Prof. Dr. Waltraud Schreiber, Universität Eichstätt, Deutschland Budapest, 23. November 2004 (Studierende - Sachfachunterricht)
Die Theoriegrundlagen Entwicklung des „Sechserrasters“: Der sich mit Geschichte Befassende kann unterschiedliche Fokussierungen einnehmen
Vergangenes feststellen; „Vergangenheits-partikel“ erheben Fokussierung auf Vergangenheit ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Vergangenes feststellen; „Vergangenheits-partikel“ erheben
Fokussierung auf Vergangenheit Fokussierung auf „Geschichte“ ● ● ● ● ● ● ● ● ● Fokussierung auf Vergangenheit Fokussierung auf „Geschichte“ ● ● ● ● ● ● Kontextualisierun-gen (synchron und diachron), Art der Erzählung werden betrachtet ● Vergangenes feststellen; „Vergangenheits-partikel“ erheben
Vergangenes feststellen; „Vergangenheits-partikel“ erheben Fokussierung auf Vergangenheit Fokussierung auf “Geschichte” Fokussierung auf Gegenw./Zukunft ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Vergangenheit/Ge-schichte auf die Gegenw./Zukunft in der und für die „erzählt“ wird, beziehen ● Kontextualisierun-gen (synchron und diachron), Art der Erzählung in den Blick nehmen Vergangenes feststellen; „Vergangenheits-partikel“ erheben
Die Theoriegrundlagen Entwicklung des „Sechserrasters“: Idealtypisch werden die Basisoperationen des Re- und De-Konstruierens durchgeführt
Leitziel des Geschichtsunterrichts: Historische Kompetenzen entwickeln Fähigkeit, Fertigkeit, Bereitschaft reflektiert und selbstreflexiv mit Geschichte umzugehen.
Fragekompetenz In der Lage sein, Fragen zu differenzieren in Fragen, die auf Kenntnisse und einfache Erkenntnisse zielen Fragen, die auf Einsichten zielen, auch auf die Einsicht, dass nicht alles zu beantworten ist In der Lage sein, vorgegebene Fragestellungen einzuordnen und zu verstehen. In der Lage sein, eigene Fragen an die Vergangenheit an die Geschichte zu stellen.
Sachkompetenz Sachkompetenz geht in Wissen nicht auf, ist aber ohne Wissen nicht denkbar. Sie umfasst die Fähigkeit, Fertigkeit, Bereitschaft inhaltsbezogene und theoriebezogene Kategorien zu erkennen, ihre Aussage zu erfassen, begründet neue (oft auch nur subjektiv neue) Kategorien zu entwickeln, mit ihnen in unterschiedlichsten Hinsichten umzugehen und sie anzuwenden
Methodenkompetenz Fachspezifische Kompetenz des Re-Konstruierens Fachspezifische Kompetenz des De-Konstruierens Andere fachspezifische Kompetenzen (vergleichen, im Diskurs verteidigen..) Überfachliche Kompetenzen (Recherchieren, Präsentieren, Kommunizieren…, aber immer bezogen auf historische Inhalte)
Re-Konstruktionskompetenz In der Lage sein, selber eine Geschichtsdarstellung zu verfassen, indem zuerst die Festlegung auf eine Fragestellung erfolgt, die notwendigen Vergangenheitspartikel erhoben werden (aus Quellen, aus Darstellungen), die Entscheidung für bestimmte Kontextualisierungen getroffen wird, die Entscheidung für bestimmte Medien und Adressaten getroffen wird die Darstellung nachvollziehbar (transparent) und begründet (plausibel) erfolgt Gegenwartsbezüge bedacht, ev. dargestellt werden.
De-Konstruktionskompetenz In der Lage sein, die Tiefenstruktur einer vorliegenden Geschichtsdarstellung (einer historischen Narration) zu erfassen. Dabei werden auch die Funktionen sichtbar, die der Geschichte zugewiesen werden .
Leitfaden De-Konstruktion Für das De-Konstruieren von Geschichtsdarstellungen hat es sich als sinnvoll erwiesen, folgende Stufung zu beachten
Phase 1: Beschreibende Bestandsaufnahme Elemente der Darstellung/Narration aufnehmen (die Bausteine feststellen und beschreiben) Aussagen feststellen, die in den einzelnen Fokussierungen getroffen werden Was wird über Vergangenes ausgesagt? Welche Kontextualisierungen werden gewählt ? (Oft können Haupt- und Nebengeschichten unterschieden werden) Welche Gegenwarts- und Zukunftbezüge werden hergestellt? Perspektiven der Haupt- und Nebengeschichten festhalten, welchen „Sektoren“ gehören sie an, welche „Gravitationszentren“ haben sie… Begründungen des Autors festhalten
Phase 2: Stimmigkeit/ Triftigkeit überprüfen Narrative Triftigkeit Prüfen, ob die Konstruktionsprinzipien (Aufbau der Geschchtsdarstellung) haltbar sind, Prüfen, ob die sprachliche/ bildliche /… Gestaltung adäquat erfolgt… Sachliche Triftigkeit Vergangenheitsbezüge überprüfen Grundlagen für die Kontextualisierungen überprüfen Schlüssigkeit der Gegenwarts- und Zukunftsbezüge prüfen… Normative Triftigkeit Synchrone und diachrone Bedeutungszuweisungen nach ihrem normativen Gehalt überprüfen Überprüfen, ob es haltbar ist, die entsprechenden Normen und Werte zugrunde zu legen …
Phase 3: Darstellung der Analyseergebnisse Positive u. negative Aussagen über die Tiefenstruktur der Geschichtsdarstellung werden zusammengestellt und begründet. Eine möglichst transparente Beurteilung und Bewertung erfolgt.
