RECHT, RECHTSVERSTÄNDNIS, RECHTSKULTUR

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RECHT, RECHTSVERSTÄNDNIS, RECHTSKULTUR

GLIEDERUNG DES THEMAS Traditionsgebundenheit von Recht Rechtsprinzipien Recht in der Gegenwart Menschenrechte Zusammenfassung

ENTWICKELT SICH CHINA ZUM RECHTSSTAAT?

Traditionelles Rechtsverständnis Vorrang von Moral- vor Rechtsnormen Recht als Mittel, die menschlichen Beziehungen zu ordnen, d.h. nicht in erster Linie Norm Strafe plus Erziehung (Selbstläuterung) Zentral: nicht Ahndung von Straftaten, sondern Wiedereinbindung des Individuums in die Gemeinschaft Schaffung innerer Kontrolle wichtig (Gesinnungsprophylaxe) Rechtsprechung sollte Frieden wiederherstellen Recht Einzelner spielte keine Rolle Ablehnung von Gewaltenteilung

Traditionelles Rechtsverständnis China: Schaffung innerer Kontrolle, Sozialisation „vor der Tat“ Europa: Recht + äußere Kontrolle, Bestrafung nach der Tat Umerziehung wichtiger als Strafe

Das freiwillige Sichstellen und Bekennen einer Verfehlung; Rechtsprinzipien Das freiwillige Sichstellen und Bekennen einer Verfehlung; Selbstprüfung oder Selbstkritik; Erziehung vor Bestrafung; Schaffung einer inneren Kontrolle Handlungen resultieren aus dem Denken: Daher Umerziehung vor Strafen

Recht in der politischen Kultur Chinas primär Strafrecht kein Zivil- und Prozessrecht Rechtspflege = Verhängung von Strafen Zuständigkeit: Europa = Justizministerium; China = Strafministerium keine Gleichheit vor dem Gesetz > 7 Einwände der Strafmilderung

Verwandtschaft (d.h. Mitglieder der kaiserl. Familie) Bekanntschaft (d.h. Angehörige der herrschenden Elite) Pflichtbewusstsein (d.h. unbestechliche Beamte) Befähigung (d.h. wichtige Gelehrte und Spezialisten) Verdienst (d.h. diejenigen, die große Taten vollbracht haben) Nobilität (d.h. hohe Beamte) Gast (d.h. Ausländer)

Strafrecht: Sollte Verstöße gegen die herrschenden Moralnormen sanktionieren; blieb von daher Moralnormen untergeordnet; Kodifikation von Strafgesetzen galt als Anzeichen der Dekadenz von Moral und Gesellschaft; Strafen galten als unnötig solange Moralnor-men beachtet wurden; Strafen sollten weniger Normverstöße ahnden, sondern waren begleitendes Erziehungsinstrument zur Einhaltung der Normen.

„Die Herrscher des Altertums regelten die Dinge indem sie die Umstände jedes Falles erwogen, nicht durch ein Strafrecht... Eines Herrschers von hoher Tugend bedarf es und durchblickender Beamter, aufrichtiger und mitfühlender Lehrer und Leiter, dann lässt das Volk sich gebrauchen, statt unheilvolles Chaos hervorzubringen. Kennt es aber das Recht, so achtet es seine Oberen nicht, ist streitlüstern, sucht in den Schriften und hofft, mit Glück durchzukommen.“ (536 v. Chr.)

4 Punkte zeigen Traditionsgebundenheit des Rechts Der bevorzugte Einsatz informeller Mittel zur Beilegung von Auseinander-setzungen bzw. zur Bestrafung gerin-ger Gesetzesverstöße; Mangelnde Funktionstrennung zwischen Recht und Bürokratie; Wunsch nach Vermeidung der Inan-spruchnahme des Rechtssystems; Unterordnung des Rechts unter eine dominante Staatsphilosophie.

