Phänomenologie, Psychopathologie und Patient – Stärke und Widerspruch

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Kultursensible Kommunikation im Sozial- und Gesundheitsbereich
Advertisements

Werte & Standards der Kinder- und Jugendarbeit in Südtirol
Sinn – Bedürfnis, Notwendigkeit oder Auftrag?
Die selbstunsichere Persönlichkeit
Thesen über die Funktion von Religion
Joachim Bauer Gehirnforscher, Psychologe
Bildende Anstöße Förderung unter Bedingungen des Freiheitsentzuges BAG-Tagung, Kloster Banz Klaus-D. Vogel Jugendstrafanstalt Berlin BAG-Tagung,
Phänomenologie der Liebe
Vorlesung: Einführung in die Pädagogische Psychologie
Pädagogische Beobachtung und diagnostische Gesprächsführung
Was trägt aus Psychiatrie- Erfahrenen Sicht zur Genesung bei.
Leben ordnen – Glauben vertiefen – Freiheit ermöglichen
Das neue Motivationshaus
Akzeptierende Jugendarbeit mit rechtsextremen Jugendlichen
Errungenschaften der letzten 200 Jahre
Kommunikation in Zeiten der Veränderung
ACT.
Achtsamkeit als Tor zur Gegenwart Gottes in allen und in allem
Curriculäre Fort- und Weiterbildung psychosomatische Grundversorgung
Gliederung der Präsentation
Abschied von gestern... läuft automatisch mit Musik
C & R – Empathie-Coaching
„Was steht eigentlich hinter dem Roten Kreuz?“
7 b Ursachen und Behandlung Angst - Lernen
Transkulturalität Transkulturalität bezeichnet Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Kulturen. Der Begriff drückt aus 1.) Es gibt Unterschiede zwischen.
Welt-weit – Welt-sicht Eine-Welt-Arbeit in der Kindertagesstätte 0.
Von der Wirtschaft des Leids zur Wirtschaft der Freude
Ein Leben im Gleichgewicht
Familienföderation e.V.
Trauma und Bindung Auswirkungen erlebter Traumatisierung
Die Familie des schwerkranken Kindes
Was ist psychische Gesundheit?
Die lebentragende Trias Zur Ausbildung in Logotherapie und Existenzanalyse. Dozentin:lic.phil. Maria de Lourdes Stiegeler 2007.
Christian Ebenkofler. Personale Pädagogik Nach Viktor E. Frankl und Günter Funke.
"Die vier Gesetze der Spiritualität"
Bitte mit Mausklick weiter
Das Auffinden einer authentischen Stimme unter den Dialekten der inneren Polyphonie   E. Ukolova GLE-Kongress, Lindau May 2011.
Geld Das Motivationshaus. 100% Leistungsfreude Bestätigung Respekt Lob
Ethische Aspekte der Diagnostik und Therapie depressiver Störungen
Teil I: Warum ein Pastoraler Entwicklungsplan? Der PEP ist mehr als die Verwaltung eines Personalmangels oder Strukturfragen. Die tieferliegenden.
Wertschätzung auf Basis von Authentizität & Profil
Die Heilung der gekrümmten Frau
Die Aktualisierung der Person
Tony Hofmann, Universität Würzburg
Konfliktmanagement Diese Vorlage kann als Ausgangspunkt für die Präsentation von Schulungsmaterialien in einer Gruppensitzung dienen. Abschnitte Abschnitte.
Einführung „Humanistischer Ansatz“
Existenzieller Themen- / Lebensbereich 1. Verlust des Lebenssinns Die Patientin/der Patient:  thematisiert die Absurdität des Lebens und der menschlichen.
Individuelle Menschenbilder sind:
Einsamkeit aus hausärztlicher Sicht
E r f a h r u n g e n.
8 Biblische Leitsätze, die uns führen
Der Mensch auf der Suche nach Halt – Angst als existentielles Phänomen
Freiheit und Gerechtigkeit
Die Zustimmung in der Süchtigkeit – ein existenzanalytischer Zugang Oder: wo bleibt die Person? Alfried Längle, Wien
Kognitive Methoden  Als eine Auseinandersetzung mit der behavioristischen Lerntheorie Skinners  entsteht in den späten 60-er Jahren eine Verbindung.
Fasten – den Raum des Möglichen erweitern
"Und wieso macht du das?" Wie kommen Antike, Mittelalter und Frühe Neuzeit aus der Revanzfalle?
Fachstelle für Suchtvorbeugung Kreis Borken Ausweichendes Verhalten + betäubende Funktion Gibt es so etwas bereits im Kindesalter?  sogenannte „Kinderdrogen“
KONVERSATIONEN MIT MIR ÜBER LÖSUNGSORIENTIERTE THERAPIE: 1978 BIS HEUTE.
Die Qualität des „Sensing“ BerlinFrankfurtWien Januar 2015.
Definition/Merkmale psychischer Störungen
Psychische Abweichung: Krankheit oder Störung? Vorlesung „Psychische Störungen“ Prof. Dr. Ralph Viehhauser.
Kommunikation mit Patienten Rothenburg ob der Tauber 19. November 2004.
Verantwortung für Fehler: Über den richtigen Umgang Vortrag von Prof. Dr. Carmen Kaminsky Sozialphilosophie; FH-Köln.
Ich bin ganz, vollkommen, stark, machtvoll, liebevoll, harmonisch und glücklich Charles Haanel Master Key System.
Was ist Kommunikation? Alltagsverständnis: In Beziehung treten
M 08 Inklusion Werte und Normen Marianne Wilhelm PH Wien.
Prototyping Berlin · Seite 2 Prototyping: Was und wozu Die Zukunft ausprobieren und erfahren durch „Machen“. Einen Mikrokosmos kreieren.
Zur Situation der Älteren Demografische Entwicklung Zunahme der Lebenserwartung Steigender Anteil Älterer an der Gesamtbevölkerung Zunahme der betreuungs-
 Präsentation transkript:

Phänomenologie, Psychopathologie und Patient – Stärke und Widerspruch Die Sicht der Existenzanalyse und Logotherapie Alfried Längle Präsident der GLE-International

Inhalt Existenzanalyse und Logotherapie Existenzanalytische Psychotherapie Person Phänomenologie Psychopathologie Wirkfaktor Grunddimensionen der Existenz Spezifische und unspezifische Therapie

1. Existenzanalyse Viktor Frankl (1905 – 1997) als Logotherapie begründet schuf eine Ergänzung zur Tiefenpsychologie durch Humanistische Inhalte (v.a. Sinn)

Existenzanalyse heute: eine phänomenologisch-personale Psychotherapie-Richtung

Existenzanalyse heute Ziel: Mit innerer Zustimmung zum eigenen Handeln leben Alfried Längle, Wien

2. Existenzanalytische Psychotherapie Zentrale Mittel: teilnehmende Begegnung (Prozessbegleitung) Verstehen + Selbstverständnis Ansetzen an eigenen Ressourcen und Mobilisieren personaler Prozesse

2. Existentielle Psychotherapie Ziel: personale Verarbeitung von “Eindrücken” durch … … emotional freies Erleben … authentische Stellungnahmen … verantwortender Umgang mit sich und anderen

3.) Das Geistige im Menschen – die Person Das DU Das Gesicht Der Blick Das Unfassliche – es kann begegnet werden Das Freie im Menschen Was «Ich» sagt – was in mir zu sprechen beginnt

4. Warum Phänomenologie? (Indikation) Problem: das Freie (die Person) kann nicht festgelegt… … aber angetroffen (begegnet) werden

Indikation für Phänomenologie … das Wesentliche → verstehen

Der Fokus der Aufmerksamkeit in der Phänomenologie das Einmalige, Einzigartige, Unverwechselbare

Andere Paradigmen … → Erklärungen Schauen auf das Generelle, Allgemeingültige, Gesetzmäßige (nicht Freie) → Erklärungen (kausal-deterministische, interpretative, konstruktivistische)

Praxis der phänomenologischen Haltung (Heidegger): 1. Was zeigt sich (spontan)? (Reduktion) 2. Wie ist es? (Konstruktion) 3. Ist es so? (Destruktion)

5. Psychopathologie – existentielle Sicht Psychische Krankheit/Störung … wenn man wiederholt (und zumeist) auf die gleiche Art innerlich behindert ist, das zu erkennen, zu tun, oder zu erleben, was man selbst (in der Situation und oder später) „will“, d.h. als notwendig, wichtig, richtig oder sinnvoll empfindet.

D.h. wozu man keine innere Zustimmung hat. = fixierte Copingreaktion 5. Psychopathologie D.h. in Kurzform: wenn man wiederholt (oder gar regelmäßig) etwas tut, was man nicht will. D.h. wozu man keine innere Zustimmung hat. = fixierte Copingreaktion

Ziel, Wert, Inhalt… ICH Ablenkung durch fixierte Copingmechanismen 5. Psychopathologie Ziel, Wert, Inhalt… Blockade der Willensstrebung Ablenkung durch fixierte Copingmechanismen     ICH

„Fixierung“: Automatismen und Wiederholungszwang (Freud) 5. Psychopathologie Symptomatik „Fixierung“: Automatismen und Wiederholungszwang (Freud) Ist der Situation nicht angepasst hat eine getriebene Eigendynamik, die sie „unzugänglich“ macht von außen und innen (für den eigenen Willen), ist wie eine „Mauer“ da (Bild einer Stadt mit Stadtmauer) wird subjektiv meistens als Lähmung, Behinderung oder Zwang (Unfreiheit) erlebt wirkt sich schädlich aus