Phase 4: Vergleich mit anderen Interpretationen auch mit den eigenen Interpretationen und Darstellungen kontrolliert umgehen (Selbstreflexion) Inhalts- /themen- /sachbezogene Kriterien können für den Vergleich gewählt werden
Orientierungskompetenz Weltverstehen: Orientierung der Gegenwart mit Hilfe von Vergangenheit Orientierung in der Vergangenheit Selbstverstehen: Identitätsfindung des Schülers / der Schülerin Entwicklung kollektiver Identitäten Handlungsdispositionen: Soziales Handeln, Politisches Handeln Kulturelles Handeln
Mit historischen Bildern umgehen Grundlagen
Bilder bilden Wirklichkeit nicht ab, sie stellen sie dar Jedes Bild hat einen Urheber, der die Motive bestimmt, die zu sehen sind. Viele Bilder beziehen sich auf eine Realität, die außerhalb des Kopfes des Urhebers existiert. Jedes Bild folgt der Bildsprache seiner Zeit Jedes Bild hat Kontexte außerhalb des Dargestellten. Häufig verweist dieses Bild vage auf diese Kontexte, ohne sie präzise zu bestimmen. Jedes Bild entsteht im Kopf des Betrachters neu.
Typisierung: historische Bilder Bildquellen 1 : Überrestquellen, die aus der Zeit stammen, die erschlossen werden soll Bildquellen 2: Bilder von als historisch empfundenen Augenblicken, die als Traditionsquellen konzipiert wurden Vergangenes als Bildmotiv Kanonische Bilde/ Ikonen: Bilder, die Geschichte machen
Bildquellen 1 : Überrestquellen
Bildquellen 1 : Überrestquellen
Bildquellen 2: Traditionsquellen
Bildquellen 2: Traditionsquellen
Bildquellen 2: Traditionsquellen
Historiengemälde: Vergangenes als Bildmotiv
Historiengemälde: Vergangenes als Bildmotiv
Kanonische Bilder: Bilder machen Geschichte
Kanonische Bilder: Bilder machen Geschichte
Kanonische Bilder: Bilder, die lügen, machen Geschichte
Umgang mit historischen Bildern Es gibt nicht nur eine Methode der Bilderschließung. Es hängt vom Bildtypus ab, Methode gewählt werden sollte.
Votivbilder zur Re-Konstruktion von Alltagsgeschichte nutzen Klären, durch welche Signifikanten Votivbilder gekennzeichnet sind (überirdische Macht vergegenwärtigt, Votant zu sehen, Anlass, schriftliche Information) Votivtafel in ihrer Intention erschließen Quellenwert des Bildes für andere Fragestellungen nutzen (Gebäude, Kleidung, Hinweise auf religiöse Riten und Symbole)
Eine Traditionsquelle erschließen: Historische Augenblicke im Bild Zwischen Augenzeugenschaft und zukunftsgerichteter Deutung. Weil die Absicht zu tradieren dominant ist, führen kunstwissenschaftliche Methoden der Bilderschließung weiter, z.B. die nach Erwin Panofsky: Vorikonografische Beschreibung (Motive erkennen und beschreiben) Ikonographische Analyse (Bedeutungen zuordnen; was epochenspezifische Kenntnisse voraussetzt) Ikonologische Interpretation (Tiefenstruktur/ Prinzipien sollen erfasst werden) Weil historische Fragen an das Bild gestellt werden, müssen zusätzlich Materialien herbei gezogen werden, auch zur Überprüfung der Aussagen des Bildautors.
Historiengemälde erschließen Die Zeit der Entstehung und die dargestellte Zeit müssen erfasst werden, vorrangig aber die Art der Geschichtsdarstellung. Zu unterscheiden sind diachrone und synchrone Darstellungen. Die De-Konstruktion der Geschichtsdarstellung ist die Methode, die am weitesten führt. Kunstwissenschaftliche Analysen haben unterstützende Funktion, ebenso die historischen Analysen zu den Entstehungsbedingungen und zur dargestellten Zeit. Verzichtet sollte weder auf die Zuarbeit der Kunstwissenschaftler werden, noch auf die der Historiker. Sich bei Historiengemälden dezidiert mit dem Betrachter des Bildes auseinanderzusetzen, ist besonders interessant, weil es zwei Zeitebenen vereint.
Kanonische Bilder erschließen In diesem Falle steht nicht der Bildinhalt (in dokumentarischer und interpretierender Hinsicht) im Zentrum, sondern die Be-nutzung des Bildes. Damit bekommen die Erforschung der Rezeptionsgeschichte und der Rückwirkungen der Rezeption auf das Wahrnehmen der vergangen und der aktuellen Wirklichkeit Gewicht. Medienwissenschaftliche, geschichtstheoretische und geschichtsdidaktische Fragestellungen kommen zur Anwendung.