Die Präsentation wird geladen. Bitte warten

Die Präsentation wird geladen. Bitte warten

Heidelberg, 26. Mai 2017 Wozu Diagnosen?

Ähnliche Präsentationen


Präsentation zum Thema: "Heidelberg, 26. Mai 2017 Wozu Diagnosen?"—  Präsentation transkript:

1 Heidelberg, 26. Mai 2017 Wozu Diagnosen? Zu Chancen und Risiken ihres Gebrauchs und ihrer Vermeidung Fritz B. Simon

2 Vorbemerkung Geständnis: Ich verwende Diagnosen eigentlich nur zur Beschimpfung meiner Mitmenschen... Lieblingsdiagnose: „Salonschwachsinn“ (= „Impressionmanagement“)

3 Trotzdem... (mein Vorhaben)
Plädoyer für den Gebrauch von Diagnosen These: Der Gebrauch bestimmt die Bedeutung der Diagnose, d.h. es gilt ihren Gebrauch zu verändern...

4 2. Beschreiben, Bewerten und Erklären in der Diagnostik
Programm 1. Risiken und Nebenwirkungen der Verwendung und Vermeidung von Diagnosen 2. Beschreiben, Bewerten und Erklären in der Diagnostik 3. Die soziale Konstruktion/Evolution einer Diagnose (z.B. Psychose) 4. Die therapeutische Dekonstruktion der Diagnose

5 Risiken und Nebenwirkungen der Verwendung und Vermeidung von Diagnosen
1 Risiken und Nebenwirkungen der Verwendung und Vermeidung von Diagnosen

6 Die „Prinzessin“ auf der Suche nach der verlorenen Diagnose...
Kurze Fallvignette Die „Prinzessin“ auf der Suche nach der verlorenen Diagnose... Frage: „Wozu eine Diagnose?“ Antwort: „Damit ich weiß, wie ich mich zu verhalten habe!“

7 Risiken der Verwendung von Diagnosen
Medizinische Krankheitskonzepte Selbsterfüllende Prophezeiungen Modell der Arzt-Patient-Beziehung: „Fragen Sie Arzt oder Apotheker...!“ (= Wissender-Nicht-Wissender) (= Mächtiger-Ohnmächtiger) (= aktiv Handelnder-passiv Leidender)

8 Risiken der Vermeidung
Ausschluss aus dem medizinischen System Keine Bezahlung durch Krankenkassen Verlust der Anschlussfähigkeit im Diskurs Unmöglichkeit der Implementierung alternativer Behandlungskonzepte und -möglichkeiten usw.

9 Gegenbeispiel Das Heidelberger Projekt zur systemischen Therapie „manisch-depressiver“ Patienten und ihrer Familien... (Stierlin, Weber, Schmidt, Simon und später Retzer) Diagnose als Suchkriterium: Nur staatlich geprüfte, langjährig erfahrene Diagnosebesitzer aufgenommen... Katamnese: Herausforderung für etablierte Krankheitsmodelle..

10 Beschreiben, Bewerten und Erklären in der Diagnostik
2 Beschreiben, Bewerten und Erklären in der Diagnostik

11 Der übliche Diagnosegebrauch
1. Beschreibung von Phänomenen (diagnosis = Unterscheidung) 2. Bewertung der Phänomene (=Krankheitswert?) 3. Erklärung der Phänomene (=Konstruktion generierender Mechanismen) Im üblichen Gebrauch von Diagnosen werden die drei Aspekte vermischt... Dreifache Selektion

12 Fokussierung der Aufmerksamkeit
Außen/Kontext: Merkmale der Umwelten Innen: Wahrgenommene Phänomene (definierende Merkmale) d.h. vom Kontext wird ab- strahiert (= „blinde Flecke“)

13 Bewertung/Konnotation
gut/böse stark/schwach aktiv/passiv lustvoll/unlustvoll, erwartet/unerwartet, normal, unnormal abweichend, angepasst krank/gesund usw. z.B. Affekte, Emotion, Intuition nüchterne Kalkulation

