Teilnahmerecht Art. 146 und 147 StPO.

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 Präsentation transkript:

Teilnahmerecht Art. 146 und 147 StPO

Teilnahmerecht Die StA führt eine Untersuchung gegen die Mittäter A, B und C wegen betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage. Die StA will zuerst C einvernehmen. Die Verteidiger von A und B wollen an dieser Einvernahme teilnehmen. Wie ist zu entscheiden?

Art. 146 Abs. 1 StPO Art. 147 Abs. 1 und 4 StPO Die einzuvernehmenden Personen werden getrennt einvernommen (Art. 146 Abs. 1). Die Parteien haben das Recht, bei Beweiserhebungen durch die StA und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen (Art. 147 Abs. 1 StPO). Beweise, die in Verletzung der Bestimmungen des Art. 147 StPO erhoben worden sind, dürfen nicht zulasten der Partei verwertet werden, die nicht anwesend war (Art. 147 Abs. 4).

Art. 146 Abs. 4 lit. a StPO Die Verfahrensleitung kann eine Person vorübergehend von der Verhandlung ausschliessen, wenn eine Interessenkollision besteht.

Einschränkung des rechtlichen Gehörs Art. 108 StPO Die Strafbehörden können das rechtliche Gehör einschränken, u.a. wenn der begründete Verdacht besteht, dass eine Partei ihre Rechte missbraucht (Art. 108 Abs. 1 lit. a). Einschränkungen gegenüber Rechtsbeiständen sind nur zulässig, wenn der Rechtsbeistand selbst Anlass für die Beschränkung gibt (Art. 108 Abs. 2).

Akteneinsicht Die Parteien können spätestens nach der ersten Einvernahme der beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen wichtigsten Beweise durch die Staatsanwaltschaft die Akten des Strafverfahrens einsehen; Art. 108 bleibt vorbehalten (Art. 101 Abs. 1 StPO). Die Verweigerung der Akteneinsicht vor Durchführung einer Konfrontation, welche für die Beweisführung von entscheidender Bedeutung sein könnte, ist zulässig (BGE 1B_597/2011 vom 07.02.2012).

Obergericht Zürich UH110023 vom 11.05.11 Grundsatz der getrennten EV als Ordnungsvorschrift (Art. 146 Abs. 1) Interesse der materiellen Wahrheitsfindung Soll die Unbefangenheit der einzuvernehmenden Personen gewährleisten und ein kollusives Aussageverhalten erschweren (Schmid, StPO Praxiskommentar, Art. 146 N 1). Gemäss Godenzi sind aber die Teilnahmerechte zu respektieren (Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar StPO, Art. 146 N 2). Andere Kommentatoren, die sich zu dieser Frage äussern, befürworten die Möglichkeit des Ausschlusses der anderen Parteien von der Einvernahme im Interesse der materillen Wahrheitsfindung.

Obergericht Zürich Die Tatsache, dass die beschuldigte Person gemäss Art. 147 StPO ein Recht auf Konfrontation mit ihren Mitbeschuldigten besitzt, deren Aussagen sie belasten, bedeutet nicht a priori ein Anwesenheitsrecht bei entsprechenden Einvernahmen, da das Konfrontationsrecht nachträglich eingeräumt werden kann (BSK-Häring, Art. 146 N 2). Grundsätzlich muss gewährleistet sein, dass dem Beschuldigten im Verlaufe des Verfahrens zumindest einmal Gelegenheit geboten wird, den ihn belastenden Personen Fragen zu stellen (BGE 118 Ia 469 f. mit Hinweisen).

Obergericht Aargau Obergericht Genf Gleiche Entscheide wie das OGer Zürich fällten: OGer Aargau: SBK.2011.91 vom 19.05.11 OGer Genf: ACPR/94/2011 und ACPR/108/2011

