Bitte Ruhe!.

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 Präsentation transkript:

Bitte Ruhe!

Vorlesung Entwicklungspsychologie I Soziale Kognition J. Gowert Masche 24.05.2006

Organisatorisches Klausur für EGL-M-Studierende: Modul 1: voraussichtlich 26.07.06, 14:00-16:00, HG 114 Anmeldung: 19.-22.06., 09:00-16:00 Uhr bei Herrn Langer, FB Psychologie (Gutenbergstr. 18), Raum 65 Modul 6: Klausur erst im Anschluss an die zweite Vorlesung im Wintersemester Entwicklungspsychologie kann nur entweder im Modul 1 oder im Modul 6 belegt werden.

Semesterüberblick 26.04.: Grundbegriffe der Entwicklungspsychologie 10.05.: Vorgeburtliche Entwicklung, Entwicklung von Wahrnehmung und Psychomotorik 17.05.: Frühe Eltern-Kind-Interaktion, Bindungstheorie 24.05.: Soziale Kognition 31.05.: Kognitive Entwicklung nach Jean Piaget 07.06.: Begriffliches Wissen, Problemlösen 14.06.: Lerntheorien 21.06.: Motivation, Emotion, Handlungsregulation 05.07.: Entwicklung unter ökologischer Perspektive 12.07.: Familienentwicklung 19.07.: „Zurück zur Natur“: Biologische Entwicklungsgrundlagen

24.05.: Soziale Kognition Was ist soziale Kognition? Personwahrnehmung Perspektivenübernahme Interindividuelle Unterschiede in sozialer Kognition Literatur zu heute: Oerter & Montada (2002), Kapitel 17, sowie weitere Texte, die nicht Prüfungsliteratur sind.

Was ist soziale Kognition?

Was ist soziale Kognition? Wissen (Inhalt) über innerpsychische Prozesse bei anderen und sich selbst psychologische Qualität von Beziehungen naive Theorien Verstehen (Prozess)

Unterschied zu Kognition über Dinge Variabilität des Erscheinens Selbstverursachter Wandel Reagibilität Emotionales Berührtsein Komplexe Interaktionen (jeder Interaktionspartner hat unterschiedliche Ziele) Indizien, dass soziale Kognition vor Kognition über Dinge auftritt: Verschiedenes Verhalten von Säuglingen gegenüber Personen oder Sachen Ende 1. Lebensjahr: Kinder wissen, dass Personen Absichten haben, Sachen nicht. Sortieren von Bildgeschichten vorwärts/rückwärts vor Verständnis für Mengeninvarianz (Umgießversuche) allgemein frühe Leistungen: kommunikative Kompetenz (vorige Stunde), anekdotische Beispiele von Perspektivübernahme, Empathie.

Personwahrnehmung

Handlungsbeschreibungen Sequenzierung in Teilhandlungen: schon mit 0;6-1;0 Unterscheidung anhand Änderungen von Blick- oder Bewegungsrichtung, Anfassen/Loslassen von Objekten Im Grundschulalter einerseits Segmentierung in zunehmend mehr Teilhandlungen, andererseits Zusammenfassung in größere Einheiten, wenn Wissen über Motive (ab 4. Klasse) Skripte: schon 3-Jährige kennen generalisierte Abläufe (z. B. Geburtstagsfeier). Mit Alter komplexere, mehr auf soziale Aspekte eingehende Schilderungen

Personbeschreibungen Beschreibung von Freunden bis 8 Jahre: Besitz, Lage der Wohnung. Später: abstrakte, stabile Eigenschaften wie Werte, Überzeugungen, Fähigkeiten Organisation/Integration: ab 12-14: qualifizierende Äußerungen („manchmal“) quasi-kausale Verschränkungen („wenn ... dann ...“) Unterscheidung Wirklichkeit/Anschein Rolle der Zeit („erst dachte ich ..., dann merkte ich ...“) Komplexität: bis ins mittlere Erwachsenenalter zunehmend differenziertere Beschreibungen nach persönlicher Bedeutung, Dauer und Kontext

