängers dem Empfänger regelmäßig übermittelt wird oder die Wertschätzung dessen, wofür dieser Empfänger als Symbol oder Repräsentant gilt.' (S. 64)

314 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
"Statusrituale”, "interpersonelle Rituale” 'Jemand kann sich Ehrerbietung wünschen, sie erwerben und verdienen, aber im allgemeinen darf er sie sich nicht selbst erweisen, sondern ist gezwungen, sie von anderen zu erstreben. Wenn er wünscht, dass sie ihm von anderen entgegengebracht wird, dann ist er besonders motiviert, mit anderen in Kontakt zu treten. Dadurch bekommt die Gesellschaft eine zusätzliche Garantie, dass ihre Mitglieder miteinander interagieren und in Beziehung treten können.' (S. 65)

315 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Elemente der Ehrerbietung Gefühl der Achtung des Handelnden vor dem Empfänger Versprechen des Handelnden, den Empfänger bei der nächsten Begegnung entsprechend zu behandeln

316 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
'Im Folgenden müssen wir immer im Auge behalten, dass ehrerbietiges Verhalten sehr oft nicht allein Ausdruck einer einzigen Beziehung zweier Individuen auf Grund eines einzigen Eigenschaftspaares ist, sondern eine Vielzahl von Ausdrucksweisen, die den verschiedenen Beziehungen zwischen Handelndem und Empfänger entsprechen, von denen keine ausschließlich und dauernd zeremonielles Verhalten determinieren kann.' (S. 70)

317 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Vermeidungsrituale (avoidance rituals) ← negative Riten (nach Durkheim) 'Der Begriff Vermeidungsrituale kann in Bezug auf Formen der Ehrerbietung gebraucht werden, die der Handelnde anwendet, um vom Empfänger Distanz zu wahren, damit die Sphäre nicht verletzt wird, die den Empfänger umgibt und die Simmel [Georg Simmel: Psychologie der Diskretion. 1906] die "ideelle Sphäre” nennt [...]” (S. 70)

318 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Vertrautheit vs. Nichtvertrautheit, Respekt zeremonieller Distanz Û andere Arten sozialer Distanz Regeln für die Einhaltung von Distanz Regelverletzungen

319 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
ehrerbietige Zurückhaltung vs. selbstschützende Zurückhaltung 'Es scheint allgemein so zu sein, dass man eine Person hohen Rangs aus Ehrerbietung meidet, eine Person niedrigeren Rangs dagegen aus selbstschützendem Interesse. Vielleicht kann die soziale Distanz, die manchmal sorgfältig zwischen sozial Gleichen aufrechterhalten wird, gegenseitig beide Arten von Zurückhaltung enthalten.' (S. 78)

320 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Zuvorkommenheitsrituale (presentational rituals) ← positive Riten (nach Durkheim) 'Ein zweiter Typus, Zuvorkommenheitsrituale, umfasst Handlungen, durch die das Individuum den Empfängern zeigt, was es von ihnen hält und wie es sie in der beginnenden Interaktion behandeln wird. Regeln für diese rituellen Praktiken beinhalten spezifische Vorschriften, nicht spezifische Verbote. Während Vermeidungsrituale angeben, was nicht getan werden sollte, geben Zuvorkommenheitsrituale an, was getan werden sollte.' (S. 79)

321 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Begrüßungen, Einladungen, Komplimente, kleinere Hilfsdienste → Konflikt zwischen Vermeidungsritualen und Zuvorkommenheitsritualen

322 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
'Als eine Implikation dieses Dilemmas müssen wir es betrachten, dass sozialer Umgang ein ständiges dialektisches Verhältnis zwischen Zuvorkommenheitsritualen und Vermeidungsritualen beinhaltet, wobei eine eigentümliche Spannung aufrechterhalten werden muss, da diese gegensätzlichen Verhaltensanforderungen irgendwie auseinandergehalten und dennoch beide in derselben Interaktion verwirklicht werden müssen. Die freundschaftlichen Gesten, die einen Handelnden einem Empfänger nahebringen, müssen gleichzeitig ausdrücken, dass die Dinge nicht zu weit getrieben werden sollen.' (S. 85)

