Reformen am Arbeitsmarkt: Hartz und Agenda 2010 von Nina Wagner und André Austrup
Gliederung: Problemgruppen am deutschen Arbeitsmarkt Überblick: Agenda 2010 und Hartz-Gesetze Personal Service Agentur (PSA) Ich-AG Mini- und Midijobs JobCenter Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (ALG II) Neue Zumutbarkeit Diskussionsansatz
Problemgruppen am deutschen Arbeitsmarkt Juni 2005: 4.704.050 Arbeitslose Langzeitarbeitslose (Arbeitslosigkeit > 1 Jahr) → 38,2% gering qualifizierte Arbeitslose (ohne abgeschlossene Berufsausbildung) → 39%
Überblick Agenda 2010 und Hartz-Gesetze Quelle: Van Suntum, Ulrich: Die Agenda 2010 – ist sie auf dem richtigen Weg?, in: Kirche und Gesellschaft, Nr. 312, 2004, S.3.
Die 13 Module der Hartz-Kommission Quelle: Hartz-Bericht
Personal-Service-Agentur (PSA) Regelungen „Herzstück der Hartz-Reformen“ Instrument im Bereich der Zeit- und Leiharbeit mit Hartz I seit dem 1.1.03 in Kraft enge Zusammenarbeit mit JobCentern: Bestehende Verleihunternehmen oder Neugründung
Personal Service Agentur (PSA) Regelungen Fallpauschale pro Arbeitslosem → PSA bei langfristiger Vermittlung: Vermittlungsprämie → PSA ein Arbeitsloser in einer PSA gilt als voll sozialversicherungspflichtig beschäftigt → Verleih an Unternehmen → Weiterbildung in verleihfreien Zeiten (Fallpauschale)
Personal Service Agentur (PSA) Ziele Langfristige Vermittlung in Arbeit durch ‚Klebeeffekte‘ Arbeitsmarktnahe Beschäftigung Arbeitsloser Deckung kurzfristig erhöhter Arbeitskraftnachfrage der Unternehmen
Liberalisierung von Zeitarbeit Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes → Aufhebung mehrerer Verbote, z.B. Befristungsverbot, Wiedereinstellungsverbot
Personal Service Agentur (PSA) Gleichbehandlung von Zeitarbeitern „Equal treatment“: gleiche Bedingungen bei gleicher Arbeit „Equal Pay“ /Tarifvertrag: gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit
Personal Service Agentur (PSA) Bewertung + Positive Aspekte: Arbeitsmarktnähe Flexibilität bei erhöhter Arbeitskräftenachfrage → Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes „Anti-Klebeeffekt“
Personal Service Agentur (PSA) Bewertung - Negative Aspekte: bestehende private Zeitarbeitsfirmen ausreichend Fallkostenpauschale wird vielfach als Lohnsubvention missbraucht → Verdrängung privater Zeitarbeitsfirmen → Abschwächung des Lohndrucks nach unten
Personal Service Agentur (PSA) Bewertung - Negative Aspekte: „Equal Pay“ verhindert vermehrten Einsatz → individuelle Produktivität < Arbeitskosten
Ich-AG Regelungen „Existenzgründungszuschuss“: mit Hartz II seit dem 1.1.2003 in Kraft Bezieher: Arbeitslose/ Personen in ABMs Förderung bis zu 3 Jahre: 600 € → 1. Jahr 360 € → 2. Jahr 240 € → 3. Jahr
Ich-AG Voraussetzung: Jahreseinkommen < 25.000 € Regelungen Voraussetzung: Jahreseinkommen < 25.000 € verbindliche Überprüfung des Geschäftskonzepts durch eine „fachkundige Stelle“ (z.B. Handwerkskammern) → erst seit einigen Monaten Pflicht
Ich-AG Ziele Neugründungen = Abbau von Arbeitslosigkeit Abbau von Schwarzarbeit
Ich-AG Bewertung + Positive Aspekte: Unterstützung für Existenzgründer aus Arbeitslosigkeit Arbeitslose: Höheres Einkommen möglich
Ich-AG Bewertung - Negative Aspekte: notwendiges Know-How fehlt → gilt vor allem für gering Qualifizierte Mitnahmeeffekte: Scheinselbständigkeit → anfangs fehlende Prüfung des Geschäftskonzeptes
Ich-AG Bewertung - Negative Aspekte: Wettbewerbsnachteile für Existenzgründer aus abhängiger Beschäftigung kaum Abbau von Schwarzarbeit → vor allem abhängig Beschäftigte
Ich-AG Bewertung - Negative Aspekte: - 60% an Neuzugängen im Vgl. zum Vorjahresmonat - 32% im Vgl. zum Vorjahr → Geschäftskonzepte vielfach nicht tragbar
Mini- und Midi-Job Ziele Einstieg für Geringqualifizierte und arbeitsmarktferne Personen in reguläre Beschäftigung Bekämpfung der Schwarzarbeit
Mini- und Midi-Job Regelungen (Mini-Job) bis 400 Euro: lediglich Arbeitgeber zahlt 25% vom Lohn Steuern und Sozialversicherungen (12% GRV, 11% GKV, 2% Steuern) → bisher: zwar nur 22% Abgaben, dafür aber Melde- und Beitragsverfahren für Arbeitgeber vereinfacht für Arbeitgeber in haushaltsnahen Mini-Jobs nur 12% (je 5% GRV und GKV, 2% Steuern)
Mini- und Midi-Job → bisher pauschal 25% Beitragssatz von 400-800 Euro Regelungen (Midi-Job) 400 – 800 Euro: Beitragssatz für Arbeitnehmer gleitet von 4% auf schließlich auf 21% (Mainzer Modell) → bisher pauschal 25% Beitragssatz von 400-800 Euro
Mini- und Midi-Job Bewertung + Positive Aspekte: unbürokratisch und unkompliziert → für Schüler, Studenten, Hausfrauen, Rentner und Nebenerwerbstätige attraktiv für Arbeitgeber Anreize zusätzliche Jobs zu schaffen Abbau der „Beschäftigungsmauer“
Mini- und Midi-Job Bewertung - Negative Aspekte: klare Zielgruppenverfehlung → keine Anreize für Geringqualifizierte Gefahr reguläre Beschäftigung zu verdrängen → Einnahmeausfälle, pos. Beschäftigungseffekt fraglich durch Gleitzone geht Einfachheit wieder verloren
Mini- und Midi-Job Bewertung Schwarzarbeit: Umfang zwar hoch (rund 17% des BIP) → hauptsächlich Erwerbstätige u. Vorruheständler Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose selten → Fehlen an Kenntnissen, Fähigkeiten, Kontakte, Materialien usw.
