Persönlichkeitsstörungen

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 Präsentation transkript:

Persönlichkeitsstörungen Monika Equit Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum des Saarlandes Homburg

Persönlichkeitsstörungen Definition, Klassifikation und Prävalenz Diagnostik Therapie und Verlauf Borderline-Persönlichkeitsstörung: Definition, Klassifikation und Häufigkeit Ätiologie Therapie 2

Definition nach ICD-10: Definition tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen deutliche Abweichungen im Denken, Fühlen und in Beziehungen zu anderen Solche Verhaltensmuster sind stabil und beziehen sich auf vielfältige Bereiche von Verhalten und psychischen Funktionen. Einhergehend mit persönlichem Leiden und gestörter sozialer Funktions- und Leistungsfähigkeit 3

Klassifikation: Kriterien einer Persönlichkeits-störung nach ICD-10 deutliche Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in mehreren Funktionsbereichen (Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmen, Denken, Beziehungen zu anderen) Das abnorme Verhaltensmuster ist andauernd und nicht auf Episoden psychischer Krankheiten begrenzt Das abnorme Verhaltensmuster ist tief greifend und in vielen persönlichen und sozialen Situationen eindeutig unpassend Die Störungen beginnen immer in der Kindheit oder Jugend und manifestieren sich auf Dauer im Erwachsenenalter. Die Störung führt zu deutlichem subjektivem Leiden, manchmal erst im späteren Verlauf. Die Störung ist meistens mit deutlichen Einschränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit verbunden.

Klassifikation: Kriterien einer Persönlichkeits-störung nach DSM-IV A. Ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten, das merklich von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweicht. Dieses Muster manifestiert sich in mindestens 2 der folgenden Bereiche: Kognition , Affektivität , Gestaltung zwischen-menschlicher Beziehungen, Impulskontrolle B. Das überdauernde Muster ist unflexibel und tiefgreifend in einem weiten Bereich persönlicher und sozialer Situationen. C. Das überdauernde Muster führt in klinisch bedeutsamer Weise zu Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. D. Das Muster ist stabil und langdauernd, und sein Beginn ist zumindest bis in die Adoleszenz oder ins frühe Erwachsenenalter zurückzuverfolgen. E. Das überdauernde Muster lässt sich nicht besser als Manifestation oder Folge einer anderen psychischen Störung erklären. F. Das überdauernde Muster geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz oder eines medizinischen Krankheitsfaktors zurück.

Klassifikation Laut ICD-10 ist die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vor Abschluss der Pubertät, d. h. vor dem 16.-17. Lebensjahr „wahrscheinlich unangemessen“ (ICD-10: F60). Vor diesem Lebensalter sollte sie nach ICD-10 nur dann vergeben werden, wenn die Mindestzahl der geforderten Kriterien erfüllt ist die spezifischen Verhaltensmuster bereits in der Adoleszenz zeit- und situationsübergreifend auftreten und zur Einschränkung der schulischen, beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit führen.

Klassifikation Im DSM-IV darf die Diagnose auch für Kinder und Jugendliche verwandt werden, wenn sich bestimmte Persönlichkeitszüge („traits“) als pervasiv und überdauernd und nicht auf eine Entwicklungsperiode beschränkt erweisen. Voraussetzung: Persistenz der Symptome über mindestens 1 Jahr Ausnahme: Antisoziale Persönlichkeitsstörung erst ab 18 Jahre vorher: Störung des Sozialverhaltens

Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 (Asendorpf, 2004)