Obergericht Basel-Stadt BE.2011.20 vom 14.04.11 Das Teilnahmerecht kann gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. a StPO eingeschränkt werden, wenn der begründete Verdacht besteht, dass eine Partei ihre Rechte missbraucht. Diese Einschränkungsmöglichkeit besteht, wenn zureichende Anhaltspunkte vorliegen, dass die Partei ihre Anwesenheit oder das durch ihre Anwesenheit erlangte Wissen dazu missbrauchen würde, durch Verdunkelungshandlungen, so durch das Einwirken auf Beweismittel oder durch unzulässige Beeinflussung der einzuvernehmenden Person, die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen. Es reicht nicht aus, dass der Beschuldigte seine Aussage anpassen bzw. Mitbeschuldigte ihre Aussagen aufeinander abstimmen könnten. Der Aussageinhalt könnte der Partei durch Ausschluss auch nicht vorenthalten werden, da der von der Teilnahme regelmässig nicht ausgeschlossene Rechtsbeistand berechtigt wäre, die Partei über den Aussageinhalt zu informieren (BSK StPO-Schleiminger, Art. 147 N 14).

Obergericht Bern BK 12 35 vom 13.04.2012 Dass Art. 146 StPO als Ausnahmebestimmung zur Regel der parteiöffentlichen Befragung gemäss Art. 147 StPO betrachtet werden kann, überzeugt die BK nicht. Dies insbesondere mit Blick auf die systematische Stellung. Art. 142-146 StPO stellten unter dem Titel „Einvernahmen“ Ordnungsvorschriften zur Durchführung von Einvernahmen dar, während Art. 147 StPO unter dem Titel „Teilnahmerechte bei Beweiserhebungen“ als Verfahrensgarantie die Teilnahmerechte der Parteien statuiert. Diese Teilnahmerechte sind Ausfluss des verfassungsmässigen Anspruchs der Beschuldigten auf rechtliches Gehör.

Beschwerdekammer OGer Bern Dass die Einvernahme unter Ausschluss der andern Einzuvernehmenden durchzuführen wäre, ergibt sich darüber hinaus weder aus der Botschaft noch aus dem Wortlaut des Art. 156 VE StPO (Vorläufer von Art. 146 StPO). Hinzu kommt, dass die Zürcher Praxis zur Folge hätte, dass selbst Einvernahmen von Belastungszeugen i.d.R. ohne die beschuldigte Person durchgeführt würden. In Anlehnung an die Basler Praxis vertritt die Beschwerdekammer die Ansicht, dass das Teilnahmerecht gemäss Art. 147 StPO weiter gefasst ist als das Konfrontationsrecht gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK.

Beschwerdekammer OGer Bern Gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. a StPO kann das Teilnahmerecht eingeschränkt werden, wenn zureichende konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass die Partei ihre Anwesenheit oder das durch ihre Anwesenheit erlangte Wissen dazu missbrauchen würde, durch Verdunkelungshandlungen, z.B. durch das Einwirken auf Beweismittel oder durch unzulässige Beeinflussung der einzuvernehmenden Person, die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen. Das bisher in etlichen kantonalen Prozessordnungen festgehaltene, sehr allgemeine „gefährdete Verfahrens- oder Untersuchungsinteresse“ genügt alleine nicht mehr, um das rechtliche Gehör vor allem in der Anfangsphase des Vorverfahrens einzuschränken. Für die Annahme eines Missbrauchsverdachts reicht es nicht aus, dass der Beschuldigte seine Aussage anpassen bzw. Mitbeschuldigte ihre Aussagen aufeinander abstimmen könnten. Der Ausschluss des Beschuldigten von der Teilnahme an der Einvernahme der Mitbeschuldigten rechtfertigt sich demzufolge gestützt auf Art. 108 Abs. 1 lit. a StPO nicht.

Beschwerdekammer OGer Bern Weitere Einschränkungsmöglichkeiten des Teilnahmerechts an Einvernahmen sieht die Basler Praxis indessen nicht. Das greift nach Ansicht der Beschwerdekammer aus folgenden Überlegungen zu kurz. Fest steht, dass der in Art. 147 Abs. 1 StPO normierte Grundsatz der Parteiöffentlichkeit den Regelfall darstellt. Nur eine Teilnahme an der Einvernahme eröffnet die Gelegenheit, klarstellend in eine Aussage eizugreifen oder einseitig orientierte Fragen der einvernehmenden Person zu korrigieren, bevor das Beweisergebnis steht. Nichtsdestotrotz gelangt die Kammer zum Schluss, dass sich ein Abweichen von diesem Regelfall nicht nur im Rahmen von Art. 108 Abs. 1 StPO rechtfertigen kann, sondern auch mit Blick auf die Einschränkungsmöglichkeiten des Akteneinsichtsrecht gemäss Art. 101 StPO.

