Form und Funktion prosodischer Grenzen in deutscher Spontansprache

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Integrations- und Funktionstests im Rahmen des V-Modelles
Advertisements

Die Phonetik der Gipfel-Synchronisierung Jonathan Harrington Eine Zusammenfassung von: Silverman & Pierrehumbert (1990), the timing of prenuclear high.
Semantik und Wissensrepräsentation
Wissensanalyse von Aufgaben mit TKS Eine Methode zur Problemlösung
Evaluation der bewegungstherapeutischen Behandlung mit Hilfe des Dortmunder Fragebogens zur Bewegungstherapie DFBT Stuttgart Daniela Croissant.
A U S S T R A H L U N G Gedanken, Impulse.
Projektumfeld Gesellschaftliche Strömungen Strukturen/ Gliederung
Digitalisierung und Aufbereitung von Sprachdaten
Konzeption und prototypische Implementierung eines zentralen Informationssystems für Systemmanagement Motivation Oft wird es schwierig, die benötigten.
Die Satzprosodie Phrasengrenzen, Akzentuierung, Intonation.
noise „Phonetic details“ in Vokal-Frikativ-Sequenzen
Abschließende Diskussion der referierten Artikel
Training zur Aussprache von prosodischen Mustern
Intonationsforschnung am IPDS Kiel
Autosegmental-Metrische Phonologie und ToBI
Empirismus in der Phonetik Klaus J. Kohler IPDS, Kiel Kolloquium WS 2007/8 16. Januar 2008.
Klaus J. Kohler IPDS, Kiel
Java: Objektorientierte Programmierung
Formale Sprachen – Mächtigkeit von Maschinenmodellen
Bistra Andreeva, Institut für Phonetik, Universität des Saarlandes.
QBE in MS Access formulieren
Wort- und Satzbetonung
Die Funktion und Form der Intonation
Das AM Modell der Intonation
Mixed Models Jonathan Harrington library(ez) library(lme4)
1. Satzbetonung, Töne, und Grundfrequenz
Prosodie und Intonation: ein Überblick
Die Prosodie Jonathan Harrington Felicitas Kleber.
Intonationsunterschiede zwischen dem Nord- und Süddeutschen
Die Anatomie der Grundfrequenz Jonathan Harrington.
1 C.Fowler Analyse der Wahrnehmung von Koartikulierter Sprache LMU-München - IPSK WS 06/07 HS Modelle der Sprachproduktion und –perzeption Prof. J.M.
Das ‚Perceptual Magnet Model‘ von Patricia Kuhl
Die Normalisierung und Wahrnehmung eines fremden Akzents Datum: Referentin: Carolin Funk Dozent: Prof. Dr. Jonathan Harrington Hauptseminar:
Grundlagen der Analyse von Sprachdatenbanken
Die Form der Intonation: Das AM Modell
Transkription der Intonation mit GTOBI
Was ist die artikulatorische Grundlage von Locus-Gleichungen? Hauptseminar: Modelle der Sprachproduktion & - perzeption Dozent: Prof. Dr. Jonathan Harrington.
Was sind die unterschiedlichen Vorhersagen der Quantal Theory (QT) und der Theory of Adaptive Dispersion (TAD) bezüglich der Verteilung der Vokale in den.
Datenbanken vs. Markup Manfred Thaller WS 2009/2010 Humanities Computing Linda Scholz.
Sprachwissenschaftliches Institut Einführung in die HPSG Grammatiktheorie 4./11. Mai 2004.
MMQL – Multimedia Query Language Eine Anfragesprache für Multimedia-Ähnlichkeitsanfragen Christian Mantei.
Lexikalisch-Funktionale-Grammatik
Soziale Interaktion und Alltagsleben
Kategoriale Wahrnehmung
Projekt: Routeninstruktionen mit Sprache und Skizzen
Vorlesung: Biometrie für Studierende der Veterinärmedizin
Spezifikation von Anforderungen
Das autosegmentelle-metrische Modell der Intonation
Übersicht Motivation Konzeption Umsetzung/ Implementierung
Ausgangslage Mangelhafte Führungs-kompetenz Schlechtes Betriebsklima
Verarbeitung von Implikaturen iv Ist die Interpretation von skalaren Implikaturen gegenüber der wörtlichen Interpretation verzögert? Grodner et al
Texttyp - Textsorte - Vertextungsmuster
Peter Grzybek Projekt # (FWF) Projekt # 43s9 (OEAD/SAIA) Graphem-Häufigkeiten.
Kompetenz -, Lern - und Prüfungsbereiche Anforderungsbereiche
Lexikalische Semantik
Szenisches Lernen Wie Theaterelemente den Unterricht bereichern
Übung zu Einführung in die LDV I
Thema Name des Vortragenden Ort, Datum
Methoden Die klassische Methode der Psycholinguistik (genauso wie der experimentellen Psychologie im Allgemeinen) ist die Messung von Reaktionszeiten.
Inhalt Einordnung und Funktion der lexikalische Analyse Grundlagen
Interoperabilität in Digitalen
„Kästchen“ vs. „Bubble“
Kognitive Methoden  Als eine Auseinandersetzung mit der behavioristischen Lerntheorie Skinners  entsteht in den späten 60-er Jahren eine Verbindung.
Performanz- und Lasttests Formale Methoden
Formale Methoden Semesterprojekt Präsentation Thema 1 Test-Arten Fernstudium Master WI, MWI 10F Jan te Kock,
Arbeitsmaterialien im DFU-Unterricht
Operatoren Ein Operator zeigt an, welchen Teilbereich und in welcher Tiefe der Sachverhalt dargestellt werden soll. Je nachdem, welcher Operator verwendet.
Spärliche Kodierung von Videos natürlicher Szenen Vortragender: Christian Fischer.
Vo#1:Semantik als Wissenschaft Semantik I Matej-Bel-Universität in Banská Bystrica Zuzana Tuhárska.
Einführung in die Phonetik und Phonologie SS 2010 Bistra Andreeva Sitzung 1: Einführender Überblick.
 Präsentation transkript:

Form und Funktion prosodischer Grenzen in deutscher Spontansprache Modul H2 Benno Peters - IPDS Kiel 15. Mai 2008

Einleitung Zwei DFG-Projekte: Lautmuster deutscher Spontansprache Prosodische Phrasierung in deutscher Spontansprache Empirische Untersuchungen zur internen phonetischen Struktur prosodischer Phrasen und zu deren Delimitation Projekt 1: Verschiedene Korpusanalysen zu segmentellen und prosodischen Strukturen im Kiel Corpus of Spontaneous Speeche. Auch schon zur prosodischen Phrasierung von Redebeiträgen Projekt 2: Vertiefung der Frage nach Form und Funktion prosodischer Grenzen - Besonders hinsichtlich der Interaktion zwischen Sprecher und Hörer. Kleines Projekt, Kohler = Projektleiter, Ich = einziger Mitarbeiter. Schreibe meine Dissertation Bericht über laufende Forschung. Einiges wird offen bleiben Heute: weniger zu internem Aufbau von Phrasen, eher zur Phonetik und Funktion von Phrasengrenzen

Die phonetische Form der syntagmatischen Gliederung in prosodische Phrasen ist durch zwei phonetische Mechanismen bestimmt: phonetische Kohäsion im Inneren von Phrasen phonetische Separierung zwischen prosodischen Phrasen Gespräche werden während des Sprechens geplant und strukturiert. Hierbei entstehen Redebeiträge, die auf der syntagmatischen Ebene in prosodische Phrasen untergliedert sind.

Kohäsive Merkmale (interne Struktur) globale melodische Muster (Hutmuster, Downstep/Deklination) Kontinuität von Phonation, Register Sprechgeschwindigkeit Separierende Merkmale (Delimitation) melodische Brüche / starke melodische Bewegungen Pausen/Atmen F0-Reset segmentelle Längung Änderung von Phonationstyp Sprechgeschwindigkeit, Register F0-Reset erklären Die kohäsiven Merkmale sorgen für den internen Zusammenhalt prosodischer Phrasen Die separierenden Merkmale führen zu perzeptorischen Einschnitten. Die als prosodische Grenzen verstanden werden, wenn der Grad der perzeptorischen Separierung groß genug ist.