Kaiser Kang Xi Anfang des 18. Jhdts. „Gute Bürger, die in Konflikt miteinander geraten, werden dies wie Brüder untereinander regeln, indem sie einen alten, erfahrenen Mann oder den Gemeindevorsteher um Schlichtung bitten. Diejenigen allerdings, die Unannehmlich-keiten bereiten, starrsinnig und streitsüchtig sind, sollen sich in den Gerichtshöfen zugrunde richten. Das ist die Gerechtigkeit, die ihrem Verhalten angemessen ist.“

Recht in der Gegenwart Erst Anfang des 20. Jhdts. „moder-ne“ Gesetze Verfassungen: 1913, 1928, 1931, 1947, 1954, 1975, 1982 30er JAHRE: BGB 1949: Aufhebung aller Gesetze, aber Ehe-, Wirtschafts-, Arbeitsgesetze konterrevolutionäres Verhalten als Straftat

Reformprozess riesige Zahl neuer Gesetze Wer ist gesetzgebende Gewalt? Wer ist zuständig für Verfassungs-fragen? Probleme?

Recht im Reformprozess Differenzierung des Rechtssystems Differenzierung der Gerichtsbarkeit Zulassung von Rechtsanwälten größere Kompetenz des Gesetzge-bungsorgans durch Fragmentierung der Macht

5 Übergänge kennzeichnend: Der Übergang von Gewohnheitsnormen zu Gesetzesnormen; der von traditionellen Pflichten zu einem Katalog von Rechten und Pflichten; der von Prozessvermeidung zu Prozessakzeptanz; der von Disziplinierung zu staatlicher Zielerreichung und Individualrechtsschutz und der von der „Instrumentalität“ (im Sinne von „Klasseninteressen“) zu „Politikbildung“ und von der „Objektstellung der Massen zu Formen der Partizipation“.

Probleme fehlende Unabhängigkeit des Rechts Staatliches („modernes“) Recht versus partikularistisches Gewohnheitsrecht zentral: state building: Durchsetzung staatlicher Gesetze und eines Rechtsdenkens

FUNKTION VON RECHT Bemühen des Staates, Gesellschaft über rechtliche Instrumentarien zu lenken (Recht nicht im Sinne von Gerechtigkeit, sondern von Kontrollierbarkeit) “Mit Hilfe des Rechts das Land verwalten” Unterschied zum Rechtsstaat?

7 Thesen zu Menschenrechten Keine Kultur negiert grundlegende Menschenrechte. Individuelle und kollektive Menschenrechte ergänzen sich. Das Recht auf Achtung des Lebens bzw. körperliche Unversehrtheit ist leicht zu realisieren; die Realisierung des Rechts auf Sicherung des Existenzminimums bedarf jedoch materieller Voraussetzungen. Menschenrechte sind nicht naturgegeben, sie begannen sich erst unter bestimmten Bedingungen durchzusetzen. Doppelstandards des Westens erschweren eine glaubwürdige Menschenrechtspolitik. Bislang gab es in China keine Volksbewegung für Demokratie und Menschenrechte, die direkten Druck auf die politische Führung hätte ausüben können. Der Grund dafür liegt nicht zuletzt in der Verbesserung der Lebensbedíngungen und dem größeren Maß an Freiheit im Zuge der Reformpolitik. Letztlich entscheidet nicht äußerer, sondern innerer Druck, in welchem Tempo sich eine Demokratisierung und die Einhaltung der Menschenrechte realisieren lassen.

Menschenrechte und Verfassung Was bedeutet die Aufnahme des Passus‘: „Der Staat respektiert und schützt die Menschenrechte“ in die Verfassung?

