Moderne HRT: Wann - wie - wie lange - wie hoch - welche? Dr. Katharina Schiessl Klinik für ReproduktionsEndokrinologie Universitätsspital Zürich
Klimakterisches Syndrom Hormonelle Imbalance Vegetative Imbalance Verschiedene oder unklare Ursachen Mediziner beschreiben das Klimakterische Syndrom und versuchen es, Ursachen zuzuordnen. Reizblase oder Urinverlust Insgesamt betrifft das Syndrom in schwererer Ausprägung ca. 1/3 der Frauen in den Wechseljahren Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Wechseljahrsbeschwerden Reizbarkeit 92 % Antriebsschwäche 88 % Depression 78 % Kopfschmerzen 71 % Hitzewallungen 68 % Vergesslichkeit 64 % Gewichtszunahme 61 % Schlafstörungen 51 % Rückenschmerzen 48 % Herzjagen 44 % Weinkrämpfe 42 % Völlegefühl 37 % Dysurie 20 % Libidoverminderung 20 % (Breckwoldt et al, Exempla endokrinologica 1995) Aber zurück zu den Wechseljahren und der Frage, ob sie eine Krankheit sind. Damit sind die Leitsymptome eher unspezifisch und ganz und gar nicht erstrebenswert, sind aber doch mehr Befindlichkeitsstörungen als echte Krankheit, zumindest im allgemeinen Verständnis. Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Symptome Menopause Freeman et al. Obstet Gynecol 2007;110(2):230-240 Hitzewallungen Schlafstörungen Beobachtungsstudie prospektiv randomisiert 1997-2006 n = 404 Frauen 36-49 Jahre MP korreliert mit Hitzewallungen, Gelenkschmerzen + depressiver Stimmungslage Depressive Stimmungslage ist Frühsymptom, bessert sich in PMP Gelenkschmerzen Perimenopause Hitzewallungen in PMP Gelenkschmerzen Libidoverlust Depression Trockene Vagina PMP PräMP sPräMP fPeriMP sPeriMP PMP PräMP sPräMP fPeriMP sPeriMP Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl leicht mittel-schwer
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl Multivarianzanalyse MP-Beschwerden Freeman et al. Obstet Gynecol 2007;110(2):230-240 Hitzewall. Gelenk-schmerzen Depression Schlafst. Libido-verlust Trockene Scheide Alter + MP-Status E2-Schwankung E2-Spiegel (+) FSH Inhibin b Stress + + ++ Depression i.A. BMI Afroamerikanerin Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Wunsch der Patientinnen Symptombehandlung Verlangsamung von Alterserscheinungen Gesundheits- und Mobilitätserhalt Risikoarmes Nebenwirkungsprofil Vermeidung von Übergewicht Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl „Die Wechseljahre sind keine Krankheit, sondern eine vielleicht turbulent verlaufende Lebensphase, in der die Chance besteht, den Umgang mit dem eigenen Körper zu überdenken und eine Standortbestimmung vorzunehmen…“ ( Prof. P. Kolip, Sozialepidemiologie Uni Bremen) Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl Hormonersatztherapie: Die Idee der Prävention – vom Behandeln zum Vorbeugen Positive Erwartungen: Prophylaxe bezüglich arteriosklerotisch bedingten Herzkreislauferkrankungen (primär + sekundär) Verhinderung osteoporosebedingter Frakturen Verhinderung oder Verzögerung der Altersdemenz Negative Erwartungen: Möglicher Anstieg der Thrombosehäufigkeit Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Todesursachen Schweizer Frauen Das Risiko am Herzinfarkt zu sterben ist 10x hoher als das an Brustkrebs zu sterben Bundesamt für Statistik, 2002 Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Heart and E/P Replacement Study Hulley et al.1998;JAMA 280:605-652 randomisiert doppelblind placebokontrolliert n=2763 Frauen, Durchschnittsalter 67 Jahre 0,625mg CEE + 2,5 mg MPA versus Placebo Untersuchungsziel: Sekundärprävention des Herzinfarkts Reinfarktrate in den ersten 4 Monaten mehr als verdoppelt, in den ersten 4 Jahren signifikant erhöht Hormontherapie zur Sekundärprophylaxe im ersten Jahr nach Myokardinfarkt ungeeignet Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
WHI: Women‘s Health Initiative Follow-up in der WHI Extension study bis 2010 Multizentrisch (40 ) Rekrutierung 1993 – 1998 n=161.608 Frauen , 50 – 79 Jahre Ziel: Präventive Strategien gegen kardiovask. Krankheiten, osteoporot. Frakturen, Brust- und Colonkarzinom Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
WHI Hormontherapiestudie: Kritische Anmerkungen Ausschluss Frauen mit Wechseljahrsbeschwerden Ca. 50 % hatten kardiovaskuläre Risiken 5-10 % schwere manifeste Erkrankungen Mittleres Alter 63 - 64 Jahre, nur 10 % unter 55 J 40 % in beiden Armen beenden die Studie vorzeitig Frühere Hormontherapie nur bei Auswertung bez. Mammakarzinom angegeben Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
