Sylvia Brinkmann, Diakonie Deutschland

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Schule – und was dann? Informationstag zu beruflichen Perspektiven für Menschen mit Autismus in Thüringen am 22. September 2012 in Weinbergen/Höngeda Lars.
Advertisements

Rechtsdurchsetzung, Überwachung, Umsetzung
Grundlageninformationen für Budgetberater
Das Kostenträgerübergreifende Persönliche Budget: eine neue Möglichkeit für Menschen mit Behinderung und ihre Familien.
INKLUSION eine Herausforderung an Schule, Behinderten- und Jugendhilfe
Qualitätsmanagement, individuelle Behand- lung und Beratung
Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz.
Rechtliche Rahmenbedingungen, Stand, Probleme und Ziele in Brandenburg
Eingliederungsleistungen nach dem SGB II
Integrative Lerngruppe
R. Burtscher, SoSe 2008 Ausgewählte Aspekte beruflicher Integration SoSe 2008 Prof. Dr. R. Burtscher.
Auswirkungen des PfWG auf den Reha-Bereich Änderungen in den Gesetzen
Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche
Dr. Valentin Aichele, LL.M.
Lebenshilfe Eine Kultur des Helfens. Nutzerorientierung in der Behindertenhilfe Universität Witten-Herdecke 24. August 2007 Dr. Bernhard Conrads Bundesgeschäftsführer.
Zugänglich für alle? Das Ziel einer barrierefreien Gesellschaft
Partizipation, Arbeit und volle Arbeitnehmerrechte Fachforum der Tagung „Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zwischen Alltag.
International Disability Alliance
PARITÄTISCHER Sachsen Teamleiter Altenhilfe/Eingliederungshilfe
Werkstättentag der BAG WfbM September 2004
Tagesstätte für ältere Menschen mit Behinderung
Wohnformen für ältere Menschen mit geistiger Behinderung
Die LAG WR NRW erarbeitet sich den
Internationale Fachkonferenz zur Umsetzung der VN-Behindertenrechts- konvention in der Praxis Diakonie RWL und Evangelische Fachhochschule RWL, Bochum,
Frauen sind anders – Männer auch Geschlecht und Behinderung
Menschen Recht Inklusion Internationale Fachtagung zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention in der Praxis 6. bis 8. Juni 2013 in Bochum Thema:
Die verschiedenen Versionen für den Titel finden Sie auf den Seiten 1-3. Hier können Sie sich entscheiden zwischen Layouts mit und ohne Bildern. Um mehr.
Leitlinie für stationäre Einrichtungen
Consulting für Steuerung und soziale Entwicklung GmbH
Es ist normal, anders zu sein
Einführende Informationen zum Thema „Inklusion“
Forschungsergebnissen SITAS
Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention: der BMZ-Aktionsplan
UN - Behindertenrechtskonvention
Der Inklusionsanspruch der
Perspektive Gemeinwesen? Prof. Dr. Albrecht Rohrmann
Sabine Marschel DRK Kreisverband Naumburg / Nebra e.V.
Die Zuständigkeiten des LWV Hessen Integrationsvereinbarung
Vorschlagspapier einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe der ASMK
Fachforum auf dem 7. Berlin-Brandenburger Pflegetag
UN Behindertenrechtkonvention
Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste Offene Hilfen in der Landeshauptstadt Düsseldorf – ein Streifzug durch die Geschichte … Dr. Johannes.
Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung
Arbeitsgruppe 7 Schutz der Menschen- und Persönlichkeitsrechte
Schulische „Inklusion“ im Landkreis Limburg-Weilburg
Beschäftigungsangebote für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf in Werkstätten – Praxis und Erfahrungen aus NRW Fachtag in Bremen Martina.
Dr. Bettina Leonhard, Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V.
Teilhaben und selbstbestimmtes Leben
Bundesteilhabegesetz
Auch WIR arbeiten in Europa! Eine europäische Partnerschaft für Menschen mit einer geistigen Behinderung August Juli 2012.
Teilhaben und selbstbestimmt leben
BAGüS Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe Bernd Finke, Geschäftsführer der BAGüS1 Pflegebedürftige Menschen mit.
Ambulante Hilfen im Alltag e.V.
Selber vorstellen, bl Seit über 20 jahren im bereich tagesförderung
Menschen mit Behinderungen und das Recht auf Arbeit Ass.-Prof. Dr. Andreas Mair.
Arbeitsgruppentag 16. September Erfurt, Fachhochschule
LVR-Dezernat Soziales und Integration Teilhaben und Teil sein – wie die inklusive Gesellschaft entstehen kann. Eine Zukunftsaufgabe des LVR Vortrag vor.
Bedeutung für Menschen mit Fragilem-X-Syndrom in Theorie und Praxis
Die Empfehlungen des UN-Fachausschusses – Bedeutung für die Länderebene Dr. Leander Palleit Bremen, 20. Juli 2015.
Die Staatenberichtsprüfung aus Sicht der BRK-Allianz (Zivilgesellschaft) Pastor Uwe Mletzko Vorsitzender des Bundesverbandes evangelische Behindertenhilfe.
Disability Mainstreaming Impuls auf der 4. Sitzung der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Leitlinien der Berliner Seniorenpolitik am Christine.
Pflegestützpunkt im Kreis Groß-Gerau Hilfe aus einer Hand.
Landeshauptstadt München Sozialreferat Amt für Soziale Sicherung Hilfen im Alter, bei Pflege und Betreuung Dipl. Soz.Gerontologe David Stoll Seite.
Eine „inklusive Haltung“ – was soll das sein?. Exklusion.
Österreichs schwieriger Weg zur Inklusion Impulsreferat im Rahmen des Trialoges der Lebenshilfe Österreich St. Pölten, 17. November Dr. Erwin Buchinger.
„aktionbildung – eine Idee macht Politik“ Rolf Drescher Geschäftsführer BeB Braunschweiger Gespräche
Univ.-Prof. Dr. Georg Theunissen Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Philosophische Fakultät III - Erziehungswissenschaften Institut für Rehabilitationspädagogik.
Berufliche Bildung integrativ Dr. Irmgard Plößl und Michael Balzer Berufliche Bildung integrativ „Erst plazieren dann trainieren?! - oder –
Das persönliche Budget ASG Treffen vom Vortrag Irene Goldschmidt Lebenshilfe Delmenhorst und Landkreis Oldenburg e.V.
W.J. Kainz 1 Mittagessen in Werkstätten für behinderte Menschen – eine Leistung der Eingliederungshilfe? Willi Johannes Kainz Richter am Bayerischen Landessozialgericht.
 Präsentation transkript:

