Was sind Neue Soziale Bewegungen?

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 Präsentation transkript:

Was sind Neue Soziale Bewegungen? Bei Bewegungen handelt es sich um einen nicht kontrollierten, kollektiven Prozess der Abwendung von vorherrschenden gesellschaftlichen Werten, Normen oder Zwecken.

Unterschied zu den Parteien (1) weniger organisiert und in Programmatik, Zwecken und Mitteln weniger spezifisch auf das institutionelle Politiksystem ausgerichtet.

Unterschiede (2), organisationssoziologisch: Im Vergleich zu funktional differenzierten und teilweise professionalisierten Parteiorganisationen haben soziale Bewegungen einen niedrigen Grad an funktionaler Differenzierung und einen hohen internen Konformitätsdruck, der zuweilen auch Gewohnheiten und Sprache der Mitglieder beeinflusst und Sichtbarkeit verleiht (Imhof 1996: 168). Mitglieder haben hohe emotionale Bindungen.

In morphologischen Termini (Geser 1983: 202): Bewegungen sind überwiegend segmentär (im Gegensatz zu arbeitsteilig) konstituierte Sozialsysteme zentralisierter Steuerung steht in einem diffusen Mischverhältnis mit halb- und dezentralisierten Komponenten (Geser 1983: 202).

Steuerung von Bewegungen (1) Zentralisierten Elemente: Charismatische Führungspersonen, die als konsensual anerkannte Repräsentaten der gemeinsamen Symbole und Zielsetzungen fungieren. Deren Ausscheiden zieht häufig die Fragmentierung oder Auflösung des Gesamtsystems nach sich (Weber 1972: 664).

Steuerung von Bewegungen (2) Dezentralisierte Steuerung: Sie zeigt sich in der freiwilligen "Gefolgschaft" jedes Mitglieds aufgrund innerer Motivation.

Steuerung von Bewegungen (3) Halbzentralisierte Komponenten: Wirken in der Tendenz des Kollektivs, sich als solidarische Ingroup gegenüber dem gesellschaftlichen Umfeld zu differenzieren, sowie in einem horizontalen Konformitätsdruck, der auch innerlich wenig überzeugte Mitläufer zu einer - wenigstens temporären ritualisierten Teilnahme drängt (Geser 1983: 202 f.).

Labilität der "inneren Motivation" und Unzuverlässigkeit des Führungscharismas haben zur Folge, dass Bewegungen wenig langfristige Überlebenschancen besitzen (Geser 1983: 203).

Warum entstehen soziale Bewegungen? Es gibt verschiedene Erklärungsansätze:

Sozialpsychologische Ansätze: Konzept der relativen Deprivation Die autoritäre Persönlichkeit Theorie der Statusinkonsistenz

Weitere Gruppen von Ansätzen: Strukturfunktionalistische Ansätze Konflikttheorien

Übersicht über die verschiedenen Ansätze:      

Der Ressourcen-Mobilisierungs-ansatz erklärt in erster Linie .... wie und warum soziale Bewegungen aktiv und erfolgreich sind.

RM-Ansatz unterscheidet sich von anderen Ansätzen in zwei Punkten (vgl RM-Ansatz unterscheidet sich von anderen Ansätzen in zwei Punkten (vgl. Giugni 1995: 49): Vorstellung, dass am Anfang eines Mobilisierungsprozesses Unzufriedenheit und soziale Desintegration steht wird verworfen. Schwergewicht liegt bei der sozialen Organisiertheit als zentrale Voraussetzung für kollektive Aktionen.

2. Die Verfügbarkeit von Ressourcen, welche für eine erfolgreiche Mobilisierung notwendig sind, wird thematisiert.

Das Mobilisierungsmodell von Tilly (1978) ist zweiteilig: Es unterscheidet ein Mobilisierungsmodell im engeren Sinne, welches die mobilisierende Bevölkerungsgruppe betrachtet, und ein Modell im weiteren Sinne welches auch die Interaktionspartner berücksichtigt.