NHS: Aktuelle Auswertung bezüglich kardiovaskulärer Risiken Reduktion der koronaren Ischämien (32–50%), wenn HT– Beginn max. 4 Jahre postmenopausal (auch kombiniert). Effekt verliert sich, wenn Beginn >10 Jahre pm Risiko für ischämischen Insult steigt mit Östrogendosierung (RR 1.35/1.45) Bessere Überlebenschancen bei Colonkarzinom für Frauen, die jemals HT einnahmen Grodstein et al J Women‘s Health 2006;1535-44 Chan et al J Clin Oncol 2006;24:5680-6 Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl ESTHER: HT und Thromboembolien Canonica et al. Circulation 2007;115:840-845 VTE % Kontrolle % Transdermale E2-Therapie 26 29 Orales E2 17.4 6.5 Kein Gestagen 5.4 6.7 Mikronisiertes Progesteron 7.4 10.4 Pregnane 15.1 13.1 Norpregnane 15.5 6.1 Multizentrische (8) klinikzentrierte retrospekt. Fallkontrollstudie Frankreich 1999-2006 N = 259 Frauen hospitalisierte + ambulante Patientinnen mit Erstmanifestation einer VTE N = 603 hospitalisierte Kontrollen + Frauen aus Bevölkerungsstichprobe Estrogen and ThromboEmbolismrisk sStudy Group Pregnane: Dydrogesteron, Medrogeston, CMA, CPA, MPA Norpregnane: Nomegestrolacetat, Promegeston Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl ESTHER-Studie: Kritikpunkte Canonica et al. Circulation 2007;115:840-845 Fallkontrollstudie anfällig für Bias: ungleiche Verteilung von Risikofaktoren Kleine Fallzahlen, ungleich verteilt Widersprüchliche Vorergebnisse zu Gestagenen Im deutschsprachigen Raum ungebräuchliche Norpregnane Vorergebnisse ähnlich in Fallkontrollstudie Scarabin et al 2003 Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl Window of opportunity? Hypothese: Östrogene früh genug eingesetzt sind kardioprotektiv Kronos Early Estrogen Prevention Study Frauen 42-58 Jahre 6 – 36 Monate postmenopausal Beobachtungszeit 4 Jahre CEE 0.45mg vs.transd. 0.05 mg vs. Placebo + mikron. Progesteron oral zyklisch Phoenix, Arizona Kronos logevity research Institute www. keepsstudy.org Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
WHI Memory Study 2004 (WHIMS) Espeland et al.JAMA 2004;291(24) n=2947 Frauen, 65-79 Jahre 1x jährlich Testung mit validiertem Verfahren (Modified Mini-Mental State Examination) Eher Verschlechterung der kognitiven Funktion und mehr Fälle von Demenz unter Hormontherapie (HT/ET) versus Placebo Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl Niedrig dosierte Hormon-Therapie Peeyananjarassri K, Baber R. Climacteric 2005;8:13-23 Review aller prospektiv randomisierten placebokontrollierten Studien: Low-dose HT versus Placebo oder Standarddosis Wechseljahrsbeschwerden Knochendichte Endometriumsveränderungen kardiovaskuläres System Nebenwirkungen gleiche Wirkung wie Standarddosis auf Wechseljahrsbeschwerden, Knochendichte und kardiovaskuläre Surrogat-Parameter bei weniger Nebenwirkungen Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl Niedrig dosierte Hormon-Therapie van de Weijer et al. Maturitas 56 (2007):231-248 Review: Studiendauer mindestens zwei Jahre Low dose kombinierte HT ( 0.3 mg CEE – 1 mg E2, versch. Gestagene) Gleich effektiv bezüglich Knochendichtesteigerung, klimakt. Symptomen + Endometriumsprotektion Kein negativer Einfluss kardiovaskulär Blutungsprobleme geringer als bei Standarddosis Verbesserte Lebensqualität Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl Niedrig dosierte kombinierte Therapie van de Weijer et al. Maturitas 56 (2007):231-248 Problem: keine Ergebnisse für Langzeitendpunkte wie Frakturhäufigkeit Brustkrebs kardiovaskuläre Erkrankungen Studien nicht vergleichbar (untersch. Substanzen) wenig langdauernde Studien Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl Risikofaktoren für psychische Probleme während der Wechseljahre Hunter M, Rendall M. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol 2006 (21): 261-274 Frühere psychische Probleme Niedriger sozialer, Erziehungs- und Beschäftigungsstatus Gesundheitsprobleme Stresserlebnisse (stressfull live events) BMI Rauchen Innere Einstellung zu MP und Alter Frühe Lebensumstände und Erlebnisse stärkere Assoziation mit psychosozialen Faktoren als mit Menopause an sich Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Aktuelle Datenlage Hormontherpie wenig randomisierte kontrollierte Studien-Daten zu perimenopausal oder früh postmenopausal begonnener Langzeithormoneinnahme grosse Studien mit Hormonbehandlungsbeginn in der späten Postmenopause Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Aktuelle Datenlage: HRT Frakturprophylaxe bewiesen Effektivste Therapie gegen Hitzewallungen Nachtschweiss Urogenitale Atrophie Östrogene Insulinresistenz und BZ-Spiegel Bei frühem Beginn eher positiver Einfluss auf kardiovaskuläre Erkrankungen Bei spätem Beginn negativer Einfluss auf kardiovaskuläre Erkrankungen Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Aktuelle Datenlage: Hormontherapie Colonkarzinom , Verlauf Östrogeneinfluss für Daten Mammaca unklar Risiko Thromboembolien und Insult bei oraler Gabe Verschlechtert beginnende/bestehende Demenz Cholelithiasis Verbessert Wirkung Antidepressiva Zanardi et al.2006;Eur Neuropsychopharmacol. 2007 May-Jun;17(6-7):400-5 Mortalität sinkt nicht bei Therapiebeginn >60 Jahre Salpeter et al. J Gen Entern med 2004;19:791-804 Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Unerwünschte Nebenwirkungen Blutungen Brustspannen, Brustschmerzen Gewichtszunahme Pathologische Endometriumbefunde Entscheidend für Compliance Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl HT und Ovarialkarzinom: Million Women Study Beral et al, Lancet 2007: online publ. April 19 1000 Tote an Ovarialca 1991-2005 durch HT (Untersuchung selbst ging aber nur von 1996-2001) In Realität sind das 0.8 zusätzliche Fälle pro 10.000 Frauen/Jahr Stevenson, London vom Imperial College des Royal Brompton Hospital Freiburg 4/07: Can one million women go wrong when even one woman cant go wrong (Mrs. Stevenson, personal communication) Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl Offene Fragen Gelten die kombinierten Hormontherapiedaten für alle Gestagene? Gibt es Risikounterschiede bei verschiedenen Östrogenen Chang M et al. Endocrinology 2007;148(10):4793-4802 Wie verhält sich das Benefit- und Risikoprofil bei niedrigeren Östrogendosen? Wie bei Kombination mit LNG-IUD? Varma et al, Eur J Obstet Gynecol Repr Biol 2006;125:9-28 Gibt es Östrogendosierungen, die das Risiko für Endometriumkarzinom nicht erhöhen? Können Veränderungen der Lebensführung die Risikoprofile der Hormontherapie verändern? Varma,Rajesh et al 2006 EJOG: Systematischer Überblick über nicht-antikonzeptive Indikationen für IUD mit Gestagen Pettee, K et al 2007.Menopause 14(1):115-122 zu Einfluss von physischer Aktivität auf Lipidprofile mit und ohne HRT Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl Moderne HRT: Wann? bei hormonabhängigen Wechseljahrs-Beschwerden und bei Wunsch der Patientin, wenn keine Kontraindikationen bestehen Nach gemeinsamen Abwägen der möglichen Vor- und Nachteile anhand der aktuellen Datenlage bei Osteoporose oder Osteoporosegefährdung als Mittel der zweiten Wahl Bei Klimakterium praecox solange keine strengen KI Prinzip: So früh wie möglich + nötig beginnen Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl Moderne HRT: Wie? Regelmässig kontrolliert Möglichst vom Profil auf Patientin zugeschnitten Tendenz zur transdermal Therapie wegen vermindertem Thromboembolierisiko (?) Bei Hypertriglyceridämie keine orale Gabe Keine ausreichenden Daten für transvaginale Gabe bezüglich Risikoprofil Prinzip: so risikoarm wie möglich Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl Moderne HRT: Wie lange? 5-7 Jahre scheinen unbedenklich in Bezug auf Risiken Bei weiterbestehenden Beschwerden nach Risiko/Nutzenabwägung mit der Patientin Bei Klimakterium praecox 50.-52. Lebensjahr Prinzip: So lang als nötig z.B. Langzeit bei Symptomen und Osteoporose Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl Moderne HRT: Wie hoch? Entsprechend der Ausgangslage: Klimakterium praecox 1-2mg Östradiol bzw. Äquivalent + Gestagen in Transformationsdosis Perimenopausal je nach Stadium Postmenopausal so niedrig wie möglich, um gewünschten Effekt zu erzielen Prinzip: So niedrig wie möglich Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl
Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl Moderne HRT: Welche ? Gestagene bevorzugt in der Perimenopause Östrogen allein bei Zust. n. HE Kombiniert Östrogen-Gestagen auch bei Endometriumablation oder suprazervikaler HE Perimenopausal häufig LNG-IUD vorteilhaft Bei ausschliesslich urogenitaler Trockenheit lokale Therapie Bei Bedenken wegen thromboembolischen Risiko eher kein MPA, Gestoden oder Desogestrel Prinzip: nach aktueller Datenlage und an persönliches Profil angepasst Hormonell aktuell – Zypern 2007 -Schiessl