Prosodische Grenzen in natürlichen Gesprächen sind in drei funktionalen Zusammenhängen beobachtbar im Inneren von Redebeiträgen als Ausdruck der inhaltlich und syntaktisch motivierten Gliederung von Äußerungen am Ende von Redebeiträgen, oft mit einer auf die Sprecher-Hörer-Interaktion ausgerichteten phonetischen Struktur bei unflüssiger Sprechweise entstehen oft starke prosodische Einschnitte, die Planungsvorgänge seitens des Sprechers widerspiegeln > Dient der Formung von Bedeutung und trägt erheblich zur Verständlichkeit bei. Wird üblicherweise als prosodische Phrasierung bezeichnet. >Dialogsteuerung - Strukturierung eines Gesprächs in Redebeiträge einzelner Sprecher z.B. in Frage und Antwort >so können Hörer hierdurch eventuelle Planungsschwierigkeiten des Sprechers nachvollziehen und gegebenenfalls darauf reagieren kann. Sehr häufig. Für den reibungslosen Ablauf von Gesprächen ist es sehr wichtig, dass Hörer richtig einschätzen zu welchem der drei Phänomenbereiche eine wahrgenommene Separierung zuzuordnen ist. Handelt es sich um eine intendierte äußerungsinterne Phrasengrenze so wird der Sprecher mit seiner Rede fortfahren und das vorher Gesagte weiter ausführen; liegt eine Produktionsstörung vor, so kommt es unter Umständen zu einer Korrektur des Gesagten oder der Sprecher braucht etwas Zeit, um Fortsetzung der Äußerung zu planen. Wenn die Separierung das Ende einer Äußerung signalisiern soll, so muss der Hörer dies erkennen und die Sprecherrolle einnehmen. Hypothesenbildung seintes des Hörers über den weiteren Gesprächsfortgang wird durch ein System phonetischer Merkmale unterstützt. Diese phonetischen Strukturierungsprizipien zu verstehen und voneinander abzugrenzen ist ein wesentlicher Schritt zum Verständnis von interaktivem, spontanen sprachlichen Verhalten. Schön wäre: Merkmale, die immer in einer bestimmten Funktion auftreten. Könnten dann in einem phonologischen System zuasmmengefasst werden. Aber: Beobachtungen in natürlicher Sprache: eigene Analysen (Kiel Korpus) und Literatur einzelne phonetische Merkmale der Separierung zeigen in ihrem Auftreten starke Überschneidungen für die drei Phänomenbereiche. z.B. 2. im Inneren und am Ende von Redebeiträgen Pausen, wenn inhaltliche Blöcke phonetisch angezeigt werden, aber auch wenn Sprecher ins Stocken kommen und überlegen müssen wie ihre Äußerung weiter gehen soll.

Grundfragen der Untersuchung Welche phonetischen Merkmale finden sich an prosodischen Grenzen? Können phonetische Klassen prosodischer Grenzen herausgearbeitet werden? Können diese phonetischen Klassen mit funktionalen Klassen assoziiert werden?

Grundfragen der Untersuchung Welche Rolle spielen phonetische Merkmale an prosodischen Grenzen bei der Einschätzung des Gesprächsfortgangs durch Hörer? Gibt es eine Korrelation zwischen der Stärke der phonetischen Separierung und inhaltlich-pragmatischen Strukturen? (z.B. starke Separierung am Ende inhaltlicher Blöcke oder am Ende von Redebeiträgen)

Grundfragen der Untersuchung Es werden also Bezüge hergestellt zwischen der phonetischen Struktur von Produktionsdaten der inhaltlich-pragmatischen Struktur der Produktionsdaten der Wahrnehmung und funktionalen Einordnung durch Hörer

Ziel Klassifikationssystem für Phrasen-grenzen unterschiedlicher phonetischer Ausprägung, das eine Form-Funktions-Beziehung widerspiegelt