14 Erklärung („Retroduktion“) Charles S. Peirce, 1898
... E n X Konstruktion eines „generierenden Mechanismus“ für das beschriebene Phänomen (= Hypothesenbildung) Phänomen

15 Wechselbeziehung Beschreiben z. B. die Tasse an der Wand Erklären
Bewerten

16 Kopplung unterschiedlicher autopoietischer Systeme
Erleben (= Beobachtung der Kopplung Organismus/soziales System) Selbst- organisierte Muster unter- schiedlicher Materialität Erleben, Bewusstsein Inter-aktions- Muster (ubw) Physiolo-gische Muster (ubw)

17 Verortung in unt. Systemen bzw. Phänomenbereichen
Beschreiben Bewerten Erklären Körper (biologisches System) Anatomische + physiologische Befunde krank/gesund Über- vs. Unterfunktion, ... Interaktion (soziales System) Verhalten, Teil-nahme an Kommunikation angepasst, abweichend, merkwürdig... Aktuelle Spiel- regeln, Lernen, Sozialisation... Bewusstsein (psychisches System) Erleben, Denken, Fühlen, ... „normal“, „neurotisch“, „psychotisch“... Psychodynamik Üblicher Diagnosegebrauch: Vermischung von Beschreiben, Bewerten, Erklären

18 Praxisrelevanz Therapeutische Strategien werden nicht aus den beobachteten (=unterschiedenen/bezeichneten) Phänomenen abgeleitet, sondern aus deren Erklärung... d.h. den hypothetischen Mechanismen ihrer Entstehung und/oder ihrer Beseitigung (Pathologie- vs. Lösungs-Orientierung).

19 Risiken und Chancen der Erklärungsmodelle
Biologisch (+): Entlastung von Schuld (-): Stigmatisierung Sozial (+): Einflussmöglichkeit (-): Verantwortlichkeit Psychisch (+/-): Keine Möglichkeit von außen zu intervenieren

20 Die soziale Konstruktion/Evolution einer Diagnose (z.B. Psychose)
3 Die soziale Konstruktion/Evolution einer Diagnose (z.B. Psychose)

21 Die soziale Konstruktion der Diagnose I
1. Entdeckung eines „Problems“ (aufgrund der Abweichung von sozialen Erwartungen – „Plus-“ oder „Minus-Symptom“) 2. Einengung des Aufmerksamkeitsfokus (die Wahrnehmung der Angehörigen ist sensibel auf Abweichungen gerichtet, während „normales“ Verhalten immer weniger registriert wird) t

22 Die soziale Konstruktion der Diagnose II
3. Suche nach Erklärungen (Blick in die Vergangenheit, wo die „Ursachen“ vermutet werden) 4. Konstruktion geradliniger Ursache-Wirkungs-Beziehungen („als Kind zu heiß gebadet“, „nicht genug Liebe bekommen“, „traumatisiert“ etc.) t

23 Die soziale Konstruktion der Diagnose III
5. Alternative: Alleinschuld oder Unschuld (Verwechslung von Einfluss und moralischer Schuld, Entweder-oder-Denken: Macht oder Ohnmacht) 6. Dekontextualisierung individuellen Verhaltens (=Exkommunikation) (Aktionen verlieren Sinnzusammenhang, „sind unverstehbar“, Abbruch der Kommunikation) t

24 Die soziale Konstruktion der Diagnose IV
7. Diagnose einer Psychose (Einschaltung von Dritten: Ärzten, Institutionen, Ämtern, Wechsel des sozialen Kontextes; Akzeptanz des medizinischen Krankheitskonzepts) 8. Chronifizierung/Stagnation (Ohnmacht/Passivierung der unmittelbar Beteiligten, Hoffnung auf Medizin...) t

25 Resumée Die Konstruktion einer Diagnose ist ein komplexer, kooperativer Prozess, an dem viele Akteure beteiligt sind und der identifizierte Patient wie auch die Mitglieder seiner Familie, Helfer, Ärzte sowohl als „Täter“ als auch als „Opfer“ zu betrachten sind, woraus sich therapeutische Möglichkeiten ergeben (unabhängig von der Erklärung...)