Beschwerdekammer OGer Bern Das Akteneinsichtsrecht kann solange eingeschränkt werden, bis die erste Einvernahme durchgeführt und die übrigen wichtigsten Beweise erhoben worden sind. Das Akteneinsichtsrecht unterliegt demzufolge weitergehenden Einschränkungen als das Teilnahmerecht. Das kann zu Konstellationen führen, in welchen die Akteneinsicht betreffend gewisser Einvernahmeprotokolle verweigert werden dürfte, die Teilnahme an der besagten Einvernahme aber nicht. Das kann nicht in jedem Fall so gewollt sein. Ein weiteres Indiz, welches für eine über Art. 108 Abs. 1 StPO hinausgehende Beschränkungsmöglichkeiten sprechen könnte, liegt im Haftgrund der Kollusionsgefahr.

Beschwerdekammer OGer Bern Vor diesem Hintergrund gelangt die Beschwerdekammer zum Schluss, dass das Teilnahmerecht ausnahmsweise und in engen Grenzen in Anlehnung an die Überlegungen zu Art. 101 Abs. 1 StPO eingeschränkt werden darf, nämlich dann, wenn die i.d.R. teilnahmeberechtigte Person mit den – dem Mitbeschuldigten anlässlich der fraglichen Einvernahme – vorzuhaltenden Sachverhalten selber noch nicht konfrontiert worden ist. Wurde sie dies, kann ihr die Teilnahme an der Einvernahme eines Mitbeschuldigten nicht verweigert werden. Analog zu Art. 101 Abs. 1 StPO spielt es dabei keine Rolle, ob die grundsätzlich teilnahmeberechtigte Person die Aussage verweigert hat oder ob deren Einvernahme aus Sicht der Staatsanwaltschaft ergiebig verlaufen ist.

BGE 1B_264/2012 vom 10.10.12 = BGE 139 IV 25 ff. StA führt eine Untersuchung gegen drei Beschuldigte wegen Diebstahls. Beschuldiger A stellt Gesuch um Teilnahme an den Einvernahmen der Beschuldigten B und C. Dieses Gesuch wird abgewiesen. Es müsse verhindert werden, dass die 3 Verhafteten ihre Aussagen absprechen, mögliche Mittäter warnen, resp. evtl. weiteres Deliktsgut, Einbruchswerkzeuge oder Spuren verschwinden lassen resp. vernichten. Gemäss Art 146 Abs. 1 StPO dass mehrere zu befragende Personen im Regelfall getrennt einvernommen werden. Vorbehalten ist die Konfrontation. Sinn und Zweck ist die ungestörte Wahrheitsfindung. Aus dieser Bestimmung lässt sich nicht entnehmen, dass die Parteien zu diesen Einvernahmen nicht zuzulassen seien.

BGer 1B_264/2012 vom 10.10.12 Art. 147 Abs. 1 StPO statuiert den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweiserhebungen im Untersuchungs- und Hauptverfahren. Dieses Teilnahme- und Mitwirkungsrecht fliesst aus dem Anspruch des rechtlichen Gehörs. Es kann nur aus den gesetzlichen Voraussetzungen (Art. 108; Missbrauch, Sicherheit, öffentliche oder private Geheimhaltungsinteressen; , 146 Abs. 4; Interessenkollision (Bsp. Einvernahme eines Kindes in Anwesenheit Elternteil), muss noch als Zeuge, Auskunftsperson oder Sachverständiger befragt werden; und 149 Abs. 2 lit. b StPO, erhebliche Gefahr für Leib und Leben; siehe auch Art. 101 Abs. 1 StPO; Beschränkung Akteneinsicht) eingeschränkt werden (vgl. Botschaft StPO, S. 1187).

