Aufgaben des Sachenrechts (1) Welche Funktion hat das Sachenrecht? Sachenrecht = Recht der Sachgüter(zu)ordnung ... es dient der Klarheit & Erkennbarkeit der Rechte an ‚Sachen‘ (iSd § 285 ABGB) Die Sachgüter(zu)ordnung wird durch die Sachenrechtsprinzipien unterstützt Sachgüterzuordnung erfolgt auf doppelte Weise: Faktisch/ also tatsächlich: durch den Besitz Sach- und Rechtsbesitz Rechtmäßiger, redlicher, echter Besitz Rechtlich durch die dinglichen Sachenrechte Eigentum, Pfandrecht, Servituten etc Barta: Zivilrecht online
Aufgaben des Sachenrechts (2) Geschützt werden: Erworbener Besitz durch: erlaubte Selbsthilfe sowie gerichtlichen Besitzschutz Insofern kein Selbsthilfeverbot iSd § 19 ABGB Erworbene dingliche Sachenrechte durch die petitorischen Klagen wie: § 366 ABGB: eigentliche Eigentumsklage, rei vindicatio § 37 EO: Exszindierungs- oder Widerspruchsklage § 523, 2. Fall ABGB: Eigentumsfreiheitsklage, actio negatoria § 523 ABGB, 1. Fall; Servitutsklage, actio confessoria etc Barta: Zivilrecht online
Arten der Sachenrechte: Überblick § 308 ABGB: Aufzählung der dinglichen SachenRe …! Allein-ET (inkl ET auf Zeit) Mit-ET Eigentum als dingl VollR: §§ 353, 362 ABGB ideelles Mit-ET + W-ET Gesamt(hand)ET realgeteiltes ET Beschränkte dingliche Rechte PfandR + Zurückbehaltungs-/RetentionsR Dienstbarkeiten + Reallasten BauR Verbücherbare Re (§ 9 GBG):Vor- und WiederkaufsR (§ 1070), BestandR (§ 1095), Veräußerungs- und Belastungsverbot (§ 364 c ABGB) Barta: Zivilrecht online
Barta: Zivilrecht online Dingliche Rechte Bruchteils-ET oder sog schlichtes Mit-ET Wohnungseigentum Alleineigentum Gesamt(hand)-ET Servituten realgeteiltes ET oder StockwerksET Reallasten Pfandrecht Baurecht RetentionsR verdinglichbare obliga- torische Re:zB VorkaufsR Barta: Zivilrecht online
SachR: Recht der Sachgüterzuordnung SachenR = Recht der konkreten Sach(güter)-zuordnung an Rechtssubjekte (= nat und jurPn) Dient der Klarheit & Erkennbarkeit, wem, welches (Sachen)Recht, in welchem Umfang zusteht! – Erwerb! Die Sachenrechts-Prinzipien dienen diesem Ziel: Dingliche Wirkung unmittelbare Sachherrschaft = ‚an der Sache haftend‘ absolute Wirkung von allen zu respektieren, daher gegen jedermann durchsetzbar, weil von jedermann verletzbar Typenzwang Anzahl und Art der SachenRe vorgegeben Publizität Erkennbarkeit der Sachzuordnung; besonders wichtig im PfandR und GB Priorität prior tempore potior iure Spezialität SachenRe nur an bestimmten Sachen und mit fixen Beträgen; objekt- u betragsbestimmt Barta: Zivilrecht online
Prinzipien des Sachenrechts (1) Dingliche Natur der Sachenrechte Sie gewähren eine unmittelbare Sachherrschaft = ‚haften an der Sache ‘! Absolute Wirkung Von allen zu respektieren, daher gegen jedermann durchsetzbar, weil von jedermann verletzbar Typenzwang oder numerus clausus Anzahl und Art der Sachenrechte sind beschränkt (dient der Überschaubarkeit) und ist zwingend vorgegeben! Barta: Zivilrecht online
Prinzipien des Sachenrechts (2) Publizität Erkennbarkeit /Offenkundigkeit der Sachzuordnung ZB PfandR: Übergabe (des beweglichen Pfandobjekts) oder Verbücherung der Hypothek Priorität prior tempore potior iure: Das ältere Recht ist das stärkere; ‚Wer zuerst kommt, mahlt zuerst‘! Spezialität SachenRe bestehen nur an bestimmten Sachen – objektbestimmt – und sind auch inhaltlich genau zu bestimmen – betragsbestimmt Barta: Zivilrecht online
Gegenüberstellung: SachenR SchuldR Nach Gschnitzer zB Eigentum zB Kauf Barta: Zivilrecht online