Korruption und Regimelegitimität in China

Korruption und China Corruption Perceptions Index 2006 China: Platz 70 unter 133 erfassten Staaten Index: 3,3 (10 = korruptionsfrei, 0 = absolut korrupt) Ägypten, Ghana, Indien, Mexiko, Peru, Senegal [BRD, Platz 16 = 8,0]

Was ist Korruption? sozialwissenschaftliche Kategorie bezieht sich auf Ursachen, soziales Umfeld und Folgen von Amtsdelikten Begriff variiert je nach Kultur, historischem Zeitpunkt und politischem System

Kernursachen Fehlende Trennung private/öffentliche Angelegenheiten Ausgangspunkt für Korruptionsmöglichkeiten: Fehlende Trennung private/öffentliche Angelegenheiten schlechte Entlohnung Funktionsträger fehlende demokratische Kontrolle über Bürokratie Diskriminierung gesellschaftlicher Gruppen

Ursachen: Sozialer Wandel Unklarheit über Werte, neue Werte geraten mit traditionalen in Konflikt. Neue Schichten erreichen politischen Einfluss nur über Korruption. Ausweitung staatlicher Aktivitäten führt zu staatlicher Monopolisierung. Diese nur zu brechen über Korruption. Korruption als Mittel der Beteiligung an Entscheidungsprozessen.

Ursachen: Entwicklungsdefizite begünstigen Korruption Ungleichheit Einkommensverteilung politische Ämter als Hauptmittel zur Erlangung von Reichtum Konflikte durch sich wandelnde Moralnormen; Schwäche der gesellschaftlichen und staatlichen Durchsetzungsmechanismen; Auswirkungen traditioneller gesellschaftlicher Einstellungen und Verhaltensmuster auf Bürokratie

Ursachen: Monopolstellung des Staates Speziell in sozialistischen Ländern Volkseigentum: gehört niemandem, daher von allen vergeudet unkontrollierte Machtstrukturen der Bürokratie Monopolisierung von Angeboten repressive Herrschaft

Ursachen: Ökonomische Faktoren Marktbeschränkung bzw. Marktunvollkommenheit staatliche Monopolisierung von Gütern und Dienstleistungen Ungleichgewicht Angebot/Nachfrage Preisbindung Mangelwirtschaft

Funktionen / Folgen Korruption als entwicklungsfördernder Faktor Beschleunigt Arbeit der Bürokratie (payment of speed) Schwächt Konflikte und Reibungen ab Mittel effizienter Allokation und Verteilung von Ressourcen bzw. zur Kapitalbildung und Herausbildung einer Unternehmerschaft

Chinesische Korruptionsbegriffe fubai, 腐败: kennzeichnet die Negativseiten eines Systems, einer Organisation, Struktur oder Maßnahme. Auf Menschen oder eine Regierung bezogen, meint fubai den (moralischen und sittlichen) Verfall. tanwu, 贪污: die Ausnutzung eines öffentlichen Amtes zu eigener Bereicherung.

Aktuelle Kernfaktoren Devolution: Stärkung der Selbstinteressen der lokalen Ebene Illegale Überführung von öffentlichem Eigentum in privates illegaler Kauf und Verkauf von Boden durch Funktionäre Unterschlagung staatlicher Gelder Kauf und Verkauf von Ämtern oder Stimmen

官 GUAN

Die historische Dimension Korruption in China (traditionale Formen/Nicht- Markt-Korruption) Guanxi Patronage, Klientelbeziehungen und Seilschaften Nepotismus

Unterschiede Guanxi – Korruption Unterschiedliche soziale und ethische Konzepte Guanxi basiert auf tatsächlichen oder ideellen Gemeinsamkeiten Guanxi ist mit persönlichen Emotionen verbunden Guanxi = Alternativsystem, in das sich korrupte Praktiken einbetten lassen

Gibt es kulturelle und regionale Unterschiede? Korruption in Asien: fixe Kosten, kalkulierbar Korruption in Afrika: variable Kosten, unkalkulierbar Yan Sun: Korruption in China wirkt in geringerem Maße destruktiv, verursacht weniger Kosten als in Russland. Grund: schwacher Staat in Russland, starker in China

Systemimmanente Komponenten, die Korruption begünstigen Monopolstellung der Partei fehlende Gewaltenteilung unklare Trennung von öffentlichen und privaten Räumen ökonomische Faktoren (staatliche Kontrolle der Ressourcen) kognitive Faktoren (Scheitern des revolutionären Modells, Wertewan-del) Entwicklungsdisparitäten (Stadt-Land und regionales Gefälle) Sozio-ökonomischer Wandel Wegfall des ideologischen Leitbildes

