Vom Vereinbarkeitsdilemma zur Work-Life-Balance Dr. Karin Jurczyk Neue Zeiten? Anforderungen an die Arbeitszeitpolitik Berlin, 5. September 2005
Das Problem ist bekannt „Eines ist zuwenig, beides ist zuviel“ Steigende Müttererwerbstätigkeit Neue Geschlechterkonzepte Veränderungsresistente Alltagspraktiken Fordistische Arbeitswelt und Infrastrukturen
Das klassische Vereinbarkeitsdilemma Teilzeitarbeit von Müttern Lange Arbeitszeiten von Vätern Die modernisierte Versorgerehe Ambivalente Mischungen Tradition + Über/Unterforderungen
Neue Konstellationen – neue Ansprüche Entgrenzung von Familie Entgrenzung von Erwerbsarbeit These:1+1 funktioniert nicht mehr! Vereinbarkeit als Euphemismus – prekäre Balancen als Realität
Entgrenzte Familie Vervielfältigung von Familienformen: Alleinerziehende, NEL‘s, Regenbogenfamilien, LAP‘s Erweiterte Familien durch Trennung und neue Partnerschaft Von den Blutsbanden zum Fürsorgezusammenhang: Wechselseitige, verbindliche Fürsorge im Zentrum Familie - Haushaltsübergreifende multilokale Netzwerke Die Aushandlungsfamilie - Ansprüche auf Gleichheit Familie als alltägliche und biografische Herstellungsleistung
(Neue) Ansprüche an Arbeitszeiten Familie braucht Flexibilität und Verlässlichkeit: Fürsorgearbeit bedarf spezifischer Zeitqualität Wechselnde, unvorhersehbare Zeitbedarfe Gemeinsame Zeit als Bedingung für Familie Mütter, Kinder, Väter wollen Zeit für Beziehungen und Erwerbsarbeit: 30-35-Stundenwoche als Ideal Gewünscht: Gleitzeit, Arbeitszeitkonten, Telearbeit, Jobsharing, Elternzeit + Teilzeit
Entgrenzte Erwerbsarbeit Flexibilisierte und verlängerte Arbeitszeit (Polarisierung nach Qualifikation) (Räumliche Mobilität Unsicherheit und Diskontinuität im Erwerbsverlauf) Intensivierung/Subjektivierung der Arbeit Flexibilisierung schafft prinzipiell Freiräume Verlängerung + Intensivierung verengt sie
Die „24/7“ Gesellschaft und ihre Konsequenzen (Presser 2003) Veränderungen im individuellen Wohlbefinden (Gesundheit, psychologische Probleme) Ökonomischer Wandel Negative Effekte auf Ehequalität und -stabilität Wandel der Arbeitszeit Wochenendarbeit Nachtarbeit Schichtarbeit Demographi- scher Wandel Veränderungen im „familialen Funktionieren“ Veränderungen in der „Zeitgestalt“ des Familienlebens (positiv und negativ) Technologi- scher Wandel Gestiegene Komplexität in der Kinderbetreuung
Komplexität der Kinderbetreuungszeiten Steigender Betreuungs- und Bildungs-bedarf der Kinder Mütter-Teilzeittätigkeit zu untypischen Zeiten (Nachmittag, Abend, Samstag) Starre und kurze Öffnungszeiten der Kita‘s Unabgestimmtheit kommunaler und betrieblicher Zeitinstitutionen (Verkehr, Behörden)
Räumliche Mobilität Umzüge Dienstreisen Mehrere Arbeitsorte Wochenendpendeln Lange tägliche Arbeitswege Arbeiten zu Hause
Unsicherheit im Erwerbsverlauf Immer weniger feste Jobs Häufige Erwerbslosigkeit Tätigkeitswechsel Prekäre Einkommen
Von der Vereinbarkeit zur prekären Balance Veränderte Erwerbswelt wirkt in die Familie ein Zunahme unerwünschter Flexibilität Chancen und Risiken postfordistischer Strukturen Jobs für beide – weniger Zeit für alle Erhöhte Gestaltungsleistung -ressourcenabhängig Familien praktizieren prekäre Balancen
Work-Life-Balance heute
Notwendigkeiten für Work-Life-Balance: Rahmensteuerung Keine Arbeitszeitverlängerung für Beschäftigte mit Fürsorgeaufgaben: Achtung Väter! Vermeidung typischer Familienzeiten (Abend, Wochenende) Das Dilemma: Hauptsache Arbeit?! Die Durchsetzung des Zweiverdienermodells mit Fürsorgepflichten als Organisationsprinzip der Erwerbswelt Das Revival der 35-Stundenwoche: Dänemark als Beispiel Kommunale und betriebliche Akteure stimmen ihre Zeiten ab: die Zeiten der Stadt
Feinsteuerung familiengerechter Arbeitszeit: Verfahren Beteiligungsorientierung als Muss: Anerkennung und Einbezug vielfältiger Bedarfe Dynamische Anpassungen: Wandel als Normalität Kontrollierte Flexibilität: Ankündigungsfristen Entnahmerechte bei Arbeitszeitkonten Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Kompromissorientierung als Soll Schulung der Betriebsräte
Modelle - Realisierungschancen Good-Practice-Beispiele existieren Faktoren bei Umsetzung: Unternehmensgröße + Branche Bedeutung der Unternehmenskultur Familienorientierung rechnet sich – auch im Globalisierungswettlauf? Diskussion um Geburtenrate und Mangel an qualifizierten Arbeitskräfte als Chance Unabdingbarkeit einer langfristigen Perspektive
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