Hauptseminar : Der sozialphilosophische Begriff der Liebe

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 Präsentation transkript:

Hauptseminar : Der sozialphilosophische Begriff der Liebe Universität zu Köln Philosophisches Seminar Sommersemester 2010 Dozent: Dr. Markus Wirtz Hauptseminar : Der sozialphilosophische Begriff der Liebe 3. Seminartag 19. 6. 2010 : „Liebe als Kommunikation“

Lektüreprogramm: Luhmann, Niklas: Liebe. Eine Übung. Frankfurt a.M. 2008, S. 9-42 Finkielkraut, Alain: Die Weisheit der Liebe. München/Wien 1988 (Auszug „Das geliebte Antlitz“. In: Liebe. Ein philosophisches Lesebuch. Hrsg. v. Kai Buchholz. München 2007, S. 353-363) Barthes, Roland: Fragmente einer Sprache der Liebe. Frankfurt a.M. 2003 (Auszug in: Liebe, S. 364-372)

Veranstaltungshinweis: Freitag, 9. 7. 2010: „Liebe als Konversion des Bewusstseins“ Vortrag von Prof. Dr. Konrad Utz (Fortaleza, Brasilien) 18.30-20.00, Raum 4.016

Niklas Luhmann * 8. 12. 1927 – + 6. 11. 1998 1954-1962: Verwaltungsbeamter in Lüneburg Promotion & Habilitation 1966 1968-1993: Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld Begründer der soziologischen Systemtheorie Gesellschaft als ein Prozess sozialer Kommunikation Gesellschaftliche Funktionssysteme orientieren sich an symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien (Beispiel: das System „Wirtschaft“ an „Geld“) Einfluss der Systemtheorie in zahlreichen Disziplinen, u.a. Soziologie, Philosophie, Psychologie, Ökonomie (Theorie des Managments), Literaturwissenschaft

Wichtige Werke von Niklas Luhmann Funktionen und Folgen formaler Organisationen (1964) Zweckbegriff und Systemrationalität (1968) Liebe als Passion (1982) Soziale Systeme (1984) Beobachtungen der Moderne (1992) Die Realität der Massenmedin (1996) Die Gesellschaft der Gesellschaft (1997)

Niklas Luhmann, « Liebe als Passion » (S. 9-15) Voraussetzung: Liebe wird als ein Kommunikationsmedium analysiert, nicht als ein Gefühl. Ausgangspunkt: Kontingenz der modernen Lebenswelt (sie bietet den Individuen mehr Möglichkeiten, als sie je ergreifen können) Kommunikation als Ordnungsmedium in einer kontingenten, unübersichtlichen Welt, das Motivation durch Selektivität ermöglicht Beispiele für Kommunikationsmedien: Wahrheit, Macht, Geld, Kunst … und Liebe Unterscheidung der Kommunikationsmedien nach der Art ihrer Sinnverarbeitung: 1) durch Erleben (Wahrheit, Kunst, Liebe) 2) durch Handeln (Macht und Geld)

Niklas Luhmann, « Liebe als Passion » (S. 15-17) Liebe verändert zunächst das Erleben der Welt, indem sie bestimmten Dingen, Ereignissen une Personen eine besondere Überzeugungskraft verleiht. Erst in zweiter Linie motiviert sie zum Handeln, das sich auf die Erlebnisweise eines anderen Menschen richtet. Unspezifische kommunikative Offenheit als Eigenschaft sozialer Systeme, die sich auf Liebe hin strukturieren Bedingung für ein realistisches Erwarten der Erwartungen des anderen Bedeutung institutionalisierter Diskretion, die von beiden Partnern anerkannte Systemgrenzen voraussetzt

Niklas Luhmann, « Liebe als Passion » (S. 18-19) Besonderheit der Liebe in der Verbindung von Selektionsform und Motivation: Die Individualität des Erlebenden wird nicht neutralisiert, sondern stellt den Bezugspunkt dar Die Liebe bestätigt eine konkrete Nahwelt, indem sie eine enge, auf die Sich-Liebenden beschränkte Auswahl trifft Konkretisierung und Sinnverdichtung durch Einschränkung der intersubjektiven Übertragbarkeit bis hin zur Monogamie