Methoden I - Die Datenbasis Terminabsprachen des Kiel Corpus (11 Dialogsitzungen mit 22 Sprechern, 2,5 Stunden, 25.000 Wörter) Video-Task (6 Dialoge mit 12 Sprechern, 1,5 Stunden, 13.500 Wörter) Methoden: (sehr wichtig, denn die Methode bestimmt besonders in der Prosodieforschung oft die Ergebnisse). Es wird viel über adäquate Methoden diskutiert. Wie kann diese komplexen Fragestellung adäquat untersucht werden? > Nur durch eine Kombination verschiedener Methoden -Terminabsprachen reichen nicht / Interaktion durch nicht-überlappendes Sprechen mit Knopfdruck nicht natürlich. Neues Konzept zur Datenerhebung: Videotask-Szenario

Methoden I Video-Task oder das Daily Soap Szenario Vorteile hohe akustische Qualität, Kanaltrennung VP realisieren nicht, dass das Ziel des Versuchs die Sprachdatenerhebung ist keine Eingriffe durch Versuchsleiter in die Dialoge Alltagssprache mit großer Natürlichkeit, komplexe Interaktion Nachteil wenig Kontrolle über linguistische Strukturen in den Daten Die Grundidee von 'Video Task' ist, zwei Versuchspersonen ähnliches, aber nicht identisches Videomaterial zu präsentieren und sie im Anschluß an die Präsentation die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Gesehenen in einem Gespräch erörtern zu lassen. Zusammenschnitt aus Szenen aus versch. Folgen Ca. 15 Minuten lang. Versuchspersonen sollen Befreundet sein Hier: immer zwei, da Dialoge aufgenommen werden sollen Ablauf: Bekommen in getrennten Räumen die untersch. Folgen zu sehen. Unterhalten sich aus getrennten Räumen mit Kopfhörer und Mikro Ähnlich wie telefonieren

Methoden I Video-Task oder das Daily Soap Szenario Hörbeispiel 1 Hörbeispiel 2 Hörbeispiel 3

Methoden II Phonetische Analyse der Produktionsdaten

Methoden II Phonetische Analyse der Produktionsdaten Was kann labelbasiert analysiert werden? Melodische Muster (KIM/PROLAB) F0-Reset an prosodischen Grenzen Pausen/Atmungsphasen und deren Dauer Segmentdauern an Phrasengrenzen werden mit Segmentdauern in phrasenfinalen Reinem verglichen

Methoden II Phonetische Analyse der Produktionsdaten Ableitung phonetischer Merkmalsbündel für jede etikettierte prosodische Grenze im Korpus Beispiel: 2._P250_+R_L3 2. = stark fallende melodische Bewegung P250 = Pause von 250ms +R = F0-Reset L3 = Längungsstufe des phrasenfinalen Reims

Methoden III Funktionale Zuordnung phonetischer Merkmale Grundfrage: Wie komme ich von der formalen Beschreibung der phonetischen Merkmale zu einer funktionalen Zuordnung? Zwei sich ergänzende Verfahren: funktionale Interpretation der Korpusdaten Perzeptionsexperimente

Methoden III Interpretation der Produktionsdaten Steht die prosodische Grenze am Ende eines inhaltlichen Abschnitts oder innerhalb eines inhaltlichen Abschnitts? Kriterien: Kein Abschluss: die beendete Phrase wird inhaltlich im folgenden Komplettiert und macht für einen Hörer ohne das nachfolgende keinen Sinn Abschluss: Es ändert sich die Pragmatische Struktur z.B. eine Begrüßung wird abgeschlossen. Oder ein Gesprächsthema wir abgeschlossen oder erfährt eine Wendung durch neue Information >oft nicht klar > Fälle in Restkategorie Folgende Fragen sollen mit Hilfe der Textinterpretation beantwortet werden: Haben Phrasengrenzen an hohen inhalichen Grenzen haben andere phonetische Korrelate als Phrasengrenzen an niedrigen inhaltlichen Grenzen. Gibt es eine Übereinstimmung von inhaltlicher und phonetischer Kohäsion? Kann nur für Datenausschnitt geleistet werden! Ca. 150 Längere Gesprächsbeiträge werden einbezogen. Enthalten Ca. 500 Phrasengrenzen.

