Familiengerichtliches Verfahren

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Familiengerichtliches Verfahren Vorlesung WS 2014/2015 Vorsitzende Richterin am OLG Gabriele Ey Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

Übersicht Teil 1: Entstehungsgeschichte und Struktur des FamFG Teil 2: Aufbau der Familiengerichtsbarkeit Teil 3: Das Scheidungsverfahren Teil 4: Der Scheidungsverbund Teil 5: Familienstreitsachen Teil 6: FG-Familiensachen Teil 7: Die Beteiligten und die Organe des Verfahrens in FG-Familiensachen Teil 8: Die Rechtsstellung der Beteiligten in FG-Familiensachen Teil 9: Gang des Verfahrens in FG-Familiensachen Teil 10: Das Beweisverfahren in FG-Familiensachen Teil 11: Verfahrensbeendigung in FG-Familiensachen Teil 12: Rechtskraft und Abänderung rechtskräftiger Endentscheidungen Teil 13: Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen Teil 14: Der vorläufige Rechtsschutz in Familiensachen Teil 15: Kosten und Vollstreckung Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

Literatur Gesamtes FamFG Bassenge/Roth, FamFG/RPflG: Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Rechtspflegergesetz. Kommentar, C.F. Müller, 2009 Bork/Jacoby/Schwab, FamFG: Kommentar zum Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Gieseking, 2009 Bumiller/Harders, FamFG, Beck, 10. Aufl. 2011 Haußleiter, FamFG, Beck, 2011 Horndasch/Viefhues, Kommentar zum Familienverfahrensrecht inkl. Betreuungs- und Unterbringungsrecht sowie Nachlass- und Teilungssachen, 3. Aufl., 2014, ZAP-Verlag Keidel/Engelhardt/Sternal, FamFG, Beck, 18. Aufl. 2014 Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, Handkommentar, Nomos, 2. Aufl. 2012 Kroiß/Sailer, FamFG, Kommentiertes Verfahrenshandbuch, Nomos, 2. Aufl. 2013 Prütting/Helms, FamFG: Praxiskommentar zum gesamten FamFG (Bücher 1 bis 9) und zum FamGKG, Otto Schmidt, 3. Aufl. 2013 Schulte-Bunert/Weinreich, Das neue FamFG, Luchterhand, 4. Aufl, 2014 Zimmermann, FamFG: Einführung in das familiengerichtliche Verfahren und die freiwillige Gerichtsbarkeit, 2. Aufl. 2011 Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

Literatur nur Familienverfahrensrecht Fölsch, Das neue FamFG in Familiensachen, DeutscherAnwaltVerlag, 2. Aufl. 2009 Hoppenz, Familiensachen, Beck, 9. Aufl. 2010 Meysen/Balloff/Ernst, Praxiskommentar Familienverfahrensrecht – FamFG , 2. Aufl. 2014, BAnzV Musielak/Borth, Familiengerichtliches Verfahren, 1. und 2. Buch FamFG, Verlag Franz Vahlen, 4. Auflage, 2013 FamGKG Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG, Nomos, 2. Aufl. 2014 Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

Einführung: Entstehungsgeschichte und Struktur des FamFG Teil Einführung: Entstehungsgeschichte und Struktur des FamFG

A. Entstehungsgeschichte des FamFG I. Das FGG und das 6. Buch der ZPO als Vorläuferregelungen des FamFG Familiengerichtliche Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit: FGG Familiengerichtliche Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit: §§ 606 ff. ZPO a.F. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

II. Reformüberlegungen und Gesetzesgeschichte Langjährige Vorarbeiten, Problemkatalog des BMJ v. 2.5.2002 Referentenentwürfe des BMJ v. Juni 2005, Februar 2006 und Juni 2006 Gesetzentwurf der BReg. v. 9.5.2007 Stellungnahme BRat v. 6.7.2007– BR-Drs. 309/07 (Beschluss) Einbringung des Gesetzwurfs mit Gegenäußerung der BReg. v. 7.9.2007 –BT-Drs. 16/6308 Erste Lesung am 11.10.2007 BT-Plenarprot.16/118, 12219-12228 Öffentliche Anhörung am 11./13.2.2008 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses v. 23.6.2008 – BT-Drs. 16/9733 Zweite und dritte Lesung am 27.6.2008 – BT-Plenarprot. 16/173, 18482 Zustimmung des Bundesrats am 19.9.2008 – BR-Plenarprot. Nr. 847, 271 Verkündung des Gesetz am 17.12.2008 Veröffentlichung im BGBl. am 22.12.2008 – BGBl. 2008 I, 2586 Inkrafttreten am 1.9.2009 Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