… Psychopathologisches Verhalten 5. Psychopathologie … Psychopathologisches Verhalten Unverständlichkeit des Verhaltens/Erlebens: wirkt fremd. Blockierte Dialogsegmente (reduzierter Austausch, Unzugänglichkeit)

Personalistisches Störungskonzept: 5. Psychopathologie Personalistisches Störungskonzept: Psychisch krank ist, wenn man systematisch gegen die eigene Person handelt – Ursachen: somatisch und/oder psychodynamisch Wirkt sich somatisch, psychisch, geistig und sozialen aus

Radikalität des Konzepts: 5. Psychopathologie Radikalität des Konzepts: Ziel ist letztlich nicht die Symptomfreiheit, sondern sich selbst zu sein unter den Bedingungen (bzw. mehr sich selbst zu werden usw.) = personalistisches Verständnis von Gesundheit, kein funktionales

Radikalität des Konzepts: Kriterium aus ea Sicht ≠ Leidensdruck 5. Psychopathologie Radikalität des Konzepts: Kriterium aus ea Sicht ≠ Leidensdruck Nicht Leidvermeidung ist das Ziel (z.B. in der Trauer i.a. kein Antidepressivum!) Störung = Verlust von Freiheit und Person-sein-Können

Psychische Gesundheit 5. Psychopathologie Psychische Gesundheit Personsein, das sich in Stimmigkeit mit sich selbst im äußeren Dialog (Austausch) und in guter innerer Schwingung ist.  Zustimmung als zentrales Kriterium

Psychische Gesundheit: Basis ist die „dialogische Offenheit“ 5. Psychopathologie Psychische Gesundheit: Basis ist die „dialogische Offenheit“ Das wichtigste Element für ein gutes Therapie-Ergebnis ist die Qualität der Beteiligung des Patienten Orlinsky, D. E., Rønnestad, M. H., & Willutzki, U. (2004)

Psychische Gesundheit und Dialogische Offenheit 5. Psychopathologie Psychische Gesundheit und Dialogische Offenheit eine Zunahme von Offenheit für neue Erfahrungen (also nicht Verhaftetsein in sich, sondern Auseinandersetzungsbereitschaft) als habitueller Verarbeitungsstil scheint den Kern des post traumatic growth auszumachen Maercker A & Zöllner, T. (2006)

5. Psychopathologie Diagnostik Für eine personalistische Psychotherapie keine Stigmatisierung, sondern hilfreich, weil Entgegenhalten (Ob-jektivierung) von Automatismen, die die Person behindern

6. Wirkfaktor in der Existenzanalyse Zentral: den Menschen in den Dialog zu bringen – in den Dialog einerseits mit seiner Welt und andererseits mit sich selbst

Zentrale Wirkelemente in der Existenzanalyse: Annehmen-Können von dem, was ist Sich dem zuwenden können, was wertvoll ist ansehen und respektieren, was das je Eigene ist sich in Übereinstimmung bringen mit dem, was werden soll

7. Die 4 Grund-Dimensionen der Existenz: · die Welt (Fakten und Möglichkeiten) ·  das Leben (Beziehungen und Gefühle) das Selbstsein als einzigartige, autonome Person · der größere Kontext (Zukunft = das Werden durch eigenes Wirken)

Die existentiellen Grundaktivitäten Sein können Leben mögen Selbst-Sein dürfen Sinnvolles sollen → ganzheitliches Wollen

7. Dimensionen der Existenz Das Ich ist verankert in: 4. Kontext/Werden (Sinn) Integrations- 2. Leben/ 3. Gegenüber/ Beziehung Gemeinschaft Instanz 1. Sein/Körper Das Ich ist die Integrationsinstanz der 4 GM ICH

E X I S T E N Z = WOLLEN K Ö N E G Ü R F S O L E N SINN- 1. Raum, Halt und Schutz in der WELT haben, um sein zu können M G 2. Wert des LEBENS fühlen D Ü R F 3. PERSON = Selbstsein- dürfen: Authentizität spüren 4. Offensein für SINN- Zusammenhänge: situativ + grundsätzlich

8. Verhältnis von unspezifischer zu spezifischer Therapie: PERSON   ICH    WELT

8. Verhältnis von unspezifischer zu spezifischer Therapie: PERSON   1. UNSPEZIFISCHE TH. (= grundsätzlich gleiche Vorgangsweise für alle Themen und Krankheiten) ICH   2. SPEZ. THERAPIE (auf der Basis der unspez. Th. → störungspezif. Vor- gangsweise) WELT (LEID; PROBLEM; KRANKHEIT) Angst Depression Hysterie Krise Sucht …

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! www.laengle.info www.existential-analysis.org