Barta: Zivilrecht online

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 Präsentation transkript:

Barta: Zivilrecht online Lehre vom Rechtssatz Paragraphen/ Rechtsnormen/ Rechtsvorschriften sind ‚Rechtssätze‘ … ihr idealtypischer Aufbau besteht aus: Tatbestand (Tb) = „Wenn A ist“ + Rechtsfolgeanordnung = „soll“ + Rechtsfolge (RF) = „B sein“. Man sagt vereinfachend: Rechtssätze bestehen aus ‚Tatbestand‘ und ‚Rechtsfolge‘ ‚Rechtssätze‘ können auch aus mehreren Paragraphen bestehen; s. den ‚Langlaufloipenfall‘: §§ 1319a, 1325, 1304 ABGB Und: Nicht alle Paragraphen enthalten eine Rechtsfolge; vgl § 53 UGB: ‚ppa‘ (= per procura) – Zeichnung durch Prokuristen Barta: Zivilrecht online

Was ist Tatbestands-, was Rechtsfolgeelement? Beispiel: Körperverletzung: § 1325 ABGB „Wer jemanden an seinem Körper verletzt, bestreitet die Heilungskosten des Verletzten; ersetzt ihm den entgangenen oder, wenn der Beschädigte zum Erwerb unfähig wird, auch den künftig entgehenden Verdienst, und bezahlt ihm auf Verlangen überdies ein den erhobenen Umständen angemessenes Schmerzengeld.“ Barta: Zivilrecht online

Rechtsanwendung - Subsumtion Um einen Fall rechtlich entscheiden zu können, ist neben ‚Tb‘ und ‚RF‘ ein weiterer Begriff zu erklären: Der Sachverhalt (SV); er ist das, was sich tatsächlich in der Außenwelt zugetragen hat. Er wird gerichtlich festgestellt; zB ein Vertragsschluß oder ein (Verkehrs)Unfall Subsumtionsvorgang: Der konkrete SV wird einem ‚geeigneten‘ Rechtssatz, genauer dessen Tatbestand, unterstellt und die in diesem Rechtssatz bloß abstrakt formulierte Rechtsfolge wird auf den konkreten SV übertragen Ergebnis: richterliche Entscheidung im Einzelfall = Urteil Barta: Zivilrecht online

Der juristische Syllogismus Obersatz = anzuwendende Rechtsnorm/en zB § 1319a iVm § 1325 und § 1304 ABGB Untersatz = (Lebens)Sachverhalt zB Langlaufunfall = wird bei Übereinstimmung/ Kongruenz von Ober- und Untersatz vom Rechtsanwender ermittelt = Urteil/Entscheidung + enthält kongruente Rechtsfolgen-anordnung Schlußsatz Barta: Zivilrecht online

Der Sachverhalt: EVBl 1983/90 Die unterbrochene Langlaufloipe Achtung fallendes Gelände ! verletzte Läuferin 70 Jahre ca 80 cm tiefe Stufe durch Schneefräse war erst kurz vorher erkennbar Barta: Zivilrecht online

§ 1319a: Die Haftung des Wegehalters (1) Wird durch den mangelhaften Zustand eines Weges ein Mensch ... an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt ..., so haftet derjenige für den Ersatz des Schadens, der für den ordnungsgemäßen Zustand des Weges als Halter verantwortlich ist, . ... (2) Ein Weg im Sinn des Abs. 1 ist eine Landfläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen für den Verkehr jeder Art oder für bestimmte Arten des Verkehres benützt werden darf, auch wenn sie nur für einen eingeschränkten Benützerkreis bestimmt ist; ... Ob der Zustand eines Weges mangelhaft ist, richtet sich danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist. Barta: Zivilrecht online

§ 1304 ABGB: Mitverschulden „Wenn bei einer Beschädigung zugleich ein Verschulden von Seite des Beschädigten eintritt; so trägt er mit dem Beschädiger den Schaden verhältnismäßig; und, wenn sich das Verhältnis nicht bestimmen lässt, zu gleichen Teilen.“ Barta: Zivilrecht online

Langlaufloipenfall - Rechtsfindung Der (gerichtlich) erhobene Sachverhalt wird dem abstrakten Tatbestand – hier: § 1325 ABGB (Körperverletzung) iVm § 1319a (Wegehalterhaftung) und § 1304 –(Mitverschulden) unterstellt/subsumiert; und  die abstrakte Rechtsfolge - hier der §§ 1319 a, 1325 und 1304 ABGB - wird auf den konkreten SV (‚Fall‘) übertragen  Ergebnis: Gerichtliches Urteil Hier lautet es zB: „Der Beklagte (=FVV) ist schuldig, der Klägerin ... die Heilungskosten in der Höhe von ... sowie ein Schmerzengeld in der Höhe von ... etc zu ersetzen“ Barta: Zivilrecht online