Teilhabe an Beruflicher Bildung und am Arbeitsleben von Menschen mit schwerer mehrfacher Behinderung Sylvia Brinkmann, Diakonie Deutschland Martin Weißenberg, Diakonisches Werk Rheinland Westfalen-Lippe Berlin, 8. Oktober 2013

Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf werden „mitgedacht“ Übereinkommen der Vereinten Nationen über Rechte von Menschen mit Behinderungen - Erster Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland, 3. August 2011 Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft - Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention, September 2011 Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf werden „mitgedacht“

Allgemeine Exklusionstendenzen Verbleib von Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf in stationären Wohneinrichtungen, Bildung von „Restgruppen“ Zuweisung in Einrichtungen nach SGB XI (Pflegeheime) Umwandlung von Einrichtungen der Eingliederungshilfe in Pflegeheime Schaffung von Fachpflegeheimen

UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen Artikel 27 (Auszug) Arbeit und Beschäftigung (1) Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird.

§ 136 SGB IX (1) Die Werkstatt steht allen behinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1 unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden.

§ 136 SGB IX (2) Dies ist nicht der Fall bei behinderten Menschen, bei denen trotz einer der Behinderung angemessenen Betreuung eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten ist oder das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege die Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich oder sonstige Umstände ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulassen.

§ 136 SGB IX (3) Behinderte Menschen, die die Voraussetzung für eine Beschäftigung in einer Werkstatt nicht erfüllen, sollen in Einrichtungen oder Gruppen betreut werden, die der Werkstatt angegliedert sind.

Folgen Meist keine Aufnahme in das Eingangsverfahren der WfbM, sondern nahtloser Übergang von der Förderschule in sog. Tagesstrukturierende Angebote im Rahmen der “Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft” (§ 53 SGB XII) wie z.B. Förderbereiche unter dem Dach der WfbM Eigenständige Förderstätten Förder- und Betreuungsbereiche stationärer Wohnheime Interne Tagesstrukturierende Maßnahmen

Abschluss der Schule = Ende der Bildungsfähigkeit?

Kein “Arbeitnehmerähnlicher Status”: kein Werkstattlohn keine eigenen Sozialversicherungsleistungen

Kein Wunsch- und Wahlrecht hinsichtlich der verschiedenen Angebotsformen

Keine Verpflichtung zur Überprüfung, ob der Übergang bspw Keine Verpflichtung zur Überprüfung, ob der Übergang bspw. von einer Förderstätte oder einem Wohnheim in eine WfbM möglich bzw. gewünscht ist

Meist dauerhafter Ausschluss von Leistungen zur Beruflichen Bildung und Teilhabe am Arbeitsleben

Keine bundesweit einheitlichen Qualitätsstandards ▼ Extrem heterogene Angebotsstruktur

Teilhabe in den Ländern Keine bundesweit einheitlichen Anforderungen / Standards an Angebote der sog. Tagesförderung Konzeptionelle Ausgestaltung obliegt den Ländern / Kommunen und Leistungserbringern, dabei erfolgt keine regelhafte Umsetzung der Soll-Vorgabe des § 136 Abs. 3 SGB IX (…sollen in Gruppen betreut werden, die der WfbM angegliedert sind), stattdessen: Teilweise Förderbereiche unter dem Dach der WfbM Eigenständige Förderstätten Förderbereiche / Fördergruppen im Rahmen stationärer Wohneinrichtungen „Interne Tagesstruktur“ im Wohnheim

Nordrhein-Westfalen Herr A., 32 Jahre alt Angeborene schwere mehrfache Behinderung Herr A. wohnt in einer stationären Einrichtung Es besteht ein ausgeprägtes Krampfleiden. Herr A. verfügt nicht über Lautsprache und benutzt einen Rollstuhl Einstufung in die Pflegestufe 3 der Pflegeversicherung Herr A. besucht täglich eine Werkstatt für behinderte Menschen. Damit verbunden: - "Arbeitnehmerähnlicher Status" - Werkstattlohn - Sozialversicherungsleistungen

Berlin Frau D., 20 Jahre alt Frau D. ist Autistin und hat Lernschwierigkeiten. Sie kann selbstständig gehen. Sie verfügt nicht über Lautsprache, kann sich jedoch mittels Gestützter Kommunikation verständigen. Pflegestufe 2 Antrag auf Betreuung in einer ambulant betreuten WG wird unter Hinweis auf § 13 SGB XII (Mehrkostenvorbehalt) abgelehnt. Frau D. zieht in eine stationäre Einrichtung. Nach der Schulzeit: Frau D. möchte in das Eingangsverfahren der WfbM aufgenommen werden. Empfehlung des Fachausschusses für Fördergruppe Frau D. stellt Antrag auf Aufnahme in die Fördergruppe einer WfbM Kostenträger lehnt Kostenübernahme ab aufgrund bestehenden Förderbereichs auf dem Gelände der Komplexeinrichtung

