Möglichkeiten der Diagnostik

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Möglichkeiten der Diagnostik Selbstschema Möglichkeiten der Diagnostik

Definition Als „Selbstschema“ bezeichnet man das Wissen über die eigene Person Bewusstheit Biografie Wahrnehmung eigener Eigenschaften Einschätzung eigener Fähigkeiten Persönliche Wünsche, Ziele, Ideale Wahrnehmung der eigenen Person durch andere, soziale Rollenerwartungen

Definition Teil des Selbstschemas sind aber auch spezifische, selbstbezügliche Motive Steigerung des Selbstwertgefühls / Selbstwertverteidigung Selbstkonsistenzprinzip

Bedeutung für Förderdiagnostik Das Selbstschema ist eine handlungsleitende Wissensstruktur. Sie steuert die Realisierung von Zielen (Freizeit, Beziehungen, Schule, Beruf, etc.) Unter Berücksichtigung eigener Eigenschaften / Fähigkeitseinschätzungen Unter Berücksichtigung selbstbezogener Motive (z.B. Erhaltung des Selbstwertgefühls) Unter Berücksichtigung der Erwartungen anderer (z.B. Rollenerwartungen)

Das Selbstschema stellt eine der zentralen psychischen Ressourcen eines Menschen dar Widerstandsfähigkeit gegen Stress Bewältigung traumatischer Ereignisse Das Selbstschema spielt eine zentrale Rolle im Sozialverhalten und im Leistungsverhalten

Begriffsvielfalt In der nationalen und internationalen Literatur herrscht nach wie vor kein einheitlicher Sprachgebrauch Neben dem Begriff „Selbstschema“ existieren eine Reihe anderer Begrifflichkeiten Teils synonym, teils mit unterschiedlichem Bedeutungsgehalt

Selbstkonzept, Selbstbild: Ältere Begriffe; werden weitgehend ähnlich verwendet wie Selbstschema. Der Schemabegriff ist aber allgemeiner und beinhaltet auch unscharfe und implizite Konzepte, sowie spezielle Informationsverarbeitungsstrategien, die auf das Selbstschema selbst bezogen sind. Selbst: Wird meist zur Bezeichnung des Bewusstseins der eigenen Person verwendet, manchmal aber auch synonym zum Selbstkonzept/-schema, oder für Selbst und Selbstkonzept

Identität: Bewusstsein der eigenen Person als etwas Individuellem, Unverwechselbarem. Betonung der Differenzen zu anderen Personen und Rollenerwartungen, sozialen Urteilen Unterscheidung zw. „Me“ and „I“ „I“ = Selbst, Selbstkonzept „Me“ = Sichtweise anderer Personen (Soziales Selbst(konzept)) Symbolischer Interaktionismus, Soziologie

Selbstschema Selbstbild Selbst Identität selbstbezogene Wissensstruktur Selbst Bewusstsein der eigenen Person, innere Vorgänge Aktuell Bewusstseinsstrom Vergangenheit „I“ Identität „Me“ Selbst- perspektive Fremd- perspektive Verallgemeinerung zu Konzepten Selbstbezogene Erfahrungen Biografie

Genese des Selbstschemas Das Selbstschema entsteht durch Bewertung selbstbezogener Erfahrungen (z.B. Erfolg, Misserfolg, Lob, Tadel) Vergleiche mit anderen Personen Verallgemeinerung der konkreten Erfahrungen zu abstrakteren Einschätzungen (Konzepten) Integration der Konzepte zu allgemeineren Konzepten Die Abstraktion orientiert sich an der Organisation des sozialen Raums (z.B. Familie, Schule, Freizeit) und anderer kultureller Kategorien (z.B. Trennung zwischen Persönlichkeit und Körper)

Eigenschaften des Selbstschemas Struktur: Gegliedert Abstraktionsgrad Affektiv – Kognitiv Bereichsspezifität Struktureigenschaften Elaborationsgrad Vernetztheit Affektive Wertigkeit

Abstraktionsgrad Bereiche Personales Selbstbild Selbstwirksamkeit Kognitiv Affektiv Personales Selbstbild Selbstwirksamkeit Selbstwertgefühl Biografie, Fähigkeitsselbstbild, (z.B. Schulisches Selbstbild) Körperselbstbild Bereichs- spezifisches Selbstbild Soziales Selbstbild Erfahrungen in sozialen Feldern Rollenzuschreibungen Konkrete Erfahrungen in Lebensbereichen

Selbstbewertung, affektive Wertschätzung der eigenen Person Selbstwirksamkeit Subjektive Einschätzung, auftretende Probleme aufgrund der eigenen Fähigkeiten lösen zu können Hoch – Niedrig Bereichsspezif. SW (z.B. schulisch, Mathematisch, sozial) Allgemeine SW Selbstwertgefühl Selbstbewertung, affektive Wertschätzung der eigenen Person Positiv - Negativ Aktuell / Trait Global / Bereichsspez.

Bedeutung der Selbstwirksamkeit für die Schulleistungen Die Selbstwirksamkeit steht in engem Zusammenhang mit dem schulischen Leistungsverhalten Schüler mit niedriger (schulischer) Selbstwirksamkeit bevorzugen leichtere Aufgaben strengen sich bei schwierigen Problemen weniger an zeigen weniger Durchhaltevermögen beim Bearbeiten von Aufgaben als Schüler mit hoher SW

Diagnostische Verfahren Die abstrakteren Selbstschemabereiche lassen sich gut mit Fragebogen erfassen Wie bei allen Fragebogenverfahren gilt jedoch auch hier die Beschränkung, dass sehr individuelle (z.B. spezielle Aspekte von Lebenswelten) Aspekte des Selbstschemas in den globalen Skalen nicht erfasst werden können. Daher müssen die Fragebogen gegebenenfalls mit Gesprächsdaten kombiniert werden

Skala Allgemeiner Selbstwirksamkeit (Schwarzer, 1993, 1994) Frage stimmt nicht stimmt kaum stimmt eher stimmt genau 1. Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer, wenn ich mich darum bemühe. 2. Wenn mir jemand Widerstand leistet, finde ich Mittel und Wege mich durchzusetzen. 3. Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten und Ziele zu verwirklichen. 4. Auch bei überraschenden Ereignissen glaube ich, daß ich gut damit zurechtkommen werde. 5. In unerwarteten Situationen weiß ich immer, wie ich mich verhalten soll. 6. Für jedes Problem habe ich eine Lösung. 7. Schwierigkeiten sehe ich gelassen entgegen, weil ich mich immer auf meine Fähigkeiten verlassen kann. 8. Wenn ich mit einem Problem konfrontiert werde, habe ich meist mehrere Ideen, wie ich damit fertig werde. 9. Wenn ich mit einer neuen Sache konfrontiert werde, weiß ich, wie ich damit umgehen kann. 10. Was auch immer passiert, ich werde schon klarkommen.

Schulbezogene Selbstwirksamkeitserwartung Jerusalem & Satow, 1999 1. Ich kann auch die schwierigen Aufgaben im Unterricht lösen, wenn ich mich anstrenge. 2. Es fällt mir leicht, neuen Unterrichtsstoff zu verstehen. 3. Wenn ich eine schwierige Aufgabe an der Tafel lösen soll, glaube ich, dass ich das schaffen werde. 4. Selbst wenn ich mal längere Zeit krank sein sollte, kann ich immer noch gute Leistungen erzielen. 5. Wenn der Lehrer / die Lehrerin das Tempo noch mehr anzieht, werde ich die geforderten Leistungen kaum noch schaffen können. (–) 6. Auch wenn der Lehrer / die Lehrerin an meinen Fähigkeiten zweifelt, bin ich mir sicher, dass ich gute Leistungen erzielen kann. 7. Ich bin mir sicher, dass ich auch dann noch meine gewünschten Leistungen erreichen kann, wenn ich mal eine schlechte Note bekommen habe.

Selbstwirksamkeitserwartung im Umgang mit sozialen Anforderungen Satow & Mittag, 1999 1. Ich traue mich zu sagen, was ich denke, auch wenn die anderen nicht meiner Meinung sind. 2. Auch in einer ganz neuen Klasse kann ich schnell neue Freunde finden. 3. Wenn mich jemand ungerecht behandelt, kann ich mich dagegen wehren. 4. Wenn mich jemand ärgert, kann ich mich wehren, ohne Gewalt anzuwenden. 5. Wenn ich etwas Falsches getan habe, schaffe ich es, mich zu entschuldigen. 6. Wenn ich mich ganz traurig und mies fühle, schaffe ich es, mit den anderen darüber zu sprechen. 7. Wenn mich jemand ärgert, schaffe ich es trotzdem, ruhig zu bleiben. 8. Auch wenn mir alles zu viel wird, schaffe ich es, meine schlechte Laune nicht an anderen auszulassen.

Ein kleines (hoffentlich instruktives) Selbstexperiment Die folgenden Informationen blieben absolut anonym! Machen Sie sich eine Liste mit zwei Spalten Dinge, die ich gut kann Dinge, die ich nicht gut kann Schreiben Sie in beide Spalten so viele Dinge hinein, wie Ihnen einfallen Kümmern Sie sich nicht um Reihenfolge oder inneren Zusammenhang

Beispiel für Gesprächsdaten Interview mit einer neunjährigen Schülerin zu verschiedenen Aspekten ihres Selbstbilds

Diagnose und Veränderbarkeit Ziel der förderdiagnostischen Bearbeitung des Selbstschemas ist zum einen die Zustandsbeschreibung Z.B. Positives od. negatives SK, d.h. Positives SK = Ressource / Neg. SK =Risiko (=> Förderbedarf) zum anderen die Verbesserung des Selbstschemas

Selbstbezogene Informationsverarbeitung / Veränderung Das Selbstschema ist keine mehr oder weniger geordnete Kartei selbstbezogener Informationen, die beliebig erweiterbar ist und bei Bedarf umgeschrieben oder problemlos entrümpelt werden kann Vielmehr werden Informationen (z.B. Lehrerrückmeldungen) sehr selektiv in diese „Kartei“ aufgenommen Außerdem können aufgenommene Informationen nicht einfach gelöscht werden. Sie können nur unterdrückt, relativiert oder umgedeutet werden

Entwicklung als unbegrenzte Veränderung Gemäß den klassischen Lerntheorien sind dem Erwerb und der Veränderung von Verhaltensgewohnheiten, -stilen oder Verhaltensweisen prinzipiell keine Grenzen gesetzt Diese Fähigkeit zur Flexibilität lässt sich sogar noch jenseits von Lernprozessen unterstützen, denn Umwelten können ihrerseits zielgerichtet verändert werden Und die Akteure der Umwelten können beschließen, den Bedürfnissen einer Person entgegenzukommen Veränderung kann daher wechselseitig erleichtert werden Jeder Mensch wäre demnach grundsätzlich in der Lage, in beliebigem Umfang funktionale Verhaltensweisen zu entwickeln und Ressourcen zu erschließen

Unbegrenzte Veränderbarkeit ? Es gibt empirische Indizien, die die Prämisse der unbegrenzten Anpassbarkeit in Frage stellen: Aus der Forschung zu Risiko- und Schutzfaktoren (Resilienzforschung) ist bekannt, dass nur ca. 30% der Menschen, die massiven Entwicklungsrisiken ausgesetzt sind, diese Risiken konstruktiv bewältigen können Resilienz ist zudem ein eher temporäres und bereichsspezifisches Phänomen, keine universelle Eigenschaft Metastudien zur Wirksamkeit von psychologisch-therapeutischen Interventionen weisen für die Bearbeitung sozialen und emotionalen Problemverhaltens relativ niedrige Effektstärken und geringe Nachhaltigkeitseffekte nach

Wie kann das erklärt werden? These 1: Das Selbstregulationssystem ist hierarchisch aufgebaut und unterschiedlich veränderbar These 2: Veränderung ist nicht das summative Ergebnis personaler und sozialer Ressourcen, sondern ihrer Organisation und Zielführung

Aufbau handlungsleitender Schemata Das Selbstregulationssystem ist hierarchisch aufgebaut und vernetzt Die unterste Ebene bilden situationsspezifische Skripte Die oberste Ebene bilden globale, hochvernetzte Schemata, die zentraler Bestandteil der Identität sind Anpassungsleistungen verlangen assimilative und akkommodative Veränderungen dieser Schemata (Marsh & Shavelston, 1985; Marsh, 1986; Marsh et al., 2001; Greve, 2000)

Abstraktionsgrad Selbstwirksamkeit Selbstwertgefühl Kognitiv Affektiv Selbstwirksamkeit Selbstwertgefühl Bereichs- spezifisches Selbstbild Konkrete Erfahrungen in Lebensbereichen

Selbsterhaltung zentraler Schemata Für die Verhaltensregulation zentrale Schemata wie globale Selbstkonzepte und Bindungsmuster sind selbsterhaltend und wenig offen gegenüber Veränderungsbestrebungen Solche Schemata verarbeiten neue Informationen in erster Linie nach dem Selbstkongruenz- oder Selbstkonsistenzprinzip (Stahlberg et al., 2000) Bsp.: Eine Person mit ausgeprägt negativem Selbstkonzept integriert ein Erfolgserlebnis nicht in ihre zentralen Selbstschemabereiche Denn dieser Feedback passt nicht zum Selbstbild und ist daher untypisch und für die Selbsteinschätzung irrelevant

Selbstkonsistenz und Selbstwerterhöhung Es gibt zwei Selektionsprinzipien, anhand derer sich entscheidet, ob eine neue Information in das Selbstschema integriert wird: Selbstwerterhaltung / -erhöhung Selbstkonsistenz

Selbstwerterhalt / - erhöhung Selbstkonsistenz Eine neue Information wird nur akzeptiert, wenn sie zu den bereits vorhandenen Informationen passt Ansonsten wird sie so umgedeutet, dass sie passt, zur unbedeutenden Ausnahme relativiert, oder ignoriert Selbstwerterhalt / - erhöhung Eine neue Information wird nur akzeptiert, wenn sie das Selbstwertgefühl aufrechterhält oder erhöht Ansonsten wird sie so umgedeutet, dass sie passt oder zur unbedeutenden Ausnahme relativiert, oder ignoriert

Attributionsstile / Kontrollüberzeugungen Diese Prinzipien stehen in Zusammenhang mit der Art und Weise, wie man sich als Verursacher für Erfolg und Misserfolg sieht So kann man Handlungsergebnisse als selbst- oder fremdverursacht ansehen (internale/externale Attribution) Man kann sie als kontrollierbar oder nicht kontrollierbar interpretieren

Ursachenzuschreibungen für Erfolge oder Misserfolge Kausalattributionen Ursachenzuschreibungen für Erfolge oder Misserfolge Kausale Dimensionen Fähigkeit Anstrengung Zufall Persönlichkeit Situation Internal External Stabilität Stabil Variabel Kontrollierbar-keit Ja/Nein Ja Nein

„Selbstwirksame“ Kausalattributionen Ursachenzuschreibungen für Erfolge Kausale Dimensionen Fähigkeit Anstrengung Zufall Lokalität internal External Stabilität stabil variabel Variabel Kontrollierbar-keit ja nein

Attributionsstile Interne/externe Zuschreibung von Erfolg Interne/externe Zuschreibung von Misserfolg Kontrollüberzeugungen Internale Kontrolle Externale Kontrolle Selbstkonsistenzprinzip Erfahrungen, die nicht zum vorhandenen Wissen passen, werden als wenig aussagekräftig eingestuft Selbstwerterhöhungsprinzip Selbstbezogene Informationsverarbeitungsstile, Selbstbezogene Motive

Selbstwerterhalt / -erhöhung Selbstkonsistenz Eine neue Information wird nur akzeptiert, wenn sie zu den bereits vorhandenen Informationen passt => Veränderung des Selbstschemas nicht möglich. Selbstschema erhält sich immer aufrecht, ist konservativ Selbstwerterhalt / -erhöhung Eine neue Information wird nur akzeptiert, wenn sie das Selbstwertgefühl aufrechterhält oder erhöht => Veränderung des Selbstschemas durch positiven Feedback möglich

Selbstkonsistenz oder Selbstwerterhöhung? Die empirischen Befunde waren lange Zeit nicht eindeutig und sprachen entweder für die Vorherrschaft des einen oder des anderen Prinzips So zeigte es sich z.B., dass Personen mit einem negativen Selbstschema durchaus dazu neigen, an diesem Selbstschema festzuhalten und positive Leistungsrückmeldungen zu relativieren oder zu ignorieren (obwohl sie gleichzeitig gerne eine positivere Persönlichkeit hätten) Petersen und Stahlberg gelang es dann, zu zeigen, dass im Grunde beide Prinzipien gelten, aber unter unterschiedlichen Bedingungen

Integrativer Selbstschemaansatz Petersen, L.-E. (1994): Selbstkonzept und Informationsverarbeitung. Essen. Petersen, L.-E., Stahlberg, D. & Dauenheimer, D. (2000). Selbstkonsistenz und Selbstwerterhöhung: Der integrative Selbstschemaansatz. In: W. Greve (Hrsg.), Psychologie des Selbst (227-238). Weinheim.

Allgemein gilt das Selbstkonsistenzprinzip Es ist insofern mit dem Selbstwerterhaltungsprinzip identisch, als sowohl ein positives als auch ein negatives Selbstkonzept durch Selektion neuer Informationen aufrechterhalten wird Nur ein positives Selbstkonzept kann durch neue positive Informationen oder durch positive Umdeutungen neuer Informationen erhöht werden Entscheidend ist aber der Elaborationsgrad: Wenn ein Selbstschemabereich niedrig elaboriert ist, werden auch nicht zum Schema passende Informationen akzeptiert Mehr noch, in niedrig elaborierten Bereichen herrscht das Selbstwerterhöhungsprinzip vor Erst wenn der Elaborationsgrad steigt, überwiegt das Selbstkonsistenzprinzip

Elaborationsgrad / Vernetztheit Ausmaß, in dem ein Selbstschemabereich „ausgearbeitet“ ist Je mehr Erfahrungen vorliegen, desto elaborierter ist ein Bereich (und desto abstrakter sind die Selbstbeurteilungen) Die einzelnen Bereiche können außerdem unterschiedlich stark vernetzt sein, d.h., es können Ähnlichkeiten oder Differenzen bestehen

Hoch elaborierter Bereich Niedrig elaborierter Bereich Je elaborierter ein Selbstkonzeptbereich ist, desto mehr Konzepte enthält er (Ähnlichkeit = Nähe)

Nach modernen Theorien der Informations-verarbeitung (konnektionistische Modelle) entstehen abstrakte Einschätzungen durch eine Art Mittelwertbildung Jedes Einzelkonzept ist mit jedem anderen durch verstärkende und hemmende Verbindungen verknüpft Durch eine Art gewichtete Summenbildung entstehen so abstraktere Konzepte, deren „Summe“ entsprechend eher negativ oder positiv ist

Hoch elaborierter Bereich Niedrig elaborierter Bereich Positives Selbstschema (Ähnlichkeit=Nähe / Rot=Positiv / Grau=Negativ)

Veränderbarkeit zentraler Schemata Diese Schemata sind umso stabiler, je abstrakter und elaborierter sie sind Die Veränderbarkeit nimmt aber zu, wenn man bereichsspezifischere Ausschnitte wählt und direkt mit einer Intervention anspricht (Metastudie von O‘Mara et al., 2006) Die höchsten (inkongruenten) Veränderungseffekte kann man erzielen, wenn man Bereiche anspricht, in denen bisher kaum Erfahrungen gesammelt wurden (Stahlberg et al., 2000)

Veränderbarkeit des Selbstkonzepts Allgemeines Selbstwertgefühl + Schule Freizeit ++ Lesen Mathe Sport +++

Veränderbarkeit des Selbstkonzepts Allgemeines Selbstwertgefühl + Schule Freizeit ++ Lesen Mathe Spiel +++

Konsequenzen für Förderung Aus diesen Zusammenhänge kann man folgern dass ein elaboriertes negatives Selbstschema nicht „automatisch“ durch vermehrt positive Rückmeldungen verbessert werden kann Schüler, die eine längere Misserfolgsbiografie haben, verfügen über ein elaboriertes negatives Leistungsselbstbild Sie werden daher positive Rückmeldungen lange Zeit keinen Glauben schenken

Aus dem Integrativen Selbstschemaansatz kann man folgern, dass sich elaborierte negative Selbstbildern am besten verändern lassen, wenn mehrere Bedingungen zutreffen: Positive Rückmeldungen erfolgen systematisch über einen längeren Zeitraum Sie können klar der eigenen Fähigkeit/Anstrengung zugeschrieben werden können Es gibt Umdeutungsmöglichkeiten, z.B. die Möglichkeit, das Gebiet der Misserfolge als enger umgrenzt wahrzunehmen, als man dachte Sie können mit positiven Erfahrungen kombiniert werden, die in positiv-elaborierten oder in wenig elaborierten Lebensbereichen („Stärken“, „Interessen“) gewonnen werden -> Kompensationserfahrungen, die den Aufbau einer positiven Perspektive als neue Grunderfahrung ermöglichen

Diagnostisch relevante Informationen Positive oder negative Ausprägung des SK Strukturinformationen (Elaborationsgrad, Differenzierung) Stile der Verarbeitung selbstbezogener Informationen

Diagnostische Kriterien für Elaborationsgrad Bei Fragebogenskalen: Höhe des Skalenwertes – je weiter er sich von der Mitte entfernt, desto elaborierter ist vermutlich das entsprechende Selbstbild Bei Interviews, Gesprächen: Anzahl der Informationseinheiten zu einem Bereich Mischung aus hochabstrakten und konkreten Informationen

Diagnostik von Attributionsstilen und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (a) standardisierte Verfahren (für ältere Kinder und Jugendliche) z.B. ASF-KJ z.B. FEESS 3-4 (b) informell (bei jüngeren Kindern): Gespräch über leistungsbezogene Situationen und Ursachen für Erfolge oder Misserfolge

Erzähl‘ mir doch mal, was Du in der Schule gut kannst. Warum kannst Du das gut? Erzähl‘ mir doch mal, was Du nicht so gut kannst. Warum kannst Du das nicht so gut? Was müsste denn passieren, damit Du das besser kannst?

ATTRIBUTIONSSTIL-FRAGEBOGEN FÜR KINDER UND JUGENDLICHE (ASF-KJ) 1. Warum schreibst Du ein besonders gutes Diktat? Was ist Deiner Meinung nach der wichtigste Grund dafuer? (freie Beantwortung) 2. Liegt der Grund dafuer, dass Du ein besonders gutes Diktat schreibst, eher an Dir oder an etwas anderem (z.B. an anderen Leuten oder an den Umstaenden)? 1 - liegt nur an anderen Personen oder Umstaenden 2 - liegt ueberwiegend an anderen Personen oder Umstaenden und nur ein wenig an mir selbst 3 - liegt ueberwiegend an mir und ein wenig an anderen Personen 4 - liegt nur an mir selbst 3. Wird der von Dir angegebene Hauptgrund auch in Zukunft wieder wichtig sein, wenn Du ein besonders gutes Diktat schreibst? 1 - wird nie wieder sehr wichtig sein 2 - wird manchmal wieder sehr wichtig sein 3 - wird oft wieder sehr wichtig sein 4 - wird immer wieder sehr wichtig sein 4. Erklaert dieser Grund nur, warum Du ein besonders gutes Diktat schreibst, oder ist er auch bei anderen Ereignissen wichtig, wenn Du eine gute Arbeit schreibst? 1 - ist nur bei diesem Ereignis wichtig 2 - ist auch bei ein paar anderen Ereignissen wichtig 3 - ist auch bei vielen anderen Ereignissen wichtig 4 - ist bei allen Ereignissen wichtig

Fragebogen zur Erfassung emotionaler und sozialer Schulerfahrungen von Grundschulkindern dritter und vierter Klassen (FEESS 3-4) (1) Teilfragebogen zur Sozialen Integration, zum Klassenklima und zum Selbstkonzept (TF-SIKS 3-4): Dimension Faehigkeitsselbstkonzept - Selbstkonzept der Schulfaehigkeit (SK): "Ausmass, in dem ein Kind sich den schulischen Aufgaben gewachsen fuehlt und seine schulischen Faehigkeiten positiv bewertet". Dimension Sozialklima - Soziale Integration (SI): "Ausmass, in dem ein Kind sich durch die Mitschueler und Mitschuelerinnen angenommen fuehlt und sich selbst als vollwertiges Gruppenmitglied betrachtet". - Klassenklima (KK): "Ausmass, in dem die Kinder der Klasse sozial angemessen und freundschaftlich miteinander umgehen und ein gutes Verhaeltnis zueinander haben". (2) Teilfragebogen zur Schuleinstellung, Anstrengungsbereitschaft, Lernfreude und Gefuehl des Angenommenseins (TF-SALGA 3-4): - Schuleinstellung (SE): "Ausmass, in dem ein Kind sich in der Schule insgesamt wohl fuehlt". - Anstrengungsbereitschaft (AB): "Ausmass, in dem ein Kind bereit ist, sich auf Neues einzulassen und Anforderungen in der Schule zu bewaeltigen, auch wenn dazu besondere Bemuehungen erforderlich sind". - Lernfreude (LF): "Ausmass, in dem ein Kind Freude an seiner alltaeglichen schulischen Arbeit hat und mit froher Erwartungshaltung an seine Arbeit geht". - Gefuehl des Angenommenseins (GA): "Ausmass, in dem ein Kind sich von seinen Lehrern und Lehrerinnen angenommen, verstanden und unterstuetzt fuehlt".