Vergleich: SchuldR - SachenR Unterschiedliche Zielsetzungen SachR → Aufgabe: Sach(güter)zuordnung; sorgt für Rechtssicherheit von Gebrauchs- und Vermögenswerten – Daher: Typenzwang Beispiele: Eigentum, Pfandrecht, Servituten, Baurecht SchuldR → Dient der Interessen(fein)abstimmung rechtsgeschäftlich handelnder Parteien – Daher: Vertragsfreiheit (= weiter Gestaltungsraum) Beispiele: Kauf, Schenkung, BestandV, ArbeitsV, WerkV, Factoring, Leasing, Franchising etc Zusammenwirken beider Bereiche im Rahmen der Lehre von Titel und Modus → dient der Rechtssicherheit und Gerechtigkeit Barta: Zivilrecht online
Barta: Zivilrecht online § 308 ABGB „Dingliche Sachenrechte sind das Recht des Besitzes [?], des Eigentumes, des Pfandes, der Dienstbarkeit und des Erbrechtes [?].“ Heute sind zwei Korrekturen nötig: Der Besitz ist kein SachenR, sondern bloße/s Tatsache/Faktum Das Erbrecht ist kein dingliches Recht, sondern nur ein absolutes Barta: Zivilrecht online
Eigentum Besitz Innehabung = rechtliche Herrschaft über eine Sache Eigentum bewegliche unbewegliche Sachbesitz = Besitz an körperlichen Sachen < a. tatsächliche Macht / (Sach)Gewahrsam RömR corpus + b. Wille, die Sache als die seinige zu behalten römR animus (rem sibi habendi) Rechtsbesitz = Besitz an unkörperlichen Sachen/Rechten, §§ 311 f ABGB Innehabung/Detention = tatsächliche Macht über eine Sache, ohne den Willen dieselbe für sich haben zu wollen: entspricht Pkt. a. ! Barta: Zivilrecht online
Besitzfunktionen: Besitzschutz – Gründe Besitz verhindert/ schützt vor verbotene/r Eigenmacht/Selbsthilfe; Gefahr der Gewalt! §§ 19, 320, 344 ABGB; § 3 StGB: RO mißbilligt Eigenmacht Besitz vermittelt die sog Besitzprivilegien → eigene Folie Beweiserleichterung (auch im streitigen Verfahren, sog Petitorium); Besitzer hat günstigere (= beweisfreie) Beklagtenrolle Rechtsbesitz: erstreckt den Besitzschutz auch auf: obligatorische Rechtsbeziehungen, wenn diese mit Sachinhabung + GebrauchsR verbunden sind Beispiele: Miete, Pacht, Leihe, Eigentumsvorbehaltskauf (nicht: Verwahrung!) Barta: Zivilrecht online
Die sog Besitzprivilegien … ... unterstützen die faktische Sachzuordnung durch Bevorzugung des Besitzers auch gegenüber ‚rechtlich‘ Berechtigten: § 323 ABGB: Rechtsscheinwirkung des Besitzes bewirkt die Vermutung eines gültigen Titels § 328 ABGB: Redlichkeitsvermutung lässt im Zweifel Redlichkeit des Besitzes annehmen §§ 329 ff ABGB: Legitimationswirkung des Besitzes legitimiert redliche Besitzer zu Verfügungen; etwa nach § 367 ABGB! Bedeutung haben die Besitzprivilegien vor allem auch im Verfahrensrecht: § 324 ABGB: beweisfreie Beklagtenrolle des Besitzers im Prozess! Auch gegen den Eigentümer! Das römR sprach daher von beatus possidens! Barta: Zivilrecht online
Sach- und Rechtsbesitz (1) Sachbesitz; §§ 311, 312 ABGB Sache (selbst) ist in der „Macht oder Gewahrsame“ des Inhabers; corpus-Element 2. Wille, „sie [sc. die Sache ] als die seinige zu behalten“; dadurch wird der Inhaber zum Besitzer; animus-Element Rechtsbesitzer ist (§§ 311 - 314 ABGB): 1. Wer nach der äußeren Erscheinung 2. ein länger ausübbares ( Element der Dauer !) Recht als das seinige ausübt Mietvertrag + Barta: Zivilrecht online
Sach- und Rechtsbesitz (2) Beispiele: Dieb = Sachbesitzer; Bestohlener = noch Eigentümer, aber nicht mehr Besitzer Vermieter = Sachbesitzer; Mieter = Rechtsbesitzer + Sachinhaber Verwahrer ist nur Inhaber, da ihm das Gebrauchsrecht fehlt; ihn trifft nur die Verwahrungspflicht Barta: Zivilrecht online
Barta: Zivilrecht online Arten des Besitzes Mietvertrag Sach- und Rechtsbesitz einstufiger und mehrstufiger Besitz Mitbesitz und Teilbesitz Rechtmäßiger: §§ 316 ff ABGB Redlicher: §§ 326 ff ABGB Echter: §§ 345 ff ABGB sog qualifizierter Besitz Barta: Zivilrecht online
