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Dr. Kurt Ludewig Hamburg / Münster

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Präsentation zum Thema: "Dr. Kurt Ludewig Hamburg / Münster"—  Präsentation transkript:

1 Dr. Kurt Ludewig Hamburg / Münster
ADOLESZENZ - MAGERSUCHT Ein systemischer trifokaler Ansatz für die stationäre Therapie Dr. Kurt Ludewig Hamburg / Münster

2 „Hungern aus Liebe“ Zum Dilemma magersüchtiger Mädchen und mögliche Lösungen
Einleitung Was heißt systemisch? Teil I Ein nützliches Verständnis Teil II Ein „trifokales“ Programm Teil III Erste Ergebnisse November 2005 Dr. K. Ludewig

3 Schritte bei der Entwicklung des Konzepts
Workshop „Gedanken zur Magersucht. Einladung zum Anerkennen des Liebens in Familien mit Magersüchtigen; oder: auf der Suche nach Unterscheidungen, die für die Therapie nützlich sind“. 10. Jahrestagung der DAF in Darmstadt. Vortrag „Gedanken zur Magersucht. Einladung zum Anerkennen des Liebens in Familien von Magersüchtigen". Arbeitstagung des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin in Hamburg. Aufsatz in: Reiter, L., C. Ahlers (Hrsg.)(1991), Systemisches Denken und therapeutischer Prozess. Berlin, Wien: Springer. S Aufsatz „Reflexiones sobre la anorexia en adolescentes. Un enfoque sistémico del problema psicosomático…“. In: Estudios Psicológicos 1: 1-10 und Sistemas Familiares 8: 9-23. Aufsatz „Der Kampf der Giganten“. In: Vogt-Hillmann, M. & W. Burr (Hrsg). Kinderleichte Lösungen. Dortmund (Borgmann). 2005 Aufsatz wie oben. In: Schindler, H. & A.v.Schlippe (Hrsg.): Anwendungs-felder systemischer Praxis. Dortmund (Borgmann): Aufsatz „Plan schlägt Geist“. In: Psychotherapie im Dialog 5: November 2005 Dr. K. Ludewig

4 Systemische Therapie Literaturhinweise des Referenten
Klett-Cotta 1992, 19974 -vergriffen – Typoskript unter: Wird voraussichtlich im 2014 bei Auer-Verlag neu erscheinen Hogrefe 2000 Carl-Auer 2005, 20092 Klett-Cotta 2002 Carl-Auer 2013 Herbst 2012 Dr. K. Ludewig

5 Spezielle Literatur zum Thema
Systemische Therapie Loth, W. (1998): Auf den Spuren hilfreicher Veränderungen. Das Entwickeln Klinischer Kontrakte. Dortmund (modernes lernen). Rotthaus, W. (Hrsg.)(2001): Systemische Kinder- und Jugendlichen-psychotherapie. Heidelberg (Auer-Systeme). Externalisierung White, M., D. Epston (1990): Die Zähmung des Monsters. Heidelberg: Auer. Trifokales Konzept zur stationären Magersuchtstherapie Ludewig, K. (1999): Der Kampf der Giganten. In: Vogt-Hillmann & W. Burr (Hrsg). Kinderleichte Lösungen. Dortmund (Borgmann). „Plan schlägt Geist“. In: Psychotherapie im Dialog 5: 24-31, 2004. dass. In: Schindler, H. & A.v.Schlippe (Hrsg.)(2005): Anwendungs-felder systemischer Praxis. Dortmund (Borgmann). November 2005 Dr. K. Ludewig

6 Ausgangslage Übliche Probleme stationärer Therapie werden
stärker durch Anwachsen der Inanspruchsnahme: a. Gefahr der Kontextreplizierung b. Notwendigkeit der Herstellung eines für alle akzeptablen Kontextes c. Belastung und Uneinigkeit der Mitarbeiter  daher Erleichterung für alle durch Einsatz einer Standard-Prozedur November 2005 Dr. K. Ludewig

7 Einleitung Was heißt „systemisch“? Was heißt „systemische Therapie“?
November 2005 Dr. K. Ludewig

8 Was ist Systemische Therapie?
Eine therapeutische Praxis, die aus der pragmatischen Umsetzung systemischen Denkens resultiert November 2005 Dr. K. Ludewig

9 Systemisches Denken Menschenbild: Interdisziplinäre Denkbewegung:
u.a. Systemtheorie, Selbstorganisation, Kybernetik, Auto-poiesis, Synergetik, dissipative Strukturen etc. Gegenstand: Komplexität und Vernetzung Ziel: „komplexitätserhaltende Komplexitätsreduktion“ Menschenbild: Polysystemisches Lebewesen, das zugleich biologisch selbst-ständig und kommunikativ eingebunden ist. Erkenntnistheorie: Theorie des Beobachtens bzw. Beobachter-Theorie November 2005 Dr. K. Ludewig

