§ 4: Nachträgliche vom Gläubiger zu vertretende Unmöglichkeit

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§ 4: Nachträgliche vom Gläubiger zu vertretende Unmöglichkeit Rechtsfolgen: Untergang des Leistungsanspruchs gem. § 275 I; Schuldner behält Anspruch auf die Gegenleistung gem. § 326 II 1. Vertretenmüssen des Gläubigers ist im Gesetz nicht geregelt (§§ 276 - 278 betreffen lediglich Pflichten des Schuldners). Fall 4 S 611 oder 631 G Auflösung Beleuchtung Konzerte Tic Tac Toe Gage 450.- /Konzert 225 freier Tag Honorar?

Lösung von Fall 4: Vom Gläubiger zu vertretende Unmöglichkeit Anspruch S - G: Anspruchsgrundlage § 631 oder § 611 BGB Anspruch entstanden durch Abschluss eines wirksamen Werk- oder Dienstvertrages: (+) Abgrenzung Dienstvertrag: S schuldet Beleuchtung (Erfolg), aber nach BGH im konkreten Fall nur erfolgsorientierte Tätigkeit geschuldet; Indizien für Dienstvertrag: Einbau in Produktion, Weisungsunter- worfenheit gegenüber Projektleiter und Bemessung der Vergütung an der Zahl der Konzert-, Probe und Aufbautage. Konzertaufführung ist dagegen typischerweise Werkvertrag (vgl. MünchKomm/Müller-Glöge, BGB, § 611, Rn. 136).

II. Anspruch erloschen: Gem. § 326 I : Unmöglichkeit der gestörten Leistung? a) Unmöglichkeit (§ 275 I)? S kann zwar nach Absage der Tournee noch die Beleuchtung aufbauen, diese Leistung ist aber sinnlos, weil der mit der Beleuchtung verfolgte – vertragliche – Leistungszweck (Beleuchtung der Konzerte von „Tic Tac Toe“) nicht mehr erreicht werden konnte. b) Rechtsfolge: Vergütungsanspruch des S erloschen (§ 326). Ausnahme: besondere Gefahrtragungsregeln – hier: Unmöglichkeit vom Gläubiger G zu vertreten (§ 326 II). Was hat Gläubiger zu vertreten? §§ 276 ff. gelten nicht unmittelbar, sind aber spiegelbildlich auf Gläubiger anzuwenden; Rechtsprechung unterscheidet folgende Fallgruppen:

a) Schuldhafte Verletzung von vertraglichen Mitwirkungspflichten Beispiel: V § 433 K Verpflichtung, Grundstück ZV Gläubiger G zu befriedigen G V ►K: §§ 433 II, 326 II, 2. Alt. Beispiel: Käufer eines Grundstücks übernimmt die Verpflichtung, Gläubiger des Verkäufers zu befriedigen. Unterlässt er Befriedigung und vollstrecken Gläubiger in das Grundstück, hat Käufer Unmöglichkeit zu vertreten. Hier: G hat keine Pflicht verletzt

Zerstörung vor Gefahrübergang (§ 446) b) Schuldhaftes deliktisches Handeln des Gläubigers (§§ 823 ff.) Beispiel: V § 433 K Vase Zerstörung vor Gefahrübergang (§ 446) Zerstört K verkaufte Vase vor Gefahrübergang, muss er Kaufpreis bezahlen (§ 326 II 1, 1. Alt.) Hier: kein deliktisches Verhalten des G

c) Widersprüchliches Verhalten des Gläubigers (§ 242) Beispiel: U § 631 B Kirche Fresken malen Abriss U ► B: §§ 631, 326 II, 2. Alt.; s.a. § 645 (Mangel des vom Besteller gelieferten „Stoffes“)

Larenz (SR AT, § 25 III = S. 401): widersprüchliches Verhalten, wenn B die Folgen seines eigenen freien Tuns auf den vertragstreuen Partner U abwälzen würde. M.E. verstößt B auch hier gegen Verhaltenspflichten; er darf nach dem Sinn des Werkvertrages mit U das Leistungssubstrat nicht mutwillig beseitigen, weil er sonst den Vertragszweck gefährdet. Fallbezogen: G handelt mit Ablehnung der „Beleuchtung“ nicht mutwillig, da er für die Auflösung von „Tic Tac Toe“ nichts kann. Sphärentheorie? (a) h.M.: kein generelles Einstehenmüssen für Umstände aus der eigenen Sphäre (arg.: unsichere Abgrenzung); aber bei Zweckerreichung (Fall 83) soll nach Medicus/Lorenz (Rn. 445a) Gläubiger näher dran sein, das Risiko der Leistungsstörung zu tragen, wenn Hindernis aus seiner Sphäre stammt

(b) BGH: Analogien zu §§ 537 I, 615, 644, 645 zulässig wichtig: § 645 analog, wenn Unmöglichkeit - auf Handlungen des Bestellers beruht oder - auf Umständen in der Person des Bestellers Beispiele: aa) BGHZ 40, 71: U 631 B Heu 326 II 1, 1.Alt.?

OLG Köln, JuS 1976, 257: U § 631 B Werk Schloss (Holzvertäfelung) Schweißarbeiten H ´ § 326 II 1, 1. Alt.( + )

BGHZ 60, 14: Pockenimpfung U §§ 631, 651 a V Reise Teneriffa Kind (Einreiseverbot wg. fehlender Pocken- impfung)

(1) Teilunmöglichkeit? §§ 326 I 1, 2. Hs., 441 III (Minderung des Reisepreises?) Nein: Leistung nicht teilbar (§§ 323 V 1, 281 I 3) §§ 631, 326 II? Mangel des gelieferten Stoffes (Kind!) heute: Kündigungsrecht des Kunden gem. § 651i; dafür Anspruch des Reiseveranstalters auf Entschädigung gem. § 651i, II, III (üblich: %-Sätze, gestaffelt nach dem Zeitpunkt der Kündigung) Fallbezogen: G hat weder durch eigene Handlungen, noch durch Umstände in seiner Person Unmöglichkeit verursacht.

e) Vertragliche Risikoübernahme: Aus dem Sinn des Vertrages kann sich ergeben, dass eine Partei das Risiko der Durchführbarkeit tragen soll (BGH NJW 2002, 595). Hier: Verwendungsrisiko einer Leistung trägt grds. der Gläubiger (§§ 537, 615 BGB). Störung wurde vom Vertragspartner des G verursacht; dieser ist „näher dran“ das Risiko zu beurteilen und zu beherrschen (z.B. durch Vertragsgestaltung mit Tic Tac Toe). Ohnehin haftet Tic Tac Toe gem. §§ 280 I, III, 283 für die Absage der Tournee gegenüber G; d.h. im Ergebnis trifft diese die Verantwortung Ergebnis: G trifft Risiko des Tournee-Abbruchs: er schuldet daher S gem. § 326 II BGB die versprochene Vergütung. ------------------------------------------------------------------------