III. Das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz - FGG-RG) vom 17.12.2008 – BGBl. 2008 I, 2586 Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

1. Ziele des FGG-Reformgesetzes: Schaffung einer modernen einheitlichen Verfahrensordnung für Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) Schaffung eines einheitlichen Gerichtskostenrechts in Familiensachen (FamGKG) Einführung des Großen Familiengerichts und Wegfall der Vormundschaftsgerichte Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

2. Schwerpunkte des FGG-Reformgesetzes Art. 1 FGG-RG: Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) Art. 2 FGG-RG: Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG) Art. 29 FGG-RG: Aufhebung des 6. und 9. Buches der ZPO Art. 62 FamFG: Änderung der HausratsVO Art.112 FGG-RG: Außerkrafttreten des FGG Art. 111 FGG-RG: Übergangsvorschriften Art. 3 bis 28, 30 bis 110 FGG-RGG: zahlreiche materielle und formelle Änderungen (z.B. BGB, HGB, LebenspartnerschaftsG, EGGVG, ZPO, EGZPO, RPflG, BerHG, ZVG, GBO, JGG, BNotO, BeurkG, GKG, JVEG, RVG) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

3. Schwerpunkte des FamFG (Art. 1 FGG-RG) (vgl. BT-Drs. 16/6308 S. 164) Ausbau der bisherigen lückenhaften Regelungen zu einer zusammenhängenden Verfahrensordnung Rechtsstaatliche Ausgestaltung des Verfahrens Koordinierung mit anderen Verfahrensordnungen (Übersichtlichkeit, Rechtssicherheit) Anwenderfreundlicher Gesetzesaufbau, anwenderfreundliche Gesetzessprache Stärkung der konfliktvermeidenden und konfliktlösenden Elemente im familiengerichtlichen Verfahren durch Förderung der gerichtlichen und außergerichtlichen Streitschlichtung für Scheidungsfolgesachen Beschleunigung von Verfahren über das Umgangs- und Sorgerecht durch Einführung von Elementen des sog. Cochemer Modells, Verstärkung der Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte betroffener Kinder durch Präzisierung der Funktion des Verfahrenspflegers (jetzt: Verfahrensbeistandes) Wirkungsvolle Durchsetzung von Entscheidungen und gerichtlich gebilligten Vergleichen über das Umgangsrecht und Entscheidungen zur Kindesherausgabe Einführung eines hauptsacheunabhängigen Rechtsschutzes Zuständigkeit des „Großen Familiengerichts“ insbesondere für alle Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

IV. Änderungen und Ergänzungen des FGG-RG vor dessen Inkrafttreten Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs v. 03.04.2009 (BGBl. 2009 I, 700) Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts v. 06.07.2009 (BGBl. 2009 I, 1696) Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtstelle sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften v. 30.07.2009 (BGBl. 2009 I, 2449) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

V. Weitere wichtige Änderungen des FamFG Gesetz v. 15.3.2012 (BGBl. II S. 178) betreffend das Abkommen v. 4.2.2010 zwischen Deutschland und Frankreich über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft: §§ 261, 264, 269 FamFG Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung v. 21.7.2012 (BGBl. I S. 1577): §§ 23, 36 Abs. 5, 26a, 156 FamFG Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften v. 5.12.2012 (BGBl. I S. 2418); zahlreiche Vorschriften Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern v. 19.4.2013 (BGBl. I S. 795): § 155a FamFG Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters v. 4.7.2013 (BGBl. I S. 2167): § 167a FamFG Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt v. 28.8.2013 (BGBl. I, 3458): § 168a Abs. 1 FamFG Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts v. 31.8.2013 (BGBl. I S. 3533): §§ 77, 168 FamFG Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten v. 10.10.2013 (BGBl. I S. 3786): §§ 14, 14a, 14b FamFG Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner v. 20.6.2014 (BGBl. I S. 786): § 188 Abs. 1 Nr. 1c FamFG Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2012/2013, Gabriele Ey

B. Struktur des FamFG Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

I. Anwendungsbereich des FamFG § 1 FamFG: Dieses Gesetz gilt für das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit sie durch Bundesgesetz den Gerichten zugewiesen sind. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