Kosten der Korruption allgemeines Misstrauen gegenüber Funktionären, Partei Staat Verschwendung öffentlicher Ressourcen politische Instabilität Umgehen von Regierungspolitik Dämpfung von Unternehmens-, Innovations- und Investitionsinitiativen fördert wachsende Einkommens-disparitäten und nicht gewünschte Verteilungseffekte Schwindende Legitimität der Partei

Korruptionsbekämpfung Warum funktioniert das nicht? Korruption wird nicht „an sich“ bekämpft, sondern nur funktionaleffizient Widerspruch zentrale-lokale Ebene rent-seeking der Funktionäre Korruptionsbekämpfung als Instru- ment zur Politikdurchsetzung

Für Korruptionsbekämpfung notwendig wären Schaffung einer Öffentlich- keit als zivilgesellschaftliche Kontrollinstanz Etablierung unabhängiger Rechtsinstitutionen ein Wandel in den Denk- und Verhaltensstrukturen der Gesamtgesellschaft

Das Beispiel der innerchinesischen Korruptionsdiskurse

Argumentation im Teildiskurs „Korruption“ Ohne freie Presse, unabhängiges Recht und autonome gesellschaftliche Kontrolle ist der Korruption nicht beizukommen (Cao Siyuan) Der Übergang von der Plan- zur Marktwirt-schaft hat eine hybride „Machtwirt-schaft“ hervorgebracht, innerhalb derer sich die Funktionäre schamlos bereichern (He Qinglian) Ausweitung der Wahlen und öffentlichen Kon-trolle über Funktionäre erforderlich (Prof. an der zentralen Parteihochschule Wang Guixiu) Unabhängiges Recht als Voraussetzung für eine effiziente Korruptionsbekämpfung (Rechtswis-senschaftler Guo Dahui)

Argumentation im Teildiskurs „Korruption“ II Einbeziehung der Öffentlichkeit und unabhän-gigere Rolle der Medien (Sun Xupei) Um Korruption im Rechtsraum einzudämmen, müssen sich Richter mit rechtlichen Mitteln gegen äußere Einmischung in die unabhängige Rechtssprechung zur Wehr setzen (Jurist He Weifang) Es kommt zu einer ernsten Krise, wenn es nicht innerhalb von 5 Jahren gelingt, Korruption in den Griff zu bekommen. Demokratische Struk-turen und unabhängige Kontrollorgane sind dafür die Voraussetzung (Ökonom Yang Fan)

Argumentation im Teildiskurs „Korruption“ III Allein die Einführung von Demokratie erlaube die erfolgreiche Bekämpfung von Korruption (Historiker Liu Junning) Ein höheres Maß an politischer Partizipation der Bürger und die damit verbundene Schaf-fung öffentlicher Kontrolle als Kerninstrument der Korruptionseindämmung (Soziologen Tao/Chen) Ausweitung politischer Partizipation der Bür-ger und die verfassungsmäßige Verankerung von Partizipationsrechten, Basisdemokratie, allgemeine und demokratische Wahlen, öffentliche Kontrolle der Politik sowie freie Medien.

Argumentation im Teildiskurs „Korruption“ IV Kontrolle durch die Politischen Konsultativkonferenzen, die nicht-kommunistischen Parteien, die Massenorganisationen sowie Personen aus allen Sphären der Gesellschaft (Politikwissenschaftler Rong/Zhong)

Vier Stränge des Korruptionsdiskurses: Transformationsstrang, dessen Vertreter im gegenwärtigen sozialen Veränderungsprozess die Ursache sehen Systemischer Strang (Systemimmanenz der Korruption als Ursache, politische Reformen als Bekämpfungsstrategie) Akteurstrang (Kaderkorruption) Moralstrang (moralischer Verfall der Funktionäre)

