Vom Umgang mit Präkonzepten in der Optik Konstantin Dudulec Seminar Hochschuldidatik für die Naturwissenschaften SS 2009
Gliederung Präkonzepte - Grundlagen Didaktische Ansätze und Methoden Präkonzepte in der Optik Literatur
Präkonzepte - Grundlagen „Der wichtigste Faktor, der das Lernen beeinflusst, ist, was der Lernende schon weiß…“ Ausgangssituation SchülerInnen haben individuelle Vorkenntnisse - vorunterrichtliche Vorstellungen oder Präkonzepte Präkonzepte stimmen i.a. nicht mit den zu lernenden Begriffen, Phänomenen und Prinzipien überein Präkonzepte bilden Basis zur Interpretation bzw. zum Verstehen des Lerninhalts Präkonzepte führen zu tiefgreifenden Lernschwierigkeiten
Präkonzepte - Grundlagen Herkunft von Präkonzepten Alltagserfahrungen im Umgang mit physikalischen Phänomenen wie Bewegung, Wärme, Licht, etc. Alltagssprache, Sprache der Peergroup Medien Vorangegangener Unterricht Kognitive Fähigkeiten - Fähigkeit in Modellen denken zu können
Präkonzepte - Grundlagen Auswirkungen Unterschied zwischen subjektiver Alltagserfahrung und naturwissenschaftlicher Sichtweise führt zu Schwierigkeiten: „Widersprüche“ werden zum Teil ignoriert es gibt einen generellen Widerstand gegenüber Änderungen in der Sichtweise Aufgabe der Sichtweise ist nicht nur ein rationaler Prozess, sondern hängt auch von emotionalen Faktoren ab (Guter) Unterricht sollte/muss den subjektiven Erfahrungshorizont berücksichtigen um Verbindung zum bereits vorhandenen Wissen zu ermöglichen → tiefergehendes Verständnis möglich
Didaktische Ansätze und Methoden Lernprozess Lernen ist Reorganisation und Erweiterung des vorhandenen Wissens Entscheidende Faktoren für den Lernprozess: Vorstellung der Lernenden Lernen ist eher passives Übernehmen von Fertigwissen als aktives Konstruieren Einstellung und Interesse Zusammenhang mit Präkonzepten Emotionen - Lernen ist keine rein rationale Tätigkeit Vorstellung der Lehrenden Vorstellung von Vorstellungen oder Verstehen des Verstehens
Didaktische Ansätze und Methoden Konzeptwechsel Bedingungen für einen Konzeptwechsel: Die Schüler müssen mit den bereits vorhandenen Vorstellungen unzufrieden sein. Die neue Vorstellung muss logisch verständlich sein. Sie muss einleuchtend, d.h. intuitiv plausibel, sein. Sie muss auf neue Situationen erfolgreich anwendbar sein. Bedingungen sind nur eine wissenschaftliche/didaktische Orientierung und in der Praxis schwer umsetzbar
Didaktische Ansätze und Methoden Konzeptwechsel - Praktische Umsetzung Anknüpfen Präkonzepte sind Ausgangspunkt Kontinuierlicher Übergang zu wissenschaftlichen Vorstellungen Erfolgt meist in mehreren Teilschritten – z.B. Nutzung von Analogien Umdeuten Präkonzepte werden nicht als falsch bezeichnet Vorstellungen werden in die Sprache der Wissenschaft übersetzt Konfrontieren Gegenüberstellung Präkonzepte – wissenschaftliche Sichtweise Kognitiver Konflikt soll das Lernen des Neuen ermöglichen
Didaktische Ansätze und Methoden Konstruktivistische Unterrichtsstrategie nach Driver und Scott
Präkonzepte in der Optik Studie von Guesne (1984; 1992) an der Universität Paris Befragung (schriftlich und mündlich) von Schülern im Alter von 10-11 und 13-14 Jahren zur Vorstellung über Licht und dessen Beitrag zum Sehen Licht wird durch seine Quelle und seine Effekte begriffen Idee, dass Licht sich mit einer Geschwindigkeit bewegt, ist sehr fremd Ergebnisse bzw. Vorstellungen zum Thema Sehen lassen sich in vier Kategorien zusammenfassen Lichtsee Beleuchtendes Licht Sicht Physikalisches Modell
Präkonzepte in der Optik Lichtsee Präkonzept bei 10-11 jährigen Licht umgibt Quelle, Gegenstand und Auge Keine Verbindung zwischen Gegenstand
