Messung in der Umfrageforschung I: Anmerkungen zur Messung allgemein (Beispiel: Big Five Persönlichkeitseigenschaften) Siegfried Schumann
Phasen des Forschungsprozesses aus: Schnell u.a. 2005: 8
Mögliche Fragestellung ↔ theoretischer Hintergrund Offenheit für Erfahrung → Selbstentfaltungswerte Persönlichkeitseigenschaften → Werthaltungen Genaueres: nächste Sitzung! ↓
Persönlichkeit: Theoretischer Hintergrund Wichtige Paradigmen der Persönlichkeitsforschung: Psychoanalytisches Paradigma Behavioristisches Paradigma Eigenschaftsparadigma Dynamisch-interaktives Paradigma Informationsverarbeitungsparadigma (nach Asendorpf 2004)
Forschungsrichtungen im Eigenschaftsparadigma Untersuchung einzelner Persönlichkeitseigenschaften (PE) Def. PE: Stabile Beziehung: Situation – Reaktion Transsituative Konsistenz vs. zeitlich stabile Situationsprofile PE aus konstruktivistischer Sicht (z.B. Krahé – schwer umsetzbar) Verhaltenserklärung durch PE: Deskription vs. biophysische Existenz „Breite“ PEs vs. spezielles Verhalten Beispiel: Autoritarismusforschung (Ambiguitätsintoleranz; autoritäre Reaktion) Untersuchung „der Persönlichkeit“ (als Kombination von Persönlichkeitseitseigenschaften; Übergang fließend!) Faktorenanalytische Ansätze Beispiele u.a.: Guilford, Cattell, Eysenck, Big Five-Ansatz
Der Ansatz von Joy Peter Guilford (1897-1987) Dimensionen der Persönlichkeit Somatische Dimension Morphologische Merkmale (z.B.: Kopfgröße, Dicke der Muskeln …) Physiologische Merkmale (z.B.: Muskelspannung, Dominanz: Sympathikus/Parasymp.) Eignung und Fähigkeit Eignung (aptitude vs. ability) Klassen: Wahrnehmung, Psychomotorik, Intelligenz Temperament Klassen: genereller, emotionaler, sozialer Verhaltensbereich Motivationale Dimension Klassen: Bedürfnisse, Interessen, Einstellungen (!) ↓ Liberalismus/Konservatismus, Religiosität, Nationalismus, humanitäre Haltung, Bevorzugung: allmähliche Entwicklung vs. Umbruch (nach Fisseni 1998)
Der Ansatz von Raymond Bernard Cattell (1905-1998) Erfassung der Persönlichkeitsmerkmale (Traits): 16 PF Sizothymia – Affectomia (Sachorientierung – Kontaktorientiertung) Low – high intelligence (konkretes – abstraktes Denken) Lower – high ego-strength (emotionale Störbarkeit – emot. Widerstandsfähigkeit) Submissiveness – Dominance (soziale Anpassung – Selbstbehauptung) Desurgency – Surgency (Besonnenheit – Begeisterungsfähigkeit) weaker – stronger superego strength (Flexibilität – Pflichtbewußtsein) Threctia – Parmia (Zurückhaltung – Selbstsicherheit) Harria – high Premsia (Robustheit – Sensibilität) … (nach Fisseni 1998:361)
Der Ansatz von Hans-Jürgen Eysenck (1916-1997)
Der Big Five Ansatz Dimensionen: Neurotizismus Extraversion Offenheit für Erfahrung Verträglichkeit Gewissenhaftigkeit Lexikalischer Ansatz / Sedimantationsthese! Deskriptiver Ansatz vs. „psychophysiche Existenz“
Messung der Big Five I: allgemeine Anmerkungen Fragebogen nur eine Möglichkeit der Messung! Alternativen: z.B. Situations-Reaktions – Beobachtung bzw. ~Inventare Konsequenzen: transsituative Konsistenz Nicht: zeitlich stabile Situationsprofile! Selbsteinschätzung des Befragten! Vorteile: ökonomisches Verfahren viel Information einbezogen Nachteil: Informationsverarbeitung nicht nachvollziehbar Problem: Δ Selbsteinschätzung ↔ Fremdeinschätzung