Korruptionsdiskurse Kang Xiaoguang (Qinghua Universität) Korruption ist zwar ein Destabilisierungsfaktor, ein allzu entschiedenes Vorgehen dagegen kann jedoch das Elitenbündnis beeinträchtigen, weil viele mittlere und untere Kader dann einkommensmäßig Nachteile zu erwarten haben Huang Renzong (Peking Universität) sofortige politische Reformen, weil ansonsten die Gefahr einer Wirtschaftsstagnation steigt und die Korruption an der Legitimität des Systems nagt. Die Erfahrungen der Sowjetunion lehren, dass der gefährlichste Faktor ist, „die Herzen der Menschen zu verlieren“.

Wang Yongcheng (Shenzhen Universität) Korruptionsdiskurse Wang Yongcheng (Shenzhen Universität) Eindämmung der Korruption wichtiger als Entwicklung politi-scher Demokratie Erhöhung der Staatskapazität Priorität gegenüber der Ausweitung politischer Partizipation

Korruption – größtes Übel für Bevölkerung Gleichwohl besitzt Parteistaat Legitimität Gründe: erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung staatliche Kapazität zur Erreichung nationaler Ziele Bewahrung politischer Stabilität Überzeugung, dass der Parteistaat China vor einem Schicksal wie dem der Sowjetunion bewahrt Unterscheidung zentraler - lokaler Staat

Korruption, Modernisierungsprozesse und Demokratie Bekämpfung der Korruption nicht Strafverfolgungsbehörden allein überlassen; alle Beteiligten, Staat, Zivilgesellschaft und privater Sektor müssen einbezogen werden Korruptionsbekämpfung muss ein internationales Projekt werden Eindämmung der Korruption als Teil von Good governance und von nachhaltiger Entwicklung

Fazit Korruption unterminiert die Herrschaft der Eliten größere Transparenz, die Etablierung von Rechtsin- strumenten und die Herstellung von Öffent- lichkeit im Sinne öffentli- cher Kontrolle sind not- wendig

KORRUPTION ENDE

Akteure: Die Streitkräfte

3 Perioden nach O. Weggel: Hirse und Gewehr (1927 - 1949) Stahl und Eisen Geld und Markt

Änderung durch Reformprozess Wiedereinführung des 1965 abgeschafften Rang-systems; Einführung eines Systems fachlicher Ausbildung und der Entlassung und Beförderung, wobei sich letzteres primär an Kriterien fachlichen Ausbil-dungsstandards orientierte; waffentechnische Modernisierung; Abbau des kostenaufwendigen Personalbestandes; Umbau von einer Politarmee zu modernen, qualifizierten und technisierten Streitkräften.

3 Punkte charakterisieren diesen Veränderungsprozess: Der Verteidigungsauftrag rückte in den Mittelpunkt Der Produktionsauftrag verlor an Gewicht Der politische Auftrag verlor an Bedeutung

3 Charakteristika der Reformära: Technisierung und Professionalisierung Gesellschaftliches Prestige der Streitkräfte hat abgenommen Neue ökonomische Perspektiven

Funktion von Streitkräften in Entwicklungsländern: Sicherung der Macht nach innen infolge einer ökonomischen Krise bzw. politischer Schwäche ziviler Institutionen Schule der Nationsbildung in einer fragmentierten Gesellschaft Wichtige Funktion im Prozess nachholender Entwicklung und Modernisierung

Interessenunterschiede Loyalitätsgruppen und Beziehungsnetz-werke unterschiedliche ökonomische Interessen unterschiedliche regionale Interessen

Anzahl der Vertreter der Streitkräfte in ZK und Politbüro (in %)

CHINA ALS GLOBAL PLAYER?