Persönlichkeitsstörungen nach DSM-IV Cluster Diagnose Charakteristika A Paranoide PS Misstrauen und Argwohn, Interpretation der Motive anderer als böswillig „sonderbar, seltsam, exzentrisch" Schizoide PS Distanziertheit, Isolation, eingeschränkter emotionaler Ausdruck Schizotypische PS Soziales Unbehagen, eigentümliches Verhalten, Verzerrungen des Denkens B Dissoziale PS Missachtung und Verletzung der Rechte anderer „dramatisch, emotional, launisch" Borderline PS Instabilität zwischenmenschlicher Beziehungen, des Selbstbildes und der Affektivität, Impulsivität, Selbstverletzungen Histrionische PS Übermäßige Emotionalität, Expressivität, Aufmerksamkeit heischendes Verhalten   Narzisstische PS Gefühl der Großartigkeit, Bedürfnis nach Bewunderung, „Selbstverherrlichung", mangelnde Empathie C „ängstlich" Ängstlich-ver-meidende PS Soziale Hemmung, Gefühl der Unzulänglichkeit, Überempfindlichkeit gegenüber negativer Bewertung Dependente PS Unterwürfiges und anklammerndes Verhalten, übermäßiges Bedürfnis, umsorgt zu werden, Gefühl der Hilflosigkeit/Schwäche Zwanghafte PS Ständige Beschäftigung mit Ordnung, Perfektionismus, Kontrolle, „Sollen" Persönlichkeitsstörungen nach DSM-IV (Lieb et al., 2008) 9

Klassifikation Cluster ICD-10 DSM-IV A Paranoide PS Schizoide PS (Schizotype Störung: F21) Schizotypische PS B Dissoziale PS Antisoziale PS Emotional instabile PS:   • Impulsiver Typus - • Borderline-Typus Borderline-PS Histrionische PS Histronische PS Narzisstische PS C Ängstliche PS Selbstunsichere PS Abhängige PS Anankastische PS Zwanghafte PS Persönlichkeitsstörungen in ICD-10 und DSM-IV (Lieb et al., 2008) 10

Klassifikation im Jugendalter 11

Klassifikation im Jugendalter viele empirische Belege für Diagnostizierbarkeit von Psychopathologien im Jugendalter Uneinigkeit zur Frage der Diagnostizierbarkeit von Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter durch die geplante Aufnahme eines dimensionalen Modells zur Erfassung von Persönlichkeitsstörungen im DSM-V sollen Entwicklungsaspekte stärker berücksichtigt werden Jugendspezifisches Modell zur Unterscheidung zwischen Adoleszenzkrise und Persönlichkeitsstörung fehlt Diagnosestellung umstritten: Stigmatisierung 12

Diagnosestellung umstritten Klassifikation im Jugendalter Diagnosestellung umstritten Pro Erklärung für eigenes Verhalten Weiterentwicklung von Behandlungskonzepten Frühzeitige Behandlung Contra Stigmatisierung 13

Klassifikation im Jugendalter hohe Überschneidung der ADHS mit Persönlichkeits-störungen speziell vom antisozialen Typ im Jugend- und Erwachsenenalter (Rösler, Retz, Yaqoobi, Burg & Retz-Junginger, 2009) Ist ADHS ein Vorläufer für eine Persönlichkeitsstörung? Oder sind die diagnostischen Kriterien der ADHS zu unspezifisch für eine eindeutige Unterscheidung? Oder führt die Trennung zwischen Kindheits- und Erwachsenendiagnosen ohne Einbeziehung des Entwick-lungsprozesses zur unterschiedlichen Klassifikation ähn-licher Symptome? 14

Diagnostik der PS im Jugendalter valide Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen auf der Basis von Instrumenten, die ursprünglich für Erwachsene konzipiert waren (SKID-II, IPDE) bisher vorliegende Befunde rechtfertigen die Diagnose einer PS in der Adoleszenz Allerdings noch keine hinreichende Zufriedenheit, die Besonderheiten des Jugendalters bei dieser Vorgehensweise altersangemessen abzubilden. Mangel an Langzeitstudien, die Aufschluss über die Frage der Klassifizierbarkeit und Behandelbarkeit von Persönlichkeits-störungen im Jugendalter geben 15

Diagnostik: IDCL Einsatzbereich: Die Checklisten sollen die psychiatrisch-psychologische Diagnosenstellung mit dem ICD-10-Klassifikationssystem erleichtern. Für Erwachsene konzipiert. Das Verfahren: Die Internationalen Diagnosen Checklisten (IDCL) berücksichtigen die «Forschungskriterien» zu ICD-10 Kapitel V(F). Ermöglicht sehr präzise Diagnosen im Sinne der ICD-10-Klassifikation Zuverlässigkeit: im ambulanten und stationären Bereich bewährt. seit 1995 16