1. Der Begriff der „Familiensache“ Legaldefinition in § 111 FamFG: Familiensachen sind Ehesachen (§ 121 FamFG) Kindschaftssachen (§ 151 FamFG) Abstammungssachen (169 FamFG) Adoptionssachen (§ 186 FamFG) Ehewohnungs- und Haushaltssachen (§ 200 FamFG) Gewaltschutzsachen (§ 210 FamFG) Versorgungsausgleichssachen (§ 217 FamFG) Unterhaltssachen (§ 231 FamFG) Güterrechtssachen (§ 261 FamFG) Sonstige Familiensachen (§ 266 FamFG) Lebenspartnerschaftssachen (§ 269 FamFG) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

2. Der Begriff „freiwillige Gerichtsbarkeit“ Übersetzung aus dem römischen Recht: jurisdictio voluntaria (Digesten I 16, 2 pr.), betraf u.a. die Tätigkeit des Richters bei der Freilassung von Sklaven Kein materieller Begriff der „freiwilligen Gerichtsbarkeit“ (am ehesten: Rechtsfürsorge, vorsorgende Rechtspflege) Formale Begriffsbestimmung in § 23a Abs. 2 GVG Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

Formale Begriffsbestimmung in § 23a Abs. 2 GVG Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind: Betreuungssachen (§§ 271 ff. FamFG) , Unterbringungssachen (§§ 312 ff. FamFG), betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen (§§ 340 f. FamFG) Nachlass- und Teilungssachen (§§ 342 ff. FamFG) Registersachen (§§ 374, 376 ff. FamFG) Unternehmensrechtliche Verfahren nach § 375 FamFG die weiteren Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 410 FamFG Verfahren in Freiheitsentziehungssachen nach § 415 FamFG Aufgebotsverfahren (§§ 447 ff. FamFG) Grundbuchsachen nach der GBO Verfahren … in Landwirtschaftssachen (§ 1 Nr. 1, 2-6 LwVG) Schiffsregistersachen nach der Schiffsregisterordnung Sonstige Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit sie durch Bundesgesetz den Gerichten zugewiesen sind (z.B. Staatsangehörigkeitsgesetz, Bundespolizeigesetz, Infektionsschutzgesetz, vgl. die durch Art. 3 ff. FGG-RG geänderten Gesetze) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

Angelegenheit muss den Gerichten zugewiesen sein Erläuterung zu § 23a Nr. 11 GVG (sonstige Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) Angelegenheit muss den Gerichten zugewiesen sein Bei Übertragung von Aufgaben an andere Organe der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt das FGG grundsätzlich nicht andere Organe der Freiwilligen Gerichtsbarkeit sind: Notare: Beurkundungswesen (BeurkG, BNotO) Konsuln: Konsulargesetz (z.B. Beurkundung von Erklärungen) Jugendamt (z.B. Errichtung einer Jugendamtsurkunde, § 59 Abs. 1 Nr. 1, 3 SGBVIII) Betreuungsbehörden (z.B. Beglaubigung von Betreuungsverfügungen, § 1901c BGB, § 6 Abs. 2 Betreuungsbehördengesetz) Standesämter (Personenstandsgesetz) Bürgermeister (Beurkundung von Nottestamenten, §§ 2249, 2266 BGB) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

2. durch Bundesgesetz den Gerichten zugewiesen: auch wenn das Bundesgesetz die Länder ermächtigt, die Angelegenheit auf andere Behörden als die Gerichte zu übertragen (Art. 147 EGBGB für die Aufgaben des Betreuungsgerichts und des Nachlassgerichts - Ba-Wü: z.T. den Notariaten übertragen) auch die Unterbringung nach den Landesgesetzen (PsychKG, UnterbrG) ist durch Bundesgesetz (§ 312 Nr. 3 FamFG) den Familiengerichten zugewiesen Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

II. Der Aufbau des FamFG Buch 1: Allgemeiner Teil (§§ 1 – 110) Buch 2: Verfahren in Familiensachen (§§ 111 – 270) Buch 3: Verfahren in Betreuungs- und Unterbringungssachen (§§ 271 – 341) Buch 4: Verfahren in Nachlass- und Teilungssachen (§§ 342 – 373) Buch 5: Verfahren in Registersachen (§§ 374 – 409) Buch 6: Verfahren in weiteren Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 410 – 414) Buch 7: Verfahren in Freiheitsentziehungssachen (§§ 415 – 432) Buch 8: Verfahren in Aufgebotssachen (§§ 433 – 484) Buch 9: Schlussvorschriften Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

III. Das Familienverfahrensrecht Die Regelung findet sich in den ersten beiden Büchern des FamFG mit Verweisen in die ZPO. Die Gestaltung des Verfahrens ist abhängig vom Verfahrensgegenstand. Das Gesetz trifft in §§ 112, 113 FamG eine Grunddifferenzierung der Familiensachen in 1. Ehesachen 2. Familienstreitsachen 3. FG-Familiensachen Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

