Dr. med. Johann W. Meyer jwmeyer@hin.ch Personalisierte Therapie der Depression Antidepressiva kombinieren: Wann, was und wie? Dr. med. Johann W. Meyer.

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 Präsentation transkript:

Dr. med. Johann W. Meyer jwmeyer@hin.ch Personalisierte Therapie der Depression Antidepressiva kombinieren: Wann, was und wie? Dr. med. Johann W. Meyer jwmeyer@hin.ch

Rezepte? – Ja, aber

Menü dieses Referates WANN? - „Therapieresistenz“, „Response“, „REMISSION“ – Folgen WIE? - DD!; schrittweises, gemeinsames und nachvollziehbares Vorgehen (personalisierte = individuelle, massgeschneiderte Behandlung): „individuelle Evidenz“ etwas Psychopharmakologie: Dynamik und Kinetik, Problem von RCTs – „Rational“ WAS? - Rezepte 

Response - Remission Response: mind. 50% Besserung REMISSION: „symptomfrei“ euthymer Vorzustand (Baseline) BEHANDLUNGSZIEL! häufigste Residualsymptome: - Konzentrationsstörungen - Müdigkeit, Antriebsmangel, Apathie - Schlafstörungen - Schmerzen - Libidomangel

Remissionsraten – Therapieresistenz nach 1. AD RR ca. 33% nach 2. AD RR ca. 20% nach 3.+4. AD je 6-7%: ca. 1/3 Non-Remitter! → niedrigeres Funktionsniveau, schlechtere Lebensqualität, höheres Rückfallrisiko Therapieziel: REMISSION trotz wenig Evidenz aus RCTs sind Kombinations- und Augmentationsstrategien oft nötig: individuelles, systematisches, schrittweises experimentelles Vorgehen mit Evaluation

Praktisches Vorgehen bei Therapieresistenz: Antidepressivum 1 Non-, Partial-Response ↓ DD: unipolare vs bipolare Depression Komorbidität: somatische Erkrankungen psychiatrische Komorbidität psycho-sozialer Stress Antidepressiva-assoziierte Probleme Dosis-Optimierung (Spiegelbestimmung?)

Bipolare Depressionen häufiger: Hypersomnie Hyperphagie komorbide Angstsy psychomotorische Verlangsamung/ Hemmung Stimmungslabilität in Episode „gereizte Depression“ psychotische Sy Suizidgedanken rascher Episodenbeginn früher Erkrankungsbeginn häufige Episoden Episoden beginnen/enden schneller „stürmische Biographie“: Beziehungen, Ausbildung, Beruf HYPO!-MANIEN! (Jules Angst: HCL-32 R1) Fremdanamnese! Familienanamnese!

Komorbidität Somatisch: Hypothyreose Anämie Schmerz etc. Psycho-sozialer Stress Psychiatrisch: Angststörung Alkohol -,Substanzabus ADHS posttraumatische Störung und Persönlich-keitsveränderung Persönl.störungen (?)

AD-assoziierte Probleme unerwünschte Nebenwirkungen (uNW) Intoleranz Non-Compliance Ultra-rapid Metabolizer: zu niedrige Plasmaspiegel trotz vermeintlich richtiger Dosierung

Praktisches Vorgehen bei Therapieresistenz: Antidepressivum 1 Non-, Partial-Response ↓ DD: unipolare vs. bipolare Depression Komorbidität: somatische Erkrankungen psychiatrische Komorbidität psycho-sozialer Stress Antidepressiva-assoziierte Probleme Dosis-Optimierung (Spiegelbestimmung?)

Praktisches Vorgehen bei Therapieresistenz II: Partial-Response ↓ Augmentation: AD+NonAD Kombination: AD1+AD1 Non-Response, uNW ↓ Wechseln Evidenz-basierende Entscheidungsgrundlagen ? methodisches, schrittweises Vorgehen systematisches Experimentieren und Evaluieren retrospektive LIFE -CHART prospektives STIMMUNGS-TAGEBUCH Zielsymptom-orientierte, individuelle Psychopharmakologie „individuelle Evidenz“ „Rational“

everybody else needs evidence.

vernünftiger Optionen: Schrittweises Vorgehen Vorgehens- Schema: Entscheidungspunkt EVIDENZ! A-F Individuelle Faktoren Menü vernünftiger Optionen: A B C MESSUNG Kosten / Nutzen Psychoedukation Aushandlung Intervention