Niklas Luhmann, « Liebe als Passion » (S. 20-23) Spezifische Funktion des Mediums Liebe: Vermittlung einer doppelten Sinnbestätigung 1) Ichsein: unbedingte Bestätigung des eigenen Selbst, Konvergenz von Eigen- und Fremderwartungen des Ich 2) Weltkonstitution: gemeinsame Konstitution einer Nahwelt der Lebensführung une Interaktionssteuerung, des reziproken Erwartens von Erwartungen Funktionsbasis der Liebe: sehr konkretes, alternativenarmes Niveau der personalen Erlebnisverarbeitung in der Nahwelt; Kontingenz wird ausgeblendet Dadurch ist Liebe als gesamtgesellschaftlicher Mechanismus unersetzlich.

Niklas Luhmann, « Liebe als Passion » (S. 24-27) Durch die Verschränkung von Ichsein und Nahweltkonstitution werden Individuen auch im Falle von Schicksalsschlägen stabilisiert. Liebe ist zwar nicht durch andere Kommunikationsmedien zu ersetzen, sie ist aber auch keine ahistorische Naturkonstante oder eine ewige moralische Idee. Ihre Ausdrucksmöglichkeiten und sozialen Integrationsformen sind stetem Wandel unterworfen. Komplexitätszunahme infolge sozialer Evolution Dadurch verändern sich auch die Ausgangsbedingungen der Kommunikationsmedien: sie trennen sich voneinander, spezifizieren sich funktional Liebe wird in Formen institutionalisiert, die ihrer Funktion entsprechen und den gestiegenen gesellschaflichen Ansprüchen genügen

Niklas Luhmann, « Liebe als Passion » (S. 27-34) Ablesbarkeit der Ausdifferenzierung und funktionalen Spezifikaton der Liebe an geistesgeschichtlichen Interpretationen (literarische « Mythologie der Liebe ») Begriffsentwicklung philos – philia – amicitia – amour Evolutionärer Erfolg der Liebe nicht in ihrer Universalität, sondern in ihrer Einschränkung: Liebe als « amour passion » (seit dem ausgehenden Mittelalter) Institutionalisierung der Liebe als Passion in der Neuzeit Symbol für die gesellschaftliche Ausdifferenzierung von Intimbeziehungen Das verselbstständigte Kommunikationsmedium Liebe erfüllt seine gesellschaftliche Funktion um so wirksamer

Niklas Luhmann, « Liebe als Passion » (S. 27-42) Freiheit der Partnerwahl aufgrund individueller Passion; « Liebesheirat » Ergebnis: Reflexivität der Liebe → das Lieben selbst wird geliebt bzw. der Liebende liebt sich selbst als Liebenden und Geliebten und liebt den Anderen als Liebenden und Geliebten Umcodierung von Sexualität: sie wird in das Kommunikationsmedium « Liebe » eingebaut

Alain Finkielkraut * 30. 6. 1949 Professor für Philosophie an der École polytechnique in Paris Gründer der Zeitschrift « Le Messager Européen »; Moderator beim Radiosender France Culture Kritik an der « Barbarei der modernen Welt » in Anknüpfung an Hannah Arendt Interesse an aktuellen politischen Themen Eintreten gegen jegliche Form des Kulturrelativismus sowie gegen Antisemitismus Wichtige Werle: Le juif imaginaire (Der eingebildete Jude, 1981) La défaite de la pensée (Die Niederlage des Denkens, 1987) L’humanité perdue (Verlust der Menschlichkeit, 1996)

Roland Barthes * 12. 11. 1915 – + 26. 3. 1980 1977-80 Lehrstuhl für Semiotik am Collège de France französischer Literaturkritiker, Schriftsteller, Philosoph und Semiotiker Verbindung von Methoden des Strukturalismus, des Marxismus und der Psychoanalyse zur Untersuchung von Phänomenen wie Literatur, Film, Mode Wichtige Werke: Mythologies (Mythen des Alltags, 1957) Système de la mode (Die Sprache der Mode, 1967) Le plaisir du texte (Die Lust am Text, 1973) Fragments d’un discours amoureux (Fragmente einer Sprache der Liebe, 1977)