Anwendbare Normen Ehe- und Familienstreitsachen: FG-Familiensachen: Grundsätzlicher Verweis auf die ZPO (§ 113 Abs. 1 – 3 FamFG) mit zahlreichen Ausnahmen und Besonderheiten für Ehesachen (§ 113 Abs. 4 FamFG) Bei Anwendung der ZPO andere Bezeichnungen (§ 113 Abs. 5 FamFG): Statt Prozess/Rechtsstreit : Verfahren Statt Klage: Antrag Statt Kläger/Beklagter: Antragsteller/Antragsgegner statt Partei: Beteiligter FG-Familiensachen: Geltung des 1. Buchs (Allgemeiner Teil), soweit in den einzelnen Abschnitten des 2. Buchs keine spezielleren Regelungen enthalten sind Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

Aufbau der Familiengerichtsbarkeit Teil 2 Aufbau der Familiengerichtsbarkeit

A. Gerichtsbarkeiten Verfassungsgerichtsbarkeit Ordentliche Gerichtsbarkeit Besondere Gerichtsbarkeit , § 111. Zivilsachen Strafsachen Arbeitsgerichtsbarkeit Finanzgerichtsbarkeit Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten Familiensachen Freiwillige Gerichtsbarkeit. Sozialgerichtsbarkeit Verwaltungsgerichtsbarkeit Ehe-sachen Familienstreit-sachen Sonstige Familiensachen solche nach § 23a II GVG Weitere auf Grund von Verweisungen in anderen Gesetzen Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2013/2014, Gabriele Ey

B. Die Gerichtsverfassung Regelung für die ordentliche Gerichtsbarkeit im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), ferner im Deutschen Richtergesetz (DRiG), Rechtspflegergesetz (RPflG), Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sowie Einzelvorschriften Für die anderen Zweige der Gerichtsbarkeit gelten besondere Gesetze (mit Verweis auf GVG) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2012/2013, Gabriele Ey

C. Das GVG Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2012/2013, Gabriele Ey

I. Einführung der Familiengerichte Einführung der Familiengerichte durch das EheRG zum 1.7.1977 Gründe: Beseitigung der Zersplitterung der verschiedenen Zuständigkeiten Schaffung des Scheidungsverbunds als Kompensation der Scheidungserleichterung durch Einführung des Zerrüttungsprinzips Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2013/2014, Gabriele Ey

2. Rechtsgrundlagen § 23a GVG: Abs. 1: Die Amtsgerichte sind ferner zuständig für Familiensachen; … Die Zuständigkeit nach Satz 1 Nummer 1 ist eine ausschließliche. § 23b GVG: Abs. 1: Bei den Amtsgerichten werden Abteilungen für Familiensachen (Familiengerichte) gebildet. Abs. 3: Die Abteilungen für Familiensachen werden mit Familienrichtern besetzt. Ein Richter auf Probe darf im ersten Jahr nach seiner Ernennung Geschäfte des Familienrichters nicht wahrnehmen. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

§ 23 a GVG regelt also die ausschließliche Zuständigkeit der Amtsgerichte § 23 b GVG regelt die funktionale Zuständigkeit der Familienabteilung (Fall der gesetzlich geregelten Geschäftsverteilung) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

II. Änderung des GVG zum 1.9.2009 Änderung des § 12 GVG Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2013/2014, Gabriele Ey

§ 12 [Ordentliche Gerichtsbarkeit] (gültig bis 31.08.2009) Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit wird durch Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte und durch den Bundesgerichtshof (den obersten Gerichtshof des Bundes für das Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit) ausgeübt. § 12 [Ordentliche Gerichtsbarkeit] (gültig ab 01.09.2009) Die ordentliche Gerichtsbarkeit wird durch Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte und durch den Bundesgerichtshof (den obersten Gerichtshof des Bundes für das Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit) ausgeübt. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2013/2014, Gabriele Ey

§ 13 [Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte] (gültig bis 31.08.2009) Vor die ordentlichen Gerichte gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. § 13 [Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte] (gültig ab 01.09.2009) Vor die ordentlichen Gerichte gehören die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2013/2014, Gabriele Ey

III. Bedeutung der Änderung des GVG zum 1.9.2009 Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit werden jetzt als Zivilsachen eingeordnet Das GVG ist unmittelbare anwendbar, während dies vorher nur durch zahlreiche Verweisungen vom FGG ins GVG der Fall war Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2013/2014, Gabriele Ey