Diagnostik: IPDE strukturiertes Interview zur Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 bei Erwachsenen offizielles Instrument der WHO zur Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen zuerst freier Einleitungsteil über den Hintergrund der Lebens- und Krankheitsgeschichte des Befragten, dann strukturierte Fragen Zuverlässigkeit: Inter-Rater- und Test-Retest-Reliabilität ergab hervorragende Übereinstimmungen bei den Untersuchern. In Anwendung seit 1996. 17

Diagnostik: SKID-II Das SKID-II (1. Auflage, 1997) ist ein zweistufiges Verfahren, das für Erwachsene konzipiert wurde: Fragebogen: Items repräsentieren die Kriterien des DSM-IV, dient als Screening für die Merkmale der zwölf erfassten Persönlichkeitsstörungen Interview: Hier werden dann nur noch diejenigen Fragen gestellt, für die im Fragebogen eine «ja»-Antwort angekreuzt wurde. Durch dieses zweistufige Verfahren wird eine vergleichsweise geringe Durchführungszeit von ca. 30 min. für das Interview erreicht. 18

Prävalenz Persönlichkeitsstörung Prävalenz in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung Cluster A Paranoide PS 1,5-3%   Schizoide PS 0,5-1,5% Schizotypische PS 3% Cluster B Dissoziale PS 3-7% Männer 1-2% Frauen Borderline PS 0,8-2% Histrionische PS 1,3-3% Narzisstische PS 0,0-0,4% Cluster C Ängstlich-vermeidende PS 0,9% Dependente PS 1-2% Zwanghafte PS Häufigkeit von Persönlichkeitsstörungen (Lieb et al., 2008) 19

Prävalenz Familiäre Häufungen Familiäre Häufung von Persönlichkeitsstörungen (Cheng et al, 2010) Familiäre Häufungen bei schizoider PS (Silverman et al., 1993) bei zwanghafter PS (Calvo et al.,2009) bei Borderline-PS (Weiss et al., 1996) 20

Prävalenz im Jugendalter Valide Diagnostik durch Instrumente, die für Erwachsene konzipiert sind (z.B. SKID-II) Prävalenz von PS ist bei Einsatz strukturierter Interviews jedoch deutlich höher als durch Einschätzung der Kliniker 40% in klinischen Stichproben von Adoleszenten oder Erwachsenen (z.B. Krischer & Sevecke, 2010) 32,7% (SKID-II) vs. 10,9% (durch Kliniker) bei Jugend- lichen (Wittchen et al., 1993) 21

PS im Jugendalter - Komorbiditäten ADHS und PS (vor allem antisoz. PST): 35% (Rösler & Retz, 2008) Essstörungen und PST (vor allem BN): 40% (Herpertz-Dahlmann et al., 2005) PTSD (bzw. Traumatisierungen) und PS: 44% von stat. beh. Jugendlichen mit Traumatisierungen erhalten Diagnose BPS (Herbst et al., 2009) 22

Psychotherapie bei Persönlichkeitsstörungen allgemeine Prinzipien im Jugendalter Im Kindes- und Jugend: Psychotherapie = Methode der Wahl (AWMF Leitlinien) Langfristig angelegt Klarer Behandlungsfokus Aktiv-strukturierender Ansatz Ambulante Behandlung Tragfähige Arbeitsbeziehung Ggf. Behandlungsvertrag 23

Psychotherapie bei Persönlichkeitsstörungen Allgemeine Therapieziele im Jugendalter Verbesserung von positiven Beziehungsaspekten Verbesserung der Selbstkontrolle in Aufmerksamkeit und Affekt Verbesserung der Selbstreflexion und Mentalisierung Stärkung von Selbstwert und Identität Reduktion von Risikoverhalten Reduktion dysfunktionaler elterlicher Einflüsse 24