10 Die Wirklichkeit der Wirklichkeit die zwei Säulen systemischen Denkens
oder: die zwei Säulen systemischen Denkens < ein Cartoon von Hannes Brandau, 1991 > November 2005 Dr. K. Ludewig

11 Systemisches Denken - das systemische Prinzip -
Menschen sind konstitutiv veranlagt, ihre biologische Individualität durch Konsensualisierung zu überschreiten. Dafür benötigen sie existentiell andere, denen Gleich-artigkeit zugeschrieben wird. ICH kann als ICH erst im Unterschied zu einem anderen Ich, also einem DU, entstehen. Erst im WIR <Soziales System> entsteht das Menschsein. Das WIR hebt in sich die biologisch-individuelle und die sozial-kommunikative Identität des Menschen auf => das systemische Prinzip November 2005 Dr. K. Ludewig

12 Systemische Therapie - Klinische Theorie
Gegenstand: Konzeptualisierung psychischen Leidens unter Betonung auf: - Menschliche Autonomie statt heteronomer Bestimmung - Offenheit kommunikativer Prozesse statt kausaler Zwangsläufigkeit - Ressourcen- und Lösungsorientierung statt Problemfokus Methodologie: Beitrag zur Herstellung geeigneter/günstiger Randbedingungen für die auftragsbezogene Selbstveränderung des/der Klienten durch eine nützliche, passende und respektvolle therapeutische Interaktion --- statt lineal-kausal intendierte, pathologisch motivierte, nur auf Wirkung ausgerichtete, standardisierte Intervention. November 2005 Dr. K. Ludewig

13 Konzepte systemischer Therapie: Veränderungstheorie
Systemische Therapie versteht sich als Beitrag zur Herstellung eines für die Selbstveränderung günstigen Rahmens. Sie fördert Vertrauen durch eine stabile therapeutische Beziehung und regt einen Wechsel der Präferenzen an. Sie versteht sich nicht als kausales Verändern. November 2005 Dr. K. Ludewig

14 Konzepte systemischer Therapie: Thesen zur therapeutischen Veränderung
Menschliche Probleme folgen der „Logik“ einer konservativen emotionalen Dynamik: Angesichts der Ungewißheit gilt es, lieber auszu-halten als eine Veränderung zu riskieren, die alles noch verschlimmern könnte. Notwendige Veränderungen, die als riskant erlebt werden, erfordern daher ein Wagnis. Psychotherapie soll Bedingungen schaffen, die ein Wagnis begünstigen und so auch einen Wechsel der Präferenzen ( mehr-vom-anderen). November 2005 Dr. K. Ludewig

15 Therapeutischer Prozess - eine topologische Analogie
November 2005 Dr. K. Ludewig

16 Konzepte systemischer Therapie: Aufgaben des Therapeuten
1. Anliegen/Auftrag Klärung/Erarbeitung des/der Anliegen und Aushandlung/Verein-barung eines opera-blen Auftrags 2. Intervenieren a. Würdigung Das Anerkennen/Bestäti-gen des/der Klienten för-dert Vertrauen und so die Bereitschaft zum Wagnis. b. Intervention Auftragsbezogene Anre-gung zum Wechsel der Prä-ferenzen (= Alternativen zu wagen) November 2005 Dr. K. Ludewig

17 Adoleszenz - Magersucht
November 2005 Dr. K. Ludewig

18 Station für Jugendliche (9 Betten) Belegung 1997 - 2002 (N = 172)
November 2005 Dr. K. Ludewig

19 (1) Adoleszenz-Magersucht
Was ist Magersucht? Beginn: meistens im Alter zwischen 14 und 18 Jahren. Prävalenz: 1-3% aller Frauen zwischen J.; dabei 95-5% weiblich/männlich. November 2005 Dr. K. Ludewig

20 (2) Diagnostische Leitlinien ICD 10
1. Körpergewicht 15% Mindergewicht bzw. BMI  17,5 (bei Jugendlichen niedriger) 2. Selbst induzierter Gewichtsverlust Vermeidung hochkalorischer Speisen, Erbrechen, Abführen, übertriebene körperliche Aktivität, Appetitzügler, Diuretiker... 3. Psychische Auffälligkeiten unrealistisches Körperbild, phobische Angst vor Dicksein, niedriges Gewichtsziel, Niedergeschlagenheit... 4. Somatische Störungen v.a. endokrine Störungen 5. Verzögerung/Hemmung der pubertären Entwicklung November 2005 Dr. K. Ludewig