Mini- und Midi-Job Quelle: Minijobzentrale
Job-Center JobCenter Kunden Quelle: Hartz-Bericht RVA, Arbeitgeber Kirchenvertreter Sozialamt Regionales Kompetenz-netzwerk Jugendamt Weiterbildungsträger BA-neu PSA, Jobbörsen Kunden Empfang, Information, Beratung, Lösungen JobCenter Quelle: Hartz-Bericht
Job-Center → Senken der friktionellen Arbeitslosigkeit Ziel Wiedereingliederungschancen von Arbeitslosen steigern → Senken der friktionellen Arbeitslosigkeit
Job-Center → Fähigkeiten und Defizite von Arbeitslosen erkennen frühestmögliche Beratung individuelles Profiling → Fähigkeiten und Defizite von Arbeitslosen erkennen Einschaltung privater Vermittler möglich → nach einer individuellen Arbeitslosigkeit von 6 Monaten Zumutbarkeitskriterien
Job-Center → verspätete Einschaltung nicht nachvollziehbar Bewertung Steigerung der Effektivität und Effizienz erforderlich individuellere Betreuung zu begrüßen private Vermittlung zu begrüßen → verspätete Einschaltung nicht nachvollziehbar Aktivierung der (Langzeit)Arbeitslosen
Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe bisher → gleiches Problem: Langzeitarbeitslosigkeit und drohende Armut → beides steuerfinanziert Folgen aus den getrennten Systemen → Doppelarbeit und Doppelbürokratie → „Verschiebebahnhöfe“
Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe Ziele Abbau der Ungleichbehandlung neue Chancen für Schwervermittelbare → „Ein-Euro-Jobs“ „Verschiebebahnhöfe“ beseitigen
Quelle: Deutscher Städte- und Gemeindetag
Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe Arbeitslosengeld II Anspruchsberechtigte → erwerbsfähige Hilfebedürftige Regelleistung → 345 Euro im Westen und 331 Euro im Osten für Alleinstehende; Überbrückungsgeld
Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe Hartz IV-Empfänger Transferentzugsrate → bis 400 Euro: 80%, 400-800 Euro: 90%, Freibetrag von 100 Euro Zahlenschlüssel von max.: 1: 200 → bis 25 Jahre: 1:75
Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe Bewertung + Positive Aspekte: Ungleichbehandlung weitgehend vermieden → „Verschiebebahnhöfe“ werden aufgebrochen „Ein-Euro-Jobs“ → Chance zur Integration in den Arbeitsmarkt
Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe Bewertung - Negative Aspekte: Regelleistung zu hoch → faktischer Mindestlohn Transferentzugsrate zu hoch „Ein-Euro-Jobs“ → Gefahr reguläre Beschäftigung zu verdrängen
Neue Zumutbarkeit Fordern und Fördern/ Aktivierende Arbeitsmarktpolitik Ziel: Eindämmen von ‚Moral hazard‘ vor Erhalt von ALG II: Eingliederungsvereinbarung → legt Rechte und Pflichten des Arbeitslosen fest
Die Eingliederungsvereinbarung
Grundsatz: Jede legale Arbeit ist zumutbar Neue Zumutbarkeit Grundsatz: Jede legale Arbeit ist zumutbar mehr Mobilität: Umzug ist generell zumutbar → viele Ausnahmen auch eine geringer angesehene und entlohnte Arbeit ist zumutbar → Ein-Euro-Jobs neu: sukzessive Kürzung des ALG II möglich alle festegelegten Maßnahmen sind verpflichtend
Überblick Agenda 2010 und Hartz-Gesetze Quelle: Van Suntum, Ulrich: Die Agenda 2010 – ist sie auf dem richtigen Weg?, in: Kirche und Gesellschaft, Nr. 312, 2004, S.3.
Diskussionsansatz Welche weiteren Instrumente sind aus ökon. Sicht geeignet, um Arbeitslose in voll versicherungs- pflichtige Beschäftigung auf dem Ersten Arbeitsmarkt zu integrieren? Wie hoch müsste die Transferentzugsrate sein, um positive Arbeitsanreize zu setzen? Wie ist die aktuell diskutierte Angleichung von Ost- und West-Niveau des ALG II zu bewerten?
Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!