Methoden III Perzeptionsexperimente Nachbildung der phonetischen Variabilität über Resynthesen Funktionale Bewertungen durch naive Hörer Kontextfreie Präsentation soll Effekte des phonetischen Signalisierungssystems „freilegen“

Methoden III Perzeptionsexperimente Übertragung der im Korpus beobachteten phonetischen Merkmale in Stimuli für Perzeptionsexperimente Ausgangssatz: „Das ist ja nun nicht so angenehm.“ Zwei Parameter gehen in die Resynthesen ein: melodische Bewegung am Phrasenende Längung am Phrasenende Hier exemplarisch zwei Experimente aus einer Serie von 6 (z.T. noch in Arbeit)

Methoden III Perzeptionsexperimente

Methoden III Perzeptionsexperimente Welche Fragen sollen den Versuchspersonen gestellt werden? Sprecherwechsel Wird der Sprecher nach der Äußerung noch weiter sprechen? Sprechflüssigkeit Hört sich die Äußerung zögerlich an? Zu 1 - Konzept der Hypothesenbildung erläutern Zu 2 - Wie sensibel reagieren Hörer auf phonetische Exponenten von Unflüssigkeit?

Methoden III Perzeptionsexperimente Welche Fragen sollen den Versuchspersonen gestellt werden? Sprecherwechsel Wird der Sprecher nach der Äußerung noch weiter sprechen? Sprechflüssigkeit Hört sich die Äußerung zögerlich an? Zu 1 - Konzept der Hypothesenbildung erläutern Zu 2 - Wie sensibel reagieren Hörer auf phonetische Exponenten von Unflüssigkeit?

Methoden III Perzeptionsexperimente Wie können die Urteile der VP erhoben werden? forced choice? Antwortskalen? Equal Appearing Interval Scale (Thurston 1929) Visual Analogue Scale (Maxwell 1978) z.B. forced choice ja vs nein - trifft nicht den Kern der Sache, da es wohl für beide Fragestellungen Kontinua von Sprecherwechsel wird sicher erwartet zu intendierter Sprecherwechsel ist ausgeschlossen gibt. Genauso gibt es ein Kontinuum zwischen völlig flüssiger und völlig unflüssiger Sprechweise. ALSO: Skalierte Urteile statt ja vs nein-Urteile sammeln Zwei mögliche bipolare Skalen EAI vs VAS EAI einfacher auszuwerten, Prüfstatistik mit ANOVA

Methoden III Perzeptionsexperimente Wird der Sprecher nach dem Satz noch weitersprechen? Ja Nein Hört sich die Äußerung zögerlich an? Ja Nein

Methoden IV Zusammenfassung Datenerhebung Labelbasierte phonetische/akustische Korpusanalyse Interpretation einer großen Anzahl von Redebeiträgen Perzeptionsexperimente Enges Netzwerk in der Konzeption der Arbeitsschritte und in der Interpretation der gesamten Ergebnisse

Exkurs Sprechflussstörungen Der Entstehung von Sprechflussstörungen liegen unterschiedliche Ursachen zugrunde. Folgende Probleme können zu einer unflüssigen Sprechweise führen: ● Phonetische Versprecher: Während des Sprechens kann es zu Lautvertauschungen, Fehlartikulationen und anderen artikulatorischen Problemen kommen. Zu 1 - Konzept der Hypothesenbildung erläutern Zu 2 - Wie sensibel reagieren Hörer auf phonetische Exponenten von Unflüssigkeit?

Exkurs Sprechflussstörungen ● Syntaktische Versprecher: Ein bereits zum Teil ausgesprochener Satz enthält agrammatische Strukturen oder lässt sich nicht sinnvoll ohne eine Verletzung grammatischer Regeln fortsetzen. Zu 1 - Konzept der Hypothesenbildung erläutern Zu 2 - Wie sensibel reagieren Hörer auf phonetische Exponenten von Unflüssigkeit?