21 (3) Klinisches Bild Verhalten Psychopathologisch Somatisch
Einschränkung der Nahrung, ekzessive Beschäftigung mit Nahrung, spezielle Diät, vermehrte Körperbetrachtung, „Sezierung“ der Nahrung, diverse Methoden der Gewichtsreduktion, extreme Körperbewegung, mangelnde Wahrnehmung von Hunger und Sättigung Psychopathologisch Kontrollverlust über Ernährung, Verleugnung, unrealistisches Körper-bild, niedriges Selbstwertgefühl, Einschränkung der Interessen, soziale Isolierung, Depressivität, Zwanghaftigkeit, hohes Leistungsstreben... Somatisch Untergewicht/Mangelernährung, Obstipation, Lanugobehaarung/ Haar-ausfall, Hauttrockenheit, Karies, Ödeme, Hypotonie, Hypothermie, Akrozyanose, Bradycardie, Elektrolytstörungen, endokrine Störungen November 2005 Dr. K. Ludewig

22 (4) Prädisponierende Faktoren
1. Identität und Selbständigkeit Störung der Selbstwahrnehmung (Wertlosigkeitsgefühl) Störung der Körperwahrnehmung (unrealistisches Körperbild) Prämorbide Nahrungsprobleme (u.a. Adipositas, Säugling) Persönlichkeitsaspekte (angepaßt, konformistisch, perfektionistisch...) 2.Familiär Rigide Interaktionsmuster (Verstrickung, Harmonie, soziale Isolierung...) Akute bis chronische Ablösungsproblematik 3.Genetisch Konkordanzrate bei eineiigen Zwillingen um 50%, bei 2-eiigen um 5% Überrepräsentation von affektiven und Suchtstörungen 4.Biologisch Bedeutung der Hypothalamus-Hypophysen-Achse Pathophysiologische Regulation von Hunger und Sattheitsgefühl 5.Soziokulturell Leistungsdruck, Schlankheitsideal, Überschuß an kalorienreicher Nahrung November 2005 Dr. K. Ludewig

23 (5) Aus der Forschung - Auswahl
Genetische Aspekte : 56 zu 5% Konkordanz bei ein vs. zweieiigen Zwillingen. Biologische Aspekte: Eigenregulative Entgleisungen  sich selbsterhaltender Kreislauf von zunehmender Unterernährung Psychische Aspekte: Mangelndes bzw. unangemessenes Selbstwertgefühl + psychischer Gewinn (Konfliktvermeidung, Leistung, Besonderheit, Depressions-abwehr usw.) ¸ suchtbegünstigende Kombination Familiale Aspekte: Familiäre Veränderungen, Abwendung unterschwelliger Konflikte, Ablösung, „Parentifizierung“, Machtkämpfe usw. Soziale Aspekte: Verlust sozialer Kompetenz, soziale Isolierung. November 2005 Dr. K. Ludewig

24 (6) Aus der Forschung - Prognose I
Prognose nach einer Therapie: < nach Längstschnitterhebungen > 30 % bis 35% vollständige/partielle Besserung ca % chronische Verläufe bis zu 10% tödliche Verläufe (meistens an den Folgen) ca. 50% dauerhaftes gestörtes Eßverhalten Ca. 50% bleibende unklare Komorbidität (v.a. affektive und Angststörungen, Alkoholabhängigkeit usw.) (Unter Ausschluß von Komorbidität nur ca. 21% "gesunde" Frauen nach einer anorektischen Phase). Nach 33 Jahren noch bei 5% die spezifische Kernsymptomatik; eine Besserung nach 12 Jahren wird immer unwahrscheinlicher. November 2005 Dr. K. Ludewig

25 (7) Aus der Forschung - Prognose II
Günstige prognostische Faktoren: - nach Therapie - Früher Beginn der Anorexie Früher Therapiebeginn Gute prämorbide Anpassung und Leistungsfähigkeit Verbesserung der familialen Beziehungen und der sozialen Kontakte November 2005 Dr. K. Ludewig

26 Elemente für ein pragmatisch nützliches Verständnis
Teil I Elemente für ein pragmatisch nützliches Verständnis November 2005 Dr. K. Ludewig