Außenpolit. Einflussfaktoren Äußere Akteure (z.B. USA) verschiedene Akteure (Partei-, Militärführung, Außenminist., Provinzen, Unternehmen) politische Zielsetzung ökonomische/ innenpolitische Lage Außenpolitik öffentliche Meinung Internationale Lage

Aufbau der Vorlesung (1) Innenpolitische Entwicklung Fragmentierter Autoritarismus Developmental State Politischer Pragmatismus Legitimität der politischen Führung Nationalismus Entwicklungstrends

Aufbau der Vorlesung (2) (2) Außenpolitik Wandel außenpolitischer Interessen Beziehungen zu den USA Taiwanfrage Beziehungen zu Russland Beziehungen zur EU Beziehungen zu ASEAN-Staaten Beziehungen zu Nordkorea China als Global Player

TEIL 1 INNENPOLITIK

Faktor 1: Fragmentierter Autoritarismus Unterschiedliche Akteure nehmen Einfluss auf Innen- und Außenpolitik Chinesischer Staat: ein heterogenes Gebilde Zunahme der öffentlichen Sphäre Vielfalt von Modellen

Nanjie-Model (Provinz Henan)

Faktor 2: Developmental state besitzt Wille zur Entwicklung bewerkstelligt eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung weiß, wann Veränderungen notwendig sind besitzt Staatskapazität

Innere Entwicklungsprobleme Korruption Politische Durchsetzungsprobleme Enormes Anwachsen der Ungleichheit Rechtliche Unsicherheit Soziale Unsicherheit Kaderwillkür

Ökonomischer Pragmatismus Faktor 3: Politischer Pragmatismus Kernpunkt der politischen Kultur Chinas Ökonomischer Pragmatismus Politischer Pragmatismus („3 Vertretungen“, 三个代表) Ideologischer Pragmatismus („harmonische Gesellschaft“) Legitimierung des Systems: nicht ideologisch, sondern funktional Prof. Dr. Thomas Heberer Institut für Ostasienwissenschaften Uni Duisburg-Essen

Faktor 4: Regimelegitimität Politische Führung besitzt Legitimität

Faktor 5: Chinesischer Nationalismus Inklusiver Nationalismus (binnenorientiert) Modernisierungsnationalismus Integrationsnationalismus Nation-building (Taiwanfrage)

Trends Entwicklung („Modernisierung“) übergeordneter Faktor > innenpolitische Zielhegemonie Transformationsprozess wirkt nachhaltig auf außenpolitische Entscheidungen ein China - ein „lernender“ Staat: Innenpolitische Lerneffekte werden auf außenpolitisches Handeln angewendet Innere Spannungen bergen Konfliktpotenziale Innenpolitische Destabilisierung hätte gewaltige Auswirkungen auf regionale und globale Stabilität

TEIL 2 AUSSENPOLITIK

Außenpolitische Interessen Sicherung eines ruhigen/stabilen Umfeldes für Wirtschaftsentwicklung (Modernisierungsdiplomatie) Ökonomisierung der Außenpolitik Förderung einer multipolaren Weltordnung Unabhängige Außenpolitik Verbesserung des intern. Ansehens Sicherung der Energieversorgung Wiedervereinigung mit Taiwan

Unterschiedliche Interpretation chinesischer Außenpolitik Realismus: Ziel chin. Außenpolitik = Großmacht in einer multipolaren Welt Liberalismus: Wachsende ökonomische Interdependenz fördert friedlich-kooperative Außenpolitik Theorie d. Handelserwartungen: Positive Erwartungen führen zu kooperativer Außenpolitik und umgekehrt

Konfliktfaktoren chinesisch-amerikanischer Beziehungen Multilateralismus versus Unilateralismus Taiwanfrage Chinas ökonomische Herausforderungen Menschenrechtsfragen

Chin. Perzeptionen der US-Politik USA wollten Chinas Aufstieg verhindern Einkreisung Chinas Förderung der Unabhängigkeit Taiwans Einmischung in innere Angelegenheiten im Namen der Menschenrechte Sagt endlich „Nein“ gegenüber US-amerikanischer Schikane