Exkurs Sprechflussstörungen ● Inhaltliche Versprecher: Ein Wort, das nicht der Intention des Sprechers entspricht, wird versehentlich ganz oder zum Teil ausgesprochen und eine Korrektur wird notwendig. In diese Kategorie fallen auch die sog. Freudschen Versprecher (Freud 1901/1971). Zu 1 - Konzept der Hypothesenbildung erläutern Zu 2 - Wie sensibel reagieren Hörer auf phonetische Exponenten von Unflüssigkeit?

Exkurs Sprechflussstörungen ● Wortfindungsprobleme: Ein Wort, das eigentlich bekannt ist, kann nicht rechtzeitig aus dem Gedächtnis abgerufen werden. ● Syntaktische Planungsprobleme: Eine korrekte syntaktische Fortsetzung kann nicht so schnell geplant werden, dass die derzeitige Äußerung flüssig fortgesetzt werden kann. Zu 1 - Konzept der Hypothesenbildung erläutern Zu 2 - Wie sensibel reagieren Hörer auf phonetische Exponenten von Unflüssigkeit?

Ergebnisse I Labelbasierte Korpusanalyse In 93% aller analysierten turninternen Phrasengrenzen konnte mindestens eines der folgenden Merkmale automatisch extrahiert werden phrasenfinale Längung (66,2%) F0-Reset (63%) Pause oder Atmen (38,3%) stark fallende oder starke steigende melodische Bewegung (36% stark fallend, 2% stark steigend) Alle Ergebnisse exemplarisch !

Ergebnisse I Labelbasierte Korpusanalyse In mehr als 55% aller Fälle treten zwei oder mehr Merkmale gemeinsam auf. Die häufigsten Kombinationen sind: Längung + F0-Reset Längung + Pause + F0-Reset Längung + Pause + starke tonale Bewegung Große Variation - viele Merkmalskombinationen

Ergebnisse I Labelbasierte Korpusanalyse Turnfinale prosodische Grenzen zeigen zu 63,8% stark fallende melodische Bewegungen und zu 10,3% stark steigende Konturen Phrasenfinale Längung tritt in 74,3% der Fälle auf (turnintern: 66,2%) Hauptunterschied zwischen turnintern und turnfinal liegt im Parameter melodische Bewegung. Aber: auch turnintern viele stark fallende Konturen Reset und Pausen werden für die turnfinale Position nicht bewertet - es folgt ja keine Äußerungsfortsetzung auf die diese Parameter bezogen werden können.

Ergebnisse II Interpretation Vergleich der phonetischen Merkmale an turninternen Grenzen im Inneren und am Ende inhaltlicher Blöcke Pausen innerhalb: 26,6% am Ende: 68,8% Starke tonale Bewegungen innerhalb: 20% am Ende: 75% Innerhalb der inhaltlichen Blöcke: vor allem leicht fallende Konturen, leicht steigende Konturen und ebene Konturen am Phrasenende

Ergebnisse II Interpretation Das Auftreten von Längung und F0-Reset unterscheidet sich kaum zwischen prosodischen Grenzen innerhalb und am Ende inhaltlicher Blöcke Längung: 80% vs. 73,4% F0-Reset: 66,7% vs. 75%

Ergebnisse II Interpretation Ergebnis: In den Korpusdaten gibt es einen Zusammenhang zwischen phonetischer und inhaltlicher Kohäsion. Prototypische prosodische Grenzen im Inneren inhaltlicher Blöcke haben als separierende Merkmale finale Längung und F0-Reset. Prototypische Grenzen am Ende inhaltlicher Blöcke weisen zusätzlich noch eine Pause und eine starke tonale Bewegung auf.

Ergebnisse II Interpretation Damit gleicht die typische prosodische Grenze am Ende inhaltlicher Blöcke in ihrer phonetischen Struktur der turnfinalen prosodischen Grenze. Konzept des möglichen Äußerungsendes Turnübergaberelevante Position Hörer kann übernehmen, muss aber nicht.