Das engere Modell geht von folgenden Begriffen aus: Interessen Organisation Mobilisierung

Interessen lassen sich bestimmen aus den Äusserungen der untersuchten Bevölkerung oder aus der Analyse ihrer sozialen Position (subjektive vs. objektive Interessen).

Aufgabe der Organisation ist es, die Handlungsbereitschaft zu stabilisieren. Dies geschieht durch die Herausbildung einer kollektiven Identität und die Akkumulation von Ressourcen. Durch die Organisation wird eine minimale zeitliche Beständigkeit gesichert. Eine Organisation kann sein: formal oder informell, von "oben" (Elite, Avantgarde) oder von "unten" (Szene, basisdemokratische Organisation) aufgebaut, hierarchisch oder horizontal strukturiert.

Mobilisierung charakterisiert einen Prozess, bei dem eine Gruppe von einer passiven Ansammlung von Individuen zu einem aktiven Teilnehmer an politischen Entscheidungen wird. Anstelle des Begriffs "Mobilisierung" könnte auch Gamsons Begriff "Aktivierung der Handlungsbereitschaft" gesetzt werden (Gamson 1975).

Der zweite Teil des Modells umfasst die Begriffe: Repression/Begünstigung, Macht und Chancen/Bedrohung

Mit Repression/Begünstigung meint Tilly jede Aktion eines anderen Akteurs, welche die Kosten für eine erfolgreiche Mobilisierung erhöht oder senkt. Dies kann in verschiedenen Phasen des Mobilisierungsprozesses geschehen.

Die Macht einer Gruppe ist das Ausmass, in welchem sie sich gegen die Interessen eines konfliktiven Akteurs durchzusetzen vermag. Dies entspricht in etwa der bekannten Definition von Max Weber (Die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, unabhängig davon worauf diese Chance beruht). Allerdings ist dies eine eindimensionale Vorstellung von Macht. Mehrdimensionale Konzepte berücksichtigen u. a. auch die Herbeiführung von Entscheidungen oder die Unterdrückung von Einscheidungssituationen (vgl. Bachrach 1969, Bachrach/Baratz 1963, Luke 1974).

Unter Bedrohung und Chance wird die Verletzlichkeit der Regierung (z.B. kurz vor Wahlen) respektive die vorherrschende Meinung gegenüber der mobilisierenden Gruppe (Kalter Krieg, Nestbeschmutzer) verstanden.

Das erweiterte RM-Modell

Schwachstellen des RM-Modells: Der Übergang von einem latenten Potential zu einem manifesten Potential. Warum entsteht die Bereitschaft, sich zu organisieren und kollektiv zu handeln (Bewusstwerdungsproblem)? Wie entsteht aus einem manifesten Potential eine handlungsfähige Bewegung. Wie bildet sich eine minimale Organisationsstruktur heraus? Organisationen haben spezifische Probleme wenn es darum geht, das Bewusstwerdungsproblem und das Ressourcenproblem zu lösen und die Handlungsbereitschaft zu stabilisieren. Wie reagieren die anderen Akteure auf der politischen Bühne? Die Stellung einer Bewegung im politischen System sollte berücksichtigt werden.

Weiterentwicklung des RM-Ansatzes: Schwächen des Ressourcen-Mobilisierungs-Ansatzes liegen in seiner Beschränkung auf den Ablauf des Mobilisierungsprozesses begründet. Die Interaktion mit dem politischen System wird zu wenig berücksichtigt. Es gilt die soziale Bewegung wieder verstärkt in einem Konfliktkontext anzusiedeln und die Elemente des politischen Systems zu berücksichtigen. Damit rückt die Frage, warum es zu sozialen Bewegungen kommt, wieder stärker in den Vordergrund.