Pekings Dilemma Einerseits Interesse an guten Beziehungen zu USA; andererseits permanente US-Politik der Nadelstiche einerseits „weiche“ Politik Chinas; andererseits „harte“ der USA einerseits „weiche“ Politik der chin. Führung; andererseits „harte“ Haltung großer Bevölkerungsteile

Taiwan-Frage

Haltung der Regierung Bush gegenüber Taiwanfrage Gegen staatliche Unabhängigkeit Für Sicherung des Status quo Pekinger Drohungen militärischer Maßnahmen ernst nehmen Dialog mit Peking führen

Lösungsmöglichkeit Taiwanfrage Interessen Taiwans: (a) Sicherheit und Fortsetzung seiner Autonomie und Demokratie; (b) Handels- und Investitionswachstum mit VR Interessen VR: (a) Wirtschaftswachstum; (b) Reintegration Taiwans

VR China bietet: Taiwan kann politisches System, Rechtssystem, eigene Währung und eigene Streitkräfte behalten VR schickt kein Verwaltungspersonal nach Taiwan

Ergebnis wäre: „Taiwan plus“: Selbstverwaltung Taiwans bei gleichzeitig größerer Sicherheit und stärkerer internationaler Präsenz

Kernfaktoren der russisch-chinesischen Beziehungen Keine großen Hindernisse auf zwischenstaatlicher Ebene Übereinstimmung in wichtigen Fragen der internationalen Politik beide gegen Dominanz der USA und gegen Unilateralismus (Shanghaier Org. für Zusammenarbeit) Wirtschaftskooperation Russische Waffenlieferungen

Beziehungsgefüge China-EU EU an umfassender Partnerschaft interessiert aber: für China sind USA wichtiger als EU; für EU sind USA wichtiger als China EU als Gegengewicht zu den USA wichtig: Funktion als Handelspartner Für EU: China wichtigstes Land in Asien in sensitiven Fragen: EU diskreter als USA „Building a comprehensive partnership with China“

EU: Gegengewicht gegenüber den USA China: Anziehungspunkt für europäische Firmen EU als Markt für Chinas Exporte EU als strategischer Partner in einer multipolaren Welt Wachsende Kraft der EU durch Ost- erweiterung

CHINA - ASEAN ASEAN-Staaten fürchten Chinas wachsende wirtschaftliche und militärische Stärke Territorialkonflikte Bildung einer Freihandelszone bis 2010 Vertrauensbildung (ASEAN + 3) Aber: ASEAN begreifen China nicht als Gegengewicht gegen USA

CHINAS OFFENSIVE IN OST- UND SO-ASIEN Vereinbarung einer „Strategischen Part-nerschaft“ (2003), nicht-militärisch und ohne Blockbindung Road-map für eine NO-asiatische Freihandelszone, einen Asian Monetary Fund und eine „Organization of East Asian Cooperation“

China und Nordkorea CHINA ist größter Außenhandelspartner und Hauptlieferant von Hilfsgütern ist wenig an substantiellen Änderungen in Nordkorea in-teressiert Einfluss macht es interessant für USA kann sich über Nordkorea Einfluss auf koreanischer Halb-insel sichern hat kein Interesse am Entstehen einer Atommacht Nord-korea Beistandspakt mit Nordkorea

Trends im außenpolitischen Handeln Wandel von konfliktärem Staat zu kooperationsbereitem Mitglied der Staatengemeinschaft Zunehmende Beteiligung an Weltinnenpolitik Nationale Interessen stehen im Vordergrund Nationalismus (noch) weitgehend nach innen gerichtet

China als Global Player China ist nach wie vor ein Entwicklungsland Oberstes Ziel bleibt die ökonomische Entwicklung Innenpolitische Interessen haben Vorrang vor außenpolitischen Seine militärische Stärke ist begrenzt Sein internationaler Einfluss ist gering Nationalistische Strömungen könnten zu einer Herausforderungen für die Parteiherrschaft und eine gemäßigte Außenpolitik werden Das Beteiligungsinteresse an der Weltinnenpolitik wird weiter zunehmen

Entwicklungsoptionen in China Schaubild: Heberer