Komplexe Traumafolgestörungen – Vom Erkennen zum Handeln

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 Präsentation transkript:

Komplexe Traumafolgestörungen – Vom Erkennen zum Handeln Trier, den 11. Juni 2014 Referentin: Dr. med. Brigitte Bosse

Häufigkeit einer PTSD Abhängigkeit von der Art der Traumatisierung: • 10% nach schweren Organerkrankungen (HI/CA) • 10% Verkehrsunfall • 25% Gewaltverbrechen • 50% Krieg, Vertreibung, Folter • Über 50% nach Vergewaltigung

Entwicklung einer PTSD Patho-Physiologie während einer Traumatisierung: • Ein Trauma ist ein extrem stressreiches äußeres Ereignis, das den Betroffenen überwältigt. • normale Abwehmechanismen funktionieren in der Regel nicht mehr • no fight • no flight  freeze or fragment

Entwicklung einer PTSD Freeze or Fragment – Handlung ist unmöglich: • Der Organismus distanziert sich vom äußeren Geschehen (= Dissoziation)‏ • Endorphinausschüttung führt zu einer „Betäubung“ • Die Erinnerung wird fragmentiert • Geordnete Gedächtnisverarbeitung ist nicht möglich

Entwicklung einer PTSD Gedächtnissystem der Stressverarbeitung Hippocampus - Archiv des Gedächtnisses Biografisch Episodisch narrativ Amygdala - „Feuerwehr“ und Notsystem extreme Reize sind der normalen Verarbeitung entzogen Erinnerung ist fragmentiert, leicht zu „triggern“ gestörte Überleitung zur Großhirnrinde - Sprachzentren blockiert

Dissoziative Identitätsstörung Strukturelle Dissoziation nach Nijenhuis Primäre strukturelle Dissoziation 1ANP, 1 EP PTSD Sekundäre strukturelle Dissoziation 1 ANP, mehrere Eps → komplexe PTSD, DDNos Tertiäre strukturelle Dissoziation mehrere ANPs, mehrere Eps → DID

Entwicklung einer DID • bis zu 1% der Bevölkerung • Häufigkeit: • bis zu 1% der Bevölkerung • bis zu 5% bei stationären psychiatrischen Patienten • bis zu 7% der Borderline-Patienten • Ätiologie: • schwere frühkindliche Gewalterfahrungen • extreme sadistische Gewalt • „verraten und verkauft“ – Betrayal-Trauma Fehlen einer guten Bindungsperson

Dissoziative Identitätsstörung Negative Symptome der Dissoziation Psychisch Amnesie Depersionalisation Emotionale Betäubung Somatisch Schmerzlosigkeit Sensorische Wahrnehmungsverluste Motorischer Funktionsausfall

Dissoziative Identitätsstörung Positive Symptome der Dissoziation Psychisch Stimmen hören Plötzlich auftretende Emotionen Intrusionen, Flashbacks Somatisch „Körpererinnerungen“ mit plötzlich auftretenden Körperempfindungen und Schmerzen; körperliches Wiedererleben des Traumas

Dissoziative Identitätsstörung Nach dissoziativen Symptomen muss gefragt werden! Insbesondere nach: Zeitverlusten Wechselnden Fähigkeiten Wechselnde Vorlieben

Dissoziative Identitätsstörung Erkennen von DID: SDQ 5 Schmerzen beim Urinieren Der Körper oder Teile davon sind schmerzunempfindlich Verändertes Sehvermögen (Tunnelblick) Gefühl als sei der Körper oder ein Teil davon verschwunden Kann nicht mehr sprechen/nur flüstern

Soziale Implikationen Für die Betroffenen: Das Leben in zwei „Welten“ Brüche in der Schul- und Berufslaufbahn Schwierigkeiten, Vertrauen zu fassen Einschränkungen in der Lebensperspektive Unfähigkeit/Verbot, Hilfe anzunehmen

Soziale Implikationen Für die Helfenden: Veränderung des Weltbildes Gefühl der eigenen Bedrohung Gefühl der Überforderung Gefühl der Hilflosigkeit Burn-Out

Medizinische Implikationen Für die Betroffenen Somatische Erkrankungen werden sowohl über- als auch unterschätzt Unterschiedliche Innenpersonen können unterschiedliche Krankheiten aufweisen Störungen der Stressachse führen zu Störungen im Immunsystem

Medizinische Implikationen Für die Behandelnden „Launenhaftigkeit“ der PatientIn Unzuverlässigkeit der Aussage Widersprechende Untersuchungsergebnisse und Laborwerte Unerwartete Reaktionen auf körperliche Berührung und Untersuchung Überforderung bei vollständiger Dissoziation

Juristische Implikationen In der Regel hängt die Entstehung einer DID mit kriminellen Handlungen zusammen Juristische Verfolgung solcher Straftaten ist kaum möglich Langjährige Therapie ist die Voraussetzung für eine hinreichende Stabilität; die Glaubwürdigkeit der Opfer wird nach langjähriger Therapie aber meist angezweifelt

Therapie Keine erfolgreiche Therapie ohne eine sorgfältige Diagnose und eine traumaspezifische Ausbildung Therapiedauer im Umfang einer analytischen Behandlung Die therapeutische Beziehung als Beispiel einer guten Bindungserfahrung Erstes Therapieziel ist die Stabilität im Alltag – lange Phase der Psychoedukation, Stabilisierung und Traumadistanzierung; Ggf. Intermitierende stationäre Behandlung

Therapie BASK-Modell

Therapie Therapieziel: gelungene Innenkommunikation oder Fusion → gute Alltagsstruktur, Genussfähigkeit, Liebesfähigkeit, Arbeitsfähigkeit