Sachenrechtliche Begriffe Eigentum = Rechtliche Herrschaft einer Person über eine Sache; dingliches Vollrecht Sachbesitz = Tatsächliche Macht einer Person über eine Sache (corpus) + Wille, diese als die seine zu behalten (animus) Rechtsbesitz = Gebrauch/Ausübung eines Rechts, das dauernder Ausübung zugänglich ist, im eigenen Namen Innehabung = Tatsächliche Gewahrsame/Macht über eine Sache (corpus), aber ohne den Willen, sie als die seine behalten zu wollen - Kein Besitzschutz ! Barta: Zivilrecht online
Besitzschutz durch Selbsthilfe oder Gericht Voraussetzung ist in beiden Fällen eine eigenmächtige Besitzverletzung = Störung oder Entziehung Erlaubte Selbsthilfe: § 19 + § 344 ABGB Wenn richterliche Hilfe zu spät käme, … kann der Gestörte der „Gewalt mit angemessener Gewalt“ begegnen Besitzwehr: Verteidigung Besitzkehr: Wiederverschafffen schon (fast) entzogenen Besitzes; aber nur ‚in continenti‘ Gerichtlicher Besitzschutz: §§ 454 ff ZPO Beachte die Antinomie mit § 339 ABGB Barta: Zivilrecht online
Beispiel erlaubter Selbsthilfe Wählt XPÖ Fall: Überkleben eines Wahlplakats NR-Wahl 1966: Karl P., Bezirksobmann der XPÖ klebte Wahlplakat auf Plakatwand Wählt XPÖ Wählt endlich YPÖ Plakattrupp der YPÖ überklebte dieses Plakat Am Donnerstag vor der Wahl überklebte Karl P wiederum das YPÖ-Plakat Karl P wird wegen boshafter Sachbe-schädigung fremden Eigentums verurteilt Zu Recht ? – Nein ! → EvBl 1967/355 (OGH) Wählt XPÖ XPÖ wen sonst ? Offensive Selbsthilfe nach § 344 ABGB als Rechtfertigungsgrund ! Barta: Zivilrecht online
Besitzstörung – Gerichtlicher Besitzschutz Besitzstörungsverfahren: sog Possessorium insbes §§ 454 ff ZPO § 339 ABGB: „Der Besitz mag von was immer für einer Beschaffenheit sein, so ist niemand befugt, denselben eigenmächtig zu stören...“ Voraussetzungen: a) Besitzentziehung / -störung b) verbotene Eigenmacht Ziel des Verfahrens: Möglichst rasche Beseitigung der Störung der äußeren Ordnung + Unterlassung gleichartiger Störungen in Zukunft Daher: Bloßes Wiederherstellen des letzten ruhigen Besitzstandes Es erfolgt keine Prüfung rechtlicher Positionen Einbringung der Klage innerhalb von 30 Tagen Barta: Zivilrecht online
Possessorium und Petitorium Zivilprozeß: normales, ordentliches, streitiges Verfahren Es geht um Rechtsfragen ! Possessorium = Besitzstörungsverfahren Es geht um die Tatsache des Besitzes, genauer: um die Wiederherstellung des letzten ruhigen Besitzstandes + Unterlassung künftiger Störung Beachte: Wer im Possessorium unterliegt, kann nachträglich sein Recht zum Besitz im Petitorium klären – Das Possessorium ist daher mitunter nur ein Provisorium ! Barta: Zivilrecht online
Besitzstörung: Beispiele aus der Rspr Hauseigentümer verstellt ständig Zufahrt zum Lieferanteneingang eines (Geschäfts)Mieters; MietSlg 22.008 Abstellen eines Fahrzeugs aufgrund einer Erlaubnis durch einen Mitbesitzer: „...Eigenmacht fehlt“ zB bei reparierendem Handwerker; MietSlg 32.016 Mitbesitz von Lebensgefährten an gemeinsamer Wohnung; Es liegt verbotene Eigenmacht vor, wenn Schloß geändert wird; MietSlg 32.018 Streichen der Fassade eines Hauses durch Mieter als Eigenmacht; MietSlg 32.020 Unterbrechung der Stromzufuhr durch Vermieter ist Besitzstörung, auch wenn noch Rechnungen nicht bezahlt sind (!); MietSlg 32.021 Barta: Zivilrecht online
Was ist eine Rechtsvermutung ? Wir unterscheiden (zur Beweisvereinfachung): Widerlegbare oder einfache Rechtsvermutung lat.: praesumtio iuris Gegenbeweis ist möglich Beispiele: - § 19 TEG (Todeserklärung) oder - § 23 ABGB (Lebendgeburt), - Besitzprivilegien (§§ 323, 328 ABGB) Unwiderlegbare Rechtsvermutung lat.: praesumtio iuris ac de iure Gegenbeweis ist nicht möglich Beispiele: - §§ 1426 ff ABGB: Quittung; - § 915, 1. Fall ABGB: donatio non praesumitur; eine behauptete Schenkung muß bewiesen werden Barta: Zivilrecht online