323 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Benehmen 'Mit Benehmen werde ich jenes zeremonielle Verhaltenselement bezeichnen, das charakteristischerweise durch Haltung, Kleidung und Verhalten ausgedrückt wird und das dazu dient, dem Gegenüber zum Ausdruck zu bringen, dass man ein Mensch mit bestimmten erwünschten oder unerwünschten Eigenschaften ist. In unserer Gesellschaft hat derjenige, der sich "gut” oder "richtig” benimmt, folgende Eigenschaften: Diskretion, Aufrichtigkeit, Bescheidenheit sich selbst gegenüber, Fairness, Beherrschung von Sprache und Motorik, Selbstbeherrschung hinsichtlich Emotionen, Neigungen und Wünschen, Gelassenheit in Stresssituationen usw. [...]

324 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Es soll noch einmal festgehalten werden, dass Benehmen Eigenschaften beinhaltet, die eigentlich Interpretationen anderer über das Verhalten einer Person im sozialen Umgang sind. Jemand kann sich solche Eigenschaften nicht selbst zuschreiben, etwa durch die bloße Beteuerung, sie zu besitzen, obwohl er manchmal unbesonnen genug sein kann, dies zu versuchen. (Er kann es jedoch schaffen, sich so zu verhalten, dass andere in sein Verhalten die Eigenschaften hineininterpretieren, die er in ihren Augen gern besäße.) Im allgemeinen baut jemand durch Benehmen ein Bild von sich selbst auf, doch genaugenommen gilt dieses Bild nicht für seine eigenen Augen. Wir sollten deswegen aber nicht die Tatsache übersehen, dass jemand, der sich gut benimmt, sich deshalb so verhalten kann, weil er beträchtlichen Wert auf sich selbst legt, und dass jemand, der sich falsch benimmt, "mangelnder Selbstachtung” und Geringschätzung seiner selbst beschuldigt werden kann.' (S. 86 f.)

325 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Ehrerbietung und Benehmen Komplementäre Beziehung zwischen Ehrerbietung und Benehmen 'Trotz dieser Verknüpfung von Ehrerbietung und Benehmen ist die analytische Beziehung zwischen ihnen die der "Komplementarität und nicht die der Identität. Das Image, das jemand vor anderen aufrechterhalten muss, ist nicht identisch mit dem Image, das diese anderen von ihm haben müssen. Ehrerbietung weist auf die Gesellschaft außerhalb der Interaktion hin und damit auf die Position des Individuums in der Hierarchie der Gesellschaft.

326 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Benehmen weist auf Eigenschaften hin, für die jede soziale Position ihren Trägern die Möglichkeit gibt, sie zu entfalten, weil diese Eigenschaften eher zum Ausdruck bringen, wie das Individuum seine Position handhabt, als den Rang dieser Position in Relation zu anderen sozialen Positionen. Darüber hinaus ist das Selbstbild, das das Individuum mit seinem Verhalten anderen gegenüber aufrechterhalten muss, eine Art Rechtfertigung und Kompensation für das Bild, das andere von ihm durch ihre Ehrerbietung zum Ausdruck bringen müssen. Jedes dieser beiden Bilder kann tatsächlich jeweils als eine Garantie und Kontrolle über das andere fungieren' (S. 91 f.)

327 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
'Es gibt noch eine weitere komplementäre Beziehung zwischen Ehrerbietung und Benehmen. Wenn jemand meint, er sollte richtiges Benehmen zeigen, um sich damit Ehrerbietung zu sichern, dann muss er in der Lage sein, sich dementsprechend zu verhalten. Es muss ihm z.B. möglich sein, solche Aspekte seiner selbst zu verbergen, die ihn vor den Augen anderer unwürdig machen, und er muss sich vor ihnen verbergen, wenn er in einem unwürdigen Zustand ist, sei es in Kleidung, Stimmung, Pose oder Haltung. Die Vermeidungsrituale, die andere ihm gegenüber ausüben, geben ihm einen Spielraum und machen es ihm möglich, nur das Selbst zu zeigen, das der Ehrerbietung würdig ist. Gleichzeitig machen es ihnen diese Vermeidungsstrategien leichter, festzustellen, ob ihre Ehrerbietung angemessen ist.' (S. 93 f.)