Political Opportunity Structure Eine Weiterentwicklung des Ressourcen-Mobilisierungs-Ansatzes, die sich verstärkt mit Gegebenheiten des politischen Systems auseinandersetzt, ist das Konzept der "political opportunity structure" (POS). Beispiel: Jugendbewegung in Genf und Zürich (Kriesi, Wiesler)

Das Verhältnis zwischen Parteien und Bewegungen (Kriesi 1986: 345 ff das Stufenmodell (Bewegung als historische Vorstufe der Partei) das Schöpfquell-Modell (Bewegung als funktionales Komplement einer Partei, POCH; Alternativbewegung aus Sicht der Partei), das Avantgarde-Modell (Partei ist der Bewegung übergeordnet, SAP; leninistisches Organisationsprinzip) und das Sprachrohr-Modell (Partei ist ein Instrument der Bewegung, POCH; Partei aus Sicht der Alternativbewegung).

Soziale Bewegungen in der Schweiz Herausbildung und Gestaltung der politischen Institutionen und die "Institutionalisierung" der politischen Akteure lassen sich auch in der Schweiz auf "bewegte Zeiten" zurückführen (vgl. dazu Imhof 1996: 172, welcher auch auf die relevanten Quellen verweist):

Ohne radikal-demokratische Bewegung in den 1830er und 1840er Jahren, ohne Verfassungsbewegung, Aargauer Klosterstreit, Freischarenzüge und Sonderbundskrieg keine Bundesverfassung.

Ohne Verfassungskämpfe im Kontext des Kulturkampfes zwischen der demokratischen Bewegung und des damals bewegungsförmigen politischen Katholizismus der 1860er und 1870er Jahren keine Partialrevision der Bundesverfassung 1874.

Ohne Arbeiterbewegung, die sich in den 1880er und 1890er Jahren stabilisierte und radikalisierte, keine Teilintegration des politischen Katholizismus gegen die neue Opposition. Danach sorgte die Arbeiterbewegung zusammen mit verschiedenen bürgerlichen Schutzbünden und den Bauernbewegungen für eine "rundum bewegte Schweiz" ausgangs des ersten Weltkrieges.

Die Einführung des Proporzwahlsystems 1919 sicherte danach den vier grossen politischen Kräften eine in etwa ihrer Mobilisierungskraft entsprechende Vertretung im Nationalrat und damit waren die Grundsteine für die vier grossen Parteien endgültig verankert.

In der Krise der 1930er Jahren entstand eine "eigentliche Bewegungsflut", die erst mit der geistigen Landesverteidigung wieder zurückging. Zu dieser Zeit entstanden: die "Frontenbewegung", die "Jungbauernbewegung" der "Landesring", die "Richtlinienbewegung" und die (liberale) "Sammlung der Mitte".

Nach dem zweiten Weltkrieg gelang der "linkssozialistischen Sammlungsbewegung 'PdA'" einen Einbruch ins schweizerische Parteiensystem. Die Ära des Kalten Krieges blieb mit Ausnahme der "Ungarnbewegung" und vereinzelten "Naturschutzbewegungen" eher bewegungsfrei.

In den 1960er und 1970er Jahren erlebten Bewegungen wiederum eine Hochkonjunktur. "Nationale Aktion" und "Schwarzenbach-Republikaner" auf der rechten Seite sowie die "Neue Linke", die "Frauen-", "Umwelt-", "Drittwelt-" und "AKW-Bewegung" auf der linken Seite prägten die politischen Auseinandersetzungen in grossem Masse.

Die 1980er Jahre erlebten die "Jugendbewegung", welche in die "Bewegung der urbanen Autonomen" mündete, sowie Bewegungen im Rahmen der Asylrechtsdebatte und der Armeefrage.  

Der weltweite Integrationsprozess und die Europafrage führten zu Beginn der 1990er Jahre zur Aktivierung der integrationsfeindlichen "Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS)" und der "Pro Europa-Bewegung", welche mit verschiedenen Initiativen den Anschluss der Schweiz an Europa zu sichern sucht.  

Evaluation animierte Präsentation Qualität der Animation? Verbesserungsvorschläge? Zusätzlicher Lerneffekt? Sinnvoll oder überflüssig?