Zum Langlaufloipenfall: EvBl 1983/90 Kl = verletzte Schifahrerin Bekl = FVV Klage Unfall § 272 Abs 1 ZPO: "Das Gericht hat ... unter sorgfältiger Berücksichti- gung der Ergebnisse der gesamten Verhandlung und Beweisführung nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine tatsächliche Anga- be für wahr zu halten ist." Prüfung im Prozeß SV-Erhebung + Beweisaufnahme: Sachverständiger freie richterliche Beweiswürdigung: § 272 Abs 1 ZPO Barta: Zivilrecht online Rechtsfindung / Urteil

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Gesetzesauslegung: § 6 ABGB Auslegung = Ermittlung des maßgeblichen Sinns eines Rechtssatzes „Einem Gesetze darf in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte [Wortinterpretation] in ihrem Zusammenhange [grammatisch-logische Interpretation] und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers [teleologische Interpretation] hervorleuchtet.“ Barta: Zivilrecht online

Mögliche Auslegungsschritte: § 6 ABGB Die Auslegung/Interpretation ist ein einheitlicher Vorgang (eine Art Gesamtakt), der nicht immer alle Schritte umfassen muß! Wortinterpretation, grammati(kali)sche, allgemein-logische I. Frage: Was bedeutet der Text sprachlich ? Frage: Welchen rechtlichen Sinn hat der Gesetzestext ? Historische, systematische, teleologische I. Barta: Zivilrecht online

Ergebnis der Auslegung: § 6 ABGB Das Auslegungsergebnis kann den Gesetzestext: Bestätigen = interpretatio secundum legem Normalfall Berichtigen = ... contra legem ZB § 339 ABGB: Besitzstörung; Widerspruch / Antinomie zu § 457 Abs 1 ZPO Ergänzen = ... praeter legem Analogie: § 1319 ABGB Anwendung auf Bäume Bei der Interpretation unterscheidet man ferner: Einschränkende oder restriktive Auslegung Beispiel: § 879 Abs 1 ABGB: Nicht jede Gesetzwidrigkeit führt zu Nichtigkeit! Ausdehnende oder extensive Auslegung Beispiel: Kinder iSd ABGB = alle Nachkommen; Eltern iSd ABGB = alle Vorfahren Barta: Zivilrecht online

Analogie und natürliche Rechtsgrundsätze ABGB § 7 ABGB: „Läßt sich ein Rechtsfall weder aus den Worten, noch aus dem natürlichen Sinn eines Gesetzes entscheiden, so muß auf ähnliche in den Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle [= Gesetzesanalogie] und auf die Gründe anderer damit verwandten Gesetze [= Rechtsanalogie] Rücksicht genommen werden. Bleibt der Rechtsfall noch zweifelhaft, .... so muß solcher... "nach den natürlichen Rechtsgrundsätzen" entschieden werden“. Barta: Zivilrecht online

Öffnen des Analogiefilters: § 7 ABGB Lückenfüllung nach Karl Anton von Martini Natürliche Rechtsgrundsätze: Öffnen des Analogiefilters auf die gesamte RO und darüber hinaus auf das Natur- oder Kulturrecht aller zivilisierten Staaten Beispiel: Totenrecht III Rechts- oder Gesamtanalogie Beispiele: cic + W/StdGG II Gesetzes-, Rechtssatz- oder Einzel(fall)analogie Beispiel: Anwendung der Gebäude(halter)haftung des § 1319 ABGB auf morsche Bäume (F. Gschnitzer) I Barta: Zivilrecht online

Gesetzes- oder Einzel(fall)analogie § 7 Satz 1, 1. Fall Problem: Ein bestimmter Fall ist im Gesetz nicht geregelt, es besteht insofern eine Gesetzeslücke Frage: Hat der Gesetzgeber diese Lücke bewusst gelassen oder den Fall nicht bedacht (= echte Lücke)? Lösung durch die Rspr: Handelt es sich um eine (echte) Lücke und ist der zu entscheidende Fall einem gesetzlich geregelten rechtsähnlich/analog dh er kann rechtlich ebenso gewertet werden wendet die Rspr die einzelne ähnliche gesetzliche Regelung (= Tb + RF) auf den ungeregelten Fall an Bei sog unechten oder Wertungslücken ist der Fall zwar geregelt, entspricht aber nicht mehr herrschenden Wertungen Daher: Analogie dient auch als (Wertungs)Korrektiv ! Barta: Zivilrecht online