328 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Zeremonielle Entweihungen 'Es gibt viele Situationen und viele Möglichkeiten, in denen Zeremonie nicht richtig ausgeführt wird. Manchmal empfindet man, dass man in unangemessener Weise Ehrerbietung erwiesen bekommt, unabhängig davon, ob diese Fehleinschätzung ihn höher oder niedriger einstuft, als er es für richtig hält. Andere Male hat man das Gefühl, man werde zu unpersönlich und zu wenig zeremoniell behandelt, und diese Behandlung sollte durch Akte der Ehrerbietung mehr unterstrichen werden, selbst wenn dadurch die Aufmerksamkeit auf den eigenen untergeordneten Status gelenkt würde.' (S. 94) spielerische Entweihungen vom Empfänger ignorierbare Entweihungen direkte rituelle Entweihungen Selbstentweihung

329 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Schlussfolgerungen 'Die Verhaltensregeln, die den Handelnden und den Empfänger miteinander verbinden, sind die Bindungen der Gesellschaft. Aber viele Handlungen, die durch diese Regeln geleitet werden, werden selten durchgeführt oder bedürfen lange Zeit zu ihrer Durchführung. Möglichkeiten, die moralische Ordnung und die Gesellschaft zu bejahen, könnten deshalb selten sein. Hier haben zeremonielle Regeln ihre soziale Funktion, da viele der Handlungen, die von diesen Regeln bestimmt werden, jeweils nur einen kurzen Augenblick dauern, keinen inhaltlichen Beitrag verlangen, und in jeder sozialen Interaktion durchgeführt werden können.

330 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Unabhängig von einer bestimmten Handlung und ihrer möglichen entweihenden Instrumentalität kann jede Handlung viele Gelegenheiten für kleinere Zeremonien liefern, solange andere Leute anwesend sind. Durch diese Einhaltung zeremonieller Verpflichtungen und Erwartungen wird ein ständiger Strom von Gunstbezeugungen über die Gesellschaft gebreitet, in dem andere Anwesende ständig das Individuum daran erinnern, dass es sich gut benehmen und die geheiligte Aura dieser anderen bejahen muss. Diese Gesten, die uns manchmal leer erscheinen, sind vielleicht die inhaltsreichsten überhaupt.

331 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Es ist vielleicht wichtig zu erkennen, dass das Selbst zum Teil ein zeremonielles, geheiligtes Objekt ist, das man mit angemessener, ritueller Sorgfalt behandeln muss. Als Mittel zur Etablierung dieses Selbst benimmt sich das Individuum angemessen im Kontakt mit anderen und wird von ihnen mit Ehrerbietung behandelt. Man muss sich aber darüber im klaren sein, dass der Boden dafür vorbereitet werden muss, dass dieses geheiligte Spiel stattfinden kann. Die Umwelt muss garantieren, dass das Individuum für sein gutes Benehmen nicht einen zu hohen Preis zu zahlen hat und dass ihm Ehrerbietung gewährt wird. Verhaltenspraktiken für Ehrerbietung und Benehmen müssen institutionalisiert werden, damit das Individuum befähigt wird, ein lebensfähiges und geheiligtes Selbst zu entwerfen, und in dem Spiel eine angemessene Grundlage hat.' (S. 100 f.)

332 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
2. Höflichkeitstheorie von Brown/Levinson (Brown, P. & Levinson, S. (1987). Politeness: Some universals in language usage. Cambridge: Cambridge University

333 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Mit dem Begriff der Höflichkeit ist in den letzten Jahrzehnten ein Schlüsselkonzept der Pragmatik verbunden (Kreß 2007:105) Höflichkeit wird in der Höflichkeitsforschung als das Mittel der Konfliktvermeidung dargestellt (vgl. u. a. Leech 1977, 19; Leech 1983, 105; Valtl 1986, 205; Held 1995, 60).

334 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Die zentrale Theorie der Höflichkeit als face-work ist von Brown/Levinson (1987) und von Leech (1983) entwickelt worden. In beiden Theorien ist der Begriff der Höflichkeit mit zwei unterschiedlichen Maximen belegt worden: Taktmaxime (tact maxim) bei Leech (1983) und Höflichkeitsmaxime (maxims of politeness) erklärt.