27 Ungünstige Voreinnahmen
Die Magersucht ist ein intrapsychisches Problem: Magersüchtige sind regrediert, narzißtisch bzw. "früh" gestört. Die Magersucht ist ein Familienproblem: - Magersüchtige streben nach Macht über ihre Eltern, bzw. die Eltern bemächtigen sich des Kindes, und hindern es am Erwachsenwerden. - Die Familie ist "verstrickt", überfürsorglich, starr und konflikt-scheu; die Liebe in diesen Familien ist unecht und steht für die Abwehr von Aggressionen; die Ehe der Eltern ist “gestört”. Die Unterernährung ist bloß Folge oder Korrelat des “eigentlichen” Problems und kann vernachlässigt werden. Stationäre Behandlung ist die Therapie der Wahl November 2005 Dr. K. Ludewig

28 Mögliche Folgen ungünstiger Vorannahmen
Ausschließliche Psycho- oder Familientherapie kann sehr mühsam, langwierig und... erfolglos werden. Zu “klare” Konzepte verführen dazu, diese zu behandeln:  Differenzielle Schuldzuschreibungen verkennen die enge intrafamiliäre Bezogenheit, lösen Angst und Widerstand aus;  Überbetonung von Begleitphänomen greift oft zu kurz;  normativ-strukturelle Vergleiche greifen leicht daneben. Einseitige massiv interventive Maßnahmen können das Problem verschleiern oder verfestigen. Stationäre Behandlung kann den status quo begünstigen November 2005 Dr. K. Ludewig

29 Die Familien - Beobachtungen
Bindungen: unüblich stark; man fühlt die Gefühle des anderen, denkt dessen Gedanken usw.  oft sozial isolierte Familien Individualität ist wenig ausgeprägt, das Wir-Erlebnis global, diffus. Konflikte und Versöhnung sind selten; Harmonie dominiert Ablösung bzw. bevorstehende oder vollzogene Trennungen lösen Beunruhigung und Schuldgefühle aus Nahrungsverweigerung bündelt die Aufmerksamkeit und Kommu- nikation der Familie, alles andere gerät in den Hintergrund. Dialoge, die alternative Lösungen erarbeiten könnten, sind ungeübt oder blockiert. November 2005 Dr. K. Ludewig

30 Auf dem Wege zur Magersucht
Eine oft zufällige Abmagerung ruft in der Familie heftige Emotio- nen hervor und bindet alle um ein unkontrollierbares Thema. Dies verstärkt zunächst die Bindungen und mildert so die mit den Trennungsversuchen einhergehenden Schuldgefühle. Die alarmierten Eltern greifen kontrollierend ein und konsoli- dieren dabei die thematische Einengung unwillkürlich mit. Musterkonstanz: Gegenseitige Entwertungen und Anklagen, Wut- ausbrüche, Geschwisterstreitigkeiten und versuchte Abwendungen klingen meistens ohne anhaltende Veränderungen wieder ab. Die eheliche Beziehung der Eltern kann verfestigend wirken, wenn z.B. die Mutter-Kind-Dyade ohne Alternative bleibt. November 2005 Dr. K. Ludewig

31 Magersucht wird hier verstanden als Folge...
- eines missglückten Versuchs der Ablösung (Lebensbewältigungsaspekt), welches - vor dem Hintergrund eines erschwerten Übergangs vom Kind zum Erwachsenen - sich auch biologisch zu einem Sucht-verhalten entwickelt hat. November 2005 Dr. K. Ludewig

32 Bausteine für ein pragmatisch nützliches Verständnis der Magersucht I
Magersüchtiges Verhalten bei Adoleszenten: ist wie jedes Verhalten ein Versuch, eine Lebenslage zu meistern  Lebensproblem folgt nicht zwangsläufig auf spezifische biographische oder sonstige Vorerfahrungen  Eigenartigkeit entsteht meistens bei Übergängen im Lebenszyklus und setzt gewisse “Begabungen” beim Kind und seinen Eltern voraus  Problemsystem November 2005 Dr. K. Ludewig

33 Bausteine für ein pragmatisch nützliches Verständnis der Magersucht II - Stützende Aspekte
Sucht. Unmittelbare Spannungsreduktion sowie biologischer Kreislauf von Nahrungsverweigerung und Unterernährung. Selbstwert-Gewinn. Enorme Leistung mit bedeutsamen Folgen, auf die nur schwer verzichtet werden kann Konstanz. Emotionale und thematische Einschränkung des Familienlebens; Kind und Eltern können den Kreislauf von Sorge, Ärger und Schuld von selbst nicht verlassen Ressourcen. Fähigkeit zur Überwindung hängt einzeln und familiär mit der prämorbiden Anpassung zusammen. November 2005 Dr. K. Ludewig