Ergebnisse III Perzeptionstests Vier Längungsstufen im finalen Reim Frage: Wird der Sprecher nach dieser Äußerung noch weitersprechen? 7-polige Skala

Ergebnisse III Perzeptionstests Vier Längungsstufen im finalen Reim Frage: Wird der Sprecher nach dieser Äußerung noch weitersprechen? 7-polige Skala

Ergebnisse III Perzeptionstests +8ht : hier hatte ich eine Einschätzung als Frage erwartet und damit ein Ansteigen der Turnübergabeerwartung. Frage geht aber wohl nicht mit Testsatz zusammen. Wegen der Partikel. Das ist ja nun nicht so angenehm.

Ergebnisse III Perzeptionstests

Ergebnisse III Perzeptionstests Deutliche funktionale Bindung der Kontur für die Signalisierung von Turnübergaben Kaum funktionale Bindung der Dauerstruktur in diesem Bereich Aber: große Sensibilität der VP für Dauerstruktur Segmentelle Längungen werden mit unflüssiger Sprechweise assoziiert. D.h. es gibt eine funktionale Bindung von Längung bei der Signalisierung von Sprechflussstörungen

Zusammenfassung Große Variabilität Starke Überschneidungen in der phonetischen Form der funktionalen Klassen Keine 1:1-Beziehungen von Form und Funktion Aber: funktionale Bindung der melodischen Muster sowohl in Bezug auf inhaltliche Gliederung, als auch hinsichtlich der damit eng verbundenen Dialogsteuerung.

Zusammenfassung Es können prototypische phonetische Realisierungen für die verschiedenen Funktionen herausgearbeitet werden Das phonetische System funktioniert immer in Ergänzug durch syntaktische und inhaltliche Informationen Erweitertetes Konzept der Merkmalsbündelung

Klassifikationssysteme Erstellung eines funktional orientierten Klassifiktionssystems auf der Basis von prototypischen phonetischen Strukturen für die Bereiche turninterne prosodische Grenzen turnfinale prosodische Grenzen prosodische Grenzen in unflüssiger Sprache

Dem phonetischen Signalisierungssystem liegt kein striktes 1:1-Verhältnis zwischen Form und Funktion zugrunde. Die Ergebnisse deuten eher auf eine unterstützende Funktion der phonetischen Komponente hin, die erst in Kombination mit syntaktischen und semantischen Strukturen zu eindeutigen interaktionalen Funktionalisierungen führt.

Turninterne prosodische Grenzen

Turnfinale prosodische Grenzen Ausblick So kann das grundlegende Prinzip des Turntakings als erlaubend und nicht als vorschreibend charakterisiert werden. Dieser erlaubende Charakter lässt sich durch die folgenden zwei Situationen illustrieren, die intuitiv gut nachvollziehbar sind. (1) Ein Sprecher schließt eine Äußerung durch melodische, syntaktische und semantische Vervollständigung ab und macht eine kurze Pause. Der Hörer kann an dieser Stelle nun das Wort ergreifen. Oft wird er es aber nicht tun, sondern z.B. durch ein Rezeptionssignal andeuten, dass er weiter in der Hörerrolle bleiben möchte. Üblicherweise wird der Sprecher dann seine Rede fortsetzen (es sei denn er hat eine direkte Frage an den Partner gestellt). Audiobeispiel: Finalitätsmerkmale und Turnfortsetzung: 1.4 (2) Ein Sprecher lässt in seiner Rede kein komplexes Merkmalsbündel entstehen, das einen interaktionalen Abschluss erkennen lässt. Dennoch hat der Hörer das Bedürfnis "einzuhaken", weil er z.B. etwas Wichtiges ergänzen möchte. Der Hörer wird die Ergänzung in vielen Fällen als unterbrechende Turnübernahme beginnen, und der vormalige Sprecher wird dies üblicherweise akzeptieren. Audiobeispiele: Turnübernahme ohne Finalitätsmerkmale: 2.10, 2.12 Anders ist die Situation, wenn eine direkte Frage an den Gesprächspartner gestellt wird. In diesem Fall liegt ein eindeutiger gezielter Turnübergang vor. Audiobeispiele für gezielte, erlaubte und umstrittene Turnübergänge: 2.1 – 2.13.