335 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Der Ansatz von Brown/Levinson, in dem der Begriff des face aus dem Ausdruck losing face abgeleitet wird, soll im folgenden hinsichtlich seiner Anwendung auf den hier vorliegenden Untersuchungsgegenstand adaptiert worden, wobei zunächst auf die Kritik eingegangen werden soll.

336 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Der face-Begriff gehört zu den zentralen Momenten der Höflichkeitstheorie. Das Kooperationsprinzip aus Grice (1975) wird um eine weitere Maxime erweitert: politeness principle. Die Höflichkeitskonzepte der letzten Jahrzehnte schließen die traditionell mit Höflichkeit assoziierten Regeln, Etikette und Rituale zwar nicht aus, gehen jedoch weit darüber hinaus.

337 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Gegenüber Goffman nehmen Brown/Levinson eine Umwertung des face als Rollenspiel vor, sie redefinieren ihn als want (Willen, Bedürfnis): Negative face: the want of every ‘competent adult member’ that his actions be unimpeded by others. Positive face: the want of every member that his wants be desirable to at least some others. (ebd.: 62)

338 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Hierbei muss der rationale Sprecher abwägen zwischen dem Wunsch, seine Intentionen möglichst effizient zu verwirklichen und der Gefahr, hierbei das face des Gegenüber in der Weise zu verletzen. Der Prozess zwischen der Wahrung des eigenen Selbst und der Wahrung des face des Anderen heißt face-threatening act / FTA !

339 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Interessant ist die Feststellung, dass die negative Höflichkeit in den westeuropäischen Kulturen ausgeprägter, während die positive Höflichkeit in den osteuropäischen Kulturen typischer sei: „When we think of politeness in Western cultures, it is negative politeness behaviour that springs to mind. In our culture, negative politeness is the most elaborate and the most conventionalized set of linguistic strategies for FTA redress; it is the stuff that fills the etiquette books (…).“ (BL 1987:129)

340 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Renate Rathmayr (1996:17) charakterisiert die beiden Typen der Höflichkeit wie folgt: „Ausgehend von Goffmans Konzept splitten Brown, Levinson (1987) Höflichkeit in positive und negative auf, wobei die positive Höflichkeit der Stärkung des positiven Images dient: Der Adressat wird als jemand behandelt, dessen Wünsche und Charakterzüge man kennt, den man mag, mit dem man Gemeinsamkeit und Solidarität bekundet, auch wenn in der konkreten Situation ein potentiell imagebedrohender Akt unternommen wird.

341 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Interessenbekundung, Komplimente, Markierungen der Gruppenzugehörigkeit, Suche nach Übereinstimmung und Vermeidung von Nichtübereinstimmung, Reziprozitätsunterstellung u. ä. gehören zu den Realisierungsmustern positiver Höflichkeit.“

342 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Negative Höflichkeit stärkt das negative Image, das Bedürfnis nach einem unangetasteten Territorium, und beruht im wesentlichen auf Vermeidungsverhalten, wobei der Sprecher dem Adressaten vermittelt, dass er nicht oder nur minimal in seinen Handlungsraum eindringen wird. Negative Höflichkeitsstrategien beinhalten Selbstzurücknahme, Formalität und Beherrschung, potentielle Imagebedrohungen werden durch Entschuldigungen und Überleitungen, Modalpartikeln, Abschwächungen, Indirektheit (Fragen anstelle von Aufforderungen etc.) und ähnlichen Strategien entschärft.“ (Rathmayr 1996:17)

343 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Wierzbicka (1985) nimmt an, dass die relative Gewichtung von positiver und negativer Höflichkeit kulturspezifisch unterschiedlich sei, und Kulturen, in denen wie in Japan, China oder auch Polen der Individualismus einen weniger hohen Stellenwert hat (dies galt für die Zeit vor dem Fall des eisernen Vorhangs, Anm. P.K.), messen auch der negativen Höflichkeit weniger Bedeutung bei, als die meisten westlichen Kulturen, in deren Tradition unter Höflichkeit insbesondere die negative Höflichkeit verstanden wird (vgl. Rathmayr 1996:17).