34 Bausteine für ein pragmatisch nützliches Verständnis der Magersucht III - Fazit
Die Therapie sollte daher - trifokal: L Unterernährung unter Kontrolle bringen, L Kind helfen, Ressourcen zu aktivieren und Selbstwert zu bessern, L Familie helfen, ihre Lebenssituation auf weniger leidvolle Weise zu bewältigen. November 2005 Dr. K. Ludewig

35 Teil II Bausteine der Therapie: a. Exkurse
- Konzeptionell: Leitdifferenz von Lieben und Liebe - Methodisch: Die Externalisierungs-Technik b. Das „trifokale“ Programm November 2005 Dr. K. Ludewig

36 Elemente einer systemischen Sozialisationstheorie:
Konzeptioneller Exkurs: Lieben und Liebe Elemente einer systemischen Sozialisationstheorie: Die Leitdifferenz von Lieben und Liebe November 2005 Dr. K. Ludewig

37 Konzeptioneller Exkurs: Lieben / Liebe - These 1
These Lieben ist eine primäre Emotion Lieben ist eine im Menschen angelegte Emotion, d.h. eine Bereitschaft, auf andere gerichtet zu empfinden und zu handeln. Lieben ist ein spontanes, grundloses und uner- lernbares Ausgerichtetsein auf andere Menschen. Lieben liegt also an der Basis von Sozialisation und ist somit ein konstitutives Merkmal menschlicher Lebens- und Seinsweise. November 2005 Dr. K. Ludewig

38 Konzeptioneller Exkurs: Lieben / Liebe - These 2
These Liebe ist sozialisiertes Lieben Liebe ist ein interaktionelles Phänomen, das im Respekt vor der Individualität und Autonomie des anderen entsteht. Liebe setzt die Synthetisierung aufeinander bezogener „Konzepte“ von ICH und DU, also ein differenziertes WIR voraus. Liebe resultiert als soziales Phänomen aus der Koordination des Liebens zwischen autonomen Menschen. November 2005 Dr. K. Ludewig

39 Konzeptioneller Exkurs: Lieben / Liebe - Fazit
Lieben geht in Liebe über, wenn es an die Autonomie des Anderen stößt und, um die Bindung zu erhalten, sich koordinieren muß. Erst wenn der Andere als eigenständig erlebt wird, kann Individuierung stattfinden, also ein Ich-Du-Verhältnis entstehen. Die Ungewissheit über die Autonomie des geliebten Anderen kann spätestens ab der Pubertät die weitere Individuierung erschweren. November 2005 Dr. K. Ludewig

40 Methodischer Exkurs. Externalisierung I
Externalisieren heisst, Ein Problem zu „verdinglichen“ bzw. zu „personalisieren“, dem Problem Eigenständigkeit zuzuschreiben, so dass es für die Person bzw. das soziale System „extern“ wird. Beispiel: Die „Magersucht“ wird zu einem Flaschengeist (s. Aladins Lampe) umdefiniert, den frau aus einer Not heraus gerufen, später aber darüber die Kontrolle verloren hat. Alle Beteiligten können gemeinsam versuchen, den Geist wieder in die Flasche zurückzudrängen. Er bleibt zwar für den Notfall verfügbar, ist dann aber ungefährlich. November 2005 Dr. K. Ludewig

41 Methodischer Exkurs. Externalisierung II
Vorteile von Externalisieren:  Vermindert Konflikte/ Kämpfe/ Schuld- zuweisungen und umgeht auftretende Versagensgefühle bei allen Beteiligten  Entlastet den Umgang mit dem “Problem” und kann so, alle Beteiligten in Kooperation gegen den gemeinsamen “Feind” vereinen  Öffnet Optionen für therapeutische Dialoge November 2005 Dr. K. Ludewig

42 Adoleszenz-Magersucht Ein Familiendrama
„Hungern aus Liebe“ oder: Vermeidung der Individuierung wegen der Ungewißheit über die Eigenständig-keit des geliebten Anderen und der Angst, ihr/ihm zu schaden. November 2005 Dr. K. Ludewig

43 Hungern aus Liebe - (1) Ein Drama in wenigen Akten
Vorspann Die Magersucht tritt in Familien auf, in denen bekanntlich Harmonie herrscht. Distanzierende und versöhnliche Erfahrungen, anhand derer Kind und Eltern lernen können, Nähe und Distanz zu regulieren, finden selten statt. November 2005 Dr. K. Ludewig

44 Hungern aus Liebe - (2) Ein Drama in wenigen Akten (Forts.)
Die in Zeiten des Übergangs mit Individuation einher-gehenden Trennungen werden, da bislang wenig erprobt, als destruktiv erlebt; dies impliziert existen-tiellen Stress. Magersüchtiges Verhalten ist ein Versuch, das Dilemma von Bindung und Ablösung zu „vertagen“, ohne dafür Verantwortung zu übernehmen, zumal es an der Krankheit liegt. November 2005 Dr. K. Ludewig