Psychotherapie bei Persönlichkeitsstörungen Manualisierte Therapieverfahren für das Erwachsenenalter: Transference Focused Psychotherapy (TFP) Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) Schematherapie Manualisierte Therapieverfahren für das Jugendalter: Transference Focused Psychotherapy for Adolescents (TFP-A) Dialektisch-Behaviorale Therapie für Adoleszente (DBT-A) 25

Verlauf Angststörungen Affektive Störungen Der längerfristige Verlauf von Persönlichkeitsstörungen mit Beginn im Jugendalter weist im jungen Erwachsenenalter erhöhte Prävalenzraten auf für: Angststörungen Affektive Störungen Gewalt, Kriminalität und Suizidalität Hohe Wahrscheinlichkeit einer Persistenz der PS bis ins Erwachsenenalter 26

Borderline-Persönlichkeitsstörung Definition, Klassifikation und Prävalenz Ätiologie Diagnostik Therapie 27

Definition und Klassifikation Ursprünge des Begriffs Borderline-Persönlichkeitsstörung: Grenze zwischen Psychose und Neurose Heute ist die BPS durch vier wesentliche Verhaltensmuster charakterisiert (Herpertz-Dahlmann et al., 2008): Impulsivität affektive Instabilität Instabilität in der Beziehungsgestaltung Störungen der Kognition und Identitätsstörung 28

Definition und Klassifikation Symptome der BPS bei Kindern und Jugendlichen (Steinhausen, 2010): intensive, zugleich gestörte interpersonale Beziehungen Störungen des Realitätssinnes (Denkstörung) ausgeprägte frei flottierende Angst impulsives Verhalten ungleichmäßige oder gestörte Entwicklung 29

Emotional instabile Persönlichkeitsstörung ICD-10 (F60.3) ICD-10 (F60.30) impulsiver Typus Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen erfüllt sein. Mindestens drei der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen, darunter 2.: deutliche Tendenz, unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln, deutliche Tendenz zu Streitereien und Konflikten mit anderen, vor allem dann, wenn impulsive Handlungen unterbunden oder getadelt werden, Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder Gewalt mit Unfähigkeit zur Kontrolle explosiven Verhaltens, Schwierigkeiten in der Beibehaltung von Handlungen, die nicht unmittelbar belohnt werden, unbeständige und launische Stimmung. 30

Emotional instabile Persönlichkeitsstörung ICD-10 (F60.3) ICD-10 (F60.31) Borderline-Typus Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen erfüllt sein. Mindestens drei der unter F60.30 B erwähnten Kriterien müssen vorliegen und zusätzlich mindestens zwei der folgenden Eigenschaften und Verhaltensweisen: Störungen und Unsicherheit bezüglich Selbstbild, Zielen und "inneren Präferenzen" (einschließlich sexueller), Neigung, sich in intensive, aber instabile Beziehungen einzulassen, oft mit der Folge von emotionalen Krisen, übertriebene Bemühungen, das Verlassenwerden zu vermeiden, wiederholt Drohungen oder Handlungen mit Selbstbeschädigung, anhaltende Gefühle von Leere. 31

Prävalenz der Borderline-Störung Prävalenz in erwachsener Allgemeinbevölkerung: 0,8-2 % Geschlechterverteilung 50:50 70 % weibliche Patienten in Psychotherapie Männliche Patienten neigen eher zu Fremdaggression als zu Selbstverletzungen → Forensik, Justiz Prävalenz im Jugendalter: keine repräsentativen und validen Angaben 32

Bio-Psycho-Soziales Entstehungsmodell der BPS Ätiologie: Bio-Psycho-Soziales Entstehungsmodell der BPS genetische Belastung psychosoziale Faktoren Störung der Affektregulation hohe Dissoziationsneigung negative Rückkopplung Löschungsresistenz dysfunktionale Grundannahmen mangelhafte psychosoziale Realitätseinordnung Rückgriff auf dysfunktionale Bewältigungsstrategien Bohus & Wolf (2009) 33