344 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
„In den europäischen Gesellschaften gehört es zu den durch das Gesetz bzw. durch moralische Gebote geschützten Bereichen, die Person des anderen, sein Eigentum und seine Privatsphäre zu achten und unangetastet zu lassen, und es ist ein Gebot der Höflichkeit, ihm diese Achtung auch explizit zum Ausdruck zu bringen.“ (Rathmayr, a.a.O.)

345 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Brown/Levinson (1987:65-68) machen Höflichkeit an einzelnen Sprechakten fest und bezeichnen die direktiven Sprechakte generell als unhöflich, Akte des Entschuldigens generell als höflich. Renate Rathmayr (1996) macht in ihrer Kritik an dieser Konzeption deutlich, dass Sprechakte nie inhärent höflich oder unhöflich sein können, sondern stets in Abhängigkeit von pragmatischen Parametern (wie Status, Kontext, Kommunikationssituation usw.) auf der Höflichkeitsskala eine jeweils unterschiedlichen Bewertung erhalten. Eine Bitte gegenüber einem Vorgesetzten kann durchaus in bestimmten Situationen weniger höflich sein als ein Befehl gegenüber einem Kind.

346 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
„Wenn Entschuldigungen für geringfügige Anlässe aufgrund der Antizipation einer negativen Reaktion des Interaktionspartners oder der Interaktionspartnerin im Sinne einer positiv zu bewertenden Beziehungsarbeit vollzogen werden, sind sie Ausdruck von höflichem Verhalten, mit dem man einander „entgegen-“ oder „zuvorkommt“ (vgl. Held 1989), liegen hingegen schwerwiegende Anlässe in ihrem Fokus, ist Höflichkeit keine adäquate Beschreibungskategorie.“ (Rathmayr 1996: 18)

347 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
In der Terminologie von Brown/Levinson (1987:68; 187; 286) werden Akte des „Sich-Entschuldigens“ für den Sprecher als imagebedrohend (face-theatening) betrachtet, während sie für den Adressaten zur Imagepflege beitragen (face-saving). Dem Sprecher verursacht die Entschuldigung Kosten, während sie für den Adressaten einen Nutzen darstellt. Rathmayr (1996:18) weist darauf hin, dass Entschuldigungen für Bagatellvergehen nicht nur der Imagepflege des Adressaten, sondern auch der des Sprechers dienen können.

348 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
„Bei versehentlichem Körperkontakt präsentiert sich der Sprecher mit seiner Entschuldigung als höflicher Mensch, der die Würde des Adressaten mit der Unachtsamkeit keineswegs antasten wollte. Entschuldigt er sich in einem solchen Fall nicht, könnte der Eindruck entstehen, er fände es nicht der Mühe wert, vgl. das in den öffentlichen Verkehrsmitteln oft gehörte „Wenigstens entschuldigen könnten Sie sich!“ (Mogli chotja by izvinit‘sja) (Rathmayr 1996:18)

349 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Leistungsbewertung: Klausur Einführende Literatur: BERWANGER, K. & P. KOSTA (EDS.) (2005): Stereotyp und Geschichtsmythos in Kunst und Sprache. Die Kultur Ostmitteleuropas in Beiträgen zur Potsdamer Tagung, 16. –18. Januar 2003, Frankfurt a. M. usw., Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften. GOFFMAN, E. (1986): Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation, Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1986 (Originalausgabe: New York, Anchor Books, Doubleday & Co., Inc., Garden City, 1967).