Messung der Big Five II: betrachtete Instrumente NEO-FFI (original) → NEO-FFI (deutsche Übersetzung) BFI (original) → BFI (deutsche Übersetzung) BFI-Kurzfassungen → BFI-Kurzfassungen (deutsche Entwicklungen) Nebenfrage: Übersetzung ↔ Neuentwicklung z.B.: BFI-Antwortvorgaben
NEO-FFI – Originalfragebogen (klin. Verwendung)
NEO-FFI - Auswertung
NEO-FFI: Zur Messung Formulierungsregeln beachten! Antwortvorgaben: bipolare Messung keine Zahlenangaben Beantwortungszeit: mind. 15 Min. (60 Fragen; 4 Fragen/Min.) Fragebogenversion: Modifikationen! Einleitungstext Mündliches Interview: Frage durch Interviewer + Listenvorgabe Items 1 und 21 vertauscht! Ich bin nicht leicht beunruhigt. Ich fühle mich oft angespannt und nervös.
NEO-FFI - Fragebogenversion
BFI (Übersetzung: Frieder Lang)
BFI: Zur Messung Je 2 „Schlagworte“ Verkürzung der Befragungszeit Einengung des „semantischen Spielraums“ formal: Mehrdimensionalität! Antwortvorgaben: unipolare Messung Zahlenangaben von 0 bis 4 (Original: 1 bis 5)! Beantwortungszeit: ca. 2 Min. (15 Fragen; ca. 7.5 Fragen/Min.) ▼ BFI-Kurzversionen: 7-stufig anstatt 5-stufig (Langversion) unterschiedliche numerische Antwortvorgaben (US-Denken vs. Deutschland!) unterschiedliche Frageformulierungen!
BFI-Kurzversionen (Frieder Lang vs. SOEP 2005) F. Lang SOEP
Interkorrelationen innerhalb der Instrumente Lang/Lüdtke (2005: 37)
Korrelationen zwischen den Messinstrumenten Lang/Lüdtke (2005: 36)
Zwischenfazit 1: Unterschiedliche Instrumente liefern tendenziell unterschiedliche empirische Befunde über die interne Struktur des Konstrukts!
Forschungsergebnisse: NEO-FFI und ASKO: 1 Einordnung Validierung
Forschungsergebnisse: NEO-FFI und ASKO: 2a
Forschungsergebnisse: NEO-FFI und ASKO: 2b
Forschungsergebnisse: NEO-FFI und ASKO 3
Zwischenfazit 2: Forschungsergebnisse sind über mehrere Studien weitgehend konstant, allerdings nicht völlig. Der Big-Five Ansatz eignet sich als „Rahmen“ zur Einordnung anderer Konstrukte.
Phasen des Forschungsprozesses aus: Schnell u.a. 2005: 8
Beispiele für Messungseinfluss bei Datenanalyse: Gruppierte Daten ↔ Regressionsanalysen etc. (z.B.: Alter → OE) Berechnung von „Big Five – Differenzen“ in RC-Modellen
Zur Datenanalyse: 1. Bereits bei der Auswahl der Messinstrumente sollten die beabsichtigten Analysen - bekannt sein und - bedacht werden! 2. Die Auswahl der Messinstrumente hat Auswirkungen auf die Forschungsergebnisse!
Fazit Im Falle der Big Five: Sehr klare Vorstellungen vom „empirischen Relativ“ (Definition!) Breite Forschungsbasis Dennoch je nach: Messinstrument Untersuchung tendenziell unterschiedliche Ergebnisse! Nächste Sitzung Werteforschung : Divergierende theoretische Vorstellungen vom „empirischen Relativ“! Dies hat zusätzliche Auswirkungen auf die Messung!
für Ihre Aufmerksamkeit! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!