Beispiel für Gesetzesanalogie § 1319 ABGB: „Wird durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werkes jemand verletzt oder sonst ein Schaden verursacht, so ist der Besitzer des Gebäudes oder Werkes zum Ersatze verpflichtet, wenn die Ereignung die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist [!], daß er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe.” Diese Bestimmung (für ‚Gebautes‘) wird – auf Vorschlag Gschnitzers – von der Rspr analog auf Bäume, also ‚Gewachsenes‘ angewandt Beispiel: Morscher Ast bricht ab und verletzt Passanten Barta: Zivilrecht online

Rechts- oder Gesamtanalogie § 7 Satz 1, Fall 2 Aus mehreren Einzelvorschriften mit ähnlichen rechtspolitischen Zielsetzungen wird ein neuer Tatbestand gebildet Die ‚verwendeten‘ Rechtsvorschriften können aus einem oder verschiedenen Gesetzen, aus dem Privat- oder öffentlichen Recht etc stammen Beispiele: culpa in contrahendo/cic Wegfall/Störung der Geschäftsgrundlage/WdGG Gefährdungshaftung für gesetzlich nicht geregelte gefährliche Betriebe: sog Analogiepraxis des OGH Barta: Zivilrecht online

Beispiel einer Rechtsanalogie: cic Problem: Haftung für Verschulden bei Vertrags-schluss; Rechtsinstitut gesetzlich nicht geregelt Rspr entwickelte aus verstreuten gesetzlichen Einzelregelungen neues Rechtsinstitut der culpa in contrahendo = c.i.c. Als Analogiequellen dienten ua.: § 866 aF ABGB: Vortäuschung der Volljährigkeit § 874 ABGB: Irreführung bei Vertragsschluß § 878 letzter Satz ABGB: Kenntnis von der Unmöglichkeit der Vertragserfüllung; ebenso bei § 879 (Sittenwidrigkeit) sowie die Irrtumsregeln der §§ 871 ff ABGB § 932 Abs 1 letzter Satz aF ABGB: Verschuldeter Schaden für Gewährleistungsmängel §§ 869, 915 ABGB: Scheinhandlung und unklare Ausdrucksweise Barta: Zivilrecht online

Die natürlichen Rechtsgrundsätze § 7 Satz 2, Fall 3 ABGB Führen weder Auslegung noch Analogie zum Ziel, kommt es durch den Richter (anstelle des Gesetzgebers) zur Rechtssetzung im Einzelfall Beispiel (OGH JBl 1967, 144): „Die Grundsätze von Treu und Glauben und vom Vertrauen auf die Übung des redlichen Verkehrs sind als sittliche Grundsätze (§§ 863, 914) so allgemein anerkannt, daß es zur Anwendung dieser Grundsätze keiner besonderen Gesetzesbestimmung bedarf” Unterbrechung der Verjährungsfrist, wenn Schuldner Vergleichsverhandlungen verschleppt, bis Verjährung eintritt; hier Versicherungsunternehmen! Barta: Zivilrecht online

Vertragsauslegung: § 914 ABGB „Bei Auslegung von Verträgen ist nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern … die Absicht der Parteien [Plural!] zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der … Übung des redlichen Verkehrs entspricht.“ Beachte: Legistischer Aufbau des § 914 folgt dem Vorbild des § 6 ABGB! Barta: Zivilrecht online

Zwei Unklarheitenregeln des § 915 ABGB Vertrag 1. Fall: „Bei einseitig verbindlichen Verträgen wird angenommen, daß sich der Verpflichtete eher die geringere ... Last auferlegen wollte“ Beispiel: Nicht Schenkung, sondern Leihe RömR: donatio non praesumitur 2. Fall: „Bei zweiseitig verbindlichen [Verträgen] wird eine undeutliche Äußerung zum Nachteile desjenigen erklärt, der sich derselben bedient hat“ Beispiel: Unklare AGB/ Versicherungsbedingungen Barta: Zivilrecht online

Vertragsauslegung und Willenserklärungen Verträge sind auszulegen: wörtlich, nach der Absicht der Parteien (= Geschäftszweck) und der Übung des redlichen Verkehrs § 914 ABGB § 915 Unklarheiten- regeln 1. Einseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte – geringere Last für Verpflichteten ! 2. Zweiseitig verbindliche Verträge – „undeutliche Äußerung“ wird sanktioniert ! Willenserklärungen werden ausdrücklich, schlüssig/konkludent oder stillschweigend abgegeben Bedeutung von Handlungen und Unterlassungen: Rücksichtnahme auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche § 863 ABGB Barta: Zivilrecht online