Präkonzepte in der Optik Beleuchtendes Licht Präkonzept bei 13-14 jährigen Licht beleuchtet Gegenstand Keine Verbindung zwischen Gegenstand und Auge
Präkonzepte in der Optik Sicht Präkonzept bei 13-14 jährigen Licht beleuchtet Gegenstand Sehen als zusätzliche Bewegung vom Auge auf den Gegenstand
Präkonzepte in der Optik Physikalisches Modell Licht fällt von einer Quelle auf das Objekt Licht wird in das Auge reflektiert
Präkonzepte in der Optik Studie von Andersson & Kärrqvist (1983) an der Universität Göteborg Untersuchung der Vorstellungen von 12-15 jährigen schwedischen Schülern über Verbindung zwischen Gegenstand und Auge beim Sehen Schüler erhielten Zeichenvorlage Diskussion zwischen fiktiver Schülerin Lisa und Physiklehrer Aufmerksamkeit wird auf Verbindung Auge – Buch gelenkt
Präkonzepte in der Optik Klassifizierung der Antworten in fünf Kategorien Zwischen Buch und Auge passiert nichts Visuelles System ist aktiv - Lisas Augen konzentrieren sich auf das Buch „Strahlung“ (Wellen, Blick, Sicht) geht vom Auge zum Buch Licht scheint ins Auge, und Strahlen gehen von dort zum Buch Manchmal passiert auch nichts Auge sendet Strahlen aus, die zum Auge zurückkehren Gehirn → Signale ans Auge → Buch → Gehirn dreht umgekehrtes Bild um Etwas kommt ins Auge Kann Bild sein Kann auch Licht in Form von Wellen oder Photonen sein
Präkonzepte in der Optik Ergebnis der Andersson-Kärrqvist-Studie Auswertung der Antworten im Sinne der Sender-Empfänger-Vorstellung Vor-Optikklasse - 12-13 jährige 6.Klasse - 1% 7.Klasse - 11% Nach-Optikklasse - 14-15 jährige 8.Klasse - 21% 9.Klasse - 30%
Präkonzepte in der Optik Studie von Reiner (1992) am Israel Institute of Technology, Haifa Gruppeninterviews mit 17-jährigen Schülern eines Elektrotechnikkurses über das Wesen des Lichtes und über das Sehen Wesen des Lichtes Partikelstrom Welle - Analogie mit Wasserwellen Etwas, das im Raum existiert und diesen füllt Sehen Licht vom Gegenstand erreicht das Auge Auge → Licht → Gegenstand → Auge Gegenstand ist von Licht umgeben
Präkonzepte in der Optik Studie von Fetherstonhaugh & Treagust (1992), Australien Befragung von 13-15 jährigen australischen Schülern über das Sehen 75% glauben, dass man sieht, indem man „guckt“ und nicht, indem Licht in die Augen reflektiert wird Autoren vermuten dahinter Idee eines Sehstrahls Selbst nach Thematisierung im Unterricht glauben noch 25% an die obige Vorstellung Beispiel für außerordentliche Resistenz solcher Vorstellungen!
Literatur Andersson, B. & Kärrqvist C. (1983). How Swedisch Pupils, aged 12-15 years, understand light and its properties. European Journal of Science Education 5, 387-402 Fetherstonhaugh, T. & Treagust, D. (1992). Students‘ Understanding of Light and Its Properties: Teaching to Engender Conceptual Change, Science Education 76(6), 653-672 Guesne, E. (1984). Die Vorstellungen von Kindern über Licht. physica didactica 11, 79-98 Guesne, E. (1992). Light. In: Driver, R., Guesne, E., & Tiberghien, A. (Eds.), Children´s Ideas in Science. Open University Press, Milton Keynes Kärrqvist, C. (1983). How Swedisch Pupils, age 12-15, understand Light and its Properties. In: Helm, H. & Novak, J. D. (Eds.), Proceedings of the International Seminar on "Misconceptions in Science and Mathematics". Cornell University, Ithaca, N. Y. Reiner, M. (1992). Patterns of thought on light, and underlying commitments. In: Duit, R., Goldberg, F. & Niedderer, H. (Eds.), Research in Physics Learning: Theoretical Issues and Empirical Studies. Kiel: IPN, 99-109