Sachsen Frau C., 38 Jahre alt Progressive Muskeldystrophie, E-Rollstuhl Hochgradige Pflegebedürftigkeit, nächtliche Beatmung Gute intellektuelle Begabung Aufgrund fehlender Betreuungs- und Pflegemöglichkeiten in der Familie und der attestierten Schwerstbehinderung (Pflegestufe 3) lebt Frau C. in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung Frau C. beabsichtigt, einer ihrer Begabung entsprechenden Arbeit im Förder- und Betreuungsbereich (FBB) unter dem verlängerten Dach der WfbM nachzugehen. Da sie nicht in eigener Häuslichkeit wohnt, wird ihr Antrag auf externe Tagesstruktur vom Kostenträger abgelehnt. Auf dem Klageweg erzielt Frau C. dann doch die Aufnahme in den FBB

Baden Württemberg Herr D., 47 Jahre alt Herr D. ist aufgrund eines vorgeburtlichen Schlaganfalls halbseitig gelähmt (Hemiparese). Er benutzt einen Rollstuhl und kann einfache Sätze in Lautsprache bilden. Pflegestufe 3, GdB von 100 %. Die Voraussetzung für die Beschäftigung im Arbeitsbereich der WfbM liegen nicht vor. Herr D. wird in den Förder- und Betreuungsbereich unter dem verlängerten Dach einer WfbM aufgenommen. Die Förder- und Betreuungsstätten sind keine Einrichtungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Deshalb besteht weder Sozialversicherungspflicht, noch ein Anspruch auf ein Arbeitsentgelt.

Arbeitskreis „Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderung und hohem Unterstützungsbedarf“ Arbeiterwohlfahrt Bundesverband (AWO) Bundesverband ev. Behindertenhilfe (BeB) Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (bvkm) Bundesvereinigung Lebenshilfe Bundesvereinigung der Landesarbeitsgemeinschaften der Werkstatträte (BVWR) Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung (BAG UB) Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) Deutscher Caritasverband (DCV) Deutsche Heilpädagogische Gesellschaft (DHG) Deutsches Rotes Kreuz (DRK) Diakonie Deutschland / Evangelischer Bundesverband Verband für anthroposophische Heilpädagogik, Sozialtherapie und Soziale Arbeit Wissenschaft: Prof. Dr. Karin Terfloth (PH Heidelberg), Prof. Dr. Monika Seifert (Berlin) Prof. Dr. Wolfgang Lamers (HU Berlin)

Ziele Sicherstellung des Rechtsanspruchs auf Leistungen zur Beruflichen Bildung und zur Teilhabe am Arbeitsleben Entwicklung eines bundesweit einheitlichen Rahmenkonzeptes bzw. fachlicher Standards auf Grundlage des Personenzentrierten Ansatzes

Diskriminierung beenden – Teilhabe sichern! Positionspapier „Diskriminierung beenden – Teilhabe an Beruflicher Bildung und Arbeit für Menschen mit schwerer geistiger und/oder mehrfacher Behinderung sicherstellen!“ (2011) Für Selbstbestimmung, Gleiche Rechte, Barrierefreiheit und Inklusion - Erster Bericht der Zivilgesellschaft zur Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention in Deutschland (Berlin 2013) http://www.brk- allianz.de Positionierungen der Verbände im Rahmen der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe / Schaffung eines Bundesleistungsgesetzes Einschätzung des Leiters der Monitoringstelle zur UN BRK, Herrn Dr. Valentin Aichele am 28.08.2013 im Ev. Werk für Diakonie und Entwicklung Einschätzung des Präsidenten des Bundessozialgerichts, Herrn Peter Masuch am 18.09.2013 im Diakonie Bundesverband

To do… Verbände auf Bundesebene: Weiterführung der politischen Arbeit (Gesetzesänderung und Rahmenkonzept) Landesebene / Praxis: Information von Betroffenen und ggf. Schulen zu Rechtsansprüchen Unterstützung von Betroffenen (Bedarfsfeststellungsverfahren, ggf. gerichtliche Klärung) Durchsetzung bedarfsgerechter Personalschlüssel Weiterentwicklung der Konzepte

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!