BGer 1B_264/2012 vom 10.10.12 Die gegenüber der früheren Rechtslage gestärkten Partei- und Teilnahmerechte der Beschuldigten bei Beweiserhebungen, insbesondere der Grundsatz der Pateiöffentlichkeit, bildet einen vom Gesetzgeber angestrebten Ausgleich zu der in der neuen StPO ausgebauten starken Stellung der Staatsanwaltschaft im Vorverfahren. Die Stärkung der Parteirechte rechtfertigt sich zudem, weil im Hauptverfahren die nochmalige Erhebung von im Vorverfahren ordnungsgemäss erhobenen Beweisen eingeschränkt ist (Art. 343 Abs. 3 i.V.m. 350 Abs. 2 StPO). Beweiserhebungen dienen aber nicht nur der Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs der Parteien, sondern primär auch der Wahrheitsfindung im Strafprozess (vgl. Art. 139 Abs. 1 i.V.m. 6 Abs. 1 StPO). Selbst die Verletzung von Art. 147 Abs. 1 StPO führt nicht zu einem vollständigen Beweisverwertungsverbot gegenüber allen Parteien, sondern nur gegenüber der Partei, die an der Beweiserhebung nicht anwesend war (Art. 147 Abs. 4 StPO).

BGer 1B_264/2012 vom 10.10.12 Bei parteiöffentlichen Befragungen von Mitbeschuldigten kann eine Entschärfung oft erreicht werden, wenn die Einvernahmen relativ rasch nacheinander erfolgen und bei der Festlegung der Reihenfolge und Modalitäten von Beweiserhebungen konkreten Beeinflussungsgefahren im Einzelfall Rechnung getragen wird. Die verfahrensleitende StAw bestimmt die Reihenfolge und den Ablauf von parteiöffentlichen Befragungen. Sie hat insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass die Anwesenheit von Parteien und Parteivertretern keine unzulässigen Beeinflussungen oder Absprachen erfolgen (Art. 16 Abs. 2 i.V.m. 63, 142 Abs. 1, 143 Abs. 5 und 311 Abs. 1 StPO). Was Ergänzungsfragen von Mitbeschuldigten an parteiöffentlichen Einvernahmen betrifft, schreibt Art. 147 Abs. 1 StPO nicht vor, in welchem Zeitpunkt dieses Recht zu gewähren ist. Wann das Fragerecht ausgeübt werden darf, bestimmt die Verfahrensleitung.

BGer 1B_264/2012 vom 10.10.12 Separate nicht parteiöffentliche polizeiliche Befragungen sind im Ermittlungsverfahren möglich, wenn die Polizei im Rahmen ihrer selbständigen Ermittlungstätigkeit Befragungen von tatverdächtigen Personen durchführt (Art. 306 Abs. 2 lit. b StPO). Die beschuldigte Person hat aber das Recht, dass ihre Verteidigung anwesend sein und Fragen stellen kann (Art. 159 Abs. 1 StPO). Falls die StAw hingegen Einvernahmen vor oder nach Eröffnung der Strafuntersuchung an die Polizei delegiert, gelten die Bestimmungen von Art. 147 Abs- 1 StPO betreffend Teilnahmerechte (Art. 312 Abs. 1-2 i.V.m. Art. 306 Abs. 3 StPO).

BGer 1B_264/2012 vom 10.10.12 Im Anfangsstadium der Untersuchung, nämlich bis zur ersten Einvernahme von beschuldigten Personen, ist bei der Auslegung von Art. 147 StPO auch der sachlich eng damit zusammenhängenden Bestimmung von Art. 101 Abs. 1 StPO betreffend Akteneinsicht Rechnung zu tragen. Danach können die Parteien spätestens nach der ersten Einvernahme der Beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen wichtigsten Beweise durch die StAw die Akten einsehen. Nach der Praxis des BGer besteht zu Beginn der Strafuntersuchung noch kein absoluter Anspruch auf eine vollständige Akteneinsicht. In begründeten Fällen kann allerdings schon im frühen Verfahrensstadium eine – allenfalls partielle – Akteneisicht sachlich geboten sein, etwa betreffend relevante Haftakten in Haftprüfungsverfahren (Art. 225 Abs. 2 StPO).