Beispiel: Vertragsauslegung (1) Auslegung einer Konkurrenzklausel: EvBl 1971/317 Verpachtung des einzigen Spenglerei- und Installationsbetriebs im Brixental/Tirol Vertragsklausel: „Der Pächter verpflichtet sich – bei sonstiger Leistung der vollen Genugtuung und einer vom Gericht zu bestimmenden Konventionalstrafe – drei Jahre nach Ablauf des Pachtverhältnisses im Brixental kein gleichartiges Gewerbe zu betreiben. Diese Bestimmung gründet darauf, daß der Pachtbetrieb der einzige einschlägige Betrieb im ganzen Brixental ist und die Verpächterin dem Pächter ihren gesamten Kundenstock zu Verfügung stellt.“ Barta: Zivilrecht online

Beispiel: Vertragsauslegung (2) Sachverhalt: Pachtvertrag wurde am 2.2.1971 aufgelöst. Die Beklagte (= ehemalige Pächterin) betreibt seither ein Installationsunternehmen im Brixental/ Hopfgarten Antrag des ehemaligen Verpächters auf einstweilige Verfügung + Unterlassungsklage Gefahr, daß der Kundenstock des verpachteten Unternehmens verloren geht und eine Wiederverpachtung des Unternehmens daher unmöglich wird Streitpunkte: Ist eine Klage auf Unterlassung möglich, oder nur Schadenersatzanspruch des früheren Verpächters wegen Vertragsverletzung (bei Aufrechterhaltung des Betriebes der Beklagten?) Barta: Zivilrecht online

Beispiel: Vertragsauslegung (3) Entscheidung des OGH: Wirtschaftliche Bedeutung der Konkurrenzklausel rechtfertigt Unterlassungsanspruch "Absicht der Parteien" (§ 914 ABGB): Zweck des Pachtvertrags: Unterbindung des Wettbewerbs zwischen den Vertragspartnern Primäre Verpflichtung: Unterlassung eines Konkurrenzbetriebs; nur sekundär (insbes bei Zuwiderhandeln): Schadenersatz Sittenwidrigkeit einer Konkurrenzklausel nach § 879 Abs 1 wird durch Rspr nur bei übergroßer zeitlicher oder örtlicher Beschränkung angenommen! Barta: Zivilrecht online

Konkurrenzklausel  Konkurrenzverbot Konkurrenz-verbot: Untersagung einer konkurrierenden Tätigkeit während des Bestands einer rechtlichen / vertraglichen Beziehung 1) § 1186 ABGB: GesbR 2) § 112 HGB: für OHG-Gesellschafter 3) § 7 AngG für Arbeitnehmer Konkurrenz-klausel: Vertragliche Beschränkung für die Zeit nach Beendigung des Vertrags § 36 AngG; Beispiel: EvBl 1971/317 Gilt für Selbständige und Unselbständige Barta: Zivilrecht online

Haftungsausschluss in AGB (1) SZ 41/131 (1968) AGB eines Elektrizitätversorgungs- unternehmens/EVU enthielten: „Das EVU ist verpflichtet, Strom ... zu liefern, ...und dafür zu sorgen, daß der Abnehmer, ... elektrische Energie zu jeder Tages- und Nachtzeit beziehen kann, soweit das EVU nicht durch höhere Gewalt oder durch Umstände, die abzuwenden nicht in seiner Macht steht, verhindert ist oder die Vornahme betriebsnotwendiger Arbeiten die Unterbrechung erfordern.“ Frage: Umfaßt der Haftungsausschluß in den AGB auch Schäden aus vergessener Verständigung von der Abschaltung bei Straßenbauarbeiten ? Barta: Zivilrecht online

Haftungsausschluss in AGB (2) SZ 41/131 (1968 OGH: „Vereinbarungen über die Beschränkung oder den Ausschluß der Haftung sind nach der Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB) auszulegen“ OGH: Haftung kann zwar für betriebsbedingte Schäden, nicht aber für Verstöße gegen eigene Sorgfaltspflichten (Warnpflicht) aus dem Vertrag ausgeschlossen werden ! Barta: Zivilrecht online

Willenserklärungen: § 863 ABGB Abs 1: „Man kann seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und allgemein angenommene Zeichen; sondern auch stillschweigend [= schlüssig/ konkludent + stillschweigend!] durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen.“ Abs 2 : „In bezug auf die Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen ist auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen.“ Barta: Zivilrecht online