Diagnostik der BPS: BPI erster deutschsprachiger Fragebogen zur Erfassung der Borderline-Persönlichkeitsstörung bei Erwachsenen Aufbauend auf dem Konzept der Borderline-Persönlichkeitsorganisation von Kernberg 53 Items/4 Skalen: Entfremdungserlebnisse und Identitäts-Diffusion (ID) Primitive Abwehrmechanismen und Objektbeziehungen (AB) Mangelhafte Realitätsprüfung (R) Angst vor Nähe (N) Cut-Off-Wert ermittelt zur Unterscheidung der Borderline-Störung von Neurosen einerseits und Schizophrenien andererseits Durchführungszeit ca. 20 Minuten. In Anwendung seit 1997. 34

Diagnostik der BPS: Borderline-Symptom-Liste (BSL) Selbstrating-Instrument (Bohus et al., 2001) mit 95 Items, die anhand einer fünfstufigen Likertskala (0=überhaupt nicht, 4= sehr stark) beurteilt werden können 7 Subskalen: Selbstwahrnehmung, Affektregulation, Autoaggression, Dysphorie, soziale Isolation, Intrusionen, Feindseligkeit • Zusätzlich wird mittels einer visuellen Analogskala die aktuelle psychische Befindlichkeit erhoben. • mit Hilfe der BSL-Ergänzungsskala kann das Ausmaß der aktuellen dysfunktionalen Verhaltensweisen erfasst werden. 35

Differentialdiagnose und Komorbidität Westen et al., American Journal of Psychiatry 163: 846-856, 2006 36

Verlauf und Prognose der BPS • BPS entwickelt sich in der Regel in der frühen Adoleszenz bimodale Verteilung (nach Jerschke et al. 1998): großer Teil zeigt bereits mit 14 Jahren Verhaltensauffälligkeiten, die stationär behandelt wurden, zweite Gruppe wurde erstmals mit 24 Jahren stationär behandelt retrospektiv berichten ca. 30 % der erwachsenen Borderline-Patientinnen Selbstverletzungen bereits im Grundschulalter Suizidrate der BPS liegt bei 5-8%, Risikofaktoren: impulsive Handlungsmuster, höheres Lebensalter, Depressionen, komorbide antisoziale PS, Selbstverletzungen und frühkindlicher Missbrauch 37

Verlauf und Prognose der BPS Remissionsraten der Borderline-Störung in den USA (mod. nach Zanarini et al. 2006) 38

Psychotherapie bei BPS Manualisierte Therapieverfahren für das Erwachsenenalter: Transference Focused Psychotherapy (TFP) Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) Schematherapie Manualisierte Therapieverfahren für das Jugendalter: Transference Focused Psychotherapy for Adolescents (TFP-A) Dialektisch-Behaviorale Therapie für Adoleszente (DBT-A) 39

Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) • von Marsha M. Linehan entwickelte manualisierte Psychotherapie bei BPS Kombination von Elementen kognitiver Verhaltenstherapie, Zen-Buddismus und dialektischen Behandlungsstrategien (Balance von Akzeptanz und Veränderung) Basiert auf einem kombinierten Modell von Motivationsförderung und Aufbau von Verhaltensfertigkeiten Einzeltherapie und Fertigkeiten-Trainingsgruppe Telefonkontakte in Krisensituationen 40

DBT-A Adaptation der DBT für die Arbeit mit Jugendlichen (Rathus & Miller, 2000) deutsche Übersetzung und Modifikation durch Böhme et al. (2002) und Fleischhaker et al. (2005) Eltern nehmen an der wöchentlichen Fertigkeitsgruppe teil Ergänzung des Moduls „Walking the Middle Path“ in der Fertigkeiten-Trainingsgruppe (Bearbeitung jugend- und familienspezifischer Dilemmata) 41