Emil Kraepelin (1913): Psychiatrie, 8. Aufl., Band III, S. 1328

Medikamentengruppen zur Kombination und Augmentation Antidepressiva (AD): TZA, SSRI, NRI, SNRI, NDRI, spezifische Rezeptorblocker, RIMA Atypische Antipsychotica (AAP) „Mood-Stabilizer“, Antikonvulsiva Gabapentin,Pregabalin Lithium (Li) !! (RR 50%?) T3/T4 !(RR 30-40%?) Benzodiazepine, Hypnotica Stimulanzien Buspiron

Antidepressive Wirkung aller AD ähnlich (Hinweise für höhere RR mit dualen AD, Escitalopram und bei stationären Pat. mit TCA), aber grosse Unterschiede im Nebenwirkungsspektrum (unerwünscht oder erwünscht zur Behandlung von Zielsymptomen) Kombination von mehreren synergistischen Wirkmechanismen für bessere antidepressive Wirkung (höhere RR) ist plausibel Antidepressive Wirkung aller AD ähnlich (Hinweise für höhere RR mit dualen AD, Escitalopram und bei stationären Pat. mit TCA), aber grosse Unterschiede im Nebenwirkungsspektrum (unerwünschtes oder erwünschtes Profil zur Behandlung von Zielsymptomen), Kombination von mehreren synergistischen Wirkmechanismen für bessere antidepressive Wirkung (höhere RR) ist plausibel.

Kombination von WIRKMECHANISMEN Ausnützen von pharmakodynamisch synergistischen Wirkungen zum Erreichen einer Remission („1 + 1 = 3 oder 5“) und zum Reduzieren unerwünschter NW plausibel (Analogie: Blutdruck-Behandlung), aber nur wenig klinische Evidenz! („1+1 = 1/2 oder 0“) Depressionen sind ein sehr heterogenes Krankheitsbild (Analogie: Anämie und B12) CAVE: potentiell gefährliche pharmako-dynamische und- kinetische Interaktionen!

AD: Hauptwirkmechanismus und Eignung für Kombination SSRI: Escitalopram (Cipralex), Sertralin (Zoloft) Citalopram, Fluoxetin (3A4,2D6), Paroxetin (2D6), Fluvoxamin (3A4,1A2,2D6) NRI: Reboxetin (Edronax) SNRI: Venlafaxin (Efexor ER), NA erst >150mg!, Duloxetin (Cymbalta) (2D6; NA>5HT) NDRI: Bupropion (Wellbutrin XR)(2D6) RIMA: Moclobemid (Cave: pharmakodynam. Sicherheit?) TCA: tertiäre Amine: 5HT>NA; u. a. Amitriptylin, Trimipramin, Clomipramin (!!) sekundäre Amine: NA>5HT; Nortriptylin „dirty drugs“: .. → uNW, Compliance↓

Serotonerges Syndrom pharmakmodynamisches Überstimulations-Syndrom (Spektrum!) v. a. potente 5HT-Wiederaufnahmehemmer und MOAI, aber nicht nur Sy: Hyperreflexie, motor. Unruhe, Muskelzuckungen grobes Zittern, Koordinationsstörungen Schwitzen, Durchfall, Fieber, Kopfschmerz Verwirrtheit Th: ABSETZEN: spontane Rückbildung Clonazepam (Rivotril)?

Antidepressiva-Absetzsyndrom v. a. bei serotonergen Substanzen mit kurzer Elimimations-t1/2 wie Venlafaxin, Paroxetin (Deroxat), Clomipramin (Anafranil), nach hoher Dosis? und Behandlung > 1 Monat Sy: 1-7 Tage nach Absetzen, Dauer 1-3 Wochen Schwindel, Gangunsicherheit Übelkeit, Erbrechen grippeähnliches Malaise-Gefühl elektrisierende sensible Störungen, Sehstörungen Schlafstörungen, Hypersomnie, Reizbarkeit, Unruhe Th: Prophylaxe durch AUSSCHLEICHEN, SSRI DD: „neue“ unerwünschte Nebenwirkung