26 Individuelle psychosoziale Entwicklung u. Diagnose
Dynamische Stagnation Diagnose Krise Krise t

27 Die therapeutische Dekonstruktion
4 Die therapeutische Dekonstruktion der Diagnose

28 Die Dekonstruktion der Diagnose I
8. Verflüssigen der Eigenschaften, die qua Diagnose zugeschrieben werden (Übersetzen in Verhalten, um zeitliche Unterschiede einzuführen = nicht-chronisch) 7. Normalisierung des „abweichenden“ Verhaltens (Umdeutung des nicht-versehbaren Verhaltens in Teilnahme an Kommunikation) t

29 Die Dekonstruktion der Diagnose II
6. Kontextualisierung des Symptomverhaltens (Konstruktion möglicher sozialer/interaktioneller Sinnzusammenhänge / Umdeutungen) 5. „Opfer zu Tätern“ (Ausloten der Möglichkeiten jedes Einzelnen Einfluss zu nehmen – vom Ausdrücken von Emotionen bis zur Medikamenteneinnahmen) t

30 Die Dekonstruktion der Diagnose III
4. Konstruktion zirkulärer Ursache-Wirkungs-Beziehungen (Einführung von Komplexität, Infragestellung simplifizierender Kausalitätskonzepte) 3. Unentscheidbarkeit/Irrelevanz der Erklärung, Primat pragmatischer Erwägungen (Zukunftsorientierung, Eröffnung von Optionen) t

31 Die Dekonstruktion der Diagnose IV
2. Erweiterung des Aufmerksamkeitsfokus (Aspekte des Lebens, jenseits des „Problems“ werden wichtig, Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet) 1. Vergessen des Problems (Alles, was nicht erinnert wird, ist vergessen, d.h. die Stagnation erzeugende Dynamik der Problemfokussierung findet ein Ende...) t

32 Konstruktion/Dekonstruktion der Diagnose I
1. Entdecken des Problems Vergessen des Problems 2. Einengung des Aufmerksamkeitsfokus Erweiterung des Aufmerksamkeitsfokus 3. Suche nach Erklärungen Unentscheidbarkeit der Erklärung 4. Geradlinige Ursache- Wirkungs-Modelle Zirkuläre Ursache- t

33 Konstruktion/Dekonstruktion der Diagnose II
5. Schuld/Unschuld „Opfer zu Tätern“ 6. Dekontextualisierung des Verhaltens Re-Kontextualisierung 7. „Fest“-Stellung einer Diagnose „Normalisierung“ des Verhaltens 8. Chronifizierung, Stagnation Vergessen des „Problems“ t

34 Individuelle psychosoziale Entwicklung u. Diagnose
Dynamische Stagnation Diagnose Krise Krise t

35 Nachbemerkung In der Therapie geht es immer um die Einführung von Unterschieden, in welcher Richtung das auch sein mag, d.h. es kann auch sinnvoll und nützlich sein, die Idee einer körperlichen Krankheit und/oder der Nicht-Beeinflussbarkeit des Status quo zu streuen ...

36 Meine Schlussfolgerung
Diagnosen sind nützlich, um unterschiedliche Verhaltens- und Interaktionsmuster zu benennen (=Beschreiben). Diagnosen sind problematisch, wenn sie mit spezifischen biologischen, psychologischen oder soziologischen Theorien fest gekoppelt sind (= Erklären) Konsequenz: Aus konstruktivistischer Sicht sollten sie nach pragmatischen Erwägungen gebraucht werden (=Bewerten).

37 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!


Herunterladen ppt "Heidelberg, 26. Mai 2017 Wozu Diagnosen?"

Ähnliche Präsentationen


Google-Anzeigen