45 Hungern aus Liebe - (3) Ein Drama in wenigen Akten (Forts.)
Die Essensverweigerung erweist sich als potentes Mittel, die bedrohten Bindungen in der Familie zu verstärken und so die Gefahren der Krise zu bannen; sie wird funktionalisiert. Nebenher etabliert sich ein biologischer Kreislauf von Unterernährung und Nahrungsverweigerung mit eigener selbst erhaltender Dynamik. Die Magersucht lenkt von der Sorge um den Anderen, ver- hindert die Fortentwicklung und vermindert so die Angst und das Schuldgefühl; sie läßt sich als „Hungern aus Liebe“ auffassen. November 2005 Dr. K. Ludewig

46 Hungern aus Liebe - (4) Ein Drama in wenigen Akten (Forts.)
Um sich vertrauenvoll ablösen zu können, brauchen die Magersüchtige und ihre Eltern Gewissheit (eigentlich = Vertrauen) darüber, dass sie ihre Individualität dem jeweils Anderen zumuten dürfen. Eine Therapie wird begonnen, welche Folgendes leisten soll: a. Funktionalisierung psychotherapeutisch zu relativieren, b. Ernährungs- und Gewichtskontrolle zu externalisieren, c. Mut zum Risiko zu erwecken, d.h., zu erleben, wie es dem Anderen „ohne mich“ wirklich ergeht. November 2005 Dr. K. Ludewig

47 Hungern aus Liebe - (5) Ein Drama in wenigen Akten (Ende)
Finale Langsame Ablösung und Individuierung aller Beteiligten (oft mit mehrjähriger therapeutischer Begleitung in langen Abständen). November 2005 Dr. K. Ludewig

48 Trifokaler Therapie - die Elemente
- Ernährungs- und Gewichtsregulation durch diätetische Kontrolle - Umdeutungen Lebenskrise aus Liebe... in der Familie - Externalisierungen „Magersucht“ versus „Plan“ November 2005 Dr. K. Ludewig

49 Trifokale stationäre Therapie, oder: Der Kampf der Giganten: Plan vs
Trifokale stationäre Therapie, oder: Der Kampf der Giganten: Plan vs. Magersucht Polysystemischer Ansatz in 3 Phasen: 1. Vorbereitungen Diagnostische Beobachtung und Einleitung der Behandlung. 2. Behandlung Somatischer - Psychischer - Sozio-familiärer Fokus 3. Konsolidierung Stabilisierung, Vorbereitung und Durchführung der Entlassung sowie ambulante Nachbehandlung. November 2005 Dr. K. Ludewig

50 Trifokale stationäre Therapie, oder: Der Kampf der Giganten: Plan vs
Trifokale stationäre Therapie, oder: Der Kampf der Giganten: Plan vs. Magersucht Fokus I: Somatischer Aspekt Definition der Unterernährung als medizinisches Problem und vorübergehende Übernahme der Verantwortung Fokus II: Psychischer Aspekt Umdeutung der Magersucht als Liebesproblem, vertragliche Verpflichtung aller, zusammenzuarbeiten, und gemeinsame Suche nach alternativen Bewältigungsmöglichkeiten Externalisierungen: ¸ Die „Magersucht“ als störrischer Flaschengeist ¸ Der „Plan“ als kalter, emotionsloser, unerbittlicher Gegner Fokus III: Sozio-familialer Aspekt Familientherapie - Erfahrung mit unschädlicher Trennung und Überwindung der Ambivalenz von Bindung und Ablösung November 2005 Dr. K. Ludewig

51 Trifokale stationäre Therapie - der Plan
Der „PLAN“: ein reglementierter Diätplan. Vorausgeplante Gewichtskurve mit stetiger, je nach aktuellem Gewicht abgestufter Gewichtszunahme. 5 Gewichtsstufen mit zunehmender Autonomie (= Belohnung) S Diätstufen: ¸ Sondennahrung und Bettruhe ¸ Ausgleich mit flüssiger Nahrung ¸ portioniert serviertes Essen ¸ selbstgewähltes normales Essen S Ausruhen nach den Mahlzeiten S Sportliche Aktivitäten S Ausgangsregelung S Besuche, Anrufe S Wochenendbeurlaubung nach Hause November 2005 Dr. K. Ludewig