Zielsymptomatik I Insomnie: Mirtazapin (Remeron), Trazodon (Tritico) GABA↑ Histamin↓ Mirtazapin (Remeron), Trazodon (Tritico) Hypnotica: Benzo, „Teil-Benzo“ wie Zolpidem (Stilnox, CR), Antihistamine AMI (Saroten), Trimipramin (Surmontil) niedrig dosiert Quetiapin (Seroquel) niedrig dosiert Gabapentin (Neurontin) STOP aktivierende AD (?) Müdigkeit: Hypersomnie: Konzentration: NA↑ DA↑ Bupropion (Wellbutrin XR) Reboxetin (Edronax) Duloxetin (Cymbalta) Moclobemid (Aurorix) Stimulanzien Amisulpirid 50-100mg (Solian), Aripiprazol (Abilify) STOP SSRI (Sertralin meist ok) und sedierende MediS

Zielsymptomatik II Angst: SSRI (SNRI) Mirtazapin (Remeron) Moclobemid? (Aurorix) Benzos AAP: Quetiapin (Seroquel) und andere Gabapentin (Neruontin), Pregabalin (Lyrica) 5HT↑ GABA↑ Agitation: DD:„bipolare Depression“, v.a. bei AD AAP: Quetiapin (Seroquel) und andere Zwang: SSRI hochdosiert, Clomipramin (Anafranil) 5HT↑

Zielsymptomatik III Schmerz: incl. funktionelle somat. Syndrome Duloxetin, Venlafaxin (>150mg) Mirtazapin Gabapentin, Pregabalin TCA: Nortriptylin (Nortrilen), Amitryptylin (Saroten retard) NA↑+5HT↑ Psychot. Sy: AAP Bupropion Moclobemid STOP: SSRI, SNRI Stimulanzien Viagra etc., Yohimbin Sex.Dysfkt: DA↑ 5HT↓ Gewicht↑: Wechsel auf Bupropion und auf Lamotrigin, Topiramat Bulimie: Topiramat (Topamax)? Alkohol-Craving: Topiramat, Naltrexon (Naltrexin) Obesitas: Bupropion 300mg und Naltrexon 50mg

Bipolare Depression AD: SSRI > Bupropion > NSRI > TCA +!! MS: Lithium: anitsuizidal!, „klassische MDK“ Ox-, Carbamezepin, Valproat: Mischzustände Lamotrigin: NICHT antimanisch, gut verträg- lich, EINSCHLEICHEN!, Monotherapie? AAP: Quetiapin (auch Monotherapie), alle andern

Kardiovaskuläres Risiko erhöhte Mortalität resp. geringere Lebenserwartung affektiv Erkrankter ist hauptsächlich durch kardiovaskuläre Todesfälle erklärt (Diabetes mellitus, metabolisches Syndrom, Koronare Herz Krh). Depression per se und viele Psychopharmaka erhöhen Risiko

„Psychiatrische“ Massnahmen! Präparate-Wahl! - Risiko für Gewichtszunahme: - AD: TCA, Mirtazapin>Venlafaxin,SSRI>Bupropion - AAP: Clozapin,Olanzapin>Quetiapin,Risperidon> Aripiprazol (Ziprasidon) Regelmässige Kontrollen (UND Behandlung!): u.a. Blutdruck: <130/<85mmHg Gewicht : + max. 7%! unter Behandlung / BMI Bauchumfang: m≤ 94cm, f≤80cm Nüchtern-Blutzucker: < 5.6mmol/L Chol: < 5.0mmol/L, Triglyc: < 2.0mmol/L (HDL-Chol.: > 1mmol/L, LDL < 3mmol/L)

In der Praxis bewährte Kombinationen  SSRI + Mirtazapin (Remeron) SNRI + Mirtazapin SSRI + Bupropion (Wellbutrin) SSRI + Reboxetin (Edronax) + alle Augmentationsmöglichkeiten, v. a. Li, T3/T4 + AAP wie Aripiprazol (Abilify), Sulpirid (Solian) 50-100mg, Quetiapin (Seroquel) usw. bis zur REMISSION!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Ich stehe Ihnen gerne für Auskünfte zur Verfügung: jwmeyer@hin.ch

Literatur: Schöpf J (2008) Psychiatrie für die Praxis. Springer, Berlin. Stahl St M (2008) Depression and Bipolar Disorder. Cambridge University Press. Wynn G H et al (2008) Clinical Manual of Drug Interaction. American Psychiatric Publishing, Washington DC. www.mediQ.ch