Flächentarifvertrag und Mindeststandards zwischen Erfolg und Erosion - 5 Thesen und einige Argumente - Dr. Reinhard Bispinck WSI in der Hans-Böckler-Stiftung.

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 Präsentation transkript:

Flächentarifvertrag und Mindeststandards zwischen Erfolg und Erosion - 5 Thesen und einige Argumente - Dr. Reinhard Bispinck WSI in der Hans-Böckler-Stiftung

These 1 Flächentarifverträge prägen nach wie vor die Arbeits- und Einkommensbedingun-gen. Das Tarifsystem ist (noch) relativ stabil.

Tarifbindung 1998 – 2002 (in %) 76 73 70 76 71 70 63 57 56 55 56 IAB-Panel

Das Tarifsystem ... ... differenziert nach Branchen und Regionen Im Westen: 63 % der AN in Flächen-TV 7,6 % AN in FirmenTV 15 % der AN mit Orientierung am TV ... differenziert nach Branchen und Regionen 300 Tarifbranchen 1.100 sektoral und regional unterschiedliche Tarifbereiche

These 2: Im deutschen Sozialstaatsmodell sind gesetzliche und tarifliche Mindeststan-dards eng miteinander verknüpft.

Unmittelbare Einkommensbedingungen Lohn, Gehalt, Zuschläge, Sonderzahlungen Überwiegend tarifvertraglich geregelt Gesetzliche Ergänzungen: AVE, Entsendegesetz, Heimarbeitsgesetz

Arbeitsverhältnis/Arbeitsbedingungen II. Arbeitsverhältnis/Arbeitsbedingungen Kündigungsfristen, Arbeitszeit, Urlaub, Arbeits- und Gesundheitsschutz u.a. Gesetzliche Mindeststandards Tarifliche Ergänzungen/Verbesserungen

III. Soziale Sicherung Krankengeld, Kurzarbeitergeld, Altersteilzeit, Altersversorgung Überwiegend gesetzlich geregelt Tarifliche Verbesserungen und Umsetzung

These These 3: Dieses gemischte System von gesetzlicher und tariflicher Festsetzung von Mindeststandards hat sich bis heute bewährt. Es gewährleistet Stabilität und bietet die Möglichkeit zu flexibler Anpas-sung.

Funktionen der Festsetzung von Mindest-standards durch Flächentarifverträge Aus Arbeitnehmersicht Schutzfunktion Verteilungsfunktion Partizipationsfunktion Solidaritätsfunktion Aus Arbeitgebersicht Ordnungs- und Befriedungsfunktion Kartellfunktion Produktivitätsfunktion

Der Weg zu flexiblen Flächentarifverträgen: Seit 1984: Flexibilisierung der Arbeitszeit Seit 1993: Härtefall- und Öffnungsklauseln Seit 2002: Ertragsabhängige Entgeltge- staltung Heute: In 80 Tarifbereichen mit 15 Mio. AN mehrere hundert Öffnungsklauseln.

Tarifliche Öffnungs- und Härtefallklauseln Allgemeine Härtefallklauseln Arbeitszeit - Verlängerung, Korridor, Verkürzung (ohne Lohnausgleich) Lohn, Gehalt - Tariferhöhung (Aussetzung, Verschiebung) - Tarifabsenkung (Einkommenskorridor) - neue (niedrigere) Lohngruppen - Einstiegstarife Weitere Vergütungsbestandteile - Sonderzahlung - Urlaubsgeld - Zulagen/Zuschläge

These 4: Es gibt systematische Defizite bei der Festsetzung und Durchsetzung von Mindeststandards.

Probleme: Weiße Flecken auf der Tariflandkarte Tarifliche Niedriglöhne Effektiv gezahlte Armutslöhne Erosion bewährter Instrumente wie z.B. AVE Mangelnde Kontrolle gesetzter Standards, z.B. Mindestlöhne (nach AEntG)

These 5: Die Beseitigung dieser Defizite ist Aufgabe der Tarifparteien und des Gesetzgebers. Vonnöten ist eine Stabilisierung des Flächentarifvertrags „am unteren Ende“.

Reformmaßnahmen zur Sicherung von Mindeststandards: Weiterentwicklung der Tarifverträge bei Einhaltung der Regelungsstandards Reform des Instruments der AVE Ausweitung von Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen Prüfung gesetzlicher Mindestlöhne

www.tarifvertrag.de

Lohnstückkosten 1 D D 1 Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit in Relation zum realen BIP; saisonbereinigt.