Handlungsattribution Kovariationsprinzip (Kelley, 1973) Anna schafft ein Spiel nicht. Warum? Hohe Konsistenz: Früher hat sie es auch nicht geschafft Niedriger Konsens: Die Freunde schaffen es aber niedrige Herausgehobenheit: Anne schafft ähnliche Spiele auch nicht Kindergartenkinder attribuieren zufällig auf Person oder Schwierigkeit Grundschulkinder erkennen, wenn Person die Ursache Erst auf College vollständige Anwendung des Kovariationsprinzips Abwertungsprinzip (z. B. eigenes Motiv + Belohnung): erst ab 8. Vorher Halo-Prinzip (Belohnung lässt auf eigene Motivation schließen) Aufwertungsprinzip (Handlung trotz Widrigkeiten): erst ab Jugendalter

Perspektivenübernahme

Überblick Definition: Verstehen von psychischen Zuständen und Prozessen eines anderen im Rahmen der jeweiligen Situation (aus der „Perspektive“ des anderen) Bereiche: kognitive Perspektivenübernahme emotionale Perspektivenübernahme Voraussetzungen: Theory of Mind: Zuschreiben psychischer Zustände zu sich und anderen; naive Theorie über Wissenserwerb und Zustandekommen von Gefühlen, Absichten usw. Verarbeitung/Koordinierung komplexer Informationen

Nachweis der Theory of Mind: Das „Falsche-Überzeugungen“-Paradigma Weiß Kind, dass andere weniger wissen als es selbst? Vorgehen (z. B. Lewis & Osborne, 1990) Kind bekommt eine Smarties-Dose gezeigt, wird gefragt, „Was denkst du, ist in der Dose?“ Kind antwortet „Smarties“. Dose wird geöffnet, enthält statt dessen einen Stift. Stift wird zurückgelegt, Dose wieder geschlossen. Testfrage zur Erinnerung: „Kannst du dich erinnern, was in der Dose ist?“ – Kind antwortet korrekt. 3 Versuchsgruppen: Standard: „Was hast du gedacht, was in der Dose war?“ „Was hast du gedacht, was in der Dose war, als der Deckel noch darauf war?“ (Als-Bedingung) „Was hast du gedacht, was in der Dose war, bevor ich den Deckel abgenommen habe?“ (Bevor-Bedingung) Freund wird hereingeführt, darf sich geschlossene Dose ansehen. Kind wird gefragt, was Freund denkt (Standard-, Als- oder Wenn-Bedingung).

Nachweis der Theory of Mind: Das „Falsche-Überzeugungen“-Paradigma Ergebnis

Nachweis der Theory of Mind: Das Täuschungs-Paradigma Idee: Täuschung macht nur Sinn, wenn man weiß, dass andere etwas nicht wissen. Vorgehen (z. B. Hala, Chandler, & Fritz, 1991) Zwei Aufgaben an verschiedenen Tagen, Reihenfolge balanciert Unerwarteter-Wechsel-Aufgabe: Puppenspiel: Puppen Katie und Sam spielen mit Auto, tun dies in die rote Dose, gehen raus. Katie kommt zurück, legt das Auto stattdessen in die gelbe Dose. Sam will zurückkommen und mit Auto spielen. Kind wird gefragt, „Wo wird Sam nach dem Auto sehen?“ Kontrollfragen: „Wo ist das Auto jetzt?“, „Wohin haben Katie und Sam das Auto zuerst gelegt?“, „Hat Sam gesehen, dass das Auto woanders hingelegt wurde?“ Ergebnis: mit 3 Jahren fast immer falsch, ab 3;6 fast immer richtig geantwortet, obwohl Kontrollfragen in der Regel gewusst wurden.