DBT-A Ablauf Dauer Diagnostik-Phase Commitment-Phase Behandlungs-Phase Umfassende Zustimmung zur Therapie muss erfolgen, sonst Bedenkzeit Behandlungs-Phase Dauer ambulant 16 Wochen (pro Woche 1h Einzeltherapie und 2h Gruppentherapie) Im Anschluss an Therapie: wöchentliche Follow-up-Gruppe für die Jugendlichen Wöchentliche Therapeuten-Team-Besprechungen 42

DBT-A Hierarchie und Ziele Primärer Behandlungsfokus: Reduktion von suizidalen und selbstschädigenden Verhaltensweisen mit wechselndem therapeutischen Fokus zwischen den Polen Akzeptanz und Veränderung Therapie orientiert sich an dynamisch organisierter Hierarchie pathologischer Verhaltensmuster Verhindern/Verringern suizidaler und parasuizidaler Verhaltensmuster Reduktion von Verhaltensmuster, die effektive Therapie verhindern (z.B. zu spät kommen, keine HA machen etc.) Verringern von Verhalten, das die Lebensqualität ernsthaft beeinträchtigt (Substanzmissbrauch, Schule schwänzen) Verbessern von Verhaltensfertigkeiten Hierarchie der Behandlungsziele bei der Einzeltherapie der DBT-A Behandlung (Fleischhaker & Schulz, 2010) 43

DBT-A Jugend- und familienspezifische dialektische Dilemmata mit Lernvorgaben der DBT-A Behandlung (Fleischhaker & Schulz, 2010) 44

DBT-A Probleme und Fertigkeiten, die in der Familien-Fertigkeiten-Trainingsgruppe behandelt werden (Fleischhaker & Schulz, 2010) 45

DBT-A Einzeltherapie Vor allem verhaltenstherapeutische Elemente Verhaltensanalysen Verstärkerpläne Erstellen der Behandlungsplanung Förderung und Stärkung der Veränderungsmotivation Unterstützung, neu erlernte Verhaltensweisen in den Alltag zu übertragen 46

Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) Alle Patienten führen Wochenprotokoll (tägliche Ausprägung von Suizidgedanken, selbstverletzendem Verhalten, Befindlic hkeit, Substanzkonsum, andere Zielsymptome, eingesetzte Fertigkeiten und deren Wirksamkeit Protokoll wird zu Beginn jeder Einzeltherapie durchgesehen, daraus leitet sich auch Agenda für die jeweilige Stunde ab

Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)

DBT-A Schema über den Ablauf der Fertigkeitengruppe während der DBT-A Behandlung (Fleischhaker & Schulz, 2010) 49

Gruppentherapie (Fertigkeitstraining) DBT-A Gruppentherapie (Fertigkeitstraining) Innere Achtsamkeit (4h) Stresstoleranz (3h) Emotionsregulation (3h) Zwischenmenschliche Fertigkeiten (3h) „Walking the middle path“ (3h) 50

Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)

DBT-A Telefonkontakte Hilfe in Krisensituationen Kurze fertigkeitsorientierte Unterstützung als Unterstützung zur Lösung einer schwierigen Situation 24h-Kontaktsperre bei bereits stattgefundener Selbstverletzung (Verstärkerentzug) Erreichbarkeit des Therapeuten wird individuell geregelt 52

DBT-A Einbezug der Familie Regelmäßiger Einbezug der Familie in Therapie Vermittlung eines wertfreien Störungsmodells von emotionaler Instabilität und selbstverletzendem Verhalten Vermittlung von Verhaltensfertigkeiten sowohl an Jugendlichen als auch an Eltern Bearbeitung jugendtypischen Dilemmata (Ablösung /Individualisierung) 53

DBT-A - Effektivitätsnachweise Linehan et al., 2006: DBT überlegen gegenüber Behandlung durch besonders erfahren Therapeuten bzgl. Borderline, die aber keine DBT anwandten Giesen-Bloo et al., 2006: Vergleichsstudie zwischen Schematherapie und TFP Beide Verfahren hohe Wirksamkeit Aber sign. Überlegenheit der Schematherapie Erste Studien (nicht randomisiert) weisen auf Wirksamkeit von DBT-A hin 54

Literatur

Literatur 56

Literatur 57

Literatur

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