BGer 1B_264/2012 vom 10.10.12 Bei der Auslegung der StPO ist eine Kohärenz zwischen den inhaltlich konnexen Bestimmungen betreffend Akteneinsicht und Teilnahme an Beweiserhebungen anzustreben. Danach kann die StAw – ähnlich wie bei der Akteneinsicht nach Art. 101 Abs. 1 StPO – im Einzelfall prüfen, ob sachliche Gründe für eine vorläufige Beschränkung der Parteiöffentlichkeit bestehen. Solche Gründe liegen insbesondere vor, wenn im Hinblick auf noch nicht erfolgte Vorhalte eine konkrete Kollusionsgefahr gegeben ist. Falls die Befragung des Mitbeschuldigten sich auf untersuchte Sachverhalte bezieht, welche den noch nicht einvernommen Beschuldigten persönlich betreffen,, und zu denen ihm noch kein Vorhalt gemacht werden konnte, darf der Beschuldigte von der Teilnahme ausgeschlossen werden. Die blosse Möglichkeit einer abstrakten Gefährdung des Verfahrensinteresses durch rechtmässiges prozesstaktisches Verhalten rechtfertigt hingegen noch keinen Ausschluss von der Einvernahme.

BGer 1B_264/2012 vom 10.10.12 Aus der Stellung als Mitbeschuldigter folgt keine spezifische Interessenkollision i.S.v. Art. 146 Abs. 4 lit. a StPO (Botschaft StPO, S. 1186 unten). Die Möglichkeit, dass bereits befragte Beschuldigte später ihr prozesstaktisches Verhalten den Aussagen von Mitbeschuldigten anpassen könnten, wurde vom Gesetzgeber grundsätzlich in Kauf genommen. Auch bei Haftfällen wegen Kollusionsgefahr ist ein automatischer Ausschluss der Parteirechte nach Art. 147 Abs. 1 StPO nicht zulässig. Die Parteiöffentlichkeit darf aber unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO) nicht zu einer unfairen Benachteiligung zwischen Mitbeschuldigten führen.

BGer 1B_264/2012 vom 10.10.12 Soweit ein Ausschluss des Beschuldigten aufgrund von Rechtsmissbrauchverdacht zulässig ist, darf auch die Verteidigung eine entsprechende Kollusion nicht befördern. Soweit den Verteidiger nicht persönlich ein konkreter Rechtsmissbrauchverdacht i.S. von Art. 108 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 lit. a StPO trifft, kann die StAw in begründeten Einzelfällen auch prüfen, ob der an Einvernahmen teilnehmenden Verteidigung gegenüber ihrer Klientschaft eine zeitlich eng befristete förmliche Geheimhaltungsverpflichtung aufzuerlegen ist.

OGer ZH, III. StrK, Beschluss vom 24.5.13, UH 130106 Teilnahmerecht der beschuldigten Person an delegierten Einvernahmen von Auskunftspersonen. Bei Beschränkung der Teilnahmerechte aufgrund noch zu beschaffender wichtigster Beweismittel i.S.v. Art. 101 Abs. 1 StPO drängt sich eine genaue Bezeichnung dieser Beweismittel sowie ihrer voraussichtlichen Relevanz auf, um der beschuldigten Person eine wirksame Kontrolle ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör zu ermöglichen. Die StAw hatte es unterlassen, die zu befragenden Geschädigten, denen entsprechend ihren Ausführungen eine entscheidende Rolle zukommen soll, namentlich anzugeben oder zumindest zu umschreiben sowie im Einzelnen darzulegen, inwiefern es sich bei den aufgeführten Befragungen der Geschädigten um wichtigste Beweismittel i.S. von Art. 101 Abs. 1 StPO handelt. Irrelevant ist, ob die grundsätzlich teilnahmeberechtigte Person anlässlich ihrer erster Einvernahme die Aussage verweigert hat oder deren Einvernahme aus Sicht der StAw ergiebig verlaufen ist.

Getrennt geführte Verfahren Gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch die StAw und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Anders als der Beschwerdeführer meint, findet diese Bestimmung keine Anwendung in getrennt geführten Verfahren. Einvernahmen beschuldigter Personen im jeweils anderen Verfahren haben über das Institut der Auskunftsperson zu erfolgen, in deren Rahmen dann die Teilnahme zu gewähren ist. Die Entfernung der Einvernahmeprotokolle drängt sich aus diesem Aspekt nicht auf (BK Bern 13 179 vom 4.9.13).