Art. 193: Ausnützung einer Notlage / anderer Abhängigkeit

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 Präsentation transkript:

Art. 188, 192 und 193 StGB: Sexuelle Handlungen unter Ausnützung einer Abhängigkeit Art. 193: Ausnützung einer Notlage / anderer Abhängigkeit Art. 188: Ausnützen einer Abhängigkeit aus Erziehung etc. Art. 192: Ausnützen einer Abhängigkeit in einer Anstalt etc. Wichtig bei allen: Wesentliche Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Opfers bzgl. sexueller Handlungen durch (vermeintliches) Angewiesensein auf Täter

Art. 188 StGB: Sexuelle Handlungen mit Abhängigen (tatsächliche) Abhängigkeit Opfer Täter Ausnutzung Mann / Frau Mann / Frau 16 – 17 jährig (> 18 jährig: Art. 193) Sexuelle Handlung

Art. 188: Abhängigkeit (1)  Dauerhaft oder nur vorübergehend Erziehungsverhältnis (Adoptiv-, Stief-, Pflege-, Gross-)eltern Partner der Eltern im gleichen Haushalt Heimangestellten Lehrer Betreuungsverhältnis (Aufsicht) Sozialarbeiter Leiter von Gruppen, Lagern, Kursen

Art. 188: Abhängigkeit (2) Arbeitsverhältnis Rechtlich (Vertrag) oder nur faktisch Generalklausel: „auf andere Weise“ Psychotherapie Finanzielle Abhängigkeit Drogensucht Freiheitsberaubung Sekte …

Art. 188: Ausnutzen der Abhängigkeit Opfer will die sexuelle Handlung nicht Opfer wagt es nicht, sich zu widersetzen … weil es offen / versteckt unter Druck gesetzt wird, Nachteile befürchtet … weil es durch die Abhängigkeit bereit ist, sich zu fügen

Art. 192: Opfertypen (1) Anstaltspfleglinge: zur Behandlung oder Pflege in einer Institution Spital Alters-/Behindertenheime Drogentherapieeinrichtungen Anstaltsinsassen: blosse Versorgung Arbeitsanstalt Verwahrung

Art. 192: Opfertypen (2) Gefangene, Verhaftete, Beschuldigte  Nennung, um klarzustellen, dass auch geschützt bei Transport, Polizeiverhören … (nicht nur in Strafanstalt)

Art. 192: Ausnutzung der Abhängigkeit Verfügungsgewalt in wesentlichem Bereich Entlassung Ärztliche Versorgung Vergünstigungen Gang des Strafverfahrens Angewiesen sein auf Dienstleistungen (Pfleger) Abhängigkeit als Druckmittel einsetzen (tatsächliche) Abhängigkeit Ausnutzung Sexuelle Handlung

Art. 193 StGB Notlage, Bsp: In die Schweiz verbrachte Frauen Drogenabhängige Sonstige Zwangslage (verletzter Skifahrer / Notunterkunft Suchende / …)  Notlage muss nur in Vorstellung bestehen! Arbeitsverhältnis (Angst vor Entlassung o.ä.) „in anderer Weise“, Bsp.: Psychotherapeut Amtsverhältnis

Art. 195: Definition „Prostitution“ Prostitution ist die entgeltliche Vornahme / Duldung hetero- / homosexueller Handlungen mit / von unbestimmten Partnern

Art. 195 Abs. 1 und 2: der Prostitution zuführen Prostitution nicht nur in Einzelfällen Person ist nicht schon in Prostitution (Bordell scheidet aus!) Weitergehende Beeinflussung (Ratschlag reicht nicht) Fähigkeit zur Selbstbestimmung noch nicht völlig entwickelt verbale Einwirkung genügt Vgl. Art. 188, 192, 193 (hier v.a. sexuelle Hörigkeit, Drogensucht, Verbringung aus Armutsländern) Heikel (Anlehnung an frühere Strafbarkeit der Zuhälterei) Wichtig: erhebliches unter Druck setzen (vgl. andere Formen)

Art. 195 Abs. 3: Beeinträchtigen der Handlungsfreiheit einer/eines Prostituierten Überwachen Bestimmen des Ortes, … der Zeit … des Ausmasses … anderer Umstände  wichtig: Beeinträchtigung der HF, d.h. gegen Willen des Opfers, nötig ist wiederum Druck auf das Opfer

Art. 195 Abs. 4: Festhalten in der Prostitution Wille des Opfers, sich aus der Prostitution zu lösen Täter verhindert dies durch Druckausübung

Art. 198 StGB: Sexuelle Belästigung Abs. 1 Obj. TB: Vornahme sexueller Handlungen vor den Augen Unbeteiligter Gegen den Willen dieser Personen („der dies nicht erwartet“ Ärgerniserregung (Antragsdelikt  ohne Ärgernis wohl keine Anzeige) Subj. TB: Nur (eventual-)vorsätzliche Begehung

Art. 198 Abs. 2 sexuelle Belästigung sexuelle Bedeutung muss ohne weiteres erkennbar sein tätlich (Bsp: ahnungslose Person an Geschlechtsteile fassen; auch weniger weit gehende Belästigung, bspw. am Arbeitsplatz etc.) … oder in grober Weise durch Worte

Art. 188: Konkurrenzen Zu Art. 189 und 190: Diese Normen gehen vor, wenn die Ausnützung der Abhängigkeit Nötigungsgrad erreicht. Zu Art. 213 (Inzest): echte Konkurrenz (unterschiedliche Rechtsgüter: dort Gefährdung des jüngeren Partners)

Art. 192: Konkurrenzen Zu Art. 187, 189, 190, 191: Diese Normen gehen Art. 192 vor (Stärkere Eingriffe, höhere Strafdrohungen). Zu Art. 188: unechte Konkurrenz, Alternativität (Stratenwerth: eher 188 vorziehen) Zu Art. 193: Art. 192 geht als Spezialnorm vor.

Art. 193: Konkurrenzen Zu Art. 187, 188, 189, 190, 191: Diese Normen gehen Art. 193 vor (Stärkere Eingriffe, höhere Strafdrohungen). ( Nötigung ist anzunehmen, wenn Zwang in der Tatsituation über blossen psychischen Druck durch Ausnützen der Abhängigkeit hinausgeht) Zu Art. 192: Diese Norm geht als Spezialnorm vor.

Art. 195: Konkurrenzen Zu Art. 187: Echte Konkurrenz, da Art. 195 nicht die Schutzbedürftigkeit des Kindes und Art. 187 nicht die Prostitution berücksichtigt. Zu Art. 188: Art. 195 geht vor, da er Abhängigkeit und Unmündigkeit berücksichtigt.

Art. 198: Konkurrenzen Zu Art. 189: tätliche oder grobe verbale sexuelle Belästigung kann zur Nötigung werden, Art. 189 geht in diesem Fall vor. Zu Art. 177 (Beschimpfung): Echte Konkurrenz, da Rechtsgüter unterschiedlich (Ehre / sexuelle Integrität) Zu Art. 126 (Tätlichkeit): Echte Konkurrenz