350 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
A. Grundlagenliteratur zur Theorie der Stereotypen: Ashmore, R. D. / DelBoca, F.K. (1981): Conceptual approaches to stereotypes and stereotyping, in: Hamilton, D. L. (ed.): Cognitive Processing in Stereotyping and Intergroup Behavior. Hilsdale, 1-35. Bergler, R. / Six, B. (1972): Stereotype und Vorurteile, in: Graumann, C. F. (ed.): Sozialpsychologie. 2. Halbband: Forschungsbereiche Göttingen, (= Handbuch der Psychologie). Di Luzio, A. / Auer, J. C. P. (1986): Identitätskonstitution in der Migration: konversationsanalytische und linguistische Aspekte ethnischer Stereotypisierungen, in: Linguistische Berichte,

351 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Ehlich, K. (1998): Vorurteile, Vor-Urteile, Wissenstypen, mentale und diskursive Strukturen, in: Heinemann, M. (ed.): Sprachliche und soziale Stereotype. Frankfurt/M. usw., Hamilton, D. L. (1981): Cognitive processes in stereotyping and intergroup behavior. Hillsdale, N. J.: Erlbaum. Hinton, P. R. (2000): Stereotypes,Cognition and Culture. Univ. of Luton (Psycology Focus). Katz, D. / Braly, K. W. (1933): Racial Stereotypes of One Hundred College Students, in: Journal of Abnormal and Social Psychology 28, Lippmann, W. (1922): Public Opinion. New York: Harcourt, Brace and World. Lipmann, W. (1964): Die öffentliche Meinung. München. Lipmann, W. (1990): Die öffentliche Meinung, hrsg. von Elisabeth Noelle-Neumann, Bochum: Brockmeyer 1990, ISBN (auch als online-text).

352 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Lilli, W. (1982): Grundlagen der Stereotypisierung. Göttingen, Toronto, Zürich. Mann, W. (1968): Das Stereotyp. Meisenheim am Glan: Anton Hain. Quasthof, U. (1973): Soziales Vorurteil und Kommunikation. Eine sprachwissenschaftliche Analyse des Stereotyps. Frankfurt am Main. Rice, S. A. (1926): Stereotypes: A source of error in judging human character. In: Journal of Personality Research Rosch, E. H. (1973): Natural Categories, in: Cognitive Psychology Dies. (1975): Cognitive Reference Points, in: Cognitive Psychology Dies. (1976): Classification of Real World Objects: Origins and Representation in Cognition, in: Johnson-Laitd, P. N. & P. C. Watson (eds.): Thinking: Readings in Cognitive Science, Cambridge, Dies. (1977): Human Categorization. In: Warren, E. (ed.): Studies in Cross-Cultural Psychology, vol. 1. London, 3-49. Schaff, A. (1981): Stereotypy i dzałanie ludzkie. Warszawa.

353 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
Schwarze, C. (1996): Stereotyp und lexikalische Bedeutung, in: L. Hoffmann (Hrsg.): Sprachwissenschaft. Ein Reader. Berlin, New York: Walter de Gruyter, Schäfer, B. & Six, B. (1978): Sozialpsychologie des Vorurteils. Stuttgart usw.: Kohlhammer. Stereotypes and Nations (ed. Teresa Walas). International Cultural Centre Cracow 1995. Tajfel, H. (1982): Gruppenkonflikt und Vorurteil. Entstehung und Funktion sozialer Stereotypen. Bern usw.: Hans Huber 1982. Wierzbicka, A. (1997): Understanding Cultures Through Their Key Words. English, Russian, Polish, German, and Japanese. New York, Oxford: Oxford University Press.

354 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
B. Spezialliteratur zu Stereotypen im Slavischen Jachnow, H. (2005): Das Stereotyp als soziopsychische und sprachliche Erscheinung und seine Manifestation in formelhaften kroatischen und serbischen Ausdrücken. In: BERWANGER, K. & P. KOSTA (EDS.) (2005): Stereotyp und Geschichtsmythos in Kunst und Sprache. Die Kultur Ostmitteleuropas in Beiträgen zur Potsdamer Tagung, 16. –18. Januar 2003, Frankfurt a. M. usw., Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, Kosta, P. (2005): Zum Tschechenbild bei den Polen und zum Polenbild bei den Tschechen aus der Sicht der Stereotypen- und Prototypensemantik. In: BERWANGER, K. & P. KOSTA (EDS.) (2005): Stereotyp und Geschichtsmythos in Kunst und Sprache. Die Kultur Ostmitteleuropas in Beiträgen zur Potsdamer Tagung, 16. –18. Januar 2003, Frankfurt a. M. usw., Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften,

355 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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356 Stereotyp, Mythos, Kult und rituelle Interkommunikation
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