Nachweis der Theory of Mind: Das Täuschungs-Paradigma Verstecken-und-Suchen-Aufgabe: Puppenspiel: Puppe Toni versteckt Schatz in einer der Dosen. Toni macht Fußspuren zu der jeweiligen Dose. Dies wird dem Kind vorgeführt und dann die Spuren mit einem Schwamm weggewischt. Dann wird Kind herausgeschickt, Toni versteckt den Schatz, Kind kehrt zurück und soll den Schatz suchen. Es findet ihn natürlich sofort, weil wieder Fußspuren zu der Dose führen. Nun soll das Kind dem Toni helfen, den Schatz so zu verstecken, dass der Versuchsleiter den Schatz nicht finden kann, wenn er in den Raum zurückkehrt. Kind soll außerdem vorhersagen, wo VL suchen wird. Zwei Durchgänge; Kind wird aufgefordert, es noch einmal auf andere Weise zu versuchen; bessere Strategie gewertet. Ergebnis: schon die jüngsten Kinder wischen meist die Spur weg und legen eine andere; einige Kinder wischen weg und lügen über den Ort des Schatzes. Fast alle Kinder antworteten korrekt, wo der VL suchen würde. Einwand: vielleicht nur Aufforderungscharakter des Materials? Kinder waren aber auch in der Lage, dem VL beim Suchen zu helfen Einwand: vielleicht manipulieren Kinder das Verhalten, nicht aber das Denken des VL? Frage geändert auf, „was wird VL denken, wo der Schatz ist?“ – Klappt genauso.

Vorläufer der Theory of Mind Unterscheidung ich-andere: ab 1;6 Selbsterkennen im Spiegel. ab demselben Alter prüfen Kinder Blickrichtung von Erwachsenen und prüfen, ob etwas den Blick verstellt Ende des 2. Lebensjahres Anfänge von Empathie, d.h., Verstehen der Gefühle anderer. Vorher Gefühlsansteckung.

Weitere Fortschritte Komplexere kognitive Perspektivenübernahme erst im Grundschulalter interpretative Ausgestaltung einer Perspektive, z. B. wie Bildergeschichte verstanden wird, wenn ein Bild fehlt Komplexere emotionale Perspektivenübernahme (Empathie) 3-Jährige halten Handlungen für beabsichtigt, wenn sie den eigenen Wünschen entsprechen. 5-jährige konnten über Anlässe für Emotionen genauer Auskunft geben als zuvor. Perspektivenkoordination 4-9 Jahre: Subjektivität von Perspektiven 6-12 Jahre: reflexives Verständnis der Subjektivität (z. B. eigenes Verhalten durch „Brille“ des anderen sehen) 9-15 Jahre: wechselseitige Perspektivenkoordination (wissen, dass beide Personen beide Seiten sehen können) ab 12 Jahre: Übernahme der Perspektive von Bezugsgruppe

Interindividuelle Unterschiede in sozialer Kognition

Faktoren für Qualität der sozialen Kognition Autismus: keine Theory of Mind? Elternverhalten: elterliches Vorbild und Spüren-Lassen natürlicher Konsequenzen von Rollenübernahme und Empathie: entsprechend fähigere Kinder im Grundschulalter. Umgekehrt Besorgtheit um eigenes Wohl in Hilfssituationen der Empathie abträglich. verbales Ansprechen affektiver Zustände mit 3  affektive Perspektivenübernahme mit 4 Jahren Induktion: Hinweisen auf Handlungsfolgen für sich und andere elterliche Depression  geringere Perspektivenkoordination  Schulprobleme, instabile Freundschaften Kindesmissbrauch  Problemverhalten, z. T. vermittelt durch verminderte Personwahrnehmung (negativen Attributionsbias) und Mangel an nicht-aggressiven Verhaltensmöglichkeiten sichere Bindung Freunde: Reden über mentale Zustände  Zunahme sozialer Kognition

Folgen verminderter sozialer Kognition Korrelative Befunde: Kinder mit Verhaltensproblemen: falls Mitgefühl fehlt, negativere Entwicklung Jugendliche: mangelnde Empathie  gestörtes Sozialverhalten mangelnde interpersonale Verhandlungsstrategien  Delinquenz, Drogengebrauch, ungeschützter Geschlechtsverkehr Interventionsstudien: Rollenspiele bei delinquenten Jugendlichen zu deren Lebenswirklichkeit förderte Perspektivenübernahme und verminderte antisoziales Verhalten: trainiert wurden offenbar verhaltensnahe Situationen, anstatt allgemeine Theory of Mind Training von Problemlösefähigkeiten  besseres Umgehen mit Schulkonflikten im Übergang zur secondary School.