52 Gewichtstabelle - kBMI
50. Perzentile des kBMI (n. Alter und Körperbautyp korrigiert) für weibliche Jugendliche < nach Neumärker et al > Alter leptomorph metromorph pyknomorph Mittlere Gewichte ______________________________________ bei 160 cm KG , , ,9 , , ,8 , , ,4 , , ,9 42,2 46,8 56,0 , , ,2 44,0 49,1 59,4 , , ,3 46,3 50,9 59,6 , , ,4 47,4 52,5 59,9 , , ,0 48,1 53,2 61,4 , , ,4 49,9 53,5 62,4 , , ,0 , , ,7 November 2005 Dr. K. Ludewig

53 November 2005 Dr. K. Ludewig

54 Fallbeispiele: Maria, 16 Jahre Kathy, 18 Jahre November 2005
Dr. K. Ludewig

55 Fallbeispiel Maria (1)  Klare Zukunftsperspektive (Beruf)
L Unauffällige Biographie bis zum 16. Lebensjahr (DDR) L Gute Realschülerin, lebendig, beliebt, sozial L Intakte, z.T. "enge" Familienkonstellation L "Unverarbeitete" Folgen der Übersiedlung in die BRD ; Vor 6 Monaten Beginn rascher Abmagerung bis 22 Kg ; Zeitgleich: sozialer Rückzug, Zukunftsängste, Sorge um ihre Familie, Verlust einer ersten Freundschaft L Indikation zur Psychotherapie + Gewichtszunahme º Stationäre Aufnahme auf unserer Station Ziele:  Gewichtszunahme (aber) bis max. 49 Kg.  Soziale (Re)Integration  Klare Zukunftsperspektive (Beruf) November 2005 Dr. K. Ludewig

56 Fallbeispiel Maria (2) November 2005 Dr. K. Ludewig

57 Fallbeispiel Maria (3) November 2005 Dr. K. Ludewig

58 Fallbeispiel Maria (4) November 2005 Dr. K. Ludewig

59 Fallbeispiel Maria (5) Psychotherapie u.a.:
< Therapeutin: A.-M. B., K.-J.-Psychotherapeutin> Unterstützung im Kampf gegen die "Magersucht“ Ich-Stärkung zur Korrektur des Selbstwertgefühls Förderung sozialer Kompetenzen Entwicklung konkreter Zukunftsperspektiven November 2005 Dr. K. Ludewig

60 Familientherapie u.a.: Fallbeispiel Maria (6)
P Problematisierung der selbstauferlegten Verantwortung, dem als belastet erlebten Vater zu stützen und nicht durch Eigenes zusätzlich zu "enttäuschen". P Öffnung der unausgeprochenen Abschottung der Familie gegenüber der als gefährlich wahrgenommenen Umwelt. P "Umdeutung" des sozialen Rückzug zurück in die Familie als Verzicht auf die eigene Weiterentwicklung - aus "Liebe". P "Umdeutung" der Abmagerung als Hilfsmaßnahme, um den sozialen Rückzug in die Familie besser leisten zu können. November 2005 Dr. K. Ludewig

61 Fallbeispiel Maria (7) Ergebnisse u.a.:
L Gewichtszunahme um 8 Kg <40,5  48,5 Kg> Stationäre Behandlungsdauer: 89 Tage (fast 3 Monate) L Deutliche Versuche, „realere“ Kontakte zu knüpfen, auch "negative" Gefühle offen zu zeigen und sich zu akzeptieren L Positivere, entlastende Stimmung in der Familie L Entscheidung zum Besuch einer Berufsschule mit dem Ziel, sich auf ihren Wunschberuf "Stewardess" vorzubereiten aber: ; Verfrühte Entlassung auf Wunsch der Familie dennoch: ( Nach kurzer bulimischer Phase langsame Stabilisierung des erreichten Gewichts und des psychischen Zustands. November 2005 Dr. K. Ludewig

62 Fallbeispiel Maria (8) Zwei in Einer oder: Essen - Familie - Leben:
November 2005 Dr. K. Ludewig

63 Fallbeispiel Kathy (1) Erkrankungsbeginn: Sommerferien <ICD 10 = F 50.0> Stationäre Behandlung: (4 Mo/9 Tg) Ambulante Nachsorge bis April 2001 Gewichte: Aufnahme : 34,5 Kg bei 157 cm (BMI = 13,9; kBMI50 = 51,5 Kg) Zielgewicht: 46,0 Kg (90% vom kBMI50) Entlassung: 46,1 Kg (BMI = 18,7 kg/m2 entspr. > 10 < 25%) Familie: Vater, 58 Jahre, angestellter Vermessungsingenieur Mutter, 55 Jahre, gel. Schneiderin, Hausfrau Bruder, 27 Jahre, gel. Kaufmann, wohnt in München Patientin, 17 Jahre, 12. Klasse Gymnasium November 2005 Dr. K. Ludewig

64 Fallbeispiel Kathy (2) Therapie/Zuständige:
Einzelpsychotherapie (Stationsarzt; ca. 2x Woche) Kunsttherapie Milieutherapie (Bezugsbetreuer + Stationsmitarbeiterinnen) Familientherapie (Ltd.Psychologe; ca. 1x Monat) Zustand nach Beendigung der ambulanten Nachsorge: April 2001: psychisch und somatisch stabil wesentliche Veränderungen in der Familie Jan : Besserung angehalten, Ø-Gewicht > 45 Kg. November 2005 Dr. K. Ludewig

65 Fallbeispiel Kathy (3) Der unendliche Schlund (Originalgröße
über 2 m hoch) November 2005 Dr. K. Ludewig

66 Gebrochenes Herz: Anna 16 Jahre
November 2005 Dr. K. Ludewig

67 Teil III Erste Ergebnisse
- regelmäßige Beurteilung der „Wegstrecke“ - Verhältnis von Gewichtszunahme zur Problem-Ziel-Beurteilung - Nachuntersuchungen November 2005 Dr. K. Ludewig

68 Ergebnisse (3) - Die Patientinnen - N = 17
November 2005 Dr. K. Ludewig

69 Ergebnisse (4) - Die Patientinnen - Ø-Werte
November 2005 Dr. K. Ludewig

70 Ergebnisse (1) - Verlaufsbogen
Patient Aufnahme am Entlassung am Station Einschätzungen: 9 Patient 9 Eltern/Erz.ber E-Ther F-Ther B-Betreuer 9 Kunst 9 Arzt Schule PROBLEME ZIELE Bitte Hauptprobleme, die durch Bitte den aktuellen Zustand Bitte das Ziel der Therapie bzw Therapie gelöst werden sollen, einschätzen und ankreuzen! den Zustand nach Überwindung im Hinblick auf das Ziel des Problems kurz beschreiben! in Stichworten beschreiben! < Problem Ziel > November 2005 Dr. K. Ludewig

71 Ergebnisse (2) - Problemtypen
November 2005 Dr. K. Ludewig

72 Ergebnisse (5) - Untersuchungszeitpunkte
t-1 Erhebungen während der stationären Therapie im Zeitraum t-2 Erhebungen zum Zeitpunkt der Entlassung aus der stationären Behandlung t-3 Nachuntersuchung im Sommer 2002 < Diss. St. Hagenhoff, Medizin, Uni Münster > November 2005 Dr. K. Ludewig

73 Ergebnisse (6) - Einordnungskriterien
Kriterien zur Einordnung des aktuellen Zustands (2002) 1. Symptomfrei a) keine anorektischen Primärsymptome (nach ICD 10) b) mindestens 3 der Beurteilungen durch Patientin und Eltern $ 7,0: (adäquates Essverhalten, sozial integriert, gefestigtes Selbstwert-gefühl, stabile psychische Verfassung, sichere familiäre Situation) 2. Stabil a) maximal zwei anorektische Primärsymptome b) mindestens 3 Beurteilungen $ 6,0 3. Instabil a) maximal drei anorektische Primärsymptome b) mindestens 3 Beurteilungen $ 5,0 4. Krank a) vier anorektische Primärsymptome b) mindestens 3 Beurteilungen $ 5,0 November 2005 Dr. K. Ludewig

74 Ergebnisse (7) - Nachuntersuchung
November 2005 Dr. K. Ludewig

75 Ergebnisse (8) - Problembereiche T3
November 2005 Dr. K. Ludewig

76 Ergebnisse (9): Zeitpunkt-Vergleiche T3
November 2005 Dr. K. Ludewig

77 Fazit These 1. MAGERSUCHT = MAGERSUCHT
bzgl. somatischer und Verhaltensgleichförmigkeiten jedoch These 2. MAGERSÜCHTIGE … MAGERSÜCHTIGE bzgl. Familien, Lebensumstände,Vorerfahrungen, Ressourcen also These 3. THERAPIE = THERAPIE bzgl. Körperpflege und Gewichtszunahme aber THERAPIE … THERAPIE bzgl. Psycho- u. Familientherapie sowie Begleitaspekte und BEWÄLTIGUNG … BEWÄLTIGUNG bzgl. Therapiedauer, Besserung und Prognose. November 2005 Dr. K. Ludewig

78 ENDE November 2005 Dr. K. Ludewig


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