Politik für den Frieden im 21. Jahrhundert

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Politik für den Frieden im 21. Jahrhundert Herausforderungen, Aufgaben, Chancen Prof. Dr.Dr.h.c.mult. R. Meyers WWU Münster

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KRIEG Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen Erweiterter Zweikampf mit dem Zweck [durch Gewalt], den Gegner niederzuwerfen und dadurch zu jedem ferneren Widerstand unfähig zu machen. Carl von Clausewitz : Hinterlassenes Werk vom Kriege, 18.Aufl. 1973, S. 191ff Versuch von Staaten oder gesellschaftlichen Großgruppen, machtpolitische, wirtschaftliche oder weltanschauliche Ziele mittels organisierter bewaffneter Gewalt durchzusetzen Seit der Ausbildung des souveränen (Territorial-) Staats und des internationalen Systems (17. Jh.) gilt eine gewaltsame Auseinandersetzung nur dann als Krieg, wenn daran geschlossene Gruppen regulärer Streitkräfte beteiligt sind wenn die Tätigkeit dieser Gruppen sich in organisierter, zentral gelenkter Form entfaltet wenn diese Tätigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg unter regelmäßiger, strategischer Leitung anhält

KRIEGE INNERHALB VON STAATEN KRIEGE ZWISCHEN STAATEN Territorialansprüche Konkurrenz um Grenzen und Gebiete Machtkonkurrenz Kampf um Vormachtstellungen in der Region Rohstoffbedarf Konkurrenz um knappe Ressourcen Herrschaftssicherung Furcht vor einer Bedrohung von aussen Ablenkung Ablenkung von Konflikten innerhalb des Staates WARUM KRIEG ? Fehlwahrnehmung Falsche Beurteilung der Stärke und Absichten anderer Staaten Herrschaftsinteressen Durchsetzung politischer und ökonomischer Interessen durch Eliten Ethnisch-kulturelle Heterogenität Kein Interessensausgleich angesichts unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen, die keine „ einheitliche Nation“ bilden Interner Kolonialismus Ökonomische Ausbeutung und politische Unterdrückung von Bevölkerungsgruppen und Regionen Sozio-ökonomische Heterogenität Auf krasser sozialer Ungerechtigkeit beruhende Gesellschaftssysteme KRIEGE INNERHALB VON STAATEN

Literaturtip Dieter Ruloff: Wie Kriege beginnen. Ursachen und Folgen. München ³2004. Bernd Wegner (Hrsg.): Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten. Paderborn ²2003. Edgar Wolfrum: Krieg und Frieden in der Neuzeit. Vom Westfälischen Frieden bis zum Zweiten Weltkrieg. Darmstadt 2003.

Three Images Kenneth Waltz. 1954. Man, the State, and War. Frage: What are the causes of war? Third Image: The International System Second Image: The State First Image: Human nature

ANSATZEBENEN DER TYPOLOGIE VON KRIEGSURSACHEN NACH WALTZ 1. Natur des Menschen Die Gewalt liegt in den Akteuren – oder: Kriege entstehen in den Köpfen der Menschen als Folge von Dummheit, Selbstsucht oder fehlgeleiteten aggressiven Impulsen 2. Wesen der menschlichen Gesellschaft Die Gewalt liegt in der Organisation und Struktur der Akteure – oder: Kriege sind das Ergebnis despotischer Herrschaft, mangelnder rechtsstaatlicher Verfassung der Staaten und ungerechter Verteilung sozioökonomischer Werte in einer Gesellschaft 3. Struktur des internationalen Systems Die Gewalt liegt im (Staaten-) System – oder: Kriege sind das notwendige Korrelat eines anarchischen internationalen Naturzustandes souveräner Akteure, die im Innern über das Monopol legitimer physischer Gewaltanwendung verfügen und im Aussenverhältnis keiner höheren Macht unterworfen sind

Krieg Schema des klassischen Kriegsbildes Wendung des staatlichen Gewaltmonopols nach aussen Fortsetzung des politischen (Staaten-) Verkehrs unter Einmischung anderer Mittel Zentrale politische Kontrolle durch legitimierte Entscheidungsträger Primat der Politik Auseinandersetzung zwischen militärischen Grossverbänden Zentrale Gesamtleistung nach rationalen strategischen Prinzipien Prinzip von Befehl und Gehorsam

Veränderungen der Randbedingungen der Kriegführung Grundannahme I: Der klassische Krieg ist der Krieg zwischen Staaten – im Sinne des Generals v.Clausewitz die Fortsetzung des diplomatischen Verkehrs unter Einmischung anderer Mittel, geführt um der Durchsetzung staatlicher Territorial- und/oder Machtansprüche willen, gipfelnd in der Entscheidungsschlacht, gestützt durch eine Produzenten und Produktivkräfte mobilisierende, allumfassende Kriegswirtschaft. Der klassische Friede ist ein völkerrechtlich garantierter Zustand des Nicht-Kriegs; das Gewaltverbot des Art.2(4) Uno-Charta ist eine Fundamentalnorm des Völker- [oder präziser: des zwischenstaatlichen] Rechts. Krieg und Frieden sind Ergebnisse des politischen Handelns staatlicher Akteure in der Staatenwelt Grundannahme II: Die überkommenen staatenweltlichen Randbedingungen des Handelns nationaler Akteure in Sachen Krieg und Frieden werden verändert durch die Phänomene der funktionalen Interdependenz staatlicher und nichtstaatlicher internationaler Akteure transnationalen Vernetzung gesellschaftlicher Akteure in einer Vielzahl von Gesellschaften Globalisierung der Ökonomie, Politik, Kommunikation, Kultur, materiellen Erwartungen ...

Beeinträchtigung der Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit nationaler Akteure in der Staatenwelt Allmählicher Wandel der Staatenwelt zur Gesellschaftswelt Infragestellung des durch den nationalen Akteur (typischerweise des modernen Wohlfahrts-/Daseinsvorsorgestaats) seinen Bürgern gegebenen Schutzversprechens Reduzierung der Bedeutung des nationalen Akteur gegenüber einer kontinuierlich wachsenden Zahl von global-governance-Akteuren Legitimationsproblem des nationalen Akteurs Als alleiniger, auf das Gewaltanwendungsmonopol gestützter Führer von Krieg wie alleiniger Garant von Frieden dankt der nationale Akteur klassischer Prägung ab. Aber es entsteht ein gravierendes Problem: werden seine Schutz- und Ordnungsaufgaben teilweise durch andere Akteure übernommen, oder bildet sich in seiner alten Kompetenzsphäre ein Macht- und Handlungsvakuum, das andere gesellschaftliche Kräfte besetzen ?

Konsequenz II: Aufhebung des klassischen Interventionsverbots Konsequenz I: Aufhebung der klassischen Trennung von Innen und Außen (-Politik) Subsystemische gesellschaftliche Akteure werden auf der systemaren Ebene unmittelbar handlungsrelevant, externe Konflikte/Konfliktgründe werden internalisiert, nationale gesellschaftliche Akteure externalisieren sich und/oder treten in Interessenkoalitionen mit vergleichbaren Akteuren in anderen Gesellschaften. Das überkommene state-as-gatekeeper-Prinzip wird ausgehebelt; der einzelstaatliche Rückfall in den Naturzustand unterfüttert und durchdringt die internationale Anarchie. Konsequenz II: Aufhebung des klassischen Interventionsverbots Der Schutz der Souveränität der Akteure durch das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten war eine existenznotwendige Bedingung des naturzuständlichen Staatensystems; seine Ausserkraftsetzung durch das Prinzip der humanitären Intervention ebenso wie durch ethnopolitische Unterstützung von Volks- oder Glaubensgenossen bedeutet einen erheblichen Schritt vorwärts in Richtung auf weltgesellschaftliche Organisationsformen Konsequenz III: Auflösung des klassischen Kriegsbildes

Schema: Auflösung des klassischen Kriegsbildes Wendung militärischer Gewaltanwendung in die Innensphäre zerfallender einzelstaatlicher Subjekte Zweck: innergesellschaftlicher Machterhalt von Interessengruppen, Clans, Warlords, Sicherung von Beute , schnellem Profit und persönlichen Abhängigkeiten Auseinandersetzung zwischen bewaffneten Volksgruppen, Milizen, Privatarmeen, Partisanenverbänden, marodierenden Gangs und Banden unabhängig operierender Heckenschützen usw. Aufhebung der zentralen politischen Kontrolle und rationalen strategischen Gesamtleitung Primat der (ethnonationalen) Gruppeninteressen Aufhebung des Prinzips von Befehl und Gehorsam

These Die Friedenswissenschaft hat diese Entwicklungen bislang allenfalls recht partiell nachvollzogen. Sie war einerseits gefangen im Vorstellungskreis der organisierten Friedlosigkeit, des Abschreckungsfriedens, den es zu stabilisieren und zu perfektionieren galt, um einen nuklear entfachten Weltbrand zu verhindern. Andererseits war sie befangen in der antiimperialistischen Optik einer auf Befreiung der Dritten Welt von weltmarkt- vermittelten Dependenzverhältnissen gerichteten Analyse struktureller, seit neuerem auch kultureller Gewalt. Die neue Qualität der „kleinen Kriege“ (Daase), der militärischen Auseinandersetzungen der dritten Art, blieben ihr weitgehend verborgen. Ihr begriffliches und politisch-praktisches Instrumentarium der Konfliktbearbeitung und Konfliktlösung stammt ganz überwiegend noch aus der Sphäre der zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen – von der Phase der Prävention über die Phase des Peacemaking und Peacebuilding bis zur Phase des Peacekeeping.

Literaturtipp statt vieler weiterer Nennungen: Reinhard Meyers, Krieg und Frieden, in: Hanns J. Gießmann/Bernhard Rinke (Hrsg.): Handbuch Frieden. Wiesbaden: VS-Verlag